Fortunat, ein Advocat.
Sylvester, dessen Stiefvater.
Frau Sylvesterinn, Fortunats Mutter.
Fiekchen, Sylvesters Tochter.
Frau Richardinn.
Lieschen, der Frau Richardinn Tochter.
Strom, ein Kaufmann, Fortunats Client.
Sorger, der Sylvesterinn Bruder.
Renner, ein andrer Advocat.
Friedrich, Fortunats Diener.
Cathrine, der Frau Sylvesterinn Magd.
Ein Goldschmidtsjunge.
Ein Tabletkrämer.
Ein Lackey.
Ein Materialistenjunge.
Sylvester. Fortunat.
SYLVESTER.
Mein Sohn, die Stube hier, die ich euch indessen eingegeben habe, ist meine und meiner lieben Frau ihre Putzstube! Und ihr wißt, daß wir und ihr, heute einen Besuch kriegen werden, der zu eurem Besten abgesehen ist. Ich weis nicht, warum ihr beständig so viel Sachen hier habt, die zu eurer Advocaterey doch gewiß nicht gehören können. Da sind Pistolen; da sind große Reitstiefel; da sind Spornen; hier steht ja gar Malerzeug: dort stellt eine Laute. Bücher [218] sehe ich nun wohl eben nicht hier. Aber, ich dächte doch, wenn ihr ja viel hereintrügt: so solltet ihr noch am ersten Bücher haben. Schafft mir ja die Sachen hinaus!
FORTUNAT.
Warum denn aber? Wenn Jungfer Lieschen weds, daß ich so vielerley kann, daß ich schön reite, daß ich schön zeichne, daß ich schön die Laute spiele, und was noch alles mehr ist: so wird sie mich desto lieber haben.
SYLVESTER.
Ey! ihr müßt sie wohl recht kennen! Hört, Fortunat, glaubt ihr eurem Stiefvater, Sylvestern. Der kennt sie besser! Das sage ich euch. Ich weis gar nicht, was ihr für ein Mensch seyd. Es ist wahr: ihr könnt vielerley. Aber ich denke doch immer, was ihr können sollt, das könnet ihr nicht. Ihr bekümmert euch um alles: aber um eure Juristerey, die euch ernähren soll, habt ihr euch mein Tage noch nicht viel bekümmert. Ihr thut den ganzen geschlagenen Tag, als wenn ihr der geschäftigste Mensch von der Welt wäret. Aber ich habe noch nicht gesehen, das ihr was gethan hättet, das ihr gesollt habt; oder daß ihr es gethan hättet, wenn ihr gesollt habt.
FORTUNAT.
Herr Vater, ich thue ja niemals was Unrechtes.
SYLVESTER.
Je! was unnütze ist, das ist unrecht Ich bin ein alter Mann geworden, und habe manchen Groschen erworben. Aber ich kann euch auf mein Leben versichern, ich kann nichts mehr, als einerley. Ich handle mit Pelzen, und kenne meine Pelze und zwar recht; aber sonst nichts auf der ganzen Gotteswelt: insonderheit aber die Fuchspelze; und der soll noch gebohren werden, der mich betrügen wird!
FORTUNAT.
Nichts, als Pelze? Ich wüßte nicht! Ich stürbe doch vor langer Weile, wenn ich mit nichts, als mit Pelzen zu thun haben sollte. Ich male sehr gerne: aber wenn ich nichts als malen könnte, und hätte sonst nichts lernen sollen; so glaube ich doch, ich hätte aus Verdruß das Corpus Juris gelesen, so langweilig als es immer ist. Und wenn ich allein reiten, oder allein auf der Laute spielen sollte; so hätte ich meine Stiefeln und meine Laute lange ins Feuer geworfen.
SYLVESTER.
Für einen so lebhaften Menschen, als ihr seyd, ist freylich wohl einerley nicht genug.
FORTUNAT.
Es mag ihr Ernst seyn, oder nicht, Herr Vater: so ist es doch wahr. Ich wundre mich nur selber über meine Geduld. Heute den ganzen Morgen habe ich getuscht. Und wenn der Herr Vater nicht gleich nach Tische mitgegangen wäre: so glaube ich, ich säße schon wieder da.
SYLVESTER.
Getuscht? was ist das?
FORTUNAT.
Getuscht? was das ist? Je! getuscht, ist getuscht, oder mit Tusche gezeichnet.
SYLVESTER.
Was ist denn nun das wieder? Gezeichnet?
[219]FORTUNAT.
Ja, wenn sie das nicht wissen!
SYLVESTER.
Ich habe es gesagt, daß ich nichts weis, als von Pelzen. Ihr meynt doch nicht etwan, wie die Felle gezeichnet sind. Denn, was machten die Juristen mit den Fellen?
FORTUNAT.
Da will ich es ihnen nur weisen, Herr Vater: sehen sie doch die Zeichnung an!
SYLVESTER.
Ja, wenn ihr mir gesagt hättet, daß das ein Bild wäre: so hätte ich es zur Noth auch gewußt. Denn da ich ein kleiner Junge war; so hatte ich auch gern kleine Bilderchen. Aber getuscht und gezeichnet, das verstehe ich nicht.
FORTUNAT.
Wer wird denn sprechen? Ich habe ein Bild gemacht. Nicht wahr? so hätte ich sagen sollen? aber so hätten mich alle ehrliche Maler ausgelacht.
SYLVESTER.
Wenn ihr aber mit mir redet: so redet ihr mit keinem Maler; sondern mit Herrn Sylvestern, einem Rauchhändler. Aber, mein Sohn, darüber habt ihr nun den ganzen Morgen zugebracht! Müssen denn die Advocaten auch malen?
FORTUNAT.
Herr Vater! Klagen und Läuterungen werden sie freylich nicht malen. Ich will ja nicht eben ein Advocat seyn: das ist es nur, womit ich mein Brodt verdienen, und auch noch eine Frau ernähren will; wenn es nicht anders angeht. Aber das übrige ist zu meinem Vergnügen.
SYLVESTER.
Wenn es nur zu eurem Vergnügen ist; so hättet ihr es, dächte ich, wohl heute seyn lassen sollen. Ihr wißts wohl! Es ist heute viel für euch zu thun. Itzt ists über ein Uhr. Um zwey Uhr sollt ihr zum Minister kommen, und da könnt ihr vielleicht eine Bestallung kriegen, daß ihr zeitlebens versorgt seyd. Um drey Uhr hat sich die Frau Richardinn und ihre Tochter Lieschen melden lassen: da wißt ihr auch, weswegen es geschieht. Und wenn ich recht denke, so hat mir ja eure Mutter gesagt, daß ihr mit unserm Vätter auf dem Rathhause vorstehen und ihm helfen solltet. Das ist nun sehr viel in sehr weniger Zeit!
FORTUNAT.
Ach! das ist Zeit genug für mich, Herr Vater. Nein! sehn sie doch die Trauben und den Fuchs.
SYLVESTER.
Wozu soll es aber?
FORTUNAT.
Ich will das ganze Zimmer mit solchen Zeichnungen auszieren.
SYLVESTER.
Warum denn das? habt ihr denn Zeit darzu?
FORTUNAT.
Ich will mir sie schon nehmen.
SYLVESTER.
Woher wollt ihr sie denn nehmen?
FORTUNAT.
Daher, woher ich die Zeit genommen habe, das Stück zu zeichnen.
[220]SYLVESTER.
Ihr müßt doch die Zeit stehlen; oder wo ihr sie sonst hernehmt.
FORTUNAT.
Ich werde über vier Stunden nicht mehr brauchen. Nein! sehn sie doch die Trauben und den Fuchs.
SYLVESTER.
Ihr habt ja selber nicht Zeit.
FORTUNAT.
Warum denn nicht? Es ist noch lange nicht zwey Uhr. Sehen sie, Herr Vater. Das ist ein Fuchs, der die Weintrauben nicht erlangen kann, und davon geht, und spricht: ich mag sie nicht. Es sind der sauern!
SYLVESTER.
Welches ist der Fuchs?
FORTUNAT.
Dieser hier. Sie kennen ja die Füchse so gut.
SYLVESTER.
Das ist ein weißlicher Fuchs. Die sind rar.
FORTUNAT.
Darum bekümmre ich mich nicht, ob er weißlich ist, oder grau oder gelb. Was getuscht ist: ist alles weißlich und schwärzlich.
SYLVESTER.
Warum denn? Wenn ihr mich also tuschtet: so wäre ich auch weißlich?
FORTUNAT.
Ja! Herr Vater. Ach! es ist gut, daß sie mir das sagen. Ich will sie abzeichnen, wie sie leben. Setzen sie sich nur: es währt nicht lange.
SYLVESTER.
Behüte Gott, nein! das Ding kostet euch Zeit, und kostet euch Geld! Nein! nein! ich will nicht getuscht seyn. Macht, daß ihr bald zum Minister kommt. Es ist besser zu zeitig, als zu spät.
FORTUNAT.
Ach! was wird es viel Zeit und Geld kosten? Ich will sie abzeichnen. Herr Vater, gewiß! wenn sie es haben wollen; so will ich sie in einem Laden voll Fuchspelze zeichnen, und wohl zehn Käufer um sie herum. Es ist nur um ein paar Tage Zeit: so ist es geschehen. Setzen sie sich, Herr Vater. Ich will anfangen.
SYLVESTER.
Ein paar Tage Zeit! Nicht wahr? ich setze mich daher zu euch, und versäumte die wirklichen Käufer, euren gemalten Käufern zu gefallen, die ihr um mich herum setzen wollt? Es ist itzo gar nicht Zeit. Ich muß nun nach Tische wieder an mein Geschaffte. Der Besuch wird mir ohnedem Zeit genug nehmen. Macht ja, daß ihr heute den Nachmittag nichts versäumet. An diesem Nachmittage ist euch in eurem ganzen Leben gelegen.
Fortunat. Cathrine.
CATHRINE.
Nun fort, fort! Eingepackt! Herr Fortunat. Sie kriegen Besuch. Es muß hübsch ordentlich aussehen.
FORTUNAT.
Warum nicht gar eingepackt? itzo will ich erst recht auspacken.
[221]CATHRINE.
Ach! sie können mit ihrem Krame da nur einlegen: ich werde mich nicht nach ihnen richten.
FORTUNAT.
Cathrine, und wenn ihr euch hiengt: so räume ich euch doch noch nicht auf! Erst muß ich noch malen. Hernach muß ich mich noch, vom Fuß auf, anders anziehen.
CATHRINE.
Ich glaube doch, sie ziehn sich für die lange Weile, den Tag über immer wechselsweise an und aus. Was wollen sie denn noch anziehen? Ich dächte, sie machten lieber, daß sie ein Bißchen unangezogener wären: denn sie sehn mir gar zu angezogen aus. Und das schickt sich für einen Advocaten nicht.
FORTUNAT.
Nicht wahr? euch zu gefallen soll ich so flüchtig gehen, wie Renner etwan?
CATHRINE.
Ach! was fehlt denn Rennern? wenn er gleich beständig thut, als wenn er es versäumen wollte: so ist er doch besser, als sie.
FORTUNAT.
Das glaube ich! Insonderheit, wenn wir alle beyde Bothenläufer wären: so wäre er einen großen Theil besser als ich.
CATHRINE.
Wir werdens schon noch sehen, wer besser ist. Ist es nicht wahr? der will auch Secretär werden?
FORTUNAT.
Freylich. Ich fürchte mich schon, daß er mir nicht zuvorkömmt.
CATHRINE.
Und sie denken, weil Jungfer Lieschen zu ihnen kömmt, und zu Rennern nicht: so haben sie sie schon.
FORTUNAT.
O! nein doch. Sie wird wohl noch zweifeln, ob sie mich oder Rennern haben will.
CATHRINE.
Herr Fortunat! wie wollte ich sie doch auslachen, wenn er ihnen den Rang abliefe.
FORTUNAT.
Närrinn! Kommt für euer Plaudern her, und kehret mich aus. Ich habe mich garstig gemacht.
CATHRINE.
Ist ihnen nicht einmal wieder ein Pfund Puder vom Kopfe auf die Kleider gefallen? Nun so kommen sie her! Es ist doch wohl wahr: sie haben das Kleid garstig gemacht. Aber ihr Kopf sieht noch viel garstiger aus.
FORTUNAT.
Ist es wahr? geschwind. Ich muß in den Spiegel sehen. Wo ist denn was?
CATHRINE.
Je! sehen sie denn nicht?
FORTUNAT.
Nein! sagt mirs bald, Cathrine.
CATHRINE.
Sie sagen ja, sie haben das Kleid garstig gemacht, weil Puder drauf liegt: so muß der Kopf wohl noch viel garstiger seyn, denn da liegt noch viel mehr Puder.
FORTUNAT.
Laßt mich mit euren Possen ungehudelt; und kehret mich aus.
[222]CATHRINE.
Nun! so lassen sie mich nur geschwind machen. Von rechtswegen soll ich itzo die Stube anputzen und nicht sie.
FORTUNAT.
Ihr höret ja, daß es itzo nicht angeht.
CATHRINE.
Das wäre auch was Neues!
FORTUNAT.
Ich muß mich itzund hersetzen und malen.
CATHRINE.
Der Henker wird sie doch nicht reiten. Je! weswegen sprechen sie denn, ich soll sie auskehren?
FORTUNAT.
Weswegen wollt ihr denn die Stube aufräumen?
CATHRINE.
Weil sie allen Bettel herein schleppen, der nicht herein gehört.
FORTUNAT.
Und ich wollte mein Kleid ausgekehret haben, weil mir Puder darauf gefallen war, der auch nicht drauf gehört.
CATHRINE.
Ja! damit sie in einem reinen und wohlausgekehrten Kleide sich hersetzen und malen möchten, und damit hernach Jungfer Lieschen ihnen und ihrer Mama in einer unreinen und ungeputzten Stube ihren Besuch abstatten möchte.
FORTUNAT.
Cathrine, kommt her, reibt mir Tusche.
CATHRINE.
Ich könnte daher treten! Bilden sie sich nur nicht ein, daß ich nun aufräumen will. Ich gehe meiner Wege: mögen sie doch gleich ewig malen.
Friedrich. Fortunat.
FRIEDRICH.
Herr Fortunat, Herr Strom ist wieder da.
FORTUNAT.
Geschwind. Komm her. Reib Tusche ein. Ich muß noch was zeichnen.
FRIEDRICH.
Herr Strom ist – – –
FORTUNAT.
Nun reib doch, reib, was trödelst du?
FRIEDRICH.
Ich sage, Herr Strom ist wieder da, und will zu ihnen.
FORTUNAT.
Ich muß itzt zeichnen. Währt denn das ewig, daß der Herr Strom zu mir will?
FRIEDRICH.
Er sagt: es wäre recht nothwendig.
FORTUNAT.
Ich habe nicht Zeit, du siehst, daß ich zu thun habe, wenn ich fertig werden will.
FRIEDRICH.
Er wird aber darüber verdrießlich werden.
FORTUNAT.
Ich kann mir nicht helfen.
FRIEDRICH.
Er wird schmählen.
FORTUNAT.
Immerhin!
FRIEDRICH.
Er wird fluchen.
FORTUNAT.
Wenn es nichts mehr ist!
FRIEDRICH.
Er wird Feuer speyen.
[223]FORTUNAT.
Sprich: er soll wiederkommen.
FRIEDRICH.
Das habe ich ihm heute schon dreymal gesagt.
FORTUNAT.
Er soll warten.
FRIEDRICH.
Wenn sie wüßten, wie gern er wartete.
FORTUNAT.
Ich will nur das einzige Weinblatt fertig zeichnen.
FRIEDRICH.
Unterdessen läuft er zehnmal davon.
FORTUNAT.
So laß ihn laufen. Ich kann nicht augenblicklich dem Herrn aufwarten.
FRIEDRICH.
Aber denken sie doch: ihr erster Client! an dem sie die Probe machen sollen!
FORTUNAT.
Hast du Tusche gerieben?
FRIEDRICH.
Ja! hier ist sie.
FORTUNAT.
Das Blatt wird gleich fertig seyn: sage nur unterdessen, daß er herein kommen soll.