image

Nahrungsmittelallergien und -intoleranzen

3., überarbeitete Auflage

L. Jäger

B. Wüthrich

B. Ballmer-Weber

S. Vieths

URBAN & FISCHER

Front Matter

Nahrungsmittelallergien und -intoleranzen

Herausgegeben von:

L. Jäger, B. Wüthrich, B. Ballmer-Weber, S. Vieths

Unter Mitarbeit von:

K. Beyer, U. Busch, B. Niggemann, U. Wahn

3., überarbeitete Auflage

image

Copyright

Zuschriften und Kritik an:

Elsevier GmbH, Urban & Fischer Verlag, Lektorat Medizin, Karlstr. 45, 80333 München,

Wichtiger Hinweis für den Benutzer

Die Erkenntnisse in der Medizin unterliegen laufendem Wandel durch Forschung und klinische Erfahrungen. Herausgeber und Autoren dieses Werkes haben große Sorgfalt darauf verwendet, dass die in diesem Werk gemachten therapeutischen Angaben dem derzeitigen Wissensstand entsprechen. Das entbindet den Nutzer dieses Werkes aber nicht von der Verpflichtung, anhand weiterer schriftlicher Informationsquellen zu überprüfen, ob die dort gemachten Angaben von denen in diesem Buch abweichen und seine Verordnung in eigener Verantwortung zu treffen.

Wie allgemein üblich wurden Warenzeichen bzw. Namen (z. B. bei Pharmapräparaten) nicht besonders gekennzeichnet.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

08 09 10 11 12 5 4 3 2 1

Für Copyright in Bezug auf das verwendete Bildmaterial siehe Abbildungsnachweis.

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Um den Textfluss nicht zu stören, wurde bei Patienten und Berufsbezeichnungen die grammatikalisch maskuline Form gewählt. Selbstverständlich sind in diesen Fällen immer Frauen und Männer gemeint.

Planung: Dr. med. Bernadette Aulinger, München

Lektorat: Elisa Imbery, München

Redaktion: Wiltrud Haas, München

Herstellung: Dietmar Radünz, München

Satz: abavo GmbH, Buchloe/TnQ, Chennai

Druck und Bindung: Uniprint International BV, the book factory

Covergestaltung: Spieszdesign Büro für Gestaltung, Neu-Ulm

Titelfotografie: © mauritius

ISBN 978-3-437-21362-5

Aktuelle Informationen finden Sie im Internet unter und

Vorwort zur 3. Auflage

Die 2. überarbeitete und ergänzte Auflage von Nahrungsmittelallergien und –intoleranzen hat offensichtlich großen Anklang gefunden, wie dies aus Rezensionen, persönlichen Mitteilungen und auch der Tatsache hervorgeht, dass sie an der Spitze der Hitliste des AllergoJournal rangierte. Seit Fertigstellung der Manuskripte im Dezember 2001 sind nun schon sechs Jahre vergangen. Seitdem gab es zahlreiche neue Entwicklungen, die eine Überarbeitung erforderlich machten. Das Konzept – eine Kombination von Lehr- und Nachschlagwerk – und die Gliederung wurden beibehalten. Die einzelnen Kapitel wurden inhaltlich in unterschiedlichem Umfang überarbeitet, und es konnten jüngere Kollegen sowohl als Mitherausgeber als auch als Mitautoren gewonnen werden. Ziel war es, neben einer angemessen umfangreichen und wissenschaftlich begründeten Information, die Belange der Praxis in noch stärkerem Maße zu berücksichtigen.

Im Speziellen sei auf folgende Aktualisierungen hingewiesen:

• Begriffsbestimmungen: Einige Formulierungen sind präzisiert und die Empfehlungen der Europäischen Akademie für Allergologie und klinische Immunologie (EAACI) sowie der WAO (Welt-Allergie-Organisation) sind eingearbeitet worden.
• Prävalenz: Durch neue epidemiologische Untersuchungen konnten gewisse Vorstellungen präzisiert, z. T. auch korrigiert werden, was in dieser Auflage berücksichtigt wurde. Neben der Häufigkeit der Erkrankungen wurden auch die neueren „Hitlisten“ der auslösenden Ursachen analysiert.
• Rolle des Magen-Darm-Traktes: Neue Erkenntnisse über die Resorption, vor allem aber über immunologische Mechanismen in der Schleimhaut sowie die Beziehungen zwischen Immunität und Immuntoleranz, sind eingearbeitet.
• Pathogenese: Berücksichtigt sind neue Kenntnisse über die Mechanismen des Sensibilisierungsvorganges wie auch der Allergie-Manifestation, die durchwegs auch eine praktische Bedeutung haben.
• Klinik: Seltene Auslösungswege sowie die lebensbedrohlichen und tödlichen Anaphylaxien werden detailliert geschildert. Herausgestellt ist die Abhängigkeit der klinischen Reaktion vom Sensibilisierungsmuster.
• Nahrungsmittelintoleranzen und entzündliche Magen-Darm-Erkrankungen: Neue Erkenntnisse betreffen vor allem die Beteiligung immunologischer Mechanismen bei der letzteren Krankheitsgruppe.
• Diagnostik: Anhand der Empfehlungen der EAACI wird das Vorgehen für eine Standardisierung der DBPCFC aufgezeigt, sowie auf die Wichtigkeit der Bestimmung von „Schwellendosen“, Blinding von Mahlzeiten und auf die Verbesserung der Diagnostik mittels rekombinanter Allergene (sog. „component resolved diagnosis“) eingegangen.
• Aufgrund der aggressiven Werbung von fragwürdigen diagnostischen Methoden wird zu diesen „unproven methods“ eindeutig Stellung genommen.
• Nahrungsmittelallergene: Die Kenntnisse über die molekularen Strukturen der verschiedenen Nahrungsmittelallergene haben sich erheblich erweitert, was sich im Umfang dieses Kapitels niederschlägt. Neben einer aktuellen Übersicht wird vor allem Wert auf die klinische Praxis gelegt. Die neuen Erkenntnisse erklären manche überraschenden Unverträglichkeiten, führen aber auch zunehmend zu Problemen bei der Interpretation von Hauttesten und IgE-Antikörper-Nachweisen in vitro, die nicht selten erst nach der DBPCFC zu interpretieren sind.
• Ein weiterer überarbeiteter Gesichtspunkt der neuen Auflage gilt der Problematik, ob durch gentechnisch veränderte Lebensmittel dem allergischen Konsumenten eine potenzielle Gefährdung erwächst.
• Nahrungsmittelzusatzstoffe: Die ursprünglichen Befürchtungen wegen der „E-Stoffe“ bedürfen einer erneuten Überprüfung im Lichte neuerer Erkenntnisse und Studien. Neuere Entwicklungen wurden hinsichtlich der Vorteil-Nutzen-Relation analysiert.
• Therapie und Prävention: Die bisherigen Erkenntnisse sind anhand neuerer Studien und Empfehlungen überarbeitet worden und – soweit zutreffend – die Empfehlungen der evidence-based medicine (EBM) als Maßstab angelegt.
• Besonderheiten der Nahrungsmittelallergien im Kindesalter: Hier sind Fortschritte von Diagnostik und Therapie – vor allem aber auch prognostische Aspekte berücksichtigt.
• Lebensmittelrechtliche Bestimmungen: Die neuen EU-Bestimmungen haben eine wesentliche Verbesserung des Verbraucherschutzes gebracht, dennoch besteht vor allem für hochsensibilisierte Allergiker nach wie vor ein schwer zu quantifizierendes Risiko.
• Literaturverzeichnis: Es wurden vor allem die Veröffentlichungen nach 2000 berücksichtigt. Für frühere Referenzen wird auf die erste und zweite Auflage verwiesen.

In der EU misst man dem Thema Nahrungsmittelallergien inzwischen eine hohe Bedeutung bei: Zum einen geht die verbesserte Allergendeklaration auf eine Initiative der EU bzw. mehrerer Mitgliedsstaaten zurück. Aus dieser Richtung sind künftig weitere Schritte zu erwarten. Zum anderen hat das Thema Nahrungsmittelallergie in der Forschungsförderung der EU einen außerordentlich hohen Stellenwert: bei dem Projekt „EuroPrevall“ handelt es sich mit über 60 Partnerinstituten um das bisher größte Forschungsvorhaben zur Nahrungsmittelallergie in Europa. Dort sollen erstmals valide Zahlen über die Prävalenz der Erkrankungen in den verschiedenen Staaten, geografische Unterschiede und auslösende Schwellendosen ermittelt werden. Schließlich wurde auch ein Programm zur Entwicklung der spezifischen Immuntherapie aufgelegt. Es ist also zu erwarten, dass auch in der nächsten Auflage der Nahrungsmittelallergien und -intoleranzen über neue relevante Ergebnisse zu berichten sein wird.

Die Zielgruppe bleibt im Wesentlichen unverändert: Allergologen, Dermatologen, Internisten, Gastroenterologen, Pädiater, Ernährungswissenschaftler. Die Herausgeber hoffen, dass das Werk mit seiner Aktualisierung weiterhin ein unentbehrlicher Ratgeber auf diesem komplizierten Gebiet der Allergologie bleibt.

Im Juni 2008

Die Herausgeber

Vorwort zur 1. Auflage

Vor mehr als 2000 Jahren machte Hippokrates, der Vater der griechischen Medizin, die Beobachtung, dass einzelne Patienten nicht die kleinste Menge Käse zu sich nehmen konnten, ohne schwer zu erkranken. Unglücklicherweise spezifizierte er die beobachteten Symptome nicht, so ist es heute unmöglich zu beurteilen, ob dem Krankheitsmechanismus eine allergische oder enzymatische Intoleranz zugrunde lag. Die Therapie dieser Krankheit war jedoch eindeutig und wirkungsvoll: „esse keinen Käse“.

Laut Sir Thomas More (1478–1535) wusste König Richard der Dritte von England, dass nach Genuss von Erdbeeren ein Ausschlag an seinem ganzen Körper auftrat. Während einer Kronratssitzung im Jahre 1483 verlangte er absichtlich nach Erdbeeren zur Erfrischung:

„Mylord von Ely, jüngst war ich in Holborn Und sah in Eurem Garten schöne Erdbeeren: Lasst etliche mir holen, bitt ich Euch“

(Shakespeare, Richard der Dritte, 3. Aufzug, 4. Szene).

Nach Ankunft des Boten mit den Erdbeeren nahm er ostentativ eine davon und führte die Verhandlung fort. Eine Stunde später rief er unter den versammelten Lords Bestürzung hervor, indem er den Ärmel seines Hemdes hochkrempelte und die schlimme Veränderung seines Hautzustandes zur Schau stellte. Er zeigte mit dem Finger auf denjenigen, der seine Missgunst hervorgerufen hatte, bezichtigte ihn der Hexerei und ordnete an, dass man ihn sofort abführe, um im Tower von London hinrichten zu lassen. Heute besteht kein Zweifel daran, dass Richard der Dritte an einer allergischen Urtikaria auf Erdbeeren litt.

Enzymatische Intoleranz auf Käse – Allergie gegen Erdbeeren: im Laufe der Jahre wurde die Liste der krankmachenden Nahrungsmittel immer länger. Hinzugefügt wurden Lebensmittel wie Ei, Fisch, Austern und andere Schalentiere, Milch, Honig, Nüsse und Gemüse u.a. Viele Symptome können durch Nahrungsmittel verursacht oder einer Nahrungsmittel-Intoleranz zugeordnet werden. Viele Hypothesen sind in Bezug auf dieses kontroverse Gebiet der Unverträglichkeitsreaktionen gegen Nahrungsmittel erhoben worden. Jedoch wurden nur wenige von ihnen mit den dafür geeigneten Testmethoden untermauert.

Somit ist gegenwärtig die Nahrungsmittel-Allergie wohl das komplizierteste und umstrittenste Gebiet der Allergologie. Nicht zuletzt die Betroffenen sind geneigt, jede tatsächliche oder vermeintliche Unverträglichkeit als Allergie anzusehen. Nach der gegenwärtigen Erkenntnis trifft dies jedoch nur für den kleineren Teil solcher Reaktionen zu. Nur durch eine saubere allergologische Diagnostik können eine allergische Genese gesichert und damit auch die entsprechenden therapeutischen und prophylaktischen Schlussfolgerungen gezogen werden. Die Fortschritte der Allergenanalyse wie auch der immunologischen Diagnostik in den letzten 10–15 Jahren haben unsere Kenntnisse und Möglichkeiten in einem Maße erweitert, dass es den Autoren geraten schien, die aktuelle Situation sowohl für den Hausarzt als auch für den Allergologen zusammenzufassen.

Im September 1997

Lothar Jäger, Brunello Wüthrich

Herausgeber- und Autorenverzeichnis

, Privatdozentin Dr. med Barbara Ballmer-Weber, Leitende Ärztin Allergiestation und epikutanes, Testlabor, Dermatologische Universitäts-Klinik, Gloriastr. 31, 8091 Zürich, Schweiz

, Dr. med Kirsten Beyer, Klinik für Pädiatrie, m. S. Pneumologie und Immunologie, Campus Virchow Klinikum, Charité Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin, Deutschland

, Dr Ulrich Busch, Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Veterinärstraße 2, 85764 Oberschleißheim, Deutschland

, Prof. em. Dr. med Lothar Jäger, ehem. Direktor des Institutes für Klinische, Immunologie, Friedrich-Schiller-Universität Jena, Luxemburgstr. 34, 07743 Jena, Deutschland

, Prof. Dr. med Bodo Niggemann, Leitender Oberarzt der Klinik für Pädiatrie m.S. Pneumologie und Immunologie, Campus Virchow Klinikum, Charité, Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin, Deutschland

, Prof. Dr. rer. nat Stefan Vieths, Paul-Ehrlich Institut, Abteilung Allergologie, Paul-Ehrlich-Str. 51–59, 63225 Langen, Deutschland

, Prof. Dr. med Ulrich Wahn, Direktor der Klinik für Pädiatrie m.S. Pneumologie und Immunologie, Campus Virchow Klinikum Charité, Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin, Deutschland

, Prof. em. Dr. med Brunello Wüthrich, Facharzt FMH für Allergologie, klinische, Immunologie und Dermatologie, Univ.-Klinik für Dermatologie Zürich, Spital Zollikerberg, Trichtenhauserstr. 20, 8125 Zollikerberg, Schweiz

Mitarbeiter der 3. Auflage , Dipl.-Biol Anne-Regine Lorenz, , Dr. rer. nat Gerald Reese, Paul-Ehrlich-Institut, Abteilung Allergologie, Paul-Ehrlich-Str. 51–59, 63225 Langen, Deutschland

Mitarbeiter vorausgegangener Auflagen , Dr Peter Lohs, Strebelow, Schwertlinienweg 14, 18198 Kritzmow, Deutschland

Abkürzungsverzeichnis

A

AD atopische Dermatitis

ADCC antibody dependent cellular cytotoxicity

AE atopisches Ekzem

AEDS atopisches Ekzem/Dermatitis-Syndrom

ALCAT Firmenamen für: Test for Cellular Responses to Foreign Substances

AK Antikörper

APC antigenpräsentierende Zelle

APT atopy patch test

B

BALT Bronchien-assoziiertes lymphatisches Gewebe

BDP barley dimeric protein

BGVV Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin

BMAI barley monomeric-amylase Inhibitor

BSA Rinderserum-Albumin

C

C Komplement

CAST Cellular-Antigen-Stimulations-Test

CCD cross-reactive carbohydrate determinants

CD Cluster of Differentiation (Zell-Marker)

CI Konfidenzintervall

CIE gekreuzte Immunelektrophorese

CLA cutaneous lymphocyte antigen

CLA Chemilumineszensimmunoassay

COLAP koloskopische Allergenprovokation

Con A Concanavalin A

CRIE gekreuzte Radioimmunelektrophorese

CSF Kolonie-stimulierender Faktor

D

DAO Diaminooxidase

DBPCFC double-blind placebo-controlled food challenge

DC dendritische Zelle

DiätV Diätverordnung

DNCG Dinatrium cromoglycicum

E

E „EU“ bzw. „edible“ (E-Stoffe)

EAACI European Academy of Allergy and Clinical Immunology

EAST Enzym-Allergo-Sorbent-Test

EATCL Enteropathie-assoziierte T-Zell-Lymphome

ECP eosinophiles kationisches Protein (eosinophil cationic protein)

EGE eosinophile Gastroenteritis

EGID eosinophile gastrointestinale Erkrankungen

EIA exercise-induced anaphylaxis

EIA Enzym-Immuno-Assay

ELISA enzym-linked Immuno-Assay

EPO Eosinophilen-Peroxidase

EuGH Europäischer Gerichtshof

F

FAO Food and Agriculture Organization of the UN

Fc fragment cristalline (Teilstruktur der Immunglobulin-Moleküls

FcR Rezeptor für konstante Regionen der Immunglobuline

FDA Food and Drug Administration (USA)

FEIA Fluoreszenz-Enzym-Immuno-Assay

FDEIA food dependent exercise-induced anaphylaxis

FPIES food-protein-induced enterocolitic syndrome

G

GALT gut-associated lymphatic tissue

γδ-Zellen T-Zellen, die statt des typischen αβ-Rezeptor den γδ-Rezeptor tragen

GE Gluten-Enteropathie

GM-CSF Granulozyten-/Makrophagen-colony stimulating factor

GMP gute Herstellungspraxis

H

HES hypereosinophiles Syndrom

HEV Venolen mit hohem Epithel

HFI hereditäre Fruktoseintoleranz

HLA human leukocyte antigen

I

IA idiopathic anaphylaxis

IBS irritable bowel syndrome (Reizdarm)

IE internationale Einheiten

IEF Isoelektrofokussierung

IEL intraepitheliale Lymphozyten. Syn. Teliolymphozyten

IF Immunfluoreszenz

IFN Interferon

IL Interleukin

ISCOM immunstimulatorischer Komplex

IT Immuntoleranz

IUIS International Union of Immunological Societies

K

kDa Kilodalton (Molekulargewicht)

K-Zellen Killer-Zellen

KMPI Kuhmilchproteinintoleranz

kU/L Kilo-Units/litre

L

LMKV Lebensmittelkennzeichnungs-Verordnung

LOAL lowest oberserved adverse effect level

LP late phase reaction

LPR late phase reaction

LPS Lipopolysacharid

LT Leukotriene

LTP Lipid-Transfer-Protein

LTT Lymphozyten-Transformations-Test

M

M Molekulargewicht

MALT mucosa-associated lymphatic tissue

MAO-Hemmer Monoaminooxidase-Hemmer

MBP major basic protein (der Eosinophilen)

MCS multiple chemical sensitivity syndrome

MHC major histocompatibility complex

MIF Makrophagen-Inhibitions-Faktor

mIg membrangebundenes Immunglobulin

MNG Mono-Natrium-Glutamat

MPS makrozytär-phagozytäres System

M-Zellen spezialisierte Epithelzellen des Darmes im Bereich der Peyer´schen Plaques

N

NFκB Nuklear-Faktor, bedeutsam für die Aktivierung von Immun- u. a. Zellen

NKV Nährwertkennzeichnungsverordnung

NK-Zellen natürliche Killerzellen

NM Nahrungsmittel

NMA Nahrungsmittelallergie

NMH Nahrungsmittelhypersensitivität

NMI Nahrungsmittelintoleranz

NOAEL no observed adverse effect level

NOD nukleotid-bindende Oligomerisationsdomäne

NSAID nichtsteroidale Antirheumatika (nonsteroidal antiiflammatory drugs)

nsLTP unspezifisches Lipid-Transfer-Protein

O

OAS orales Allergiesyndrom

ODN Oligodesoxynukleotid

OPT offener Provokationstest

OR Odd’s ratio

P

PAMP pathogen-associated molecular pattern

PAF plättchenaktivierender Faktor

PCR Polymerase-Kettenreaktion

PEG Polyäthylenglykol

pEGE primary eosinophilic gastroenteritis

PG Prostaglandin

pI isoelektrischer Punkt

PP Peyer'sche Plaques

PR-Protein pathogenesis-related protein (Stressproteine)

PRR pattern recognition factor

R

RAST Radio-Allergosorbent-Test

RIA Radio-Immuno-Assay

RR relatives Risiko

S

SC sekretorische Komponente

SCID severe combined immunodeficiency

SDS-PAGE Sodiumdodecylsulfat-Polyacrylamidgel-Elektrophorese

S.I. sensibilisatorischer Index

sIg sekretorisches Immunglobulin

SIT spezifische Immuntherapie

SLIT sublinguale Immuntherapie

T

Tc zytotoxische T-Zelle

TCR T-Zell-Rezeptor

TGF transforming growth factor

TH-Zellen T-Helfer-Zellen

TLR Toll-like-Rezeptor

TNF Tumor-Nekrose-Faktor

Treg-Zellen regulatorische T-Zellen

tTG Gewebstransglutaminase

W

WAO World Allergy Organisation

WIN 1, WIN 2 wound-induced (Stressproteine)

wt/vol; w/v weight/volume

WTAI wheat tetrameric amylase-inhibitor

Table of Contents

KAPITEL 1 Begriffsbestimmung

B. Wüthrich

1.1 Eine neue globale Terminologie für Allergien

Die Europäische Akademie für Allergologie und Klinische Immunologie (EAACI) hat 2001 in einem Positionspapier eine neue Nomenklatur allergologischer Erkrankungen vorgestellt, da diese bisher sehr uneinheitlich war (Johansson et al. 2001). Die Kommunikation zwischen Medizinern sollte dadurch erleichtert werden. Die World Allergy Organization (WAO) folgte 2004 weitgehend den Vorschlägen der EAACI und publizierte ihrerseits eine „Revised nomenclature for allergy for global use“ (Johansson et al. 2004). Obwohl diese neue Nomenklatur nur unwesentlich von den in den früheren Auflagen dieses Buches verwendeten Begriffen von „Nahrungsmittelallergien“ und „Nahrungsmittelintoleranzen“ abweicht, sollen die wichtigsten Definitionen zu Beginn dieser dritten Neuauflage wiedergegeben werden.

Hypersensitivität: Hypersensitivität ruft bei prädisponierten Patienten objektive und reproduzierbare Überempfindlichkeitssymptome hervor. Sie treten nach Exposition durch einen definierten Stimulus auf, der von Gesunden problemlos toleriert wird.

Nichtallergische Hypersensitivität: Nichtallergische Hypersensitivität ist der bevorzugte Ausdruck, um durch nicht-immunologische Mechanismen hervorgerufene Überempfindlichkeiten zu beschreiben.

Allergie: Allergie ist eine durch immunologische Mechanismen hervorgerufene Hypersensitivitäts- bzw. Überempfindlichkeitsreaktion. Sie kann Antikörper- oder Zell-vermittelt sein. Die meisten allergischen Reaktionen werden typischerweise durch Antikörper vom IgE-Isotyp vermittelt; Patienten mit einer solchen Reaktion sollten als Patienten mit einer IgE-vermittelten Allergie klassifiziert werden. Nicht alle IgE-vermittelten Reaktionen (z. B. Insektengift- oder Arzneimittelallergien) treten bei „atopischen“ Patienten auf. Bei nicht IgE-mediierten allergischen Reaktionen können die verantwortlichen Antikörper dem IgG-Isotyp angehören. Hierzu gehören z. B. die anaphylaktischen Reaktionen durch Immunkomplexe sowie die klassische Serumkrankheit als systemische Typ-III-Reaktion. Bei Patienten mit Nahrungsmittelallergie werden sowohl IgE- als auch IgG-Antikörper gefunden. Auf deren Bedeutung wird in näher eingegangen.

Allergene: Allergene sind Antigene, die Allergien hervorrufen. Die meisten mit IgE- oder IgG-Antikörpern reagierenden Allergene sind Proteine, die häufig Kohlenhydrat-Seitenketten besitzen. Unter gewissen Umständen wurden auch reine Kohlenhydrate als Allergene postuliert. Selten werden auch niedrigmolekulare Chemikalien, z. B. Isozyanate oder Anhydrate, die als Haptene agieren, als Allergene für IgE-Antikörper angesehen. Bei der allergischen Kontaktdermatitis sind die klassischen Allergene niedrigmolekulare Chemikalien, die mit T-Zellen reagieren, z. B. Chrom, Nickel und Formaldehyd.

Atopie: Atopie bezeichnet eine individuelle oder familiär bedingte Tendenz, schon bei geringen Dosen von Allergenen, meist Proteinen, IgE-Antikörper zu produzieren und dadurch typische Symptome wie Asthma, Rhinokonjunktivitis, Nahrungsmittelallergien oder ein atopisches Ekzem zu entwickeln. Die Begriffe „Atopie“ und „atopisch“ sind reserviert für die Beschreibung dieser klinischen Bilder und der o. g. Prädisposition. Bevor nicht eine IgE-Sensibilisierung diagnostiziert wurde, sollte der Begriff „Atopie“ zurückhaltend benutzt werden. Allergische Symptome, die bei einem atopischen Individuum auftreten, können als „atopisch“ bezeichnet werden, z. B. „atopisches Asthma“. Weder ein positiver Hautpricktest noch der Nachweis von IgE-Antikörpern per se können jedoch als Kriterien für eine Atopie herangezogen werden. Derartige Patienten sollten als „Hautpricktest-positiv“ beziehungsweise „IgE-sensibilisiert“ bezeichnet werden.

Asthma: Asthma wird als eine chronisch-entzündliche Krankheit der Atemwege definiert, bei der verschiedene Zellen, insbesondere Mastzellen, Eosinophile und T-Lymphozyten beteiligt sind. Bei prädisponierten Individuen ruft die chronische Entzündung rezidivierende Episoden mit Luftnot, Engegefühl in der Brust sowie Husten, besonders nachts und/oder am frühen Morgen, hervor. Diese Symptome sind gewöhnlich assoziiert mit Limitationen des Luftstroms, die zumindest teilweise spontan oder durch Behandlung reversibel sind. Die chronische Entzündung ruft auch eine erhöhte Reaktionsbereitschaft der Atemwege auf variable Stimuli hervor.

Allergisches Asthma: Allergisches Asthma ist der Grundbegriff für durch immunologische Mechanismen mediiertes Asthma. Wenn IgE-vermittelte Reaktionen diagnostiziert wurden, sollte der Begriff IgE-vermitteltes Asthma verwendet werden. IgE-Antikörper können sowohl eine Soforttyp- als auch eine verzögerte Asthmareaktion hervorrufen. Bei beiden Reaktionstypen scheinen, wie bei anderen allergischen Erkrankungen auch, T-Zell-assoziierte Reaktionen von Bedeutung zu sein. Abhängig von der Länge der Symptome kann Asthma entweder als intermittierend oder als persistierend bezeichnet werden.

Nichtallergisches Asthma: Dies ist der bevorzugte Begriff für nicht-immunologisch bedingtes Asthma. Es wird empfohlen, dass die alten Begriffe „extrinsisch“ und „intrinsisch“ bzw. „exogen“ und „endogen“ nicht länger verwendet werden, um zwischen der allergischen und der nichtallergischen Subgruppe des Asthmas zu unterscheiden.

Rhinokonjunktivitis: Symptome einer immunologisch mediierten Überempfindlichkeitsreaktion an der Nasenschleimhaut und an den Konjunktiven sollten als allergische Rhinokonjunktivitis bezeichnet werden. Die meisten Fälle sind IgE-vermittelt. Basierend auf der Dauer der Symptome kann es sinnvoll sein, zwischen intermittierender und persistierender allergischer Rhinokonjunktivitis zu unterscheiden.

Ekzem: Die allgemein verwendeten Begriffe „atopisches Ekzem“, „atopische Dermatitis“ sowie „Neurodermitis“ stellen kein einheitliches Krankheitsbild dar, sondern sind eine Assoziation verschiedener Krankheiten mit bestimmten gemeinsamen Charakteristika. Die EAACI hatte hierfür die Terminologie „atopisches Ekzem/Dermatitis-Syndrom“ (AEDS) vorgeschlagen. Dabei werden als Untergruppen das „IgE-assoziierte“ AEDS und das „nicht-IgE-assoziierte“ AEDS (früher „intrinsic“ Typ) unterschieden (Schmid-Grendelmeier et al. 2001). Diese Terminologie konnte jedoch keinen breiten Konsens finden.

Die WAO hat nun für Erkrankungen aus dem ekzematischen Formenkreis den Begriff „Dermatitis“ gewählt mit den zwei großen Gruppen „Ekzem“ und „Kontakt-Dermatitis“. Zur Kontakt-Dermatitis gehören die Untergruppen „allergische Kontakt-Dermatitis“ als Typ-IV-Allergie sowie die „nichtallergische Kontakt-Dermatitis“, früher u. a. als „toxische“, „kumulativ-toxische“, „irritative“ oder „Abnützungsdermatitis“ bezeichnet. Das AEDS ist nun schlicht das „atopische Ekzem“, wobei hier ausdrücklich nur die IgE-assoziierte Form gemeint ist. Für das „nicht-IgE-assoziierte AEDS“ oder den „Intrinsic-Typ“ des atopischen Ekzems wird die Bezeichnung „nicht-atopisches Ekzem“ vorgeschlagen.

Erst die Praxis wird zeigen, ob sich 100 Jahre nach der Einführung des „Allergie“-Begriffs durch Clemens Pirquet auf Dauer diese Terminologie, die zweifellos eine Vereinfachung und eine gewisse Ordnung in das Chaos verschiedener Bezeichnungen und Definitionen bringen will, durchsetzen wird.

1.2 Nahrungsmittelhypersensitivität: Nahrungsmittelallergien und Nahrungsmittelintoleranzen

Bezüglich der im Zusammenhang mit einer Nahrungsmittelhypersensitivität verwendeten Termini übernimmt die WAO im Wesentlichen die früheren Empfehlungen der Europäischen Akademie für Allergologie und Klinische Immunologie (EAACI) (Bruijnzeel-Koomen et al. 1995; Ortolani et al. 1999). Der Überbegriff „Nahrungsmittelunverträglichkeit“ beinhaltet alle krankhaften Erscheinungen im Zusammenhang mit der Aufnahme von Lebensmitteln, Gewürzen und Zusatzstoffen. Die weitere Einteilung erfolgt aufgrund der pathogenetischen Mechanismen, die zu einer Nahrungsmittelunverträglichkeit führen ().

image

Abb. 1.1 Einteilung der Unverträglichkeitsreaktionen auf Nahrungsmittel, basierend auf pathogenetischen Mechanismen; gemäß den Empfehlungen des Subcommittees on Adverse Reactions to Food der Europäischen Akademie für Allergologie und Klinische Immunologie (Bruijnzeel-Koomen et al. 1995) und des Nomenclature Review Committees of the World Allergy Organization (Johansson et al. 2004).

1.2.1 Toxische Reaktionen auf Nahrungsmittel

Vom Begriff der Nahrungsmittelhypersensitivität müssen toxische Reaktionen nach Nahrungsaufnahme abgegrenzt werden. Zu letzteren gehören Vergiftungen nach Genuss nicht-essbarer Pilze oder akute Magen-Darm-Symptome in Form von Durchfällen, Bauchkoliken, Übelkeit sowie Erbrechen nach Genuss von rohen Bohnen infolge des Lektin-Gehalts (Lektine werden durch Kochen inaktiviert) (Nussbaumer 1999). Auch fiebrige Durchfälle und Erbrechen nach Genuss verdorbener Speisen infolge bakterieller Kontamination, entweder durch direkte bakterielle Einwirkung (z. B. Campylobacter, Salmonella, Shigella, enterovirulente Escherichia coli, Novoviren) oder durch Toxine, die bereits in den Nahrungsmitteln gebildet wurden, werden zu den toxischen Reaktionen gezählt. Beispiele hierfür sind Staphylococcus-aureus- sowie Bacillus-cereus-Toxine (Egli et al. 2005; Flammer 2004). Beim so genannten Favismus führt der Genuss von Bohnen, vor allem Saubohnen (Vicia faba, daher Favismus) und Erbsen zu akuter Hämolyse, welche in seltenen Fällen bis zum Tod führen kann. Durch das Fehlen einer funktionsfähigen Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase kann nicht ausreichend Nicotinsäureamid-Adenin-Dinucleotid-Phosphat (NADPH) zur Regenerierung des Glutathions bereitgestellt werden, sodass Peroxide ungehindert die Membran und die SH-Gruppen der Proteine des Erythrozyten angreifen können. Der Favismus ist eine erbliche, X-chromosomal-rezessive Erkrankung, die vor allem unter Schwarzafrikanern und im Mittelmeerraum unter Italienern (besonders Sarden), Griechen, hebräischen Juden und Arabern, aber auch unter Thailändern, Chinesen und Indern verbreitet ist ().

Bei der so genannten Scombroid-Vergiftung handelt es sich um eine Allergie-ähnliche Reaktion mit Flush, generalisierter Urtikaria (Nesselausschlag), Atemnot, Kopfschmerzen, Magen-Darm-Beschwerden sowie Kreislaufsymptomen bis hin zum Schock, die durch unsachgemäße Verwertung und Lagerung bestimmter Meeresfische hervorgerufen wird. Der Name Scombroid-Vergiftung beruht auf der Tatsache, dass dieses Phänomen besonders bei dunkelfleischigen Meeresfischen der Familie Scombroideae auftritt, deren Hauptvertreter der Thunfisch und die Makrele sind (Becker et al. 2001; Schepis et al. 2004). Durch bakterielle Kontamination des Fisches wird im Muskelfleisch vorhandenes Histidin zu Histamin dekarboxyliert. Dadurch kommt es zu einer Anreicherung großer Mengen von Histamin. Dieses biogene Amin wird weder durch Erhitzen noch durch Tiefgefrieren zerstört. Der Genuss derartig kontaminierter Fische löst bei Betroffenen nach kurzer Latenzzeit eine histaminartige Vergiftung aus, die dem klinischen Bild einer akuten allergischen Reaktion gleicht.

1.2.2 Nicht-toxische Reaktionen auf Lebensmittel

Die nicht-toxischen Hypersensitivitätsreaktionen auf Nahrungsmittel werden entweder durch immunologische Mechanismen (Nahrungsmittelallergien) oder durch nicht-immunologische Reaktionen (nichtallergische Hypersensitivitätsreaktionen) verursacht. Nahrungsmittelintoleranzen sind nichtallergischen Hypersensitivitätsreaktionen nach Nahrungsmittelaufnahme gleichzusetzen. Pathogenetisch werden enzymatische, pharmakologische und unbekannte Intoleranz-erzeugende Mechanismen unterschieden.

Der Laktase-Mangel ist die häufigste durch eine Enzymopathie verursachte Nahrungsmittelintoleranz. Das Disaccharid Laktose (Milchzucker) kommt als nativer Bestandteil in Milch und Milchprodukten vor. Die Laktose wird im Dünndarm durch das Enzym β-Galaktosidase (Laktase) in Glukose und Galaktose gespalten, die danach absorbiert werden. Bei ca. 20 % der Menschen nimmt die Laktaseaktivität ab einem Alter von zwei Jahren ab. Danach kann die Laktosezufuhr bei diesen Personen als Folge der in den Dickdarm übergegangenen Laktose zu Beschwerden führen (Blähungen, Bauchkrämpfe, Durchfälle). Je nach Ausprägung des Laktasemangels werden unterschiedliche Laktosemengen toleriert (de Vrese et al. 1998).

Als Folge von verschiedenen entzündlichen Darm- und Bauchspeicheldrüsenerkrankungen können weitere erworbene Enzymmangel-induzierte Intoleranzen entstehen.

Pharmakologische Intoleranzen treten bei empfindlichen Personen nach Genuss von gewissen Nahrungsmitteln mit einem hohen Gehalt an Histamin und anderen pharmakologisch aktiven Substanzen auf. Hierzu gehören gefäß- oder psychoaktive biogene Amine oder Histaminliberatoren sowie psychoaktive biogene Amine wie Tyramin, Serotonin und Phenylethylamin. Fermentierte Produkte, Hartkäse, Schokolade, Erdbeeren, Tomaten, Schalentiere und gewisse Rotweine sind besonders histaminreich ().

Eine Sonderstellung zwischen den enzymatischen und den pharmakologischen Intoleranzen nimmt die Histamin-Intoleranz ein (Jarisch 2004). Sie wird auf eine fehlende oder mangelnde Inaktivierung des Histamins durch das vor allem in der Darmschleimhaut vorhandene Enzym Diaminooxidase (DAO) zurückgeführt. Normalerweise führt die DAO zu einem raschen Histaminabbau. Bei Personen mit verringerter DAO-Aktivität wird exogen durch die Nahrung zugeführtes oder endogen durch Histaminliberatoren freigesetztes Histamin nicht abgebaut. Auch Alkohol und bestimmte Medikamente (Aspirin, nichtsteroidale Antirheumatika, MAO-Hemmer) beeinträchtigen die DAO- Aktivität. Dadurch werden pharmakologisch wirksame Histaminkonzentrationen im Blut erreicht, welche die gleichen Beschwerden auslösen, wie eine allergische Sofortreaktion ().

Nichtdefinierte Intoleranzreaktionen/Hypersensitivitätsreaktionen werden durch die Freisetzung von Mediatoren aus Blutbasophilen bzw. aus Mastzellen verursacht, deren Mechanismus bis heute noch nicht vollständig verstanden ist (kein IgE-Nachweis, d. h. negative Hauttests und serologische Untersuchungen). Sie werden auch als pseudoallergische Reaktionen bezeichnet, da sie klinisch ähnliche Symptome verursachen wie die echten IgE-mediierten allergischen Reaktionen. Für diese pseudoallergischen Reaktionen werden kleinmolekulare Substanzen in Lebensmittelzusatzstoffen (Additiva) wie Tartrazin, Benzoesäure und Sulfite verantwortlich gemacht. Bei den nicht auf einer Enzymopathie beruhenden Intoleranzreaktionen kann die Diagnose nur durch so genannte doppelblinde, Placebo-kontrollierte, orale Provokationstests mit Nahrungsmitteln oder Lebensmittelzusatzstoffen gesichert werden, da zurzeit bei Intoleranzen keine validierten Haut- oder Bluttests zur Verfügung stehen ().

Von Nahrungsmittelallergien (bzw. Nahrungsmittelzusatzstoffallergien) spricht man nur, wenn die krankhaften Symptome nach Nahrungsaufnahme als Folge von Allergen-spezifischen immunologischen Mechanismen entstehen. Die häufigsten Nahrungsmittelallergien werden durch IgE-Antikörper verursacht: Die Symptome können dabei durch kleine oder mäßige Mengen des betreffenden Nahrungsmittels ausgelöst werden, verschwinden nach dessen Elimination und können überzeugend und reproduzierbar durch eine erneute Exposition ausgelöst werden. Nahrungsspezifische IgG- und IgG4-Antikörper werden physiologisch schon von gesunden Säuglingen oder als Folge vieler entzündlicher Darmerkrankungen gebildet, haben jedoch selten eine pathogene Bedeutung (Wüthrich et al. 2005c) ().

Eine Immunkomplexsymptomatik auf Nahrungsproteine wurde bis jetzt nur anekdotisch mitgeteilt und noch nicht mittels doppelblinder, Placebo-kontrollierter, oraler Provokationen bestätigt. Spärlich ist auch – mit Ausnahme der entzündlichen Darmerkrankungen, insbesondere der Gluten-induzierten Enteropathie () – die Evidenz einer T-Zell-vermittelten Nahrungsmittelallergie. T-Zell-Reaktionen auf Nahrungsproteine konnten bei Patienten mit atopischer Dermatitis (Neurodermitis) nachgewiesen werden, welche unter oraler Provokation eine Verschlechterung ihres Ekzems zeigten (Kap. 5.3.2)

Psychische Aversionen auf Nahrungsmittel und psychosomatoforme Reaktionen (der Patient ist überzeugt, an einer Nahrungsmittelhypersensitivität zu leiden, obwohl eine solche objektiv nicht vorliegt) müssen von den Begriffen Nahrungsmittelallergie und -intoleranz abgegrenzt werden, da sich hier die vermeintlich krankhafte Rolle der Nahrungsmittel oder Lebensmittelzusatzstoffe mit keiner wissenschaftlichen Methode untermauern lässt.

Nach den Positionspapieren der EAACI gibt es keine Beweise für eine ursächliche Beteiligung Nahrungsmittel-allergischer Mechanismen bei rheumatoider Polyarthritis, hyperkinetischem Syndrom, Epilepsie, „Chronic fatigue syndrome“, „Multiple chemical sensitivity syndrome“ (MCS), perioraler Dermatitis, Akne, Psoriasis, Otitis media serosa, „Irritable bowel syndrome“ und entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa. Dies sind nur einige Krankheitsbilder, die oft von Patienten und „Alternativ“-Medizinern als Nahrungsmittelallergien diagnostiziert werden.