Agenor, Julianens Mann.
Nicander, sein Freund.
Philinte, ein Frauenzimmer in Mannskleidern, und zwar Nicanders Frau, mit dem wahren Namen Hilaria.
Heinrich, Nicanders Bedienter.
Juliane, Agenors Frau.
Cathrine, ihr Cammermädchen.
Agathe, eine alte Aufseherin.
Cathrine, Philinte.
CATHRINE.
Ich glaube doch bald, gnädige Frau, wir Frauenzimmer würden es nicht anders machen, als die Mannspersonen, wenn wir an ihrer Stelle wären. Die Begierde zu verführen, muß doch gleich in den Mannskleidern stecken. Wie würden sie sonst auf den Einfall gerathen, sich für Julianens Liebhaber zu erklären.
PHILINTE.
Ich finde es aber nöthig, und ich sehe tausend Gelegenheiten voraus – – –
CATHRINE.
Freylich, tausend Gelegenheiten, aber keine andern, als Julianen Verdruß zu machen, und ihr Schicksal noch zu verschlimmern.
PHILINTE.
Ihr Schicksal dauert mich, aber es wird dadurch nicht schlimmer werden. Vielleicht kann ich eben dadurch einen Weg finden, ihrem Mann, dem herrschsüchtigen Geschöpfe, zu zeigen, wie übel er mit ihr umgeht.
CATHRINE.
Fangen sie es an: so mögen sie hernach auch sehen, wie sie sich heraushelfen.
PHILINTE.
Ich darf Julianen sicher von Liebe vorsagen, ohne zu fürchten, daß sie mich bey meinen Worten halten möchte. Sie ist [311] zwar aufgeweckt und frey: Aber glaube mir, Cathrine, eine freymüthige Munterkeit ist das sicherste Kennzeichen der Tugend. Und diejenigen lieben nicht allemal die Ehrbarkeit am meisten, die sich durch jeden Scherz beleidigt halten.
CATHRINE.
Wie soll ihnen aber das alles endlich helfen, ihres Mannes Herz wieder zu bekommen?
PHILINTE.
Du siehst mehr als zu sehr, wie verliebt Nicander in Julianen ist. Und wie? ich sollte meinen Mann in seiner Liebe nicht hindern? Juliane hat zu viel Verdienste. Wenn er sich nur die geringste Hoffnung machen könnte, so wäre er für mich noch auf lange Zeit verloren.
CATHRINE.
Wie zornig würde er seyn, wenn er merkte, daß sein gefährlichster Rival, der ihn überall in seinen Liebesanschlägen hindert, niemand anders ist, als seine Frau.
PHILINTE.
Öl davor bin ich sicher. Sollte mein Mann selber wol meynen, daß ich ihm zehn Jahre, nachdem er mich verlassen hat, noch nachfolgen sollte.
CATHRINE.
Wahr ists. Das kann er nicht verlangen. Er wird selber wissen, daß er so viel nicht werth ist.
PHILINTE.
O! was das betrift; man kann nicht allemal wissen, wie hoch die Leute sich selber schätzen. Aber er hat mich in allem kaum drey Monat gekannt. Ich bin seitdem noch grösser worden, ich habe zugenommen. Ich trug damals schwarzes Haar, und itzt bin ich gepudert. Ich zweifle sogar, daß er mich in meinen eignen Kleidern wieder kennen sollte.
CATHRINE.
Er müste auch ein gutes Gedächtniß haben, wenn er alle die Personen wieder kennen sollte, in die er einige Wochen verliebt gewesen ist. Ich gestehe, Nicander ist ein besondrer Mensch. Eine Frau, wie sie sind, so bald nach der Hochzeit zu verlassen.
PHILINTE.
Was thut nicht bey der Jugend, die Begierde herum zu schwärmen?
CATHRINE.
Am allerwunderbarsten aber ist es, daß er ihnen ihr ganzes Vermögen zurück gelassen, und nur das seinige mitgenommen hat.
PHILINTE.
Eben daraus kann ich sehen, daß er mich nicht aus Vorsatz, sondern aus Leichtsinnigkeit beleidiget hat. Ich weiß nicht, ob mich meine Liebe betrügt, oder ob es die Vernunft ist, die mir es vorher sagt, daß Nicander seine Hilaria von neuen wieder lieben wird.
CATHRINE.
Wenigstens sollten sie sich ihm nicht eher zu erkennen geben, bis sie seiner Freundschaft recht versichert sind.
PHILINTE.
Beobachte nur unterdessen dasjenige, meine liebe Cathrine, warum ich dich in dieses Haus gebracht habe. Hilf mich ja in [312] Julianens Gunst setzen. Sonst wird Nicander durch Hülfe ihres eignen Mannes mich bald von hier vertreiben. Gleichwohl bin ich hier nöthig. Ich fürchte nichts so sehr für den Nicander, als Julianens Reizungen. Und eben darum will ich mich an diesen Posten selber stellen, und ihn vertheidigen.
CATHRINE.
Hier kömmt Herr Nicander. Still! hören sie auf, Hilaria zu seyn, und werden sie wieder Philinte. Warten sie hier, Herr Philinte. Ich werde sie gleich bey meiner Frau anmelden.
Nicander, Philinte.
NICANDER.
Sie sind schon hier, Philinte?
PHILINTE.
Ja! warum fragst du? Unter uns gesagt, weißt du wohl, daß ich hier so gut als zu Hause bin?
NICANDER.
Wenn du hier zu Hause bist, so rathe ich dir, daß du dich zum Ausziehen bereit hältst.
PHILINTE.
Wie so? ich habe noch nicht Lust dazu.
NICANDER.
Hör, Philinte, sage mir, warum ich dich überall in meinem Wege finde.
PHILINTE.
Sage mir vielmehr, warum du mich auf allen Schritten verfolgst?
NICANDER.
Laß einmal aufrichtig mit dir reden. Wir sind beyde von einerley Profeßion.
PHILINTE.
Was ist denn deine Profeßion?
NICANDER.
Alles Frauenzimmer, das artig ist, zu überwinden.
PHILINTE.
Das ist gerade mein Handwerk auch.
NICANDER.
Wir sind beyde ein Paar Alexander. Sage mir, hast du jemals eine unüberwindliche Frau gefunden.
PHILINTE.
Ich habe auf allen meinen Reisen nicht mehr, als eine einzige einfältige Frau gekannt. Sie hieß Hilaria. Ihr Mann – – –
NICANDER.
Hilaria! wie? Hilaria? ists lange, daß du sie gekannt hast?
PHILINTE.
Nicht allzu lange.
NICANDER.
War sie noch schön?
PHILINTE.
Artig genug.
NICANDER.
Reich?
PHILINTE.
Mittelmäßig.
NICANDER.
Und du hast sie nicht bezwingen können?
PHILINTE.
Nein! Sie war so lächerlich tugendhaft. –
NICANDER.
Ist es auch gewiß? Sagst du mir die Wahrheit?
[313]PHILINTE.
Wie so? was liegt denn dir daran, ob es wahr ist, oder nicht.
NICANDER.
Nichts! Ich sinne nur nach, wie es möglich ist, daß eine Frau sich nicht überwinden liesse.
PHILINTE.
Ich kann dich doch versichern. Ich muß es am besten wissen.
NICANDER.
Wir wollen davon aufhören.
PHILINTE.
Ich weiß nicht, ob ich den Mann oder die Frau mehr bedauren soll. Ich bin fast versichert, daß der erstere am meisten dabey verlohren hat.
NICANDER.
Höre nur, Philinte. Wenn es keine unüberwindliche Frauen giebt, so werden wir beyde sie dazu machen. Wir stören einer den andern in seinen Absichten. In den vierzehn Tagen, da wir einander beobachten, haben wir wenigstens einem halben Dutzend Frauen ihre Ehre gerettet. Das ist ein schöner Ruhm für uns.
PHILINTE.
Das ist wahr, und das beste ist, daß du überall wegbleibest, wo ich bin. Du siehst, daß es dir nirgends glückt, wo du mich zum Rival hast Also suche dein Glück weiter, und weiche deinem Ueberwinder.
NICANDER.
Willst du mir die Juliane nicht abtreten?
PHILINTE.
Nimm sie! wenn du sie bezwingen kannst.
NICANDER.
Das ist nicht genug. Du mußt aus diesem Hause wegbleiben.
PHILINTE.
Würde ich darum aus ihrem Herzen wegbleiben.
NICANDER.
Du sollst mir mit Gewalt überlassen, was du mir in Güte nicht geben willst.
PHILINTE.
Seht doch! der Mensch will fechten. Ich wette darauf, daß er nicht viel zu verlieren hat, weil er so ein Wagehals ist. Aber nim dich in acht. Ich könnte mich auf eine Art wehren, die du nicht vermuthet hättest.
NICANDER.
So weis es. Zieh vom Leder.
Zieht den Degen.
PHILINTE.
Das könnte ich wohl thun, aber ich will nicht.
NICANDER.
Nicht? also willst du mir sie abtreten.
PHILINTE.
Das eben auch nicht. Kurz! steck deinen Degen ein! Sonst wirst du machen, daß ich in Ohnmacht falle. Denn ungeachtet ich sonst sehr viel Herz habe, so habe ich doch von Natur den Fehler, daß ich keinen blossen Degen sehen kann.
NICANDER.
Pfuy! Du bist ein feiger Kerl.
PHILINTE.
Ich habe mehr Muth als du. Du willst mich mit dem Degen in der Faust vertreiben. Das ist ein Kennzeichen, daß du nicht Herz [314] genug hast, durch deine Verdienste zu siegen.
NICANDER.
Ich weiß nicht, was für ein innerlicher Trieb mich abhält, daß ich mich nicht an ihm vergreiffe.
PHILINTE.
Es kommt jemand. Steck den Degen ein. Man möchte sonst denken, wir schlügen uns darum, damit man uns auseinander reissen sollte.
NICANDER.
Gut! weil du kein Herz hast, so würde es mir keine Ehre machen, dich zu beschimpfen. Aber ich weiß Mittel, dich von hier wegzubringen. Agenor soll es an meiner statt thun.
Juliane, Philinte, Nicander, Cathrine.
NICANDER.
O! wie schön sind sie heute, gnädige Frau.
PHILINTE.
Was? sie sind schon völlig angekleidet, und ich komme erst, ihnen bey ihrem Nachttische aufzuwarten. Sie sollten es doch wissen, daß sie mich dabey nicht entbehren können.
JULIANE.
Nun! warum? was haben sie darwider einzuwenden?
PHILINTE.
Schämst du dich nicht, Cathrine, daß du deine Frau so altfränkisch ankleidest. Du verdientest, daß sie sich nicht wieder von dir anrühren liesse.
JULIANE.
Lassen sie es seyn. Ich habe es so haben wollen.
PHILINTE.
Ich will es aber anders haben. Einen Stuhl, Cathrine. Wollen sie die Gnade haben, und sich setzen. Ich will ihnen weisen, wie man sich kleiden muß. Weg mit dieser Blume. Diese Schleiffe soll anders sitzen, Cathrine.
Cathrine verändert etwas an Julianens Putze.
JULIANE.
Das ist genug. Ich weiß nicht, was ihnen fehlt, Philinte, und wer ihnen die Erlaubniß giebt, so mit mir umzugehen. Sie werden mich böse machen.
PHILINTE.
Sie sollten mir es noch Dank wissen.
NICANDER für sich.
Ich wundere mich nun nicht mehr, daß dieser junge Mensch mir so viel Eintrag thut. Er ist noch zehnmal unverschämter, als ich.
JULIANE.
Sie werden mich verstellet haben, Philinte. Aber es schadet nicht. Ich wollte, daß ich heute aussähe, wie ein Ungeheuer.
PHILINTE bringt einen Spiegel.
So mein artiges Ungeheuer! Sehen sie, läßt es nun nicht anders? Nun sind sie auf heute vollkommen. Denn ihre Schönheit ist mein Werk.
NICANDER.
Ich rathe ihnen, gnädige Frau, Cathrinen abzuschaffen, und den Philinte dafür in Dienste zu nehmen, weil er ein so gutes Cammermägdchen ist.
[315]PHILINTE.
Aber warum wollen sie heute wie ein Ungeheuer aussehen. Sind sie nicht aufgeräumt. Ich will ihnen was erzehlen, um sie aufzumuntern. Ich habe diesen Mittag mit ihrem Herrn Gemahl gespeißt, und –
NICANDER.
Das ist ein vortrefliches Mittel, um eine Frau aufgeräumt zu machen, wenn man ihr von ihrem Manne vorredet.
JULIANE.
Nachdem der Mann ist. Ihr Name, Nicander, würde freylich nicht geschickt seyn, ihre Frau aufzumuntern, wenn sie verheyrathet wären.
NICANDER.
Das kann man so gewiß nicht sagen. Ich sehe wol, daß eine Frau ihren Mann zuweilen aus Eigensinn liebt, wenn er gleich noch so wunderlich, herrschsüchtig – – –
JULIANE.
Wollen sie nicht so gütig seyn, und die Männer aus ihren Gesprächen heraus lassen.
NICANDER.
Die Forderung ist billig. Bey einer artigen Frau muß man ihren Mann niemals nennen.
JULIANE.
Geht, Cathrine! seht ob mein Mann wieder zu Hause ist.
Nicander, Juliane, Philinte.
NICANDER.
Das ist wider unsern Vergleich, gnädige Frau. Sie verlangten ja selber, daß ihr Mann unter uns nicht erwähnet werden sollte.
JULIANE.
Das Gesetz ist nur für sie, Nicander. Denn sie nennen meinen Mann, nur um darüber zu spotten.
PHILINTE.
Das darf ich aber doch von ihrem Herrn Gemahl sagen, daß er der aufgeweckteste Mann von der Welt ist.
NICANDER.
Und zwar so aufgeweckt bey seinen Freunden, daß niemand, als seine Frau wissen kann, daß er eigensinnig ist.
PHILINTE.
Er ist gefällig. Man kann mit ihm anfangen, was man will. Er verderbt keine Gesellschaft; und wenn ich ihnen sagen sollte, was er uns diesen Mittag für Histörchen erzehlt hat.
JULIANE.
O! erzehlen sie mir, was für Histörchen?
NICANDER.
Wissen sie das noch nicht, auf wessen Unkosten die Mannspersonen sich lustig machen, wenn kein Frauenzimmer dabey ist.
PHILINTE.
Diesesmal haben wir uns über die Männer lustig gemacht, und zwar über diejenigen, die das sind, was ich wollte, daß er wäre.
JULIANE.
Das sage ich ihnen beyderseits, daß der erste, der von [316] meinem Manne weiter ein Wort Übels reden wird, nicht wieder über meine Schwelle kommen soll.
NICANDER.
Wahrhaftig! das Gebot verdient der Neuigkeit wegen wenigstens eine Stunde beobachtet zu werden. Sie werden aufs höchste die dritte Frau seyn, die es verbiethet.
PHILINTE.
Ich thue ja ihrem Herrn Gemahl Gerechtigkeit.
NICANDER.
Freylich thun wir ihm Gerechtigkeit.
PHILINTE.
Ich sage, daß er Verstand besitzt, daß er Verdienste hat, daß er gut zu leben weiß, daß er überaus aufgeräumt und höflich ist.
NICANDER.
Er würde allzuvollkommen seyn, wenn er das letztere auch gegen seine Frau wäre.
JULIANE.
Ich versichre sie, daß er es ist.