Schweikard/Osterseher • Kampf um Burundun
Thorsten Schweikard
Der 1972 in Wiesbaden geborene Autor lebt heute in Hünfelden, einer idyllisch gelegenen Gemeinde im Westen Hessens. Hauptberuflich ist er als Stellvertretender Schichtführer in einem Chemieunternehmen beschäftigt.
Der Anstoß zum Schreiben kam vor fünf Jahren durch eine kritische Lebenssituation. Daraus wurde bald Leidenschaft, und es kam zu ersten Veröffentlichungen in Anthologien. Sein Beitrag zu SunQuest ist seine erste Romanveröffentlichung.
Neben der Schriftstellerei zählt der Autor (dopingfreies) Radfahren und Reisen in alle Welt zu seinen Hobbys.
Franz Peter Osterseher
Der 1962 in Salzburg geborene Autor lebt und arbeitet derzeit in Wien. Seine Tochter ist (fast) erwachsen und schreibt selbst englischsprachige Fan Fiction für das Internet.
Schon immer hatte ihn fasziniert, dass der Vater jeder Geschichte und jedes Bildes der erste, vielleicht nur kurze, Gedanke ist. 2005 begann er selbst zu schreiben, stärker und stärker davon angezogen, dass die ursprüngliche Idee mehr und mehr Leben entwickelt, Wege einschlägt, Wendungen ergibt, an die er zuerst nicht einmal gedacht hatte. Bisher entstanden insgesamt sechs Romane und eine Storysammlung, die bei zwei E-Book Verlagen unter Pseudonymen erschienen sind. Eine Story wurde in einer Literaturzeitschrift veröffentlicht. So wie das Schreiben von Geschichten fasziniert Osterseher auch das Schaffen von Bildern – daher auch seine Leidenschaft für die »künstlerische« Fotografie. Homepage:
Stefan Lechner
Der 1959 in Steyr (Oberösterreich) geborene Künstler lebt und arbeitet in Innsbruck.
Bereits als Schüler begann er mit der SF-Malerei und entwickelte mit der Zeit eine eigene Maltechnik (Gouachemalerei auf Karton, gemischt mit Acryl, Airbrush und 3D-Modelling).
2005 erhielt er eine Nominierung für den Kurd-Lasswitz-Preis für ein Cover. Lechner gestaltet Titelbilder für verschiedene Verlage.
Quinterna
Band 4
Umschlagbild und Buchgestaltung: Swen Papenbrock, Vellmar
Illustrationen: Stefan Lechner, Innsbruck
Lektorat: Uschi Zietsch
Redaktion, Gesamtkonzept: Uschi Zietsch
Idee: Gerald Jambor
Logos: Atelier Schwandt, Ahlen
Satzlayout: Stefan Friedrich, Garching
Herstellung: Advantage Printpool GmbH, Gilching
© 2010 by Fabylon-Verlag
© Label »SunQuest« by Fabylon-Verlag
Homepage:
eMail:
Originalausgabe. Alle Rechte vorbehalten.
ISBN: 978-3-927071-57-5
Für Jürgen – in Erinnerung
Grew up in this shadow land
With a suicide landscape
Where the black birds are singing
Where the black birds are falling down
The Beauty of Gemina – Suicide Landscape
Tschad schälte sich aus den verbogenen Überresten seines Fluggleiters. Er würgte, spuckte Gras und Dreck. Als wäre die Flucht aus der Mandiranei nicht schon hektisch genug gewesen, hatten sich auch noch die Elemente gegen ihn verschworen. Der Adept verfluchte die plötzlichen Fallwinde, die den Flug in einen nahezu unkontrollierten Absturz verwandelt hatten. Glücklicherweise hatte er die Bruchlandung ohne Verletzungen überstanden.
Eine dunkle Silhouette erschien über ihm und senkte sich majestätisch herab. Gus landete wohlbehalten, was jedoch kaum verwunderte. Erstens war der Geflügelte nicht auf Hilfsmittel angewiesen, zweitens formte er sich die Winde, wie er sie brauchte – allerdings funktionierte das nur unmittelbar um ihn herum. Dass die übrigen Adepten weitab vom geplanten Treffpunkt gelandet waren, hatte er nicht verhindern können.
Als Tschad aufsah, entdeckte er Aikel und Arls. Die Kuntar flogen eine Schleife, bevor sie unweit der Gefährten nieder-gingen. Sogleich befreiten sie sich von dem Fluggeschirr und eilten zu ihnen.
»Das ist ja gerade noch mal gut gegangen!«, rief Aikel. »Die Götter scheinen dir gewogen zu sein, Tschad.«
»Das war ziemlich knapp«, gab er zu. Seine helle Stimme kontrastierte zu dem dröhnenden Organ des Kuntar.
»Was ist mit Seiya?«, fragte Gus ungewöhnlich gesprächig. »Hat sie einer von euch gesehen? Und wo steckt Beionze?«
Tschad ließ seinen Blick über den Himmel und die Grasebene schweifen, die sich vor dem Gebirge ausbreitete, das die Adepten überflogen hatten. Von der Prinzessin oder der Uriani entdeckte er keine Spur.
Der Daride krümmte seine winzigen, verkümmerten Flugschwingen als Zeichen der Ratlosigkeit. »Seiya ist abgetrieben worden, soviel konnte ich noch erkennen, bevor ich die Kontrolle verlor. Beionze habe ich bereits vorher aus den Augen verloren. Was ist mit euch? Habt ihr mitbekommen, wo sie abgeblieben sind?« Er richtete seinen Blick auf die beiden Kuntar.
Aikel und Arls verneinten.
»Wir müssen uns verteilen«, entschied Gus. »Ihr seht euch hier um. Shaili, Aschtari und ich fliegen zurück zum Gebirge und suchen dort.« Er wartete nicht auf Zustimmung, sondern streckte die Arme aus, die beiden darum gewickelten schlangenartigen Symbionten lösten sich und flatterten davon. Dann breitete er seine Schwingen aus und folgte ihnen.
Der vierbeinige Daride und die Kuntar suchten vom Boden aus nach den Gefährten.
Tschad hob angestrengt den Kopf über das hohe Gras. Ab und an teleportierte der vierbeinige Echsenartige über kurze Strecken, um ein größeres Gebiet abdecken zu können. Ein Sprung brachte ihn an den Fuß des gewaltigen Gebirgszugs. Ein weiterer beförderte ihn knapp zehn Meter höher auf einen Felsen. Endlich erhielt er ein wenig mehr Überblick. Der Daride konnte einen der Kuntar ausmachen. Dem leicht gebeugten Gang nach zu urteilen handelte es sich um Arls. Dann erblickte er Aikel. Die beiden durchstreiften in konzentrischen, sich ausweitenden Kreisen, die Steppe.
Shaili, Aschtari, habt ihr schon Erfolg gehabt?, dachte er intensiv. Eine eigentlich sinnlose Frage, schalt er sich sogleich. Gus’ Symbionten würden sich schon melden, falls sie etwas aufgespürt hatten.
Nicht so ungeduldig!, forderte prompt eine Stimme in seinem Verstand. Tschad konnte nur vermuten, von welcher der Schlangenartigen sie gesendet wurde. Wir haben mehrmals versucht, telephatischen Kontakt mit ihr aufzunehmen, aber sie antwortet nicht. Wir tun unser Bestes. Fliegen können wir zwar, zaubern aber nicht!
Schon in Ordnung. Verzeiht.
Tschad peilte eine schroffe Felsnase mehrere Mannshöhen über ihm an und sprang. Unvermittelt drang ein weiteres Mal die unmodulierte Gedankenstimme Shailis oder Aschtaris in seinen Geist. Ich habe Beionze gefunden!
Endlich, dachte er zur Antwort.
Sieh hoch! Er hob den Kopf und sah eine der Flugschlangen fast genau über sich. Spring auf den Felsvorsprung rechts von mir.
Der Daride tat wie geheißen und beförderte sich auf den wenig stabil aussehenden Überhang. Er hielt sein Gewicht – wie auch das des Symbionten, der vor seinen Vorderläufen aufsetzte.
Dort unten: Es ist eine Schande!
Tschad überkam ein ungutes Gefühl, als er behutsam an den Rand des Überhangs kroch und hinab sah.
Einige Meter tiefer zwischen den Felsen lag das Wrack eines Drachengleiters. Bellend stieß der Daride einen Laut der Enttäuschung aus. Inmitten der Trümmer lag der zerschmetterte Körper einer Uriani. Beionze war nicht mehr.
Beionze fand ihre letzte Ruhestätte in der Steppe. Aikel und Arls gaben sich Mühe, ihre sterblichen Überreste mit Erde zu bedecken. Sie stimmten einen Trauergesang an, krächzend, für Nicht-Kuntar eher dissonant und schräg. Tschad erinnerte sich an die Opfer, die ihre Mission bisher gefordert hatte. Die Urianischwestern: Riana, verletzt in der Mandiranei zurückgeblieben. Dschamilla und Beionze, tot, bei Unfällen gestorben. Und Ordsch, Tschads Bruder, im Kampf um die Mandiranei umgekommen. Der Schmerz über seinen Verlust manifestierte sich nur langsam in Tschads Bewusstsein. Wenig Zeit zum Trauern – bislang.
Tschad musste an die Ereignisse in der Mandiranei denken. Stumme und Kriggets hatten sie besetzt und die Mandiri zur Zwangsarbeit in den Minen gezwungen. Sie raubten die dortigen Kristallvorkommen. Entführten die Kinder. Alles für ihre sinistren Pläne, die sich bisher nur unzureichend einschätzen ließen.
Die Bemühungen der Adepten, dem besetzten Monolithen die Freiheit wiederzugeben, hatten nur einen kleinen Teilerfolg gebracht. Die Stummen hatten die Mandiranei aus unbekannten Gründen verlassen, und den verbliebenen Kriggets war das Leben so schwer wie möglich gemacht worden. In einer letzten Angriffsschlacht war vielen Mandiri durch Ablenkungsmanöver die Flucht ermöglicht worden. Leider mussten immer noch zu viele zurückbleiben. Die Alten, die Schwachen, die Verbohrten, aber auch die Widerständler. Welches Schicksal mochte ihnen bestimmt sein?
Nach der kurzen Zeremonie für Beionze begaben sich die Adepten erneut auf die Suche nach Seiya, bis sie nach mehreren Dianocten einsehen mussten, dass es sinnlos war. Das zweite Problem war die Zerstörung des Basislagers. Räuber, vielleicht auch Kriggets, hatten alles vernichtet und die Reittiere mitgenommen. Sie standen vor dem Nichts.
»Wir haben versagt«, analysierte Gus kühl. »Es ist uns nicht gelungen, die Mandiranei zu befreien. Genauso wenig ist es uns gelungen, Seiya zu schützen oder unsere Mitstreiter.«
»Wir haben nicht versagt!«, begehrte Tschad auf. »Wir haben das Bestmögliche getan! Auch Adepten sind Grenzen gesetzt!«
»Mun wird uns trotzdem zur Rechenschaft ziehen, weil wir zuließen, dass seine Frau umkam.«
Der Daride nieste trotzig. »Ich weigere mich zu glauben, dass sie tot ist!«
»Tu, was du nicht lassen kannst. Die Fakten sprechen für sich. Sie wird wie Beionze abgestürzt sein. In eine Felsspalte vielleicht, wo wir sie nie finden werden. Außerdem muss sie nach der langen Zeit ihren Verletzungen erlegen und verdurstet sein.«
Obgleich Gus nichts dafür konnte, hasste Tschad den Geflügelten bisweilen für dessen begrenzten emotionalen Horizont. Seine Symbionten bemühten sich zwar, ihm das Verständnis für menschliche Gefühle näher zu bringen. Vollständig würde ihnen das jedoch nie gelingen. Irgendwie war es so, als versuche man eine Kutsche mit gebrochener Achse mittels eines Schwimmers wieder flott zu bekommen.
»Sie könnte einfach nur weit abgetrieben worden sein«, mutmaßte Tschad. »Ich schlage vor, an anderer Stelle weiterzusuchen.«
»Das wird uns Zeit kosten, die wir nicht haben«, sagte Arls. »Wir sollten uns nicht ewig hier aufhalten. Die Gilde der Wissensträger muss erfahren, was in der Mandiranei vor sich geht.«
»Wir könnten uns trennen«, schlug Tschad vor.
Gus stimmte zu. »Wäre eine Möglichkeit. Um die Gilde zu benachrichtigen, müssen wir nicht alle im Zentralarchiv erscheinen.«
»Hätten wir nur Gurrgs«, murrte Aikel. »Nach Burundun werden wir ohne Reittiere ein knappes Lunarium benötigen – mindestens. Die Eisenbahn scheidet ebenfalls aus. Den Höhenzug zu überwinden, der uns von ihr trennt, würde uns vermutlich mehr als das doppelte an Zeit kosten.«
»Du allein wärst schneller am Archiv, Gus«, meinte Arls.
»Ich kann die Strecke nur teilweise fliegend zurücklegen«, wandte der Geflügelte ein. »Über längere Zeiträume strengt mich das Fliegen zu sehr an. Ich müsste viele Pausen einlegen. Einen großen zeitlichen Vorteil sehe ich dabei nicht.«
»Dann …« Tschad brach ab, als ihn ein schabendes Geräusch hinter ihm ablenkte. Er drückte seinen Körper herum, um zu sehen, woher es stammte. Verblüfft musste er realisieren, dass sich ein Teil der Felswand zur Seite geschoben hatte und dort jemand stand: Ein Mensch, eine Hand über die Augen gelegt, um sie vor dem gleißenden Licht der drei Sonnen zu schützen, die hoch am Mittagshimmel standen. Ein Flüchtling aus der Mandiranei. Er musste aus einem der Geheimgänge, die zum Monolithen führten, getreten sein.
Er war nicht der Einzige. Nur Augenblicke später folgten weitere Menschen, erst Dutzende, dann Hunderte in einem stetigen Strom. Es war, als würde der Fels zum Leben erweckt werden, sich in zuckendes Fleisch verwandeln.
Ein dumpfes Gefühl der Hilflosigkeit wollte sich Tschads bemächtigen, angesichts der unaufhörlich hervordrängenden Menschenmassen. Unmissverständlich kam ihm zu Bewusstsein, dass in diesem Augenblick alle Pläne Makulatur waren.
»Ich glaube, unsere Prioritäten haben sich soeben drastisch verschoben«, stellte er düster fest.
Dunkelheit. Zuckendes Licht im Fackelschein. Unvermutet gleißende Helle. Fredron taumelte ins Freie. Die plötzliche Helligkeit überwältigte ihn. Es dauerte einige Momente, bis sich seine Augen an das Tageslicht gewöhnt hatten. Was sich seinen Blicken dann bot, war berauschend und beängstigend zugleich. Diese Weite, das Gras, alles flach, die Aussicht, bis zum Horizont reichend. Ein Blickwinkel, der sich um Dimensionen erweitert hatte – und zugleich Gefahr bot, sich darin zu verlieren. Eine Welt, die sich völlig von dem im Gebirge eingeschlossenen Monolithen unterschied. Eine Weile wusste Fredron nicht, was er sagen sollte.
Er ließ die nutzlos gewordene Fackel fallen.
»Was wollen wir hier?« Fragend blickte er Hemja an, die neben ihm stand.
»Frei sein«, erwiderte seine Frau knapp. »Das, was wir immer waren.«
Er sah ihr tief in die Augen. »Wir hätten bleiben können. Ich meine, welche Rolle hätte es noch gespielt.«
»Es war meine Entscheidung. Es soll nicht hier passieren, nicht unter diesen Kreaturen, die unsere Heimat besetzen.« Die Stimme von den noch immer sinnlichen Lippen ließ keinen Widerspruch zu. Aber der Klang vibrierte, und daran war nicht allein der Stress der Flucht schuld.
Hemja lehnte sich Halt suchend an ihren Gatten. Es dauerte einige Atemzüge, bis sie sich wieder gefangen hatte und sich von ihm löste. Sie blickte ihn dankbar an und dann an ihm vorbei.
»Schau, es sind so viele«, stieß sie ergriffen hervor.
Die Zahl der Mandiri, die auf der Grasebene angekommen waren, war beträchtlich. Und aus zahlreichen getarnten Einlässen strömten immer noch mehr. Fredron stockte der Atem, er fuhr sich mit der Hand durchs ergraute Haar. Unwillkürlich rückte er den Gürtelholster zurecht, in dem sein Revolver steckte.
Ob Befürworter oder Ablehner des zu Ende gegangenen Regimes des Schattenkönigs Tainon, hier draußen waren sie alle gleich, hier gab es keine Klassenunterschiede. Viele der Ankömmlinge trugen die erstaunten Mienen von Mandiri zur Schau, die ihre Heimat zeitlebens nicht verlassen hatten. Andere weinten. Nur wenige bemühten sich um Gleichgültigkeit. Männer und Frauen, sie unterschieden sich kaum im Ausdruck ihrer Gefühle.
Und die Kinder … Ihre Zahl war, verglichen mit der der Erwachsenen, erschreckend gering. Zu wenige waren vom Zugriff der Stummen verschont geblieben. Sah man den Paaren ins Gesicht, ließ sich leicht erkennen, wer seine Sprösslinge verloren wusste. Diese Leere, allumfassend. Fredron wandte den Blick ab, er kannte dieses Gefühl selbst nur allzu gut; die Einsamkeit, die ihre Parzelle ausgefüllt hatte, das Empfinden, verloren zu sein in dem Monolithen, der sie noch bis vor kurzem beherbergt hatte.
Würde er die Stätte seiner Geburt je wiedersehen? Oder war sie für immer verloren gegangen an diese schaurigen Bestien, die man die Stummen nannte?
Hemja riss ihn aus den trüben Gedanken. Sie tippte ihn mit dem Finger an und deutete auf vier Gestalten, die etwa einen Steinwurf entfernt umherliefen und den erschöpften Leuten irgendetwas zuriefen.
»Das sind die Adepten, die uns geholfen haben! Ich erkenne sie an ihrem Zeichen an den Umhängen!«
Sie hatten nur wenige Augenblicke, dann mussten sie tätig werden. Gus erfasste die Mandiri mit seinem Ultraschall-Sinn, die sich überall verteilten oder zu Grüppchen zusammenfanden. Einige hatten die Adepten bereits entdeckt und deuteten zu ihnen.
»Wir müssen sie nach Burundun bringen«, erklärte Tschad.
Gus ließ seine schwarzen, spitzen Zähne aufblitzen. »Inakzeptabel. Sie würden uns nur behindern.«
Tschad schien sich darin zu gefallen, ihm zu widersprechen. Ohnehin redete der vormals so schweigsame Daride seit dem Tod seines Bruders in einem fort. Aber das galt auch für Gus seit dem Verlust von Seiya.
»Du willst all diese Menschen zurücklassen? Das ist nicht dein Ernst! Die meisten wissen nicht einmal ansatzweise, wie die Welt jenseits der Mauern der Mandiranei funktioniert. Sie brauchen Führung, andernfalls werden sie hier draußen nicht sehr lange überleben!«
»Auch wir werden deine Pläne auf keinen Fall billigen«, schloss sich Aikel an. Arls machte eine zustimmende Geste. »Wir lassen die Mandiri nicht im Stich! Du vergisst wohl, dass wir Adepten sind?«
»Solcherlei zählt nicht zu unseren Aufgaben.«
Tschad ereiferte sich immer mehr. »Aber ohne uns sind sie verloren! Wir haben die Ausbildung, das Wissen und die Kenntnis des Weges! Damit gehört das sehr wohl zu unseren Aufgaben – Leben zu schützen, nicht zu zerstören. Denk mal darüber nach! Und wenn es dir nicht gefällt, mach dich auf den Weg zum Archiv und fordere Hilfe an.«
Plötzlich spürte Gus, wie sich Shaili fester um seinen rechten Arm wickelte. Deine Idee ist keine gute!, kam es von ihr. Hör auf deine Kameraden!
Findest du? Was meinst du, Aschtari?
Shaili hat Recht. Es wäre eines Adepten unwürdig, hilflosen Geschöpfen keinen Beistand zu gewähren.
Die ersten Menschen waren fast heran. In ihrer Haltung spiegelte sich etwas wieder, das Gus’ Symbionten als ›gespannte Erwartung‹ definierten. Er wog das Für und Wider ab. Die Wahrscheinlichkeit, Seiya noch lebend zu finden, stand bei annähernd null Prozent. Sie hatten das gesamte Gebiet gründlich abgesucht. Wie es aussah, war die Prinzessin so weit abgetrieben worden, dass sie das ganze Gebirge durchkämmen mussten, um wenigstens eine Spur zu finden.
Trotz seiner Flügel konnte Gus wiederum das Archiv nicht so schnell erreichen wie gewünscht, und die Gefahr, unterwegs entdeckt und angegriffen zu werden, war hoch. Andererseits waren hier tausende Menschen, die seine Hilfe benötigten. Waren sie nicht deshalb in die Mandiranei aufgebrochen? Seine Aufgabe war noch nicht beendet.
Daraufhin gab er sich einen Ruck: »Wir werden gehen. Gemeinsam. Mit ihnen.«
Sie berieten sich kurz, dann teilten sie sich auf, um mitzuteilen, dass sie die Führung für den Zug nach Burundun übernehmen würden..
»Sagt es weiter: Wir werden bis zum Anbruch des Diariums auf Nachzügler warten, dann brechen wir auf nach Burundun. Macht euch darauf gefasst, dass der Weg dorthin strapaziös und voller Gefahren sein wird. Noch ist die Erde einigermaßen fruchtbar, aber das wird nicht so bleiben. Vor uns liegt die Wüste von Firundur. Wasser wird dabei unser geringstes Problem sein. Wir werden einen Jagdtrupp zusammenstellen, der uns unterwegs mit dem Notwendigsten versorgt, ebenso werden wir Gruppen zum Sammeln von Früchten, Pilzen, Wurzeln und dergleichen zusammenstellen. Das oberste Gebot ist: Keiner bleibt zurück!«
Das gibt ihnen Mut und macht ihnen Hoffnung, übermittelte Shaili an Gus, der sich mit diesem Versprechen schwer tat, aber die Worte genau wie seine Adeptenbrüder vermittelte.
Gus »sah« mittels Schallwellen den Mandiri nach, die sich ihnen nicht anschließen wollten. Etwa hundertfünfzig Männer und Frauen hofften, den Stummen auf anderem Wege zu entgehen, der abgelegen war vom Brennpunkt des Geschehens – dem Zentralarchiv. Die Entscheidung war ihnen frei überlassen worden, niemand sah sich genötigt, sie zum Bleiben zu überreden. Mochten sie versuchen, Dertupan zu erreichen. Der Ort lag fast doppelt so weit entfernt wie Burundun.
Üblicherweise würde man ihnen viel Glück wünschen, kommentierte Shaili.
Gus ignorierte die Belehrung. In diesem Augenblick flatterte Aschtari aufgeregt herbei. Du wirst es nicht glauben!
Bevor sie weiterreden konnte, war er schon da: Ein gerade mal handspannenlanger geflügelter kleiner Drache, der in allen Farben schillerte.
»Endlich habe ich euch gefunden!«, kreischte er so laut, dass Tschad, Arls und Aikel augenblicklich hinzukamen.
»Du … bist Pong?«, fragte Gus langsam. Gesehen hatten ihn bisher nur wenige. Pong war ebenfalls eine Art Symbiont, der die meiste Zeit auf Shanija Rans Brustbein ruhte. Er war ein teilorganisches Mischwesen, aber viel mehr als ein Biomechanoide. Ein Geschöpf, das es nur einmal gab.
»Klar bin ich Pong, wer sonst sieht so aus wie Pong?« Der Drache drehte Pirouetten. »Ich bin schon ewig unterwegs, aber das hier«, er zeigte mit der Schwanzspitze auf die Menschen, »ist nicht zu übersehen! Dachte mir schon, dass ihr hier seid. Ist Seiya bei euch?«
»Nein«, sagte Tschad eilig. »Wir haben sie tagelang gesucht, aber nicht einmal eine Spur gefunden …«
Pong schoss aufgeregt hin- und her. »Kein Wunder, sie wurde ewig weit abgetrieben. Ich hab ihren kaputten Gleiter entdeckt, von ihr bisher keine Spur. Aber sie lebt noch, da bin ich ganz sicher! Ich werde daher jetzt ihre Witterung aufnehmen und weiter nach ihr suchen. Und ihr …«
»Wir bringen die Flüchtlinge nach Burundun«, antwortete Tschad. Gus erkannte aus der Modulation seiner Stimme, wie erleichtert er war. Aikel und Arls brummten zufrieden.
Der Geflügelte musste zugeben, dass diese Nachricht auch ihn nicht emotional unbelastet ließ. »Bitte finde Seiya, Pong!«
»Macht euch keine Gedanken!«, antwortete der kleine Drache. »Ich werde sie finden und in Sicherheit bringen. Kümmert ihr euch um die Flüchtlinge – eine harte Zeit liegt vor euch!«
»Aber jetzt werden wir sie leichteren Herzens bewältigen, ohne das Gefühl der Schuld, Seiya im Stich gelassen zu haben«, sagte Tschad und winkte dem schillernden geflügelten Wesen nach, bis es verschwunden war. Er wandte sich seinen Gefährten zu. »Also dann: Auf nach Burundun!«
Gus und die anderen gaben das Zeichen. Der gesamte Zug setzte sich nun in Bewegung, nach nur einer Nacht Erholung, die vielen Erschöpften kaum reichen dürfte. Aber die Gefahr, vom Feind entdeckt zu werden, war zu groß, um noch länger zu verweilen. Die Adepten hatten Verwundete und Geschwächte bestmöglich mit den wenigen Mitteln, die ihnen zur Verfügung standen, versorgt. Hauptsächlich sprachen sie ihnen Mut zu, auch Gus, unterstützt von seinen Symbionten.
Die lange Wanderung begann.
Sechs Dianocten später wandte Gus sich um und überblickte die langgezogene Marschkolonne der Flüchtlinge, die sich über den zunehmend karger werdenden Boden gemächlich gen Nordwesten bewegte. Annähernd zehntausend Seelen zählte sie.
Der Geflügelte bewegte sich ein Stück abseits der Masse. Ihm lag wenig daran, über das Erforderliche hinaus mit den Menschen Kontakte zu pflegen. Sein Sprechorgan benötigte Schonung, und zudem beschäftigte er sich unentwegt mit der Aufrechterhaltung der Ordnung.
Die Adepten hatten sich während der vergangenen Dianocten darum gekümmert, eine einigermaßen effiziente Organisation des Trecks auf die Beine zu stellen. Es wurde versucht, eine Marschgeschwindigkeit einzuhalten, die vermied, dass Ältere und Schwächere zurückfielen. Bewaffnete Mandiri, darunter auch Mitglieder der Palastwache des Monolithen, verteilten sich gleichmäßig an den Flanken, um Schutz vor Raubtieren und eventuellen Angriffen zu bieten. Während der Nocten wurden Wachen eingeteilt. Tschad, Aikel und Arls streiften regelmäßig umher, um Trost zu spenden, Rat zu geben oder zu motivieren. Gerade letzteres erwies sich als elementar, denn ein Problem sorgte ununterbrochen für erhebliches Kopfzerbrechen: Die Beschaffung von Nahrungsmitteln.
Eine strenge Rationierung der Vorräte war unabdingbar. Um keine Klüngelei herauszufordern, wurden jedes Dianoctum andere damit betraut, gerechte Verteilung vorzunehmen. Gesammelt und mitgenommen wurde alles. Selbst die sauerste Frucht, das bitterste Kraut, die trockenste Wurzel mochte den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten.
An jeder Quelle, an jedem Bach füllten sie Wasserschläuche, Flaschen und behelfsmäßig gebastelte Behältnisse. Zunehmende Bewölkung versprach kommenden Regen, wenn nicht heute, dann vielleicht in den folgenden Tagen.
Gus war zuversichtlich, dass sie Burundun erreichen konnten. Wie es indessen um die Situation dort bestellt war, musste Mutmaßung bleiben. Vermutlich wurde die Stadt von Flüchtlingen regelrecht überrannt – falls die Quinternen, wie Seiya die Stummen bezeichnet hatte, inzwischen nicht Burundun selbst als lohnendes Ziel ausgemacht hatten. Aber wo sollten sie sonst hin? Kein Ort auf Less war mehr sicher, und keine andere Stadt wäre in der Lage, so viele Flüchtlinge auf einmal aufzunehmen.
Gus wurde auf einen Mann aufmerksam, der sich aus der Menge löste und zielstrebig auf ihn zuhielt.
»Spann mal deine Schwingen auf«, forderte der Mandiri, als er vor dem Geflügelten stand. Gus' Hirn übersetzte den reflektierten Schall der Akustiklamellen in das Bild eines hageren Mannes mit Knollennase.
»Wie bitte?«
»Ich bin es doch! Gib mir Sichtdeckung, es muss ja nicht jeder mitbekommen, was ich kann.«
»Aikel.« Jetzt erst erkannte er die Stimme des Kuntar. Selbst seinen Ultraschall-Sinn verwirrte dessen Mimikrygabe.
Gus kam dem Verlangen nach und spreizte die Flügel, sodass Aikel sich dahinter verbergen konnte. Es war interessant zu verfolgen, wie die Erscheinung des Menschen plötzlich zu zerfließen schien, nur um sich Augenblicke später als Echse mit zwei Armen und zwei Beinen wieder zu stabilisieren.
Gus legte die Flügel zurück an den Leib. Vielleicht hatte der eine oder andere im näheren Umkreis die Szene mitbekommen, daran zu stören schien sich jedoch niemand.
»Ich habe mich unter die Menschen gemischt, um ein wenig die Gemüter zu erkunden«, berichtete Aikel.
»Und wie ist deine Einschätzung?«
»Im Großen und Ganzen positiv. Sie vertrauen uns. Allerdings kann die Stimmung jederzeit kippen. Erst in der Krise wird sich zeigen, wie die Dinge wirklich stehen, immerhin wurden wir bislang von Unbilden verschont.«
»Menschen sind unberechenbar, das macht sie gefährlich. Ich erinnere mich, dass Mun selbst diese Worte einmal ausgesprochen hat.«
»Mehr noch sind Menschen vor allem zerbrechlich. Es wird Opfer geben, die Frage ist nur, wann – und wie viele.« Aikel fuhr über seine Schuppen. »Sicher werden sich noch weitere Menschen von uns trennen und einen anderen Weg einschlagen. Und unsere Schützlinge werden sie womöglich noch um ihre Wahl beneiden.«
»Ich teile deinen Pessimismus nicht«, widersprach Gus. »Menschen mögen zerbrechlich wirken, aber in erster Linie sind sie sehr zähe Geschöpfe. Nimm die Mandiri, wie sie sich gegen die Unterdrückung der Quinternen aufgelehnt haben. Sie werden auch diese Herausforderung überstehen, da bin ich mir sicher.«
»Wie du meinst. Dein Wort in Muns Ohr.«
»Er würde dasselbe sagen.«
Eine Weile liefen sie stumm nebeneinander her.
»Ich sehe nach, wo die anderen stecken«, kündigte Aikel schließlich an. Er beschleunigte seine Schritte und verschmolz wieder mit der Menge, diesmal in der ihm eigenen Erscheinungsform.
Gus zirpte ihm Schallwellen hinterher. War es möglich, dass der Kuntar sich in seiner Gesellschaft nicht allzu – wie nannte man es noch – wohl fühlte?
Sie marschierten am Morgen und pausierten am Mittag. Spätnachmittags ging es weiter bis nach Untergang des Dreigestirns. Während des Noctums spendete Fathom düsteres Licht, dessen gewaltige Scheibe große Teile des Himmels ausfüllte, Less förmlich zu erdrücken schien. Er wies den Weg. Immer nach Nordwesten.
Fredron ertrug die Strapazen der Reise klaglos. Er war stets ein genügsamer Mensch gewesen, als ehemaliger Minenarbeiter gesegnet mit Ausdauer, und seine Lungen waren immer noch gesund. Anders sah es bei Hemja aus. Seine Frau vermochte nur mit Mühe das ohnehin geringe Tempo mitzugehen. In ihre Miene hatten sich tiefe Falten des Schmerzes gegraben.
»Es ist Zeit für den Kräutersud«, sagte Fredron und hoffte, dass seine Besorgnis in seiner Stimme nicht mitklang.
Hemja nickte.
Fredron zog den Flakon aus der Seitentasche seines Rucksacks und drehte den Verschluss ab. Er träufelte zwanzig Tropfen einer wenig appetitlich anmutenden bräunlichen Essenz in den Deckel und reichte ihn Hemja. Sie setzte ihn an ihre Lippen und schluckte das Gebräu. Schon kurze Zeit später entspannten sich ihre Gesichtszüge. Die Medizin schenkte lindernde Wirkung. Für Fredron war dies jedoch kein Grund, euphorisch zu sein. Seit der ersten Einnahme hatte Hemja die Dosierung bereits um das Vierfache steigern müssen.
»Das Zentralarchiv«, sagte sie nach einer Weile. »Ich würde es so gern mit eigenen Augen sehen.«
»Das wirst du, meine Liebe.« Fredron beugte sich zu ihr herüber und drückte ihr einen Kuss auf die Wange.
»Ob es wirklich so wundervoll ist, wie man sagt?« Sie lächelte. »Erinnerst du dich, wie Rufus es immer mit seinen Bauklötzchen nachbauen wollte?«
»Und es meistens dann eingestürzt ist, wenn er die Spitze darauf setzen wollte?« Fredron lachte. Im nächsten Augenblick fühlte er, wie die Pranke der Erinnerung zuschlug, sich in seine Seele krallte, einen weiteren kleinen Teil aus ihr riss. Sein Lachen brach jäh ab. Gewaltsam versuchte er den Schub unangenehmer Empfindungen zu unterdrücken. »Ja, Rufus. Wenn er gekonnt hätte … Ich meine, wenn er groß geworden wäre … Sicherlich wäre er hinaus in die Welt gezogen, um seine Träume zu erkunden.«
»Vor allem für ihn tue ich es.« Hemjas Stimme zitterte kaum merklich. Sie war nie über den Tod des Sohnes hinweggekommen. Nein, das stimmte nicht ganz. Sie beide hatten ihn nie wirklich verarbeitet. Dabei war es so lange her, viele Sonnenzyklen. Aber niemals lange genug, um die schrecklichen Bilder aus dem Gedächtnis zu verbannen. Rufus, das Energiebündel. Rufus, der am Ufer des Sees spielte, dem Wasser zu nahe kam, weil Hemja und Fredron einen Moment lang unaufmerksam gewesen waren. Rufus, der von den Tentakeln der Kreatur umschlungen und in die Tiefe gerissen worden war.
»Ich wünsche mir wirklich, das Zentralarchiv einmal zu sehen.« Hemja fasste sich wieder.
Fredron erwiderte nichts, stattdessen strich seine Hand sanft über ihren Arm. Sie waren seit nahezu zwei Quartennien Mann und Frau. Während dieser Zeit hatte es nie größeren Zwist zwischen ihnen gegeben, nur das Unglück lag gleich einem dunklen Schatten über ihrer Beziehung. Doch gleichzeitig hatte das Ereignis sie zusammengeschweißt.
Sie lebten ihr Leben, wurden älter. Hemja hatte den Haushalt in ihrer Parzelle geführt, er war zufrieden mit der Arbeit in den Minen des Monolithen gewesen. Sie hatten versucht, es sich gut gehen zu lassen, sich nie über etwas beschwert. Ein ruhiger Lebensabend wurde ihnen dennoch verwehrt.
Bitterkeit überkam Fredron angesichts der Tatsache, dass er auch Hemja bald verlieren würde. Äußerlich sah man es ihr kaum an, aber die Krankheit in ihr fraß sie unbarmherzig auf. Die Heiler hatten ihr allenfalls eine Handvoll Lunarien gegeben. Es gab nichts, was man dagegen tun konnte, lediglich die Schmerzen ließen sich – noch – kontrollieren.
»Ich möchte, dass du mir etwas versprichst.« Hemja fasste nach seiner Hand.
»Was du möchtest, Hemja.«
»Versprich mir, dass, falls ich es nicht schaffe, du für mich das Zentralarchiv erreichen wirst. Für mich und Rufus.«
»Bitte denk nicht darüber nach. Wir werden beide dort ankommen.«
»Versprich es mir trotzdem.«
»Na gut. Versprochen.«
Hemja lächelte dankbar.
Vor den Flüchtlingen lag eine Anhöhe, die sie überqueren mussten, eine Abwechslung nach den Dianocten, in denen sie durch flaches Ödland geschritten waren. Alsbald tauchte etwas am Horizont auf, das geeignet war, sie auf andere Gedanken zu bringen. Hemja und Fredron hielten an, um auf sich wirken zu lassen, was sich ihnen in der Ferne präsentierte.
»Sieh dir das an. Phantastisch, nicht wahr?«, begeisterte sich Fredron.
Die Vorhut der Mandiri strebte auf den Eingang einer breiten Schlucht zu. Links und rechts wuchsen erst sanft, dann zunehmend steiler, gewaltige Felsformationen aus dem Boden. Sie erstreckten sich so weit das Auge reichte, in schwindelnde Höhen. Karges Gestein, rötlich glühend im Licht der Mittagssonnen. Offenbar bot die Schlucht die einzig gangbare Route durch das Gebirge. So etwas hatte Fredron nie zuvor gesehen, selbst die Berge rund um die Mandiranei hielten diesem Vergleich nicht stand.
Er dachte an Rufus. Dieser Anblick hätte dem Sohn sicher gefallen.
Die Schlucht von Firundur bildete den Auftakt zur gleichnamigen Wüste. Beeindruckend reckten sich die Felswände beidseits der bis zu fünfhundert Meter breiten Passage in die Höhe. Dies würde sich auf der folgenden Strecke nur allmählich ändern, wenn die Schlucht anstieg, um schließlich in die Hochebene der Firundur-Wüste überzugehen.
Die Adepten ließen die Mandiri nach Erreichen der Schlucht pausieren. Überhänge und Gestrüpp boten Schatten, Essen wurde verteilt. Aikel, Arls und Tschad kauten nur dünne Streifen getrocknetes Fleisch, und ein wenig Früchte.
Gus und seine beiden Symbionten waren auf die Rationierung nicht angewiesen. Die Schlucht erwies sich als perfekter Lebensraum für Frek-Flügler, faustgroßer, libellenartiger Insekten.