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Fachdidaktik Spanisch
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bachelor-wissen ist die Reihe für die modularisierten Studiengänge
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Christiane Fäcke
Fachdidaktik Spanisch
Eine Einführung
Prof. Dr. Christiane Fäcke ist Inhaberin des Lehrstuhls für Didaktik der romanischen Sprachen und Literaturen an der Universität Augsburg.
Idee und Konzept der Reihe: Johannes Kabatek, Lehrstuhl für Romanische Sprachwissenschaft an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen.
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Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen
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Satz: Informationsdesign D. Fratzke, Kirchentellinsfurt
ISSN 1864-4082
ISBN 978-3-8233-6655-3
eBook-Herstellung und Auslieferung:
Brockhaus Commission, Kornwestheim
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Inhalt
Kompetenz 1: Fachdidaktisch denken und arbeiten
Einheit 1: Begriff ‚Fachdidaktik‘
1.1 Fachdidaktik
1.2 Bezugswissenschaften der Fachdidaktik
Einheit 2: Berufswunsch Spanischlehrer/in
2.1 Motive zur Berufswahl
2.2 Vorstellungen vom Lehrerberuf und vom Sprachenlernen und -lehren
2.3 Lehrerforschung
Kompetenz 2: Spanischunterricht analysieren
Einheit 3: Methoden des Spanischunterrichts
3.1 Begriff ‚Methode‘
3.2 Die Grammatik-Übersetzungs-Methode
3.3 Die Direkte Methode
3.4 Die Audiolinguale Methode
3.5 Die Vermittelnde Methode
3.6 Die Audiovisuelle Methode
3.7 Kommunikative Didaktik
Einheit 4: Alternative Methoden und neuere Entwicklungen
4.1 Alternative Methoden
4.2 Aktuelle Entwicklungen der Spanischdidaktik
4.2.1 Interkulturelle Didaktik und Mehrsprachigkeitsdidaktik
4.2.2 Kognitionsorientierung
4.2.3 Neue Medien und E-Learning
Einheit 5: Lehrpläne, Curricula und Bildungsstandards
5.1 Lehrpläne, Curricula und Rahmenrichtlinien
5.2 Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen
5.3 Bildungsstandards, Kompetenz- und Outcomeorientierung
5.4 Aufgabenorientierung – enfoque por tareas
Einheit 6: Bilinguales Lernen
6.1 Individuelle und gesellschaftliche Zwei- und Mehrsprachigkeit
6.2 Bilinguale Programme in Hispanoamerika
6.3 Bilingualer Sachfachunterricht in Deutschland
6.4 Die Staatliche Europa-Schule Berlin (SESB)
Einheit 7: Sprachenlernen als Kind, Jugendliche/r und Erwachsene/r
7.1 Der Altersfaktor beim Fremdsprachenlernen
7.2 Fremdsprachen lernen in der Grundschule
7.3 Spanisch lernen in der Sekundarstufe
Kompetenz 3: Spanischunterricht gestalten
Einheit 8: Kompetenzförderung im Spanischunterricht
8.1 Funktionale kommunikative Kompetenzen
8.2 Methodische und soziale Kompetenzen
Einheit 9: Wortschatzarbeit
9.1 Wörter lehren und vermitteln
9.2 Wörter lernen und behalten
Einheit 10: Grammatikarbeit
10.1 Begriff ‚Grammatik‘
10.2 Grammatik vermitteln
Einheit 11: Landeskunde und interkulturelles Lernen
11.1 Landeskunde
11.2 Interkulturelles Lernen
11.3 Interkulturelle Kompetenzen fördern
Einheit 12: Literaturunterricht
12.1 Literatur und literarischer Kanon
12.2 Literaturdidaktische Modelle
12.3 Lesen in der Fremdsprache
12.4 Ästhetisch-literarische Kompetenzen fördern
Einheit 13: Lehrwerke und Unterrichtsmaterialien
13.1 Mit Lehrwerken Spanisch lernen
13.2 Lehrwerke analysieren
13.3 Didaktisierte und authentische Unterrichtsmaterialien einsetzen
Einheit 14: Leistungsbewertung
14.1 Leistungsmessung und Leistungsbewertung
14.2 Evaluation schriftlicher Leistungen
14.3 Evaluation mündlicher Leistungen
14.4 Das Sprachenzertifikat DELE
Sachregister
Text- und Abbildungsverzeichnis
Vorwort
Im Jahr 1999 zielten die 29 europäischen Bildungsminister mit der Initiierung des Bologna-Prozesses auf die Vereinheitlichung des europäischen Hochschulsystems bis 2010. Sie verbanden damit Ziele wie die Förderung von Mobilität, internationale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigungsfähigkeit, die durch ein internationales System vergleichbarer Hochschulabschlüsse, durch konsekutive Studiengänge sowie durch das europäische Leistungspunktesystem (ECTS) umgesetzt werden sollten.
Inzwischen ist dieser Bologna-Prozess durch die Einführung der Bachelor- und Master-Studiengänge an den meisten Universitäten in Deutschland weitgehend umgesetzt. Ein Studium besteht aus jeweils in sich geschlossenen und aufeinander aufbauenden Modulen, die in der Regel mit einer Prüfung beendet werden. Dies führt zu einer stärkeren Strukturierung einzelner Lehrveranstaltungen innerhalb eines Moduls, die jeweils formal wie inhaltlich aufeinander bezogen sind. Insbesondere in den BA-Studiengängen geht es um die Vermittlung wissenschaftlicher Grundlagen, um Methodenkompetenz sowie um Bezüge zu berufsbezogenen Qualifikationen.
Studierende müssen im Rahmen eines Lehramtsstudiums unter anderem fachdidaktische Module ableisten. Überblicksartige Einführungsmodule bilden oft den Auftakt eines solchen fachdidaktischen Studiums. Im Rahmen einer Einführungsveranstaltung in die Fachdidaktik Spanisch werden grundlegende Begriffe und zentrale inhaltliche Schwerpunkte der Fremdsprachendidaktik vermittelt und somit Auseinandersetzungen mit Fragen des Lehrens und Lernens von Spanisch angeregt.
Der vorliegende Band der Reihe bachelor-wissen entspricht diesen Überlegungen und richtet sich primär an Studierende eines fremdsprachendidaktischen Moduls zur Einführung in die Fachdidaktik Spanisch. Wesentliche Zielsetzungen bestehen darin, zentrale Wissensbestände der Fachdidaktik Spanisch begleitend zu einer Einführungslehrveranstaltung zu vermitteln oder zum Selbststudium anzuleiten. Der Band besteht aus insgesamt 14 Einheiten, die jeweils in Anlehnung an eine universitäre Lehrveranstaltung bearbeitet werden können. Dabei bildet eine kompetenzorientierte Vermittlung zentrales Konzept der Gestaltung: Neben der expliziten Benennung jeweils angestrebter Kompetenzen wird die Darstellung ergänzt durch Aufgabenstellungen, die auf die vertiefte Bearbeitung des jeweiligen thematischen Abschnitts während oder nach der Lektüre zielen. Ergänzende Materialien sowie Lösungen zu den Aufgaben finden sich auf der Homepage www.bachelor-wissen.de, so dass der eigene Lernfortschritt selbstevaluierend eingeschätzt werden kann. Insgesamt ist mit der auf Anschaulichkeit und Nachvollziehbarkeit zielenden Darstellung anvisiert, insbesondere für Studienanfänger/innen verständlich zu sein und zur eigenverantwortlichen vertieften Auseinandersetzung mit fremdsprachendidaktischen Fragestellungen einzuladen.
Dementsprechend ist der Band in drei Teile gegliedert. Im ersten Abschnitt werden Kompetenzen zu fachdidaktischem Denken und Arbeiten vermittelt, Grundbegriffe der Fachdidaktik Spanisch sowie Arbeitsweisen vorgestellt und daneben Informationen zum Beruf Spanischlehrer/in gegeben. Im zweiten Abschnitt steht die Analyse des Spanischunterrichts im Mittelpunkt. Hier geht es um zentrale Besonderheiten einzelner Methoden sowie um aktuelle Entwicklungen der Fremdsprachendidaktik ebenso wie um die Gestaltung des Spanischunterrichts durch Lehrplan, Curriculum oder Bildungsstandards. Daneben werden besondere Ansätze, d. h. Spanischunterricht in verschiedenen Altersstufen sowie bilinguales Lernen, diskutiert. Im dritten Abschnitt liegt der Schwerpunkt auf Kompetenzen zur Gestaltung des Spanischunterrichts. Hierzu gehört die Thematisierung kommunikativer, methodischer und sozialer Kompetenzen ebenso wie die Auseinandersetzung mit bestimmten Inhaltsfeldern, d. h. Grammatik, Wortschatz, Literatur und interkulturellem Lernen. Einheiten zu Lehrwerken und Unterrichtsmaterialien sowie zur Leistungsbewertung runden diese Einführung ab.
Naturgemäß bestehen Übereinstimmungen zum bereits erschienenen Band Fachdidaktik Französisch in den Bereichen der Didaktik der romanischen Sprachen, die keine sprachspezifischen Besonderheiten aufweisen. Der vorliegende Band akzentuiert daneben umfassend alle Aspekte, die rein auf das Spanische bezogen sind.
Augsburg, im Mai 2011 | Christiane Fäcke |
Einheit 1
Inhalt
1.1 Fachdidaktik
1.2 Bezugswissenschaften der Fachdidaktik
Überblick
In diesem Kapitel werden Definitionen der Begriffe „Fachdidaktik“, „Fremdsprachendidaktik“ und „Spanischdidaktik“ als wissenschaftliche Disziplinen entwickelt und ihre Gegenstandsbereiche vorgestellt. Ausgehend von einem Beispiel kommen Einflussfaktoren des Spanischunterrichts zur Sprache und hermeneutische wie empirische Methoden werden diskutiert. Anschließend lernen Sie Bezugswissenschaften der Fachdidaktik Spanisch sowie die Paralleldisziplin Sprachlehrforschung kennen.
Fachdidaktische Veranstaltungen sind obligatorischer Bestandteil jedes Lehramtsstudiums. Sie umfassen in der Regel Einführungs- bzw. Überblicksveranstaltungen, themenbezogene Pro- und Hauptseminare sowie Schulpraktika. Die Fachdidaktik als wissenschaftliche Disziplin ist interdisziplinär angelegt und verortet sich zwischen der jeweiligen Fachdisziplin – also beispielsweise Mathematik, Spanisch oder Geschichte – und den Berufs- bzw. Vermittlungswissenschaften.
Didaktik
Didaktik ist ein Begriff, der aus dem Griechischen stammt. ‚Didaktike techne‘ bedeutet die ‚Lehrkunst‘. In wissenschaftlichen Diskursen bestehen heute verschieden weit oder eng gefasste Auffassungen von Didaktik: So wird Didaktik als Wissenschaft vom Lehren und Lernen (z. B. Heimann, Peterßen), als Wissenschaft vom Unterricht (z. B. Huber, Stöcker), als Theorie der Bildungsinhalte (z. B. Weniger, Klafki), als Wissenschaft vom Lehrplan (Curriculumforschung) oder auch als Wissenschaft von der Verhaltensänderung (z. B. Frank, von Cube) verstanden (vgl. Kron 1996: 329).
Methodik
Häufig wird auch zwischen Didaktik und Methodik unterschieden. Zusammengefasst zielt die Didaktik auf Fragen nach dem Was und Warum, die Methodik hingegen auf Fragen nach dem Wie. Didaktische Fragestellungen sind methodischen Zugängen vorgeordnet, d. h. Inhalte und Begründungen von Unterricht sollten vor konkreten Umsetzungen reflektiert werden. Sobald Didaktik auf ein bestimmtes Unterrichtsfach bezogen wird, spricht man von Fachdidaktik.
Definition
Fachdidaktik ist eine wissenschaftliche Disziplin, die Inhalte, Begründungen und Zielsetzungen fachbezogenen Lehrens und Lernens sowie methodische Umsetzungen zum Gegenstand hat und analysiert. Sie befasst sich mit Lehr-/Lernsituationen in schulischen und anderen institutionellen Zusammenhängen.
Dabei stellen sich je nach Schulfach, das unterrichtet wird, spezifische Fragen. So werden im naturwissenschaftlichen Unterricht häufig Experimente zu begründen und zu analysieren sein, im Fremdsprachenunterricht hingegen kommen andere Lehr- und Lernformen zum Tragen: beispielsweise die Imitation authentischer Gesprächssituationen, die Lektüre von Texten oder auch die Anwendung des Gelernten in Übungen und Aufgaben. Damit ist die Fremdsprachendidaktik konkret auf das Lehren und Lernen von Fremdsprachen bezogen und befasst sich mit Lehr/Lernsituationen „in allen institutionellen Kontexten und auf allen Altersstufen“ (Bausch/Christ/Krumm 2007: 1).
Fremdsprachendidaktik
Hier kommen bestimmte Themen zum Tragen, die in jedem Fremdsprachenunterricht von Bedeutung sind, unabhängig davon, welche Fremdsprache denn nun gelernt werden soll. Im Englischunterricht, im Spanischunterricht oder auch im Russischunterricht gilt es beispielsweise, sich [3]mit Grammatik auseinanderzusetzen, Wortschatz zu erwerben oder auch Lernstrategien zu entwickeln. Ob nun die Bedeutung des Present Perfect erlernt werden soll oder der subjuntivo – beide Male müssen Lehrkräfte sich grundlegend überlegen, warum und wie sie denn nun das jeweilige Grammatikthema präsentieren, erklären und üben wollen. Außerdem geht es immer wieder um das Erlernen und Behalten neuen Wortschatzes. Schülerinnen und Schüler müssen in jedem Fremdsprachenunterricht Strategien entwickeln, ihren eigenen Lernprozess möglichst effektiv und konstruktiv zu gestalten. Diese Fragen werden jeweils in fremdsprachendidaktischen Perspektiven diskutiert.
Definition
Als wissenschaftliche Disziplin ist die Fremdsprachendidaktik auf Inhalte, Begründungen und Zielsetzungen sowie auf die Methodik des Lehrens und Lernens von Fremdsprachen ausgerichtet. Diese Didaktik der modernen Fremdsprachen analysiert übergeordnete Fragestellungen, die auf die in Deutschland in schulischen und anderen institutionellen Zusammenhängen primär gelehrten Fremdsprachen Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch, Russisch sowie Deutsch als Fremdsprache bezogen sind.
Sprachenspezifische Unterschiede
Darüber hinaus gibt es jedoch auch sprachenspezifische Unterschiede. Landes- und kulturkundliche Themen werden nicht sprachenübergreifend behandelt, sondern sind nur jeweils im Spanischunterricht oder im Englischunterricht relevant. Unterrichtseinheiten über Andalucía oder Los partidos politicos en España bilden beispielsweise ein mögliches Thema für den Spanischunterricht, Unterrichtseinheiten über The Tudors oder Australia sind nur dem Englischunterricht zuzuordnen. Andere Beispiele für Unterschiede zwischen dem Unterricht einzelner Fremdsprachen sind die Stellung und Bedeutung des jeweiligen Fachs in der Schule, die Sprachenfolge oder auch daraus resultierende Motivationen der Schülerinnen und Schüler, die jeweilige Fremdsprache zu erlernen. So ist Englisch lingua franca, d. h. eine weltweite Verkehrssprache, die nicht nur von native speakers, sondern von zahlreichen Menschen als Zweit- oder Fremdsprache gesprochen wird. Spanisch hingegen wird in Deutschland weit seltener als wichtige zu erlernende Weltsprache angesehen. Englisch wird daher im Regelfall als erste Fremdsprache gelernt, Spanisch häufig als dritte und in den letzten Jahren z. T. auch als zweite Fremdsprache. Daraus resultieren weitere fachdidaktische Besonderheiten. Schülerinnen und Schüler sind im Anfangsunterricht Englisch meist jünger als im Anfangsunterricht Spanisch. Der Spanischunterricht kann damit als zweite oder dritte Fremdsprache in der Schulsprachenfolge auf Lernerfahrungen der Schülerinnen und Schüler im Englisch- und Französischunterricht zurückgreifen. Dabei gilt es auch, eine andere Motivationshaltung bei den Lernenden zu berücksichtigen. Während Englisch auch im Alltag in Deutschland durch Musik und die Übernahme englischen Wortschatzes in der Alltagssprache – z. B. in Bereichen wie Medien, Computer, Internet usw. – präsent ist, erscheint [4]Spanisch demgegenüber eher nachgeordnet. Diese Beispiele machen eine explizit fachdidaktische Dimension deutlich.
Definition
Fachdidaktik Spanisch ist konzentriert auf die Inhalte, Begründungen und Zielsetzungen des Lehrens und Lernens von Spanisch sowie auf methodische Umsetzungen. Unter Bezugnahme auf den Spanischunterricht in schulischen und anderen institutionellen Zusammenhängen werden fachdidaktische Fragestellungen analysiert und auf ihre Tragfähigkeit für die Umsetzung in konkreten Lehr-/Lernsituationen hin befragt.
Fremdsprachenunterricht
Mit Spanischunterricht ist hier vor allem Spanisch als Fremdsprache gemeint, nicht Spanisch als Erst- oder Zweitsprache. Spanisch ist Erst- oder Zweitsprache in Spanien und den meisten Ländern Lateinamerikas, Spanisch als Fremdsprache hingegen dominiert in allen Staaten, in denen Spanisch nicht Erstsprache ist, so auch in Deutschland.
Unterricht in der Primarstufe
Betrachten wir nun einmal den folgenden Text, in dem Grundschulunterricht als Rahmen gewählt und literarisch verarbeitet ist. Unterricht realisiert sich in jeder Lehr-/Lernsituation jeweils neu, doch kann die folgende Episode exemplarisch verdeutlichen, wie viele Faktoren zur Gestaltung einer Stunde jeweils konkret beitragen.
Das folgende Beispiel stammt aus einer Novelle von Manuel Rivas (2004), in der der Grundschulunterricht aus Sicht eines Schülers dargestellt ist. Im ersten Abschnitt geht es um Schmetterlinge, im zweiten Abschnitt um die Auseinandersetzung mit einem Gedicht von Antonio Machado. Trotz aller ursprünglich abschreckenden Erzählungen über die Schule seitens seiner Familie erlebt der sechsjährige Moncho einen sehr motivierenden Lehrer und ist ganz begeistert von dessen lebendiger Art der Vermittlung des Unterrichtsinhalts. Das Ende der Novelle ist bestimmt vom Ausbruch des spanischen Bürgerkriegs und der Verhaftung des einst so geliebten Lehrers. Er wird als anarchistischer Verräter von den Eltern des Jungen beschimpft, die sich dadurch selbst retten wollen. Moncho kann sich dem nicht entziehen, beschimpft den Lehrer jedoch mit den Begriffen, die er von ihm im Unterricht gelernt hat: „¡Sapo!, ¡Tilonorrinco!, ¡Iris!“ (vgl. Lüning 2003: 89)
Text 1.1 |
«¿Qué hay, Pardal? Espero que por fin este año podamos ver la lengua de las mariposas.»
El maestro aguardaba desde hacía tiempo que les enviasen un microscopio a los de la Instrucción Pública. Tanto nos hablaba de cómo se agrandaban las cosas menudas e invisibles por aquel aparato que los niños llegábamos a verlas de verdad, como si sus palabras entusiastas tuviesen el efecto de poderosas lentes.
«La lengua de la mariposa es una trompa enroscada como un muelle de reloj. Si hay una flor que la atrae, la desenrolla y la mete en el cáliz para chupar. Cuando lleváis el dedo humedecido a un tarro de azúcar, ¿a que sentís ya el [5]dulce en la boca como si la yema fuese la punta de la lengua? Pues así es la lengua de la mariposa.»
Y entonces todos teníamos envidia de las mariposas. Qué maravilla. Ir por el mundo volando, con esos trajes de fiesta, y parar en flores como tabernas con barriles llenos de almíbar.
Yo quería mucho a aquel maestro. Al principio, mis padres no podían creerlo. Quiero decir que no podían entender cómo yo quería a mi maestro. Cuando era un pequeñajo, la escuela era una amenaza terrible. Una palabra que se blandía en el aire como una vara de mimbre.
«¡Ya verás cuando vayas a la escuela! »
(Rivas 2004: 6)
[...]
«Bien, y ahora vamos a empezar un poema. ¿A quién le toca? ¿Romualdo? Venga, Romualdo, acércate. Ya sabes, despacito y en voz bien alta.»
A Romualdo los pantalones cortos le quedaban ridículos. Tenía las piernas muy largas y oscuras, con las rodillas llenas de heridas.
Una tarde parda y fría…
«Un momento, Romualdo, ¿qué es lo que vas leer?»
«Una poesía, señor.» «¿Y cómo se titula?»
«Recuerdo infantil. Su autor es don Antonio Machado.»
«Muy bien, Romualdo, adelante. Con calma y en voz alta. Fíjate en la puntuación.»
El llamado Romualdo, a quien yo conocía de acarrear sacos de piñas como niño que era de Altamira, carraspeó como un viejo fumador de picadura y leyó con una voz increíble, espléndida, que parecía salida de la radio de Manolo Suárez, el indiano de Montevideo.
Una tarde parda y fría
de invierno. Los colegiales
estudian. Monotonía
de lluvia tras los cristales.
Es la clase. En un cartel
se representa a Caín
fugitivo y muerto Abel,
junto a una mancha carmín…
«Muy bien. ¿Qué significa monotonía de lluvia, Romualdo», preguntó el maestro.
«Que llueve sobre mojado, don Gregorio».
(Rivas 2004: 9–10)
[6]Dieses Beispiel macht deutlich, dass Unterricht von zahlreichen Faktoren und Größen bestimmt wird, die ineinander wirken und sich gegenseitig bestimmen. Bevor Sie nun weiterlesen, lösen Sie bitte die folgende Aufgabe.
Aufgabe 1.1 |
? Welche Faktoren beeinflussen die Gestaltung der in diesem Beispiel dargestellten Lehr-/Lernsituation?
Faktoren im Fremdsprachenunterricht
Sicherlich lassen sich etliche Faktoren zur Analyse der hier literarisch verarbeiteten Unterrichtssituation heranziehen. Exemplarisch verweise ich im Folgenden auf drei Faktoren, die mir wichtig erscheinen: die Konzeption von Primarstufenunterricht, das Unterrichtsverständnis des Lehrers insgesamt sowie die Stellung von Poesie.
Primarstufenunterricht
Von zentraler Bedeutung ist zunächst die konzeptionelle Gestaltung des Primarstufenunterrichts. Dieser Unterricht wird fächerübergreifend durch einen Maestro durchgeführt, der seiner Lerngruppe Schmetterlinge ebenso nahebringt wie Gedichte. Ein solcher Unterricht ist weniger fachspezifisch orientiert und zielt auf die umfassende Erziehung der Kinder. Dazu gehört auch ein enges und persönliches Verhältnis zwischen dem Lehrer und seinen Schützlingen, das von Empathie und Verantwortungsbewusstsein für die Lernenden gekennzeichnet ist. Sein Engagement für seine Klasse oder insgesamt für seine Schule zeigt sich auch darin, dass er die Anschaffung eines Mikroskops zielstrebig, nachhaltig und schließlich auch erfolgreich verfolgt.
Schülerorientierung
Das Unterrichtsverständnis des Maestro bildet einen zentralen Faktor bei der Gestaltung des Primarstufenunterrichts. Es dominiert ein schülerorientiertes Verständnis von Unterricht, das viel Raum lässt für Freiarbeit, offenen Unterricht, Methodenvielfalt und den Einsatz unterschiedlicher Medien. Dem Lehrer ist es ein zentrales Anliegen, seinen Schülerinnen und Schülern die Inhalte erfahrbar zu machen und sie ihnen nahezubringen. Der Verweis auf die Schmetterlinge verdeutlicht, dass biologisches Wissen altersgerecht und nachvollziehbar vermittelt wird, sei es mit Hilfe eines Mikroskops oder durch lebendige Schilderung des Lebens der Schmetterlinge, so dass die Lerngruppe sich empathisch mit den Tieren identifizieren kann.
Vermittlung von Literatur
In diesem Unterricht wird auch der Vermittlung von Poesie ein großer Stellenwert eingeräumt. Auch hier zeigt sich das den Lernenden zugewandte Unterrichtsverständnis des Grundschullehrers. Der Zugang zu dem Gedicht von Antonio Machado wird nicht als literaturwissenschaftlich inspirierte Textinterpretation gestaltet, bei der es auf formale Analysekriterien wie das Reimschema oder die verwendeten Metaphern ankommt, sondern der erste Zugang erfolgt durch einen Vortrag des Gedichts durch einen einzelnen Schüler. Dabei kommt es dem Lehrer auf eine angemessene Intonation und Darstellung an und nicht auf ein gedankenloses Ablesen des Textes. Auch inhaltlich wird der Bezug zur unmittelbaren Lebenswelt der Lernenden erkennbar. Insgesamt erscheint hier ein leserorientiertes Verständnis von Literaturdidaktik, [7]das auf eine lebendige Auseinandersetzung zwischen den Lesenden und dem Gedicht zielt.
Soweit beispielhaft drei Faktoren, die die Durchführung des geschilderten Fremdsprachenunterrichts beeinflussen. Für andere Spanisch-Stunden ließen sich sicherlich andere Einflussfaktoren vorstellen.
Aufgabe 1.2 |
? Bevor Sie nun weiterlesen, listen Sie bitte einmal für sich auf, welche Faktoren den Spanischunterricht insgesamt bestimmen bzw. einzelne Stunden bestimmen können.
Faktorenkomplexion
Die wichtigsten Faktoren des Spanischunterrichts sind in der folgenden Grafik zur Übersicht zusammengestellt. Weitere Faktoren lassen sich problemlos ergänzen und darüber hinaus auch die Zuordnungen zu- und untereinander teilweise modifizieren. Da zahlreiche Faktoren ineinanderwirken, spricht man auch von einer Faktorenkomplexion:
Eine ausführlichere Mind-map, die weitere Faktoren enthält, finden Sie unter www.bachelor-wissen.de.
Die hier genannten Faktoren beeinflussen u. a. die konkrete Realisierung von Spanischunterricht. Eine Spanischstunde an einem Montag in der ersten Stunde in einer unmotivierten Klasse 7 mit einer hohen Anzahl an Schülerinnen und Schülern zum Thema Escuela y educación en España auf der Basis eines Lehrwerktextes ist sicher anders gestaltet als eine Spanischstunde in [8]einer hoch motivierten Klasse 9, in der eine an Bildungsstandards und Outcome orientierte Aufgabe zum Thema Preparamos un intercambio de alumnos con un grupo de Jaén selbstständig bearbeitet werden soll.
Analyse des Spanischunterrichts
Wenn Fachdidaktik Spanisch nun, wie in der Definition oben aufgeführt, die Inhalte, Begründungen und Zielsetzungen des Lehrens und Lernens von Spanisch zum Gegenstand hat und analysiert, stellt sich auch die Frage nach den Analysemöglichkeiten konkret realisierten Spanischunterrichts.
Die Spanischdidaktik bedient sich dabei zwei verschiedener Zugänge. Wenn wir beispielsweise herausfinden wollen, welche Inhalte im Spanischunterricht standardmäßig bearbeitet werden, so könnten wir z. B. die Inhalte von Spanischlehrwerken analysieren. Ausgehend von dem Postulat, dass Spanischunterricht in der Sekundarstufe I in der Regel lehrwerkbasiert durchgeführt wird, können wir daraus schlussfolgern, dass die Inhalte der Lehrwerke indirekt Aufschluss über die Inhalte des Spanischunterrichts geben und diese dann interpretieren. So könnte man gezielt untersuchen, welche Themen in die Lehrwerke aufgenommen sind, wie häufig und wie intensiv sie zur Sprache kommen oder auch aus welcher Perspektive sie geschildert werden.
Hemeneutik
Eine solche Interpretation von Lehrwerkinhalten basiert auf einem geisteswissenschaftlichen und hermeneutischen Wissenschaftsverständnis. Im Griechischen bedeutet das Verb ‚hermeneuo‘ ‚aussagen, erklären, auslegen‘. Die Hermeneutik zielt somit auf die Auslegung und Deutung von – in diesem Fall – Lehrwerktexten und steht im Gegensatz zu einem sozialwissenschaftlichen Empirieverständnis und zu naturwissenschaftlichen Erklärungen.
Definition
Hermeneutik ist eine wissenschaftliche Methode, die Ereignisse, menschliches Verhalten und menschliche Werke, wie z. B. Texte oder Kunstwerke, aus sich heraus und in ihrem Zusammenhang verstehen will. Ziel ist dabei das Verstehen von Bedeutung und Sinn. Dieses Verstehen kann niemals endgültig und abschließend sein, sondern ereignet sich immer neu.
Verstehen
Verstehen ist im Sinne des ‚hermeneutischen Zirkels‘ niemals abgeschlossen und definitiv, sondern besteht in einem Prozess, der immer wieder neu durchgeführt wird. Dies steht in Zusammenhang damit, dass das Verstehen immer schon an ein Vorverstehen gebunden ist, dass der Verstehende immer schon ein Vorverständnis hat und dass sich bei immer neuen Auslegungen ein immer neuer Sinn und eine neue Bedeutung ergeben. Kehren wir zur Verdeutlichung zu dem bereits genannten Beispiel der Interpretation von Lehrwerktexten zurück. Ein Spanischlehrwerk, das in den 1970er Jahren erstellt wurde, wird heute sicherlich anders verstanden als damals. Zeichnungen und Fotos von Menschen mit Haarfrisuren und Kleidung im Disco-Stil galten damals als schick und modern, werden heute jedoch als veraltet angesehen. Vergleichbares gilt für das Layout des Lehrwerks oder auch die Gestaltung der Übungen und Lehrwerktexte. Gemäß dem hermeneutischen Zirkel müssen sich die [9]Sichtweisen auf Texte und Fotos immer neu erschließen und das Verständnis wird sich demgemäß immer wieder verändern.
Hermeneutische Zugangsweisen wurden und werden in der Spanischdidaktik genauso wie in anderen wissenschaftlichen Disziplinen immer wieder genutzt. Doch wissen wir damit genau, welche Inhalte im Spanischunterricht nun wirklich thematisiert werden? Die Rückschlüsse aus Inhalten von Spanischlehrwerken erfolgen nur indirekt. Vielleicht nutzen Lehrkräfte die Lehrwerke nicht genau so wie vorgegeben. Vielleicht nutzen sie ganz andere Unterrichtsmaterialien. Was nun tatsächlich im Spanischunterricht zum Thema gemacht wird, kann somit nicht exakt durch die hermeneutische Methode geklärt werden.
Empirie
Dazu müssten wir den Spanischunterricht selbst beobachten und analysieren. Durch Unterrichtsbeobachtung und Hospitation aller gehaltenen Spanischstunden in einem bestimmten Zeitraum und einem bestimmten Gebiet, z. B. aller Gymnasien in Köln von Januar bis März eines Jahres, ließe sich ganz genau herausfinden, welche Inhalte wirklich thematisiert werden. Eine entsprechend hohe Anzahl an ausgewerteten Stunden könnte verallgemeinert und als repräsentativ für den Unterricht aller Gymnasien in Deutschland verstanden werden. Eine solche methodengeleitete, strukturierte Unterrichtsbeobachtung folgt einem von Empirie geleiteten Wissenschaftsverständnis.
Definition
Empirie ist eine wissenschaftliche Methode, die sich auf Erfahrung, d. h. Beobachtung, Messung und Experiment, als Zugang zu Erkenntnisgewinn stützt. Empirische Verfahren der Feldforschung gelten als gesicherte Möglichkeit, Realität zu erfassen.
Empirische Verfahren werden nicht nur in den Naturwissenschaften genutzt, sondern in neuerer Zeit auch in den wissenschaftlichen Disziplinen, die eher von hermeneutischen Verfahren geprägt waren, so z. B. in der Psychologie, Soziologie, Pädagogik und eben auch in den Fachdidaktiken. Besonders bekannte Beispiele sind umfangreiche empirische Untersuchungen wie die PISA-Studie oder die DESI-Studie.
Hermeneutik und Empirie in der Spanischdidaktik
Hermeneutik und Empirie werden heute nicht mehr als einander entgegengesetzte und sich ausschließende Methoden verstanden, sondern in gegenseitiger Ergänzung genutzt. Damit werden auch die Gefahren der jeweiligen Methoden – Spekulation der hermeneutischen Interpretation und unhinterfragter Positivismus der Empirie – verringert oder vermieden. Wenn wir nun herausfinden wollen, welche Inhalte im Spanischunterricht wirklich zum Tragen kommen, bietet es sich an, eine von hermeneutischen Methoden geleitete Lehrwerkanalyse ebenso durchzuführen wie eine von empirischen Methoden geleitete Unterrichtsbeobachtung. Die jeweiligen Ergebnisse der beiden Untersuchungen können sich sinnvoll und konstruktiv ergänzen. Dies wird in der Spanischdidaktik zunehmend umgesetzt. Qualitative und quantitative empirische Studien zum Spanischunterricht untersuchen gezielt einzelne Faktoren und streben damit an, zusätzliche Aussagen und Ergebnisse im Vergleich zu den ursprünglich eher hermeneutisch angelegten Zugängen der Spanischdidaktik zu bieten.
[10]Aufgabe 1.3 |
? Vergleichen Sie hermeneutische und empirische Methoden miteinander. Arbeiten Sie die jeweiligen Charakteristika, Gemeinsamkeiten und Unterschiede heraus. Analysieren Sie Vor- und Nachteile beider Methoden für die Fachdidaktik Spanisch. Welche Chancen liegen in einer Kombination von Hermeneutik und Empirie?
Die bislang aufgeführten Aspekte deuten bereits darauf hin, dass die Spanischdidaktik von Interdisziplinarität geprägt ist und Bezüge zu anderen wissenschaftlichen Disziplinen hat. Sie ist zwischen Fachwissenschaften und Berufsbzw. Vermittlungswissenschaften angesiedelt.
Dazu werden unter anderen die Linguistik (deskriptive Linguistik, angewandte Linguistik, Psycholinguistik), die Literatur- und Medienwissenschaft, die Kulturwissenschaft, die Erziehungswissenschaft und die Kognitionswissenschaften (Philosophie, Psychologie, Soziologie) gerechnet (Küster 2009: 43).
Aufgabe 1.4 |
? Welche Fragestellungen könnten für die genannten wissenschaftlichen Disziplinen und für die Spanischdidaktik gemeinsam relevant sein? Formulieren Sie jeweils für jede Disziplin eine mögliche Fragestellung bzw. ein Thema, das interdisziplinär auf die Fachdidaktik Spanisch bezogen werden kann.
Im Folgenden werden einige fachwissenschaftliche und vermittlungswissenschaftliche Bezüge genauer vorgestellt (Fäcke 2007). Fachwissenschaftliche Bezüge bestehen zu Literatur- und Sprachwissenschaft sowie zu Kultur- und Landeswissenschaften, vermittlungswissenschaftliche Bezüge beispielsweise zur Erziehungswissenschaft und Lernpsychologie.
Literaturwissenschaft
In der Literaturwissenschaft lassen sich zahlreiche Diskurse für die Fachdidaktik Spanisch nutzen. Hierzu gehören Fragen zum Charakter von literarischen Texten und zu ihrer Fiktionalität oder auch das Verhältnis zwischen Autor, Text und Textrezipienten.
Literaturwissenschaftliche Analysen fokussieren die Gattungen Lyrik, Epik und Drama. Die Interpretationsansätze zielen auf biografische Aspekte zu den jeweiligen Autoren oder leiten sich von den Texten her. Dabei kommen verschiedene Argumentationsschienen zum Tragen: Psychoanalytische und literatursoziologische Ansätze finden sich neben postkolonialen oder feministischen Positionen, daneben gibt es Perspektiven der komparatistischen Literaturwissenschaft oder strukturalistische und poststrukturalistische Ansätze, die jeweils ihren Niederschlag im fremdsprachlichen Literaturunterricht finden.[11] Für den Spanischunterricht ist die Rezeptionsästhetik zentral, insofern als ihr Fokus auf die Interaktion zwischen Text und Rezipienten zur Konstitution von Bedeutung für die schulische Praxis praktikabel und sinnvoll erscheint.
Sprachwissenschaft
Auch die Sprachwissenschaft ist für die Spanischdidaktik von Relevanz. Ein grundlegender Unterschied zwischen Linguistik und Fachdidaktik besteht darin, dass die Linguistik Kenntnisse über die Fremdsprache zum Gegenstand hat, während die Fachdidaktik auf Kenntnisse in der Fremdsprache zielt, d. h. primär auf die Anwendung der jeweiligen Fremdsprache und auf Kommunikation in der Fremdsprache.
Dabei erweisen sich vor allem Diskussionen innerhalb der verschiedenen linguistischen Teildisziplinen als für die Fremdsprachendidaktik relevant. Dazu gehören u. a. die Soziolinguistik, Ethnolinguistik, Pragmalinguistik oder auch die Psycholinguistik. Die Linguistik fokussiert zahlreiche unterrichtsrelevante Forschungsfelder. Dazu gehören die Bereiche der Korpuslinguistik, der Varietätenlinguistik, der Textlinguistik, der Lexikographie und Metalexikographie, der Sprachenpolitik oder der Kontrastiven Linguistik.
Kultur- und Landeswissenschaften
Gegenstand der Kultur- und Landeswissenschaften sind die Kultur(en) der jeweiligen Zielsprachenländer, die die Fremdsprachendidaktik auf Möglichkeiten zur Umsetzung im Unterricht reflektiert. Die Vermittlung einer Fremdsprache wird stets mit der Auseinandersetzung mit den Kulturen der Zielländer verknüpft.
Aus den Landeswissenschaften mit einem Fokus auf geografische, historische oder politische Zusammenhänge hat sich die Landeskunde in der Fremdsprachendidaktik entwickelt, die zunächst Wissen über das jeweilige Land vermitteln will. Dabei können kulturkundliche Perspektiven in philologischhermeneutischer Tradition verfolgt werden oder auch eher alltagskulturelle Perspektiven in der Tradition der cultural studies. Die Kulturwissenschaften vertreten insgesamt einen weiten Kulturbegriff, der jegliche Form von Kultur als materielle und symbolische Praktiken umfasst.
Vermittlungswissenschaften
Die Spanischdidaktik ist auch durch vermittlungswissenschaftliche Bezüge geprägt, von denen im Folgenden exemplarisch die Erziehungswissenschaft und die Lernpsychologie vorgestellt werden.
Erziehungswissenschaft
Die Erziehungswissenschaft thematisiert und erforscht Erziehung in jeglichen Zusammenhängen und Formen. Dazu gehören der Sozialisations- und der Erziehungsprozess ebenso wie Institutionen und Organisationsformen im Erziehungswesen oder didaktische Fragestellungen und die Reflexion des Zusammenhangs von Lehren und Lernen (Kron 1996). Die Schulpädagogik bildet einen Schwerpunkt innerhalb der Pädagogik und konzentriert sich auf Erziehungszusammenhänge in der Schule, ohne jedoch primär inhaltliche Zusammenhänge des Lehrens und Lernens zu reflektieren. Die Allgemeine Didaktik thematisiert didaktische Fragen in Hinblick auf alle Schulfächer.
In der Erziehungswissenschaft werden gerade vor dem Hintergrund von Bildungsstudien wie PISA und DESI veränderte Lernbedingungen diskutiert, [12] was auch ein verändertes Verständnis des Spanischunterrichts nach sich zieht. So mehren sich Stimmen, die den lehrer-, lernziel- und leistungsorientierten Spanischunterricht zunehmend durch selbst entdeckendes und selbst gesteuertes Lernen ersetzen wollen. Forderungen der Allgemeinen Didaktik und der Erziehungswissenschaft nach Selbsttätigkeit wird auch in der Spanischdidaktik zunehmend Rechnung getragen, so z. B. durch stärkere Berücksichtigung von Lernerautonomie, Lernstrategien oder language awareness (vgl. Einheit 4; S. 55 ff.). Darüber hinaus ist auch die Diskussion zur Einführung von Bildungsstandards, von Evaluation und Outputorientierung für die Spanischdidaktik von Bedeutung. Sie impliziert ein verändertes Verständnis von Spanischunterricht, orientiert am Europäischen Referenzrahmen für Sprachen oder an einem auf Aufgaben basierten Verständnis des Unterrichts (enfoque por tareas) (vgl. Einheit 5; S. 72 ff./S. 81 ff.).
Lernpsychologie
Die Lernpsychologie analysiert in psychologischer und neurowissenschaftlicher Perspektive Mechanismen des Lernens, des Behaltens und Vergessens. „Lernpsychologie liefert in der Gegenwart durch die Analyse von Lernprozessen allgemeinere Aufschlüsse über Erwerb und Veränderungen von psychischen Repräsentationen und Vorgängen. Als Psychologie der Lern- bzw. Lehrmethoden bildet sie die Grundlage für die pädagogischen Anwendungen.“ (Schönpflug 2001: 50) Was ist Lernen und wie funktioniert Lernen? Diese Fragen versuchen verschiedene Lerntheorien jeweils neu zu beantworten. Hierzu gehören Lerntheorien behavioristischer Prägung (z. B. Skinner, Pawlow) oder auch kognitive Lerntheorien, die den Lernprozess als aktive Aufnahme von Informationen sehen.
Fragen nach Funktionsweisen des Gehirns und nach der Aufnahme von Informationen werden empirisch untersucht und im Blick auf Gedächtnismodelle reflektiert. Dabei wird ein Zusammenhang zwischen der Intensität und Dauer der Aufnahme von Informationen und der Behaltensleistung des Gehirns gesehen. Diese Gedächtnismodelle sind von unmittelbarer Relevanz für die Spanischdidaktik, der es ja auch um die Aufnahme und das Behalten z. B. von spanischem Wortschatz geht. Hier werden Fragen zur Unterstützung und Erleichterung von Lernen reflektiert und auf mögliche methodische Umsetzungen bezogen. Möglichkeiten der Steigerung von Gedächtnisleistungen bestehen beispielsweise in der Vernetzung von Sinnzusammenhängen, in der Verknüpfung von Neuem mit Bekanntem oder auch in der Anregung der Fantasie.
Sprachlehrforschung
Neben interdisziplinären Bezügen der Spanischdidaktik gilt es auch, die in den 1970er Jahren begründete Sprachlehrforschung als Paralleldisziplin zur Fremdsprachendidaktik vorzustellen. Sie widmet sich Forschungsfragen zum Lehren und Lernen fremder Sprachen und visiert eine aus empirischen Untersuchungen begründete Bestätigung oder Veränderung bestimmter Lehr-/ Lernformen im Fremdsprachenunterricht an. Dabei geht es um Bedingungen und Möglichkeiten des Erwerbs und der Vermittlung von Sprache (vgl. Bausch/Christ/Krumm 2007: 3 ff.).
[13]Aktuelle Forschungsschwerpunkte, die aus der empirischen Wende in der Fremdsprachendidaktik und aus der zunehmenden Relevanz von Bildungsstudien wie PISA entstanden, nehmen Faktoren des gesteuerten Fremdsprachenerwerbs in institutionellen Zusammenhängen auf, so beispielsweise Kognition, Affektion, Interaktion, individuelle Unterschiede zwischen Lernern sowie das gesellschaftliche Umfeld (vgl. Vollmer 2001).
Forschungsschwerpunkte
Forschungsthemen beziehen sich auf autonomes und selbst gesteuertes Fremdsprachenlernen, auf den Radikalen Konstruktivismus (vgl. Einheit 4, S. 60 ff.), auf Mehrsprachigkeit (vgl. Einheit 4, S. 53 ff.), auf das Selbstverständnis und die Ausbildung von Fremdsprachenlehrenden (vgl. Einheit 2, S. 15 ff.), auf innovative Neuerungen wie das bilinguale Lernen (vgl. Einheit 6, S. 87 ff.) oder den Fremdsprachenfrühbeginn (vgl. Einheit 7, S. 106 ff.), auf interkulturelles Lernen und multiethnisch zusammengesetzte Lerngruppen (vgl. Einheit 11, S. 171 ff.), auf Lesen in der Fremdsprache (vgl. Einheit 8, S. 125 ff.) oder auch auf den Einsatz neuer Medien (vgl. Einheit 4, S. 62 f.).
Zusammenfassung
In dieser ersten Einheit wurden Definitionen für die Fachdidaktik, die Fremdsprachendidaktik und die Spanischdidaktik erarbeitet sowie die Themengebiete der jeweiligen Disziplinen präsentiert. Fremdsprachendidaktik und Fachdidaktik Spanisch teilen weitgehend Themen und Inhalte, unterscheiden sich aber in ihrem Grad der Konzentration auf fachspezifische Zusammenhänge. Die Erforschung und Verbesserung des Lehrens und Lernens von Spanisch basiert auf geisteswissenschaftlichen und sozialwissenschaftlichen, auf hermeneutischen und empirischen Methoden, die in den Fachdidaktiken als gegenseitige Ergänzung betrachtet werden. Die Analyse von Spanischunterricht muss dabei einer hohen Anzahl von Faktoren Rechnung tragen, die den Unterricht beeinflussen. Die Fachdidaktik Spanisch ist eine interdisziplinäre Wissenschaft, die Bezüge zu den Fachwissenschaften und zu den Vermittlungswissenschaften entfaltet. Die Sprachlehrforschung ist eine parallele Disziplin zur Fremdsprachendidaktik.
Aufgabe 1.5 |
? Sie sind im Gespräch mit Freundinnen und Freunden, die einige Jahre jünger sind als Sie selbst und von Ihnen wissen möchten, was Fremdsprachendidaktik bzw. Fachdidaktik Spanisch nun ist. Erläutern Sie Ihnen die wesentlichen Aspekte und Themenfelder und beziehen Sie sich dabei auf die Inhalte, die in den folgenden Publikationen zur Fachdidaktik Spanisch und zur Fremdsprachendidaktik zum Gegenstand gemacht werden, anhand der jeweiligen Inhaltsverzeichnisse. Stellen Sie die Fremdsprachendidaktik in einem 10-minütigen Vortrag dar.
Bausch, Karl-Richard/Christ, Herbert/Krumm, Hans-Jürgen (Hg.) (2007): Handbuch Fremdsprachenunterricht. 5. Auflage. Tübingen und Basel: Francke.
Decke-Cornill, Helene/Küster, Lutz (2010): Fremdsprachendidaktik. Tübingen: Narr. (Reihe bachelor-wissen)
Grünewald, Andreas/Küster, Lutz (Hg.) (2010): Fachdidaktik Spanisch. Tradition, Innovation, Praxis. Stuttgart: Klett, Kallmeyer.
[14]Literatur
Bausch, Karl-Richard/Christ, Herbert/Krumm, Hans-Jürgen (2007): Fremdsprachendidaktik und Sprachlehrforschung. In: dies. (Hg.): Handbuch Fremdsprachenunterricht. 5. Auflage. Tübingen und Basel: Francke, 1–9.
Rivas, Manuel (2004): La lengua de las mariposas. Berlin: Cornelsen.
Fäcke, Christiane (2007): Fachdidaktik und Unterrichtsqualität: spezifische Aspekte im Bereich Französische Sprache. In: Arnold, Karl-Heinz (Hg.) (2006): Unterrichtsqualität und Fachdidaktik. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, 155–176.
Kron, Friedrich W. (1996): Grundwissen Pädagogik. 5. Auflage. München, Basel: Reinhardt.
Lüning, Marita (2003): „La lengua de las mariposas“: del cuento a la película. In: Hispanorama 100/2: 87–98.
Küster, Lutz (2009): Die Spanischdidaktik und ihre Bezugswissenschaften. In: Grünewald, Andreas/Küster, Lutz (Hg.): Fachdidaktik Spanisch. Tradition, Innovation, Praxis. Stuttgart: Klett, Kallmeyer, 42–66.
Schönpflug, Ute (2007): Lerntheorie und Lernpsychologie. In: Bausch, Karl-Richard/Christ, Herbert/Krumm, Hans-Jürgen (Hg.): Handbuch Fremdsprachenunterricht. 5. Auflage. Tübingen und Basel: Francke, 49–54.
Vollmer, Helmut J. u. a. (2001): Lehren und Lernen von Fremdsprachen: Kognition, Affektion, Interaktion. Ein Forschungsüberblick. In: Zeitschrift für Fremdsprachenforschung 12 (2): 1–145.
Einheit 2
Inhalt
2.1 Motive zur Berufswahl
2.2 Vorstellungen vom Lehrerberuf und vom Sprachenlernen und -lehren
2.3 Lehrerforschung
Überblick
Gegenstand dieser Einheit sind Überlegungen zur Berufswahl, d. h. zu Kriterien und Entscheidungen, die den Prozess zur Aufnahme eines Lehramtsstudiums begleiten, sowie zu Gründen, die zu dem Berufswunsch Spanischlehrer/in führen. Dabei werden persönliche Motive zur Berufswahl ebenso diskutiert wie Vorstellungen vom Berufsbild Spanischlehrer/in. Anschließend lernen Sie einige empirische Befunde der Lehrerforschung kennen. Hier werden Ergebnisse der biografischen Lehrerforschung vorgestellt und Untersuchungen zum Selbstbild und zu subjektiven Theorien von Lehrer/innen aus der Perspektive der Erziehungswissenschaft und der Fremdsprachendidaktik präsentiert.
Wenn Sie dieses Buch lesen, haben Sie sich vermutlich bereits zur Aufnahme eines Lehramtsstudiums entschieden oder sind gerade dabei, dieses zu tun. Sicherlich gibt es zahlreiche und sehr unterschiedliche Gründe, den Berufswunsch Spanischlehrer/in zu entwickeln und sich darüber Gedanken zu machen. Derartige Entscheidungen sind von etlichen Faktoren beeinflusst, so unter anderem von der eigenen Sozialisation und Herkunft, von Vorlieben für bestimmte Schulfächer und Erfahrungen aus der eigenen Schulzeit, von Vorstellungen zur eigenen Lebensplanung oder auch von gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Grundsätzlich stellt sich dabei die Frage nach der individuell richtigen Berufswahl.
Motive zur Berufswahl
Zu Beginn eines Lehramtsstudiums erscheint es daher besonders sinnvoll, sich einmal grundsätzlich Gedanken über die Motive der eigenen Berufswahl zu machen. Studierende führen dabei häufig bestimmte Argumentationen an, wie die folgenden Beispiele verdeutlichen. Es handelt sich um Auszüge aus autobiografischen Texten, die im Rahmen von Einführungsveranstaltungen und Seminaren der Fremdsprachendidaktik entstanden sind. Auf die Frage, welche Gründe zur Berufswahl und zur Entscheidung für die Aufnahme eines Lehramtsstudiums geführt haben, antworten einige Studierende folgendermaßen:
Text 2.1 |
Ich habe diesen Beruf gewählt, weil ich mit Menschen zu tun haben wollte. Ich wollte im sozialen Bereich arbeiten und die Schule kann das bieten. Schließlich hat man an einem Vormittag mit ca. 150 Schülern zu tun. Ich finde, dass die Schule eine sehr wichtige Rolle für das Heranwachsen der Kinder spielt, natürlich nach der Erziehung der Eltern.
Ich hatte selber Lehrer, von denen ich etwas fürs Leben gelernt habe. Deswegen finde ich es auch sehr wichtig, sich als Lehrer nicht nur an den Lehrplan zu halten, sondern außerschulisches Wissen – Allgemeinbildung, eigene Erfahrung etc. – zu vermitteln. Schule ist dafür da, die Schüler zu sozialisieren. Das ist auch für die Schüler viel interessanter, anstatt nur den Lehrplan „durchzukauen“.
Ich bin auf diesen Beruf gekommen, indem ich Nachhilfe gegeben habe, und wenn man den Erfolg und Fortschritt der Schüler sieht, hat man sozusagen das Ziel erreicht. Die Schüler sind auch zu mir gekommen, wenn sie Probleme hatten, und haben mich um Rat gebeten. Diesen Aspekt finde ich auch sehr wichtig, denn Lehrerberuf heißt nicht nur den Unterricht halten und dann wieder zu gehen, sondern dass man mit den Schülern Kontakt aufnimmt und ein gutes Verhältnis hat. Nicht nur in der Schule, auch im privaten Leben sollen die Schüler auf einen Lehrer zukommen können. Natürlich muss auch gegenseitiger Respekt vorhanden sein, um ernst genommen zu werden.
Man kann diesen Beruf als eine Kunst bezeichnen. Die Kunst mit Menschen umzugehen. Die Kunst, jemandem etwas zu lehren, ohne die Geduld zu verlieren. [17]Die Kunst, mit einem Fehlschlag zu rechnen und damit umgehen zu können und neue Wege zu finden. Man muss kreativ, schlagfertig und selbstbewusst in diesem Beruf sein. Der Erfolg und Fortschritt der Schüler ist der Beweis für diese Kunst. Danach kann man selbst dieses Kunstwerk betrachten und stolz auf sich sein.
Text 2.2 |