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Georg Hirsch

Smoking Fetish

Die Versuchungen des braven Franz Lis(z)t

agenda

Georg Hirsch

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Die Versuchungen des braven Franz Lis(z)t

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Personen und Handlung dieses Romans sind frei erfunden. Namen, Charaktere, Orte, Ereignisse, Firmen und Organisationen sind erfunden oder werden fiktiv gebraucht. Jegliche Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen und realen Handlungen sind rein zufällig.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar

© 2011 agenda Verlag GmbH & Co. KG

Coverbilder:

Layout, Satz und Umschlaggestaltung:

Inhalt

1. Vernebelte Sinne

Franz List hatte sich eine Statistik zurechtgelegt: Von zehn Frauen, die er ansprach, ließ ihn im Schnitt nur eine direkt abblitzen; so viel Geschick hatte er mit fast 31 Jahren schon erworben. Drei bis vier gaben ihm auf höfliche Weise zu verstehen, dass sie kein Interesse hatten, vier bis fünf gewährten ihm einen Small Talk, und eine gab ihm ihre Telefonnummer. Von zehn Frauen, die ihm ihre Telefonnummer gaben, hörte er im Durchschnitt von zweien wieder, und eine davon erweiterte schließlich seinen Freundeskreis. Von zehn Frauen, die seinen Freundeskreis erweiterten, war etwa eine so vielversprechend, dass Franz von einer Liebschaft oder gar von der großen Liebe träumen durfte. Der große Wurf aber war bisher eben nur das – ein Traum.

An diesem Sommermorgen hatte Franz Grund zur Aufregung. Er war auf dem Weg zur U-Bahnstation, und da gab es immer Chancen, die Statistik zu verbessern. Die Sonne entfaltete bereits ihre Kraft, und so durfte Franz mit einer Auswahl an hübschen und leichtbekleideten Frauen rechnen. Da machte es besonders viel Spaß, Gespräche anzufangen. Franz war aber noch aus einem anderen Grund aufgeregt. Er hatte einen Arbeitsauftrag, für den er sich viel vorgenommen hatte. Es handelte sich um ein Radiointerview mit einer vierzehnjährigen Pianistin.

Der Privatsender, für den Franz arbeitete, spielte hauptsächlich Popmusik, aber im Jahre 1990 befand sich der deutsche Privatfunk noch im Pionierstadium, und die Programm-Macher waren offen für Experimente. So gab es also auch in diesem Sender Plätze für klassische Musik, und Franz hatte ein Studium der Musikwissenschaften absolviert, bevor es ihn zum Journalismus zog. Die junge Pianistin war als kleines Kind mit ihren Eltern aus Japan immigriert und hatte in letzter Zeit zwei wichtige Talentwettbewerbe gewonnen. Gerade hatte die berühmte Juilliard School in New York sie als Jungstudentin angenommen, und heute Abend sollte sie im Rahmen eines Musikfestivals ein Solo-Konzert geben.

Die Kunst bestand für Franz darin, das junge Mädchen locker zu interviewen, quasi wie ein Mädchen von nebenan. Das kam beim Publikum am besten an; jedenfalls war das die Meinung des Programmdirektors. Andererseits wollte Franz auch nicht wie ein Laie dastehen, der nur Allerweltsfragen stellen konnte. Die junge Pianistin sollte ihn als Musikkenner ernst nehmen. Aber auch gegenüber dem Sender musste Franz überzeugend auftreten. Als er sich dort vor ein paar Monaten vorgestellt und seine Dienste als freier Mitarbeiter angeboten hatte, war ihm einige Skepsis entgegengeschlagen. Die meisten der jüngeren Kollgen waren ‘hip’ – sie trugen lange Haare, pflegten lockere Umgangsformen und konnten die Rock- und Popcharts herunterbeten. Fast alle waren liiert, und Franz war single. Außerdem war er sofort als etwas linkisch und mitunter kompliziert aufgefallen. Und so hielten sie Franz für ein skuriles Kerlchen. Aber die älteren Kollegen mit Entscheidungsgewalt fanden den bebrillten Franz mit seinem Milchgesicht gerade richtig als Vorzeige-Intellektuellen für den Privatfunk. Bei den Jüngeren fand er schließlich Akzeptanz, weil er immer gute Tipps für Konzerte der Klassik auf Lager hatte. Wer seine Liebste mit einem romantischen Abend in gehobenem Ambiente überraschen wollte, holte sich Rat bei Franz. Und nun wollte er die neu gewonnene Anerkennung ausbauen.

Franz wusste nicht, wie viel Lampenfieber die junge Japanerin vor ihrem Konzert hatte, aber er selbst fieberte der Begegnung mit ihr entgegen. Er hatte auch ein Pressefoto von dem begabten Mädchen gesehen und fand sie extrem attraktiv. Natürlich kam es für Franz nicht in Frage, ihr zu nahe zu treten. Das wäre unprofessionell gewesen. Aber es machte eben doch einen Unterschied für ihn und bestärkte seinen Wunsch, die Sache diesmal besonders überzeugend hinzubekommen. Das Interview fand im Sender statt. Um eine vorteilhafte Erscheinung sicherzustellen, hatte er vor dem Interview noch einen Termin beim Frisör vereinbart, der gleich bei der U-Bahnstation seinen Laden hatte. Franz hatte großzügig geplant. Das Interview war auf 11 Uhr angesetzt, und mit Gundula, bei der er sich immer gerne die Haare schneiden ließ, hatte er einen Termin um 9 Uhr vereinbart.

Leider traf er Gundula nicht an. Eine Dame an der Rezeption sagte, dass Gundula krank geworden sei und dass stattdessen Susanne einspringen könne. Die war allerdings gerade draußen und machte eine Zigarettenpause. Franz kannte Susanne vom Sehen her und hatte es bisher immer vermeiden können, sie an seine Haare zu lassen. ‘Die hat es gerade nötig zu rauchen’, dachte Franz. ‘Das Geld sollte sie lieber in ein Fahrrad investieren und sich ein paar Pfunde abstrampeln, aber unter der bricht ja jedes Fahrrad zusammen.’ Franz reagierte seine Enttäuschung mit gehässigen Gedanken ab, blieb aber nach außen hin gefasst:

“Ach, das tut mir ja leid für die Gundula, aber dann geht es natürlich gerne auch mit der Susanne. Kommt sie denn gleich? Ich habe nämlich noch einen wichtigen Termin.”

Als Susanne gegen 9 Uhr 10 ans Werk ging, roch ihre Kleidung stark nach Rauch, ein Umstand, den Franz mit großem Missfallen zur Kenntnis nahm. Denn der Geruch würde sich gewiss auch auf seine eigenen Sachen übertragen, und das Letzte, wofür er von der Japanerin gehalten werden wollte, war ein Raucher.

Vom Frisörsalon zur U-Bahnstation waren es üblicherweise nur zwei Minuten, und so hatte Franz immer noch reichlich Zeit – das dachte er jedenfalls. Doch auf dem kleinen Abschnitt des Bürgersteigs, der Franz noch von der Haltestelle trennte, stauten sich die Menschenmassen. Ein Hydrant war aufgegangen, und die Feuerwehr musste einen Teil des Bürgersteigs absperren. Also schob sich Franz tapfer ins Gedränge und landete prompt hinter einem Mann, dessen abgewetzte Kleidung, strähnige Haare und zerzauster Bart darauf hindeuteten, dass er obdachlos war. Und ausgerechnet dieser Mann schlurfte, noch etwas langsamer als der Rest der Masse, genau vor Franz her, so dass Franz ihm fast auf die Hacken getreten wäre.

Aufgrund der dichten Menschenmenge gelang es Franz nicht, den Mann zu überholen, der mehrere Züge von seiner Zigarette nahm, jedes Mal dicke Rauchschwaden ausstieß und beständig hustete. Franz haderte mit dem Schicksal: ‘Wäre Gundula nicht krank gewesen, dann würde ich nicht nur besser riechen, sondern ich hätte meinen Haarschnitt auch pünktlich bekommen. Und dann hätte ich jetzt nicht diesen Penner vor mir.’ Für Franz war der ‘Penner’ ein lebender Beweis für die Fatalität des Rauchens. Es war schon sehr ärgerlich, dass Franz nicht nur von einer Menschenmenge aufgehalten wurde, sondern auch noch gezwungen war, mehrere Minuten lang passiv zu rauchen.

In der U-Bahn setzte sich die Pechsträhne fort. Diesmal konnte Franz keine hübsche Dame zum Ansprechen sichten, obwohl die Bahn brechend voll war. Franz musste stehen. Nur in einer Vierergruppe von Sitzen am Ende des Wagens, da räkelte sich ein Punker auf einem Sitz, hatte eine Umhängetasche neben sich geparkt und seine großen schmutzigen Galoschen auf den Sitz ihm gegenüber gelegt. Der vierte Sitz war noch frei, aber auf den konnte Franz gut verzichten. Offensichtlich wollte keiner der Fahrgäste etwas mit dem Punker zu tun haben. Also sprach ihn auch niemand an, um ihn etwa darum zu bitten, wenigstens die Tasche beiseite zu nehmen. Doch der Tiefpunkt kam noch, als nämlich der junge Mann mit dem farbigen Haar sich ebenso gelangweilt wie routiniert eine Zigarette drehte, sie lässig ansteckte und nach dem ersten Zug provokativ in die Runde blickte. Natürlich wusste er, dass er etwas Verbotenes tat, aber genau das machte sicher den Reiz für ihn aus. Er ahnte schon, dass niemand die Konfrontation mit ihm wagen würde. In Franz brodelte es. Aber auch er wollte kein blaues Auge riskieren, und schon gar nicht vor einem wichtigen Interview. Also schluckte er seine Wut hinunter und schob sich mühselig durch den vollen Wagen, um so weit wie möglich von dem Punker wegzukommen.

Als die U-Bahnfahrt endlich vorbei war, fand Franz es schwierig, positiv zu denken und sich auf das Bevorstehende zu konzentrieren. Immerhin hatte er noch eine gute halbe Stunde bis zum Interviewtermin, und er war fast beim Sender angekommen. Allerdings musste er vor dem Interview noch bei der Technik-Abteilung vorbeischauen, um ein Tonbandgerät abzuholen, und dann musste sichergestellt sein, dass der Aufnahmeraum mit dem Flügel auch wirklich frei war. Denn es war verabredet worden, dass die junge Pianistin ein kurzes Stück vorspielen würde. Franz wollte auch nicht auf den letzten Drücker kommen. Eine halbe Stunde gab ihm eigentlich mehr als genug Zeit, doch schon sah sich Franz einer neuen Prüfung ausgesetzt. Er bewegte sich gerade auf den Haupteingang des Senders zu, als ihm auf dem Bürgersteig eine schlanke junge Frau mit langen blonden Haaren entgegenkam.

Die Frau zog so intensiv an ihrer Zigarette, dass sie dabei die Wangen tief einsog. Bevor sie exhalierte, schien sie Franz kurz zu mustern. Franz glaubte, etwas Schnippisches in ihren Gesichtszügen zu entdecken. Und gerade als er vor dem Betreten des Gebäudes noch einmal tief Luft holen wollte, da kam sie an ihm vorbei und blies eine dicke Wolke aus, die Franz genau ins Gesicht flog. Nun gab es kein Halten mehr. Franz drehte auf dem Absatz um und folgte der Frau, wobei seine Augen abwechselnd auf ihrem Gesäß hafteten, das von einem schwarzen Ledermini bedeckt war, und ihren Kniekehlen und Waden, die zwischen dem Minirock und den schwarzen Stiefeletten sichbar waren und entweder braungebrannt oder von einer Nylonstrumpfhose bedeckt waren. So genau konnte Franz das nicht erkennen, weil er zunächst vier bis fünf Meter Abstand hielt. Erfahrungsgemäß gab ihm bei Windstille ein Abstand von vier bis fünf Metern hinter zügig gehenden Frauen das perfekte Timing, um beim Einatmen immer ein Maximum an Rauch abzubekommen.

Dann fasste sich Franz ein Herz, holte die Frau ein und sprach sie an:

“Du, ‘tschuldigung, du ...” – keine Reaktion. Franz versuchte es noch einmal: “Äh, entschuldigen Sie bitte – ich habe eine Frage.”

Und tatsächlich drehte sich nun der Kopf der Frau zu Franz, und sie sah ihn fragend an.

“Könnten Sie mir einmal sagen, welche Marke Sie rauchen? Ich schwöre Ihnen, ich bin Nichtraucher, aber so etwas Interessantes habe ich noch nie gerochen!”

Das Herz schlug ihm bis zum Hals, aber er war nun bereit, eine giftige Abfuhr zu riskieren. Der Blick der Frau zeigte eine Mischung aus Verwunderung und Belustigung. Also fuhr Franz klopfenden Herzens fort:

“Ich finde, Sie sehen unglaublich gesund aus, und ich weiß, alle Leute sagen, dass Rauchen ganz schlecht ist, aber diese Propaganda nervt Sie bestimmt, und Sie wissen vielleicht auch, was man alles Gutes zum Rauchen sagen kann.”

Jetzt sah die Frau amüsiert aus, und sie verlangsamte ihren Schritt. Da fiel Franz plötzlich ein, dass er noch eine Tafel seiner Lieblings-Schokolade dabei hatte. Die kramte er also mit zittrigen Fingern hervor und schlug der Frau einen Tausch vor:

“Mögen Sie Rittersport Knusperkeks? Ich gebe Ihnen eine ganze, völlig ungebrauchte Tafel, wenn ich nur mal einen Zug von Ihrer Zigarette probieren darf. Ich habe auch keine ansteckenden Krankheiten! Und außerdem kaufe ich Ihnen gleich eine ganze Schachtel Ihrer Marke.”

“Hmmm ...” – Die Frau lächelte verschmitzt und hielt nun an, weil da gerade ein Kiosk war. “Das Angebot kann ich nicht ausschlagen! Deine Schokolade kannst du behalten. Ich achte nämlich auf meine Linie, und als Raucherin habe ich zum Glück keinen Appetit auf Süßes! Aber die Zigaretten nehme ich.”

“Was für eine Marke rauchen Sie denn – oder darf ich auch ‘du’ sagen?”

“Ich heiße Saskia, und ich rauche John Players. Und wie heißt du?”

Franz hatte Feuer gefangen. Er reichte ihr die Hand und stellte sich vor:

“Franz List ohne ‘z’.”

“Ach, wie schreibst du denn Franz, mit ‘ts’?”

“Nein, mein Nachname”, erwiderte Franz noch, beschloss aber, das Thema nicht zu vertiefen. Er ahnte, dass die Frau noch nie etwas von Franz Liszt, dem größten Klaviervirtuosen des 19. Jahrhunderts, gehört hatte und kaufte schnell eine Packung John Players, die er ihr aushändigte. Sie nahm die Packung an und hielt Franz, wie versprochen, ihre brennende Zigarette entgegen. Mit schwitzenden Händen nahm er sie an, genehmigte sich einen tiefen Zug und fing noch mehr an zu schwitzen. Fast hätte er Saskia ins Gesicht gerülpst, konnte den Drang aber gerade noch unterdrücken und nahm mutig einen zweiten Zug. Mühsam überwand er nun einen starken Hustenreiz und sagte, dass dies eine ganz tolle Entdeckung sei. Dann gab er Saskia die Zigarette zurück, die fast aufgeraucht war. Und die beiden kamen ins Gespräch.

“Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass ich eine Zigarette mögen würde, aber jetzt hätte ich eigentlich Lust mal eine ganze zu probieren. Aber vielleicht sollte ich doch lieber vernünftig sein ...”

“Du kannst gerne eine haben. Du hast mir doch gerade eine ganze Packung gekauft.”

“Aber nur, wenn du eine mit mir rauchst. Alleine macht mir das glaube ich nicht so viel Spaß, und dann kannst du mir noch zeigen, wie man die Hand beim Rauchen hält, ohne wie ein Clown auszusehen, und wie man richtig zieht und so. Tut mir leid, dass ich von so etwas gar keine Ahnung habe.”

“OK”, sagte Saskia, “aber ich muss jetzt in den Laden hier, da arbeite ich, und die machen gleich auf. Drinnen können wir gerne noch eine zusammen rauchen.”

In dem Modegeschäft sah Franz ein Schild “Bitte nicht rauchen” und schaute etwas unschlüssig dorthin. Saskia lachte nur und sagte, die ersten Kunden kämen sowieso meistens später, und man müsse das alles nicht so eng sehen. Sie setzte sich auf einen Sessel, legte ihre Füße auf einen anderen Sessel und gab Franz ein Zeichen, neben ihr Platz zu nehmen. Dann zündete sie zuerst eine John Players an, anschließend mit der ersten noch eine zweite, und die gab sie Franz.

“Wie kommt es, dass du noch nie geraucht hast? Kommst du aus der DDR?”

“Ja, genau, ich bin ein Ossie, und ich komme aus der DDR! Das heißt, eigentlich nicht ganz genau aus der DDR, aber ich habe als Kind immerhin in Aachen gewohnt, bevor ich nach Hamburg gezogen bin.”

Saskia gab Franz einen leichten Klaps ans Hosenbein. “Na, wirst schon ganz schwindlig vom Rauchen, was? Dann pass mal auf, dass du nachher wieder zurück nach Hause findest. Aber rauchen macht doch Spaß, oder?”

“Um ehrlich zu sein, das macht einen tierischen Spaß, auch das Schwindelgefühl. Aber sag’ mal ganz ehrlich, Saskia, hast du gar keine Angst vor den gesundheitlichen Folgen des Rauchens? Was machst du, um gesund und fit zu bleiben?”

“Ach, das ganze Leben ist gefährlich! Man lebt nur einmal. Außerdem esse ich nichts Süßes, ich mach’ Aerobics, und ich trinke viel Milch. Das entschlackt den Körper!”

Nachdem Saskia ihre Zigarette genüsslich und mit ganz ruhigen und tiefen Zügen aufgeraucht hatte, und Franz seine mit etwa doppelt so vielen hastigen Zügen, knuffte Saskia Franz leicht in die Seite:

“Du, es war toll, dich kennenzulernen. Ich muss jetzt aber loslegen, und mein Freund kommt auch gleich. Dem gehört der Laden! Hier, nimm noch ein paar Zigaretten. Ciao, und vielen Dank nochmal für die Packung!”

Franz wäre fast lang hingeschlagen, als er wieder aufstand. ‘Oh je’, dachte er noch, ‘wenn jetzt Saskias Typ schon hier wäre, dann könnte er mich ganz leicht aufmischen, ich kann ja kaum laufen!’ So schwindlig war es Franz. Die ersten Schritte aus dem Laden waren auch ziemlich staksig, aber dann ging es zum Glück wieder. Franz stopfte sich noch einen Riegel Rittersport in den Mund, um den Geschmack der Zigarette loszuwerden, und schaute auf seine Uhr.

Schockschwerenot – es war jetzt fünf Minuten vor elf! ‘Gut, dass ich Nichtraucher bin und regelmäßig jogge’, dachte Franz und lief so schnell er konnte zurück zum Sender. Völlig verschwitzt und außer Atem kam er um Schlag 11 beim Empfang des Radiosenders an, wo schon die junge Japanerin und ihr Vater warteten.

“Ich bitte tausendmal um Entschuldigung”, begann Franz und wollte auf den starken Verkehr hinweisen, aber Herr Hashimoto streckte ihm schon mit einem Lächeln die Hand entgegen und stellte sich und seine zierliche Tochter Tazuko vor. Tazuko begrüßte Franz mit einem Knicks. Herr Hashimoto bedankte sich für die Interviewgelegenheit, und Franz stellte sich ebenfalls vor: Franz List ohne ‘z’. Diesmal brachte die Vorstellung ein Lächeln auf die Gesichter seiner beiden Gegenüber.

Franz musterte Tazuko verstohlen. Sie sah nicht schlechter aus als die sehr attraktive Saskia, aber sie wirkte viel kindlicher. Das lag nicht nur am Altersunterschied, den Franz auf zehn Jahre schätzte, sondern auch an Tazukos Benehmen. Der Knicks, das schüchterne Lächeln und die Anwesenheit des Vaters ließen sie wie eine gut behütete Knospe erscheinen. Außerdem zeigte ihre schlichte Kleidung nur wenig Haut, und sie trug, im Gegensatz zu Saskia, kein Makeup. Sicher musste Tazuko vieles entbehren, was ihre Altersgenossinnen gerade auszukosten begannen, denn ohne harte Arbeit und eiserne Disziplin war es kaum möglich, sich eine Pianistenkarriere aufzubauen. Andererseits würde Tazuko ihre natürliche Schönheit verkaufen müssen, denn auch im Geschäft der klassischen Musik hatten sich die Maßstäbe in den letzten Jahrzehnten erheblich verschoben. Franz huschte die Treppe hinauf, um sich in der Technik-Abteilung ein Aufnahmegerät abzuholen.

Franz rechnete damit, dass das Interview in Anwesenheit von Herrn Hashimoto stattfinden würde und war etwas überrascht, dass der es vorzog, während der Interviewzeit in der Nähe des Senders einen Kaffee zu trinken. Und so suchte Franz mit Tazuko den Aufnahmeraum mit dem Flügel auf. Sie sollte ja nicht nur interviewt werden, sondern auch ein Stück ihrer Wahl als Vorgeschmack auf das Konzert spielen. Das Ganze sollte dann zu einem Radiobeitrag von sage und schreibe einer Minute und 30 Sekunden führen – einschließlich Interviewausschnitten, Zwischentexten des Autors und kurzen Musikschnipseln. Vielleicht war das der Nachteil, wenn man Klassikbeiträge für einen Popsender machte. Andererseits galt Franz beim Sender als der konkurrenzlose Klassikexperte und hatte fast Narrenfreiheit, solange er nicht über ‘synkopierte Triolen’ und dergleichen sprach, sondern die Klassik ‘volksnah’ verkaufte. Weil auch die Musikabschnitte so kurz waren, bedurfte es keiner raffinierten Mikrofonanordnung für Tazukos Klaviervorspiel. Das portable Aufnahmegerät reichte aus.

Franz hatte sich seine Fragen gut überlegt. Er würde Tazuko nach ihrem Werdegang und ihren Zukunftsplänen befragen, ob sie manchmal Dinge versäumen musste, die andere in ihrem Alter genießen konnten, und welche Hobbies sie hatte. Da es sich um einen Popsender mit Massenpublikum handelte, konnte auch die Frage nicht ausbleiben, wer Fußballweltmeister werden würde – die WM in Italien ging aufs Ende zu, und Deutschland war immer noch im Rennen. Weil Franz aber Musik studiert hatte, sah er sich auch in der Lage, der jungen Pianistin eine Freude zu machen und neben vielerlei abgedroschenen Fragen auch ein paar substantielle zur Musik selbst zu stellen. Da boten sich Fragen zu dem Stück an, das Tazuko im Studio spielen würde. Er wusste zwar noch nicht, was sich Tazuko ausgesucht hatte, aber Franz spielte selbst Klavier und kannte das Repertoire so gut, dass er sich zutraute, zu den meisten Werken auch ein paar Fragen aus dem Stegreif stellen zu können.

Das Studio war auch im Anschluss an den Interviewtermin noch frei, und eigentlich konnte nicht mehr viel schiefgehen. Nur ein ganz kleiner Störfaktor existierte in seinem Kopf: Immer wieder kam ihm die Begegnung mit Saskia in den Sinn. Die schien so cool und abgebrüht, und Tazuko so sanft und arglos. Ob Ruhm und Geld Tazuko eines Tages verändern würden? Waren Stars nicht den Verlockungen eines exzessiven Lebens ausgesetzt? Über solche Fragen wollte Franz mit einer Vierzehnjährigen nicht sprechen. Außerdem war Tazuko trotz vielversprechendem Anfang noch einige Jahre vom Sprung ins Rampenlicht entfernt. Allerdings hatte sie wohl das Zeug dazu, innerhalb kürzester Zeit zu einer populären Piano-Lolita aufzusteigen, die das Cover von Massenzeitschriften bedeckte und damit auch als Botin der klassischen Musik an das ‘gemeine Volk’ verkauft werden konnte. Dafür musste sie aber noch um einiges ungehemmter werden, dachte Franz.

Tazuko trat freundlich und bescheiden auf und bot Franz auf dem Weg zum Studio sofort an, die Umhängetasche mit dem Aufnahmegerät zu tragen. Aber Franz lehnte höflich ab. Außerdem trug Tazuko ihrerseits eine kleine Handtasche bei sich. Diese öffnete sie, als die beiden Platz genommen hatten, um ein Taschentuch herauszuholen. Franz war gerade dabei, eine Kassette ins Aufnahmegerät zu legen, doch sein Blick fiel unwillkürlich auf das Innere der Handtasche. Das war bei Franz ein pawlowscher Reflex, denn jedes Mal, wenn eine schöne Frau in seiner Gegenwart ihre Handtasche öffnete, musste er schnell hineinlugen um zu sehen, ob sich darin vielleicht eine Packung Zigaretten befand – im Falle von Tazuko natürlich ein ganz unsinniger Gedanke!

Oder? Franz glaubte seinen Augen nicht zu trauen. Unter der Packung von Tempotaschentüchern kam etwas Rot-Weißes zum Vorschein, das Franz gerade noch als eine Schachtel Marlboro Red ausmachen konnte, bevor sich die Handtasche wieder schloss. Das Herz von Franz raste. Hatte er dieses Mädchen völlig falsch eingeschätzt? Franz versuchte die ablenkenden Gedanken zu unterdrücken und tat, was er immer vor einem Interview tun musste: Er checkte den Soundpegel. Also ließ er das Band für einige Sekunden auf ‘Aufnahme’ laufen, um den leeren Vorlauf zu vermeiden, dann drückte er die Pausentaste, denn für den Soundcheck brauchte man kein Band zu vergeuden. Nachdem Tazuko ihm ein paar Mal “einszwei-drei-vier” aufs Mikrofon gesprochen hatte, begann Franz mit seinen Fragen.

Nach 15 Minuten war er mit seinen Fragen schon durch, außer denen zum Klavierstück, das Tazuko ja noch spielen sollte. Alles war bis dahin prima gelaufen. Tazuko wirkte entspannt und beantwortete alle Fragen eloquent, ohne dabei auszuschweifen. Besonders angetan war Franz davon, dass seine Interviewpartnerin als Kind neben dem Klavierspiel auch acht Jahre lang Leistungsturnen betrieben hatte. ‘Daher der tolle Körper und die geschmeidigen Bewegungen’, dachte er gleich und fühlte sich zu ein paar spontanen Zusatzfragen animiert.

“Wenn man so viel leistet wie du, dann muss man ja sicher auch sehr gesund leben?”

“Ja natürlich”, sagte Tazuko mit einem Lächeln. “Ich gehe immer noch jeden Tag joggen oder schwimmen, und ich passe genau auf meine Ernährung auf.”

“Kommen Sport treiben und gesunde Ernährung eigentlich auch bei den anderen in deinem Alter als ‘cool’ an, oder haben die ganz andere Werte?”

Tazuko lachte nun hell auf: “Mit dem Sport, das geht ganz toll. Ich habe eine gute Freundin, mit der ich immer zusammen joggen gehe, und zum Schwimmen kommt die auch manchmal mit. Und mit der Ernährung, das weiß ich nicht, ob das cool ist, aber es kommt ja auch gar nicht darauf an, immer cool zu sein. Man muss einfach man selbst sein und das tun, was einen weiterbringt, und sich nicht so vom Urteil anderer abhängig machen.”

“Da gebe ich dir ganz Recht. Aber ich denke da auch noch an was ganz anderes. Hmm ... Also zum Beispiel, viele deiner Altersgenossen, auch die Mädchen, finden es in deinem Alter bestimmt cool zu rauchen. Was bedeutet dir das eigentlich?”

Während Franz dies sagte, wandte sich sein Blick leicht in Richtung der Handtasche von Tazuko, der diese kleine Kopfdrehung nicht entging. Und das Gesicht von Tazuko wurde plötzlich ernst. Einen Moment herrschte Schweigen, und Franz stieg die Schamröte ins Gesicht, denn er befürchtete, dass ihn Tazuko beim Schielen in die Handtasche ertappt hatte und kam sich nun sehr indiskret vor. Bevor ihm etwas einfiel, was er hätte sagen können, fand Tazuko die Worte wieder.

“Ach, die Zigaretten”, sagte sie, nun mit einem deutlich verlegenen Lachen. “Entschuldigen Sie bitte, das tut mir sehr leid! Ich weiß, Rauchen ist ungesund, und ich hoffe, Sie denken jetzt nichts Schlechtes über mich. Aber ich rauche auch nur ganz wenig!” Dann schaute sie Franz mit großen Augen an: “Sagen Sie bitte meinem Vater nichts davon. Der weiß von nichts.”

“Da brauchst du dir gar keine Sorgen zu machen, Tazuko”, erwiderte Franz.

“Ich wollte dich auch nicht in Verlegenheit bringen! Sieh das einfach mal so”, fuhr er fort, immer noch mit einer guten Portion rötlicher Farbe im Gesicht. “Es kann ja niemand perfekt sein, und außerdem wird nicht alles so heiß gegessen wie es gekocht wird. Ich meine, klar, Rauchen schadet eigentlich der Gesundheit, vor allem, wenn man es übertreibt. Aber offenbar rauchst du ja ganz wenig, wie du selber sagst, und wenn die anderen es alle ja auch tun – nein – ich meine, ich weiß, du willst du selbst sein und hast es eigentlich nicht nötig, cool zu sein, aber vielleicht verbindet ja das Rauchen auch manchmal mit interessanten Menschen in deinem Alter. Oder sagen wir mal so, wenn du das selbst gut unter Kontrolle hast, und das hast du ja, dann gibt es ja vielleicht auch den ein oder anderen Aspekt am Rauchen, der vielleicht sogar gut ist? Also, ich will dich ja auf keinen Fall verurteilen oder so, aber es wäre natürlich für mich mal ganz interessant zu hören, wenn gerade ein so leistungsstarker Mensch wie du vielleicht gerade auch durch das Rauchen gewisse nützliche Effekte erzielt. Vielleicht ist das ja gerade auch eine Art, wie du du selbst bist?”

Tazuko schaute Franz ratlos an. “Entschuldigen Sie, ich glaube, ich habe die Frage nicht ganz verstanden.”

Franz, der seine vorbereiteten Fragen ebenso einfühlsam wie routiniert vorgetragen hatte, bedauerte sein peinliches Geschwafel nach dem ungeplanten Themenwechsel. Aber es gab kein Zurück mehr, und so fuhr er tapfer fort:

“Oh, das tut mir leid, Tazuko. Also ganz einfach, gibt es nicht eigentlich auch viele gute Aspekte des Rauchens, jedenfalls, wenn man es unter Kontrolle hat? Wie hilft es dir?”

Etwas zaghaft ließ sich Tazuko zu einer Antwort bewegen:

“Also, das Rauchen entspannt mich sehr. Ich rauche nur manchmal vor Konzerten oder vor einem Auftritt bei einem Wettbewerb, oder wenn ich sehr, sehr lange geübt habe und echt gestresst bin.

Ich kann auch viele Tage lang ohne Zigarette auskommen. Aber es stimmt, es macht schon einen Unterschied. Ich kann mich dann noch einmal zurückziehen und völlig abschalten. Der Rauch tut mir in dem Moment einfach gut, und danach kann ich mich viel besser konzentrieren. Und wenn ich lange geübt habe, aber wirklich nur, wenn ich bis in die Nacht geübt habe, dann brauche ich die Zigarette zum Übergang, bevor ich einschlafen kann.”

“Das klingt toll. Alles hat eben zwei Seiten. Aber wie versteckst du das vor deinem Vater? Du sagtest doch, der weiß nichts davon, und deine Mutter vermutlich auch nicht?”

Jetzt wirkte Tazuko wieder etwas gelöster und flüsterte Franz mit einem Augenzwinkern zu:

“Vor Auftritten gehe ich zum Rauchen aufs Klo, aber psst – nichts sagen! Und wenn ich zu Hause geübt habe, dann mache ich noch einen kleinen Spaziergang, und da nehme ich die Zigaretten mit.”

“Na, also dann vielen Dank für diese offenen Bemerkungen. Finde ich prima, dass du dich so öffnest, und ich sage deinem Vater auch ganz bestimmt nichts! Aber sag mir schnell noch, wie viel du rauchst, und was deine Lieblingsmarke ist. Vielleicht probiere ich das auch bald mal aus. Ich bin nämlich Nichtraucher, aber immer offen für neue interessante Erfahrungen!”

“Ich rauche nur so zwei bis drei Zigaretten am Tag, aber dann am liebsten Marlboro Red. Die Leichten finde ich langweilig, und außerdem zieht man dann nur intensiver und raucht mehr und hat am Ende genauso viel Gift im Körper.”

“Na, dann vielen Dank für die kleine Lektion!”, sagte Franz und überlegte schon fieberhaft, ob es nicht möglich wäre, den alten Hashimoto noch irgendwie abzuhängen und mit Tazuko in einem der Raucherbereiche zu verschwinden. Das schien ihm dann aber doch zu gewagt. Außerdem hatte ihn im Sender noch nie jemand mit Zigarette gesehen, und langsam wurde es auch Zeit, das Klaviervorspiel anzugehen.

“Was willst du denn für uns spielen?”

“Was wollen Sie denn hören? Irgendetwas Kurzes?”

“Ja, auf jeden Fall. Hast du irgendwas drauf, das so um die fünf Minuten lang ist?”

“Klar. Ich kann die Revolutionsetüde von Chopin spielen, oder den Liebestraum von Liszt. Die sind wohl beide so an die fünf Minuten lang”

Franz war erleichtert, denn die Revolutionsetüde und den Liebestraum hatte er selbst schon gespielt, also war er mit beiden Stücken vertraut. Außerdem war er froh, dass der Exkurs über das Rauchen noch einmal glimpflich abgelaufen war. Jedenfalls schien Tazuko nicht mehr davon beeinträchtigt. Jetzt hoffte er nur, dass sie nicht ihrem Vater berichten würde, dass der Mann, der sie interviewt hatte, ein ganz seltsamer Kauz sei. Zwischen Chopin und Liszt entschied sich Franz dann für das Werk seines Beinahe-Namensvetters. Er vermutete, dass die Verbindung von Liebestraum und Teenager im Privatradio das eine oder andere, hoffentlich nicht zu verfängliche, Wortspiel im Beitrag erlaubte. Und so spielte Tazuko den Liebestraum in einer Weise, die Franz verblüffte.

Tazuko trug das Stück natürlich auswendig vor, aber Franz kannte es so gut, dass er die sechsseitige Partitur mit geschlossenen Augen im Detail vor sich sah. Die ersten Takte mit der Hauptmelodie kamen bei Tazuko auf leisen Samptpfoten daher, eine Spur langsamer und zarter als Franz es von vielen Plattenaufnahmen gewöhnt war. Tazuko entfachte auf dem Instrument einen sehnsuchtsvollen Gesang. Im Mittelteil des Liebestraums erhöhte Tazuko langsam aber sicher die Intensität, genau so wie es Franz Liszt vorgesehen hatte, bis sich kurz nach der Hälfte des Werks der Höhepunkt anbahnte. Als das Thema mit vollen Akkorden und im Fortissimo erklang, griff Tazuko mit solcher Kraft und Geschmeidigkeit in die Tasten, dass Franz in ein Rauschgefühl versetzt wurde. Das schüchterne kleine Mädchen mit dem Knicks hatte sich in eine Raubkatze verwandelt. Dabei hatte Tazuko volle Kontrolle über ihre Hände, und nie entschlüpfte ihr ein falscher Ton. Dann eine mit absoluter Sicherheit und faszinierendem Tempo vorgetragene Kaskade vom oberen Teil der Klaviatur abwärts, mit den beiden Händen ganz dicht nebeneinander – hier dachte Franz an die Körperbeherrschung und Präzision, die Tazuko wohl einmal als junge Leistungsturnerin entwickelt hatte – und dann zeigte Tazuko, wie sich am Klavier Entspannung und Glückseligkeit ausdrücken ließen. Franz war in eine andere Welt versunken – Tazuko war kein gedrillter Roboter, sondern eine Künstlerin, die mit ihrer Kontrolle über das Instrument Leidenschaft entfesseln konnte.

Im Anschluss an das Vorspiel stellte Franz noch ein paar Fragen zum Liebestraum: was ihr das Stück bedeute, woran sie dächte, wenn sie es spielte, ob sie bei der Interpretation des Stücks irgendein Vorbild hätte, und auch ein paar technische Fragen, von denen Franz persönlich profitieren wollte. Also lernte er nicht nur etwas über leichte und weniger leichte Zigaretten, sondern auch über technische Kniffe, um den Liebestraum in Zukunft selbst besser zu meistern. Natürlich waren die Fragen zur Klaviertechnik unmöglich in einem 90-Sekunden-Beitrag unterzubringen, ebensowenig wie all das Gerede vom Rauchen. Aber es gab ja genug andere schöne Sachen auf dem Band, die sich gut verwerten lassen würden.

Als Franz Tazuko aus dem Studio geleitete, konnte er sich eine letzte Frage nicht verkneifen:

“Nun sag’ doch mal, Tazuko. Ich habe jetzt gerade von dir gelernt, dass das Rauchen eben nicht nur schlecht sein muss, sondern dass man daraus auch Nutzen ziehen kann. Ich habe auch oft Lampenfieber, zum Beispiel vor so wichtigen Interviews wie dem mit dir! Empfiehlst du mir, dass ich mir auch mal eine Packung Marlboro Red kaufe und meine erste Zigarette ausprobiere?”

Tazuko schaute Franz etwas unsicher an und brach dann in ein kurzes, aber unwiderstehlich charmantes Lachen aus, bei dem Franz zum ersten Mal Tazukos glänzend weiße Zähne bemerkte:

“Ich weiß nicht! Wollen Sie wirklich anfangen zu rauchen?”

Inzwischen näherten sich die beiden dem Haupteingang, durch den gerade auch Herr Hashimoto ins Foyer trat. Franz bestätigte ihm, dass seine Tochter eine ebenso begabte Pianistin wie beredte Interviewpartnerin sei und verabschiedete sich von den beiden, bevor sie durch die Drehtüre wieder auf der Straße verschwanden.

Erleichtert ging Franz in eines der kleinen Studios, um seine Ausbeute abzuhören und die wichtigsten Interview- und Musikschnipsel vom Aufnahmegerät auf eine der Bandmaschinen zu übertragen und die Übergänge zu texten. Der Beitrag sollte bis 17 Uhr fertig sein. Doch als Franz noch einmal genauer auf das Gerät schaute, lief es ihm heiß und kalt den Rücken hinunter. Und dann schaute er noch einmal hin, und noch einmal. Nein, es war nichts daran zu rütteln: Das Band stand immer noch in Anfangsstellung, weil Franz nach dem Soundcheck vergessen hatte, die Pausentaste zu lösen. Fünfunddreißig Minuten lang hatte sich Franz mit Tazuko unterhalten und sie auf dem Klavier vorspielen lassen, ohne ein einziges Wort oder einen einzigen Ton aufzunehmen! Trotzig löste Franz jetzt die Pausentaste und ließ das Gerät im Abhörmodus laufen, doch das Wunder blieb aus – es war nichts auf dem Band.

In der Technik-Abteilung behauptete Franz, das Gerät sei ganz normal gelaufen, aber am Ende sei nichts draufgewesen. Die Techniker reagierten ungläubig, denn als sie das Gerät ausprobierten, nahm es einwandfrei auf. Es war einer dieser Fälle, wo Aussage gegen Aussage stand, und wo eigentlich beide Seiten wussten, wer die Wahrheit und wer die Unwahrheit sagte. Für praktische Zwecke gab es dann um 17 Uhr statt eines Beitrages eine von Franz recht gründlich formulierte O-Ton-freie Ansage des Konzerts – das war das einzige, was Franz noch tun konnte. Und eine Aufnahme vom Liebestraum, wenn auch nicht von Tazuko gespielt, fand sich im Plattenarchiv.

Bevor Herr Hashimoto am nächsten Morgen im Sender anrief und sich etwas konsterniert erkundigte, was denn aus dem Interview und der Studioaufnahme vom Liebestraum geworden sei, hatte Franz noch die Gelegenheit, den Auftritt am Abend zu besuchen und sogar das Klavierspiel von Tazuko aufzunehmen. Der Rahmen war informell, denn das Festival verteilte sich auf etliche Dörfer, und dieses Konzert fand in einer ehemaligen Scheune statt. Während die Konkurrenz vom etablierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit einem ganzen Stab von Technikern und Redaktionsmitarbeitern anrückte, agierte der Privatsender wirtschaftlicher: Franz kroch alleine, mit einem portablen Aufnahmegerät bewaffnet, vor die Bühne und hielt mit ausgestrecktem Arm das Mikrofon in Richtung Klavier. Das war anstrengend, hatte aber auch Vorteile, denn Franz war ganz dicht am Geschehen.

Diesmal hatte er die Pausentaste nicht vergessen, allerdings wäre ihm eine Kamera lieber gewesen als ein Tonbandgerät. Denn Tazuko zeigte sehr überzeugend, dass auch sie schon die Regeln des Geschäfts verstand. Die Haare zu einer raffinierten Frisur hochgesteckt und das Gesicht fein aber wirksam mit Make-up bearbeitet, trug sie ein schulterfreies langes Kleid und eine dünne, hellbraune Nylonstrumpfhose, und die bequemen Wildlederschuhe vom Morgen waren einem Paar silberfarbener hochhackiger Sandalen gewichen. Diese bedeckten nur sehr spärlich ein Paar wunderschöner Füße, von denen der rechte behende das Pedal bearbeitete.

Der Beitrag am nächsten Morgen, in dem er seine Konzertaufnahmen verarbeitete, enthielt nur begeisterte O-Töne vom Publikum, aber keine Kommentare von Tazuko. Denn zu sehr schämte sich Franz seiner Fehler, als dass er nach dem Konzert noch einmal hinter die Bühne gegangen wäre, um ihr ein paar Fragen zu stellen.

2. In den Fängen der Tugend

“Sa-sa-sa-sa-sa-sa, Sa-sa-sa-sa-sa-sa, Saaaa!”, brüllten 26 Kinder.

Zweimal den C-Dur-Akkord, in Arpeggi zerlegt, rauf und wieder runter. Mit voller Wucht warf daraufhin Herr Kimič, ein kleiner, drahtiger Mittsechziger, seine Hände wieder auf die Klaviertastatur, um mit einem ‘Dominant-Septakkord’ von C-Dur auf die nächsthöhere Tonart, Des-Dur, überzuleiten. Der Flügel erzitterte, und die Kinder antworteten in voller Lautstärke:

“Sa-sa-sa-sa-sa-sa, Sa-sa-sa-sa-sa-sa, Saaaa!!”

Zwei Arpeggi auf und ab in Des-Dur. Und weiter ging es: Mit dramatisch gerunzelter Stirne, kampfbereiter Miene und rudernder Bewegung der Arme ließ Herr Kimič seine Hände erneut auf die Tastatur plumpsen. Der Dominant-Septakkord, ein Vierklang, der zu Zeiten Bachs und Mozarts noch ein harmonischer Leckerbissen gewesen war, wurde seit jeher auch von Gesanglehrern missbraucht, um von einer Tonart in die nächsthöhere überzuleiten. Und so zog der forsche Herr Kimič seine siebte Klasse nun von Des-Dur hinauf nach D-Dur. Abermals folgten ihm die Kinder lautstark mit zwei Arpeggi in der neuen Tonart. So ging es weiter, bis die Tonleiter einmal in Halbtonschritten aufwärts von C bis C durchgesungen war. Zu dem Zeitpunkt verspürte die Hälfte der Klasse wegen der ständig ansteigenden Tonhöhe einen dicken Knödel im Hals und zeigte schmerzverzerrte Gesichter. Andere hatten bereits friedlich resigniert und sangen eine Oktave tiefer, oder sie machten überhaupt nur noch zum Schein den Mund auf und zu.

Strenggenommen brüllten gar nicht 26 Kinder ihre Arpeggi. Das war nur der Gesamteindruck. In Wirklichkeit bewegten etwa zwei Mädchen und sechs Jungen von Anfang an nur stumm ihre Münder, wobei die älteren Jungen sich durch einsetzenden Stimmbruch entschuldigt fühlten und die Mädchen einfach keine Lust hatten. Etwa fünf Kinder hauchten die Arpeggi mit einer Mischung aus Vorsicht und Unsicherheit, ein Dutzend verursachte den Krach, der den Gesamteindruck von Gebrüll hinterließ, und ein Knabe trällerte die Arpeggi so rein und klangschön, wie er nur konnte. Das war Franz List, der Lieblingsschüler von Herrn Kimič. Im siebten Schuljahr ließ Herr Kimič in seinem Musikunterricht noch einmal viel singen. Er wusste, dass in den darauffolgenden Schuljahren immer mehr Schüler sich gegen die Stimmübungen sträuben würden und dass sein Repertoire, das aus alten deutschen Volksliedern bestand, hoffnungslos ‘out’ sein würde. Erst in der Oberstufe schälte sich dann wieder ein harter Kern von gesangsinteressierten Schülern heraus, aber die verlangten nach einem vielseitigeren und moderneren Repertoire. Dafür war dann eine jüngere Kollegin aus dem Lehrkörper verantwortlich, die auch den Schulchor leitete.

Die Musikstunden von Herrn Kimič für Siebtklässler begannen also stets mit der gleichen Arpeggio-Übung, die knapp zehn Minuten in Anspruch nahm. Am Ende der Stunde reichte es dann noch für ein oder zwei Volkslieder aus dem 19. Jahrhundert. Aber was passierte mit dem Rest der 45 Minuten? Ach ja, da waren noch einige Atemübungen, die Herr Kimič dazwischenschob, und bei denen passierte es regelmäßig: Herr Kimič kam von der gesundheitsfördernden Wirkung einer guten Atmung auf die gesundheitsschädliche Auswirkung von Abgasen zu sprechen und beschrieb in melodramatischen Tönen, wie die “heutige Zeit” – also die frühen 70er Jahre – die Menschen kaputt machte und wie die Jugendlichen von heute dank der Umweltverschmutzung mit vorzeitigem Altern und frühem Tod rechnen mussten. Solche Vorträge nahmen in der Regel 15 bis 20 Minuten des Musikunterrichts ein. Fast allen Schülern ging der schrullige alte Herr Kimič auf die Nerven, nur der sensible Franz war beeindruckt. Natürlich wetterte Herr Kimič auch gegen das Rauchen, dem seiner Vorhersage nach wohl bald alle Schüler zum Opfer fallen würden. Franz schwor sich, eine löbliche Ausnahme zu bleiben, komme da was wolle.

Bis dahin hatte Franz seinen Eltern nur Freude bereitet. Herr und Frau List waren gebildet und musikliebend, und sie schätzten die Wissbegier ihres Sprösslings ebenso wie dessen Musikgeschmack. Andere Eltern klagten über das ‘Gejaule von irgendwelchen Langhaardackeln’, das aus den Stereoanlagen ihrer Zwölfjährigen dröhnte und die Wohnung in eine chinesische Folterkammer verwandelte. Franz dagegen wünschte sich zu Weihnachten Schallplatten mit virtuoser Klaviermusik. Diesem Wunsch kamen seine Eltern gerne nach. Für ihre eigenen Bedürfnisse waren die halsbrecherisch schwierigen Werke von Liszt und Chopin zwar etwas zu wild, doch es war immer noch eine akzeptable Ergänzung zu ihrer eigenen Plattensammlung, deren Repeortoire von Bach bis Beethoven reichte. Schließlich hatten sie Franz von klein auf Klavierunterricht nehmen lassen, und nun bewunderte der Junge eben die Fingerfertigkeit berühmter Pianisten. Dafür hatten die Eltern Verständnis. Selbst sportliche Interessen, die Franz von Zeit zu Zeit verhalten äußerte, tolerierten die Eltern. Sie gingen davon aus, dass ihr Sohn eine Phase durchmachte, die sich mit zunehmender Reife von alleine wieder legen würde.

Franz wusste nur zu gut, dass die Eltern sich um seine delikaten Pianistenfinger sorgten. Schon früh suchte er sich deshalb einen Sport aus, bei dem die Hände nur lose vor dem Körper baumelten. In der ländlichen Umgebung von Aachen, wo er als Kind lebte, gab es einen Reitstall, von dem aus jeden Nachmittag kleine Gruppen von Reitern in die Natur ausschwärmten. Diesen Reitergruppen folgte Franz im Laufschritt. Zuerst konnte er nur bei den Anfängerritten mithalten, die sich vorwiegend im Schritt fortbewegten, doch als er älter wurde, folgte er auch den Ausritten der Fortgeschrittenen. Wenn die Gruppe zum Galopp ansetzte, dann fiel Franz etwas zurück, aber er holte immer wieder auf, wenn die Reiter zum Schritttempo zurückkehrten. Franz liebte die Bewegung in der Natur, und die Reiter machten ihm manchmal Komplimente wegen seiner ‘Pferdelunge’.

Eben diese Pferdelunge, auf die Franz so stolz war, begann einen Keil zwischen ihn und seine Eltern zu treiben, als die Familie von Aachen nach Hamburg gezogen war. Denn als Franz in den Genuss der Musikstunden von Herrn Kimič kam, setzte bei ihm eine Wandlung ein, die noch verstärkt wurde durch düstere Illustrierten-Artikel, die ihm in die Hände fielen. Da wurde ein neuer Trend – ‘Wir rauchen nicht’ – vorangetrieben mit Horrorgeschichten von Schicksalen individueller Raucher sowie von erdrückenden Statistiken über die Gesundheitsrisiken des blauen Dunstes. Und bald war es vorbei mit dem Hausfrieden.

Es begann mit bescheiden vorgetragenen Bitten, bei Tisch und im Auto auf das Rauchen zu verzichten, wuchs sich zu regelmäßigem Quengeln aus führte so weit, dass Franz einmal des Nachts heimlich eine Stange Zigaretten seiner Eltern in eine Mülltonne am Ende der Häuserzeile warf. Doch schon am Morgen, vor Tau und Tag, quetschte Franz seinen Oberkörper in dieselbe Mülltonne und langte ächzend zum Boden, um die Stange wieder herauszufischen. Zu sehr quälte ihn die Sorge, letztlich als Täter identifiziert und bestraft zu werden. Als er die Stange vorsichtig wieder in den Schrank legte, aus dem er sie entwendet hatte, trug er Gummihandschuhe, um keine Fingerabdrücke zu hinterlassen. Die Eltern pafften unverdrossen weiter, und Franz empfand tiefe Schmach, weil er den Schutz seiner Pferdelunge nicht durchsetzen konnte.

Die große Wende sollte zu Silvester 1974 kommen – so hatte Franz es sich vorgenommen. Er war nun 15 Jahre alt, beinahe 1,80 Meter groß und fühlte sich Manns genug, um die alten Rauchgeister zum neuen Jahr endgültig zu vertreiben. Das Silvesterprogramm der Familie List sollte, wie jedes Jahr, mit der Kabarett-Sendung ‘Schimpf vor zwölf!’ beginnen. Franz war inzwischen alt genug, um die meisten Sketche zu verstehen. Also nahmen Eltern und Sohn eine Viertelstunde vor Beginn der Sendung auf ihren angestammten Sesseln vor dem Fernseher Platz. Berliner und Silvesterkrapfen waren auf einem Tischchen aufgebaut, und die Eltern freuten sich auf einen gemütlichen Abend. Doch in Franz hatte sich Adrenalin angesammelt. Jetzt jetzt galt es, stark zu sein und einen vorher ausgeklügelten Plan ohne Wenn und Aber durchzuführen. Angespannt wartete Franz, bis seine Eltern routinemäßig und in beinahe synchroner Bewegung ihre Zigaretten aus den Schachteln fingerten, die Feuerzeuge ergriffen und sich ihre Zigaretten anzündeten. Das war der Startschuss für den Gegenangriff von Franz.

Franz atmete noch dreimal tief durch, dann schnürte er seine Turnschuhe auf, streifte sie langsam ab und begann bedächtig seine Füße, die in knallroten Socken steckten, gegeneinander zu reiben. Von dem Knallrot war allerdings nicht mehr viel zu sehen, denn nun bedeckte sie eine solide braune Staubschicht.

“Franz!!” riefen die Eltern wie aus einem Munde. Und der Vater war der erste, der in der Lage war, weiterzusprechen. “Würdest du wohl die Güte haben, dir deine Schuhe wieder anzuziehen!”

“Würdet ihr dann die Güte haben, eure Zigaretten wieder auszumachen?”, fragte Franz so ruhig er konnte.

“Wie bitte?”, legte der Vater nach und nahm einen hastigen Zug. “Was soll der Quatsch?”

“Es stört euch doch nicht etwa, dass ich es mir ein bisschen gemütlich mache?”, fragte Franz mit gespielter Naivität.

“Aber hör’ mal”, warf nun die Mutter ein. “Wie lange hast du schon nicht mehr die Strümpfe gewechselt und dir die Füße gewaschen? Der Gestank ist ja nicht auszuhalten!”

“Seit drei Wochen”, entgegnete Franz, der sich in der Tat schon etwas länger auf diesen Moment vorbereitet hatte.

“Sag’ mal, bist du nicht normal?”, entfuhr es dem Vater.

“Das kommt darauf an, was man unter ‘Normalität’ versteht. Ich denke, Erwachsene, die sich für liberales Gedankengut und für eine tolerante Gesellschaft einsetzen, sollten auch Toleranz im eigenen Hause üben. An den Geruch meiner Füße könnt ihr euch sicher genauso gut gewöhnen wie ich mich eurer Meinung nach an den Geruch eurer Zigaretten gewöhnen soll.”

“Aber das ist doch wohl unnötig, Franz!”, antwortete die Mutter. “Papa und ich rauchen seit 30 Jahren. Du hast keine Ahnung, wie schlecht es uns geht, wenn wir nicht rauchen können. Aber du könntest dir die Füße in drei Minuten waschen, und nach deinem Sockenmief bist du sicher nicht süchtig!”

“Richtig, bin ich auch nicht”, sagte Franz, der sich allmählich mutiger fühlte. “Denn der Geruch von Schweiß und Straßenstaub ist etwas ganz Natürliches, das nicht von einer gewissenlosen Industrie erfunden worden ist. Bei Zigaretten verhält es sich anders. Denen wird Nikotin zugesetzt, damit Verbraucher immer mehr davon haben müssen und den Zigarettenfirmen die Kassen füllen. Außerdem schadet euch beiden der Geruch meiner Füße nicht im geringsten, weil er aus reinen Natursubstanzen besteht. Euer Rauch dagegen enthält etwa 50 giftige Chemikalien wie Teer, Benzol, Arsen, Kohlenmonoxid und Blausäure, um nur einige zu nennen. Und all das Zeug zieht jetzt nicht nur in meine Lungen, sondern auch auf die Krapfen und Berliner, so dass die nachher auch völlig kontaminiert sind.”

“Ach, der Franz hat doch einen Vogel!”, polterte der Vater. “Der macht das mit Absicht, um uns unter Druck zu setzen. Also, diesen Terror lassen wir uns nicht gefallen. Zieh dir jetzt sofort deine Schuhe wieder an!”

“Gerne, wenn ihr dann eure Zigaretten ausmacht.”

Es wurde still. Vater und Sohn fixierten sich, die Mutter zitterte.

“Klingeling!”, machte da die Türglocke. Und noch einmal: “Klingelingeling!”

Eine Friedensglocke, in höchster Not vom Schicksal entsandt? Herr und Frau List sahen sich an.

“Wer könnte das sein? Soll ich mal an die Türe gehen?”

“Sicher, aber ich kann auch gerne aufmachen.”