Dies Buch singt nicht von Rosengärten,
Von süßer Liebe Lust und Pein,
Fliehst du die Kanten und die Härten,
So laß es ungelesen sein!
Dies Buch singt nicht von Rosengärten.
Es singt auch nicht vom Sphärenreigen,
Dem stillen Stern der Ewigkeit,
Suchst du das Spiel von Himmelsgeigen,
So leg es ungehört beiseit!
Es singt auch nicht vom Sphärenreigen.
Und doch! Trotz Zeitenzorn und -Fluche,
Trotz Sturm und Blitz auf Dunst und Brauch
Weht segnend auch in diesem Buche
Ein schöpferischer Liebeshauch.
Trotz herbem Zeitenzorn und -Fluche.
Willst tiefer laschen du den Tönen,
Durch Eisenhämmern dringt dein Ohr
Auch hier zum Sonnenpsalm des Schönen,
Zum Lichtchoral der Welt empor.
Willst tiefer lauschen du den Tönen ...
[1]Ich bin kein Minister,
Ich bin kein König,
Ich bin kein Priester,
Ich bin kein Held;
Mir ist kein Orden,
Mir ist kein Titel
Verliehen worden
Und auch kein Geld.
Dich will ich kriegen,
Du harter Plocken,
Die Splitter fliegen,
Der Sand stäubt auf –
»Du armer Flegel«,
Mein Vater brummte,
»Nimm meinen Schlägel!«
Und starb darauf.
[4]
Heut hab ich Armer
Noch nichts gegessen,
Der Allerbarmer
Hat nichts gesandt;
Von goldnem Weine
Hab ich geträumet
Und klopfe Steine
Fürs Vaterland.
Berlin
Grauweißer Nebel lastet kalt und feucht,
Trüb flimmert's von den schwarzen Schifferkähnen,
Am Brückenrande laßt mich einsam lehnen,
Im Arm gestützt, das Haupt hinausgebeugt!
Der Weltstadt Wirbel braust an mir vorüber,
Laut donnernd rollt's vor meinem Ohre hin,
Die Schifferlampen flimmern trüb und trüber,
In Nacht und Nebel weht mein Sinn.
O stolzes Herz, weltschöpfender Titan,
Quellfrischer Mut, du machtlos mächtig Wollen,
Hörst du des Lebens Speichen dröhnend rollen?
Du bist ein Nichts in deinem Schwärmerwahn.
[5]Nach Atzung schreit, nach Atzung rennt das Leben,
Der Magen herrscht, der hungrige Despot,
Du Tor, du Narr, laß ab von deinem Streben
Und sei wie sie und such dein Brot!
Sänftigt dein Wort der Millionen Weh?
Ach nein, sie schwitzen Blut, indes du dichtest!
Was frommt es, daß du segnest oder richtest?
Was ist ein Tröpflein Trost im Tränensee?
Geh, greif zum Hammer und zur Linnenbluse
Und leg den schwachen Griffel aus der Hand,
Es ist kein Raum auf Erden für die Muse,
Dort oben ist ihr Heimatland.
Du willst Prophet, willst Menschheitsführer sein,
Nicht, wie das Laffenpack, in Versen lügen,
Willst mit der Wahrheit eisig-ernsten Zügen
Die Welt vom Schleier ihres Trugs befrein?
Glaubst du, der Pöbel kommt zu deinem Spiegel,
Erbebt vor Schreck und eilt hindann bekehrt?
Glaubst du, aus deiner Dichtung Läutrungstiegel
Ersteht die Menschheit goldgeklärt?
O dumpfe Qual! der Nebel ballt sich dicht,
Gestaltenlos umflort er meine Augen,
Gebt Luft und Licht, sie brünstig einzusaugen!
Dies öde Nebelchaos trag ich nicht.
[6]Schwer, wie der Brockenriese, preßt's mich nieder,
Ich ringe, bete, flehe – laßt mich frei!
Fröstelnd erschauern meine müden Glieder –
O, wär's auf immerdar vorbei! ...
Und doch! Wach auf aus deiner Seelenpein,
Zieh stolz und freudig fürder deine Bahnen,
Und zweifelst du, laß eines dich gemahnen:
Nicht Lügnerin kann Mutter Erde sein.
Aus ihrem Schoß ist auch dein Leib entsprungen,
Ihr heißer Kuß drückt' ein des Dichters Mal,
Wenn, ihrer wert, du einst dein Lied gesungen,
Freut sie sich segnend ihrer Wahl.
Und sieh! Die Nebelballen flattern scheu,
Schon streift mein Blick die dunstgelösten Wogen,
Und über, unter mir hinweggezogen
Ist jäh der Schleier, und ich atme neu.
Die Sterne glühn in ihrem milden Glanze,
Im Wasser spiegelt sich ihr reines Licht,
Nun auf, nun auf zum Geisteswaffentanze!
Hoch schwillt der Mut – ich zage nicht.
Tief getaucht in Sonnengluten
Ragt des Berges Haupt empor,
Lichtgewirkte Schleier fluten,
Niederwallt der Silberflor.
Hoch am Nacken seh ich schwellen
Süßer Trauben Perlenreihn,
Aus den Brüsten seh ich quellen
Milden, kraftgezeugten Wein.
Bäume schatten früchteprangend,
Vollbelastet deinen Fuß,
Frohen Blickes dich umfangend
Biet' ich dir den Morgengruß.
Sei gegrüßt, vom Morgenstrahle
Glanzumwobnes Vaterland!
Leuchtest auf mit einem Male,
Seit der Dämmrung Schatten schwand.
Mächtig wächst dein Haupt, erhoben
Zu des Lichtes Wunderquell,
Reicher Segen strömt von oben,
Und die Früchte reifen schnell.
Wie der Seele bittres Leiden
Deine Herrlichkeit versüßt!
Zukunftsahnend laßt mich scheiden –
Deutschland, Mutter, sei gegrüßt!
Es stampft und dröhnt mit dumpfem Ton
Und qualmt und raucht ringsum,
Und Mann an Mann in schwerer Fron
An seinem Platze stumm.
Der Hammer sinkt, die Esse sprüht,
Das Eisen in der Flamme glüht.
Früh morgens, wenn der Schlemmer träg
Auf weichem Pfühl sich reckt,
Macht sich der Lohnsklav auf den Weg,
Vom Dampfpfiff aufgeschreckt.
Und Tag für Tag um kargen Sold
Rührt er die rauhe Hand,
Er geizt um Ehre nicht, um Gold
Und all den glatten Tand.
Kein süßes Lied berührt sein Ohr,
Durch das die Sorge gellt,
Kein Dichter öffnet ihm das Tor
Zu einer schönern Welt.
Er denkt, der Mensch sei gleich und frei,
Ob auch in Schweiß und Ruß –
Der Hochmut rollt an ihm vorbei,
Der Stolz vergällt den Gruß.
[9]
Wohl nagt am Herzen weh und wund
Ihm oft sein bittres Los,
Dann bricht ein Fluch aus trotzigem Mund,
Verschlungen vom Getos:
»Das ist ein grausam Weltgebot,
Fremd sind sich Herr und Knecht.«
Sein Auge blitzt, sein Feuer loht:
»Allmächtiger, sei gerecht!
Und wenn ein Gott im Himmel nicht
Den Schrei der Not versteht,
Dann stürm herein, du Weltgericht,
Wo alles untergeht!«
Der Hammer sinkt, die Esse sprüht,
Das Eisen in der Flamme glüht.
Ich habe die Tiefen des Elends geschaut,
Und es hat mir in Tiefen der Seele gegraut.
Ich sah lebendiger Toten Skelett
Und stand an der Buhlen entweihtem Bett.
Die stolze Vermessenheit sah ich im Schwang
Und lauschte der Reichen betörtem Sang.
Die Seelen sah ich verkauft und feil,
Nach Gold und Ehren und Wollust geil.
[10]Der Knechte traf ich ein zahllos Heer
Und fand der Lügner und Heuchler noch mehr.
Im Bethaus sah ich vor Gott sie knien
Und sah, wie sie heimlich den Heiland bespien,
Und lachten verborgen und trieben Hohn
Und krochen hündisch zu Kreuz und Thron.
Und ich sah, was mir höllisch die Sinne gepackt,
Sie die Wahrheit peitschen – notzüchtigen nackt!
Und zu Boden sank ich und rang und rang
Und lag todmüde und lebensbang.
Meine Seele war wüst und mein Geist war Nacht,
Da flammte ein Strahl, nun bin ich erwacht,
Und ich schreie empor voll brünstiger Glut:
Du Geist der Welten! Verleih uns Mut,
Daß das Zagen zergeht und der Zweifel zerbricht,
Zu sehnen und suchen das ewige Licht,
In harrender Treu, in Gedanken und Tat,
Wann der Abend sinkt, wann der Morgen naht,
Mit der Liebe Rüstung im brennenden Kampf,
Schildleuchtende Helden im Nebeldampf,
Mit des Mitleids Helm, mit der Wahrheit Speer,
Zahllos sich mehrend ein siegreich Heer,
Zu lösen das Leid und die Welt zu befrein –
O selig, Lichtzeuge des Lebens zu sein!
Nicht ein Lüftchen
Regt sich leise,
Sanft entschlummert
Ruht der Hain;
Durch der Blätter
Dunkle Hülle
Stiehlt sich lichter
Sonnenschein.
Ruhe, ruhe,
Meine Seele,
Deine Stürme
Gingen wild,
Hast getobt und
Hast gezittert,
Wie die Brandung,
Wenn sie schwillt!
[12]
Diese Zeiten
Sind gewaltig,
Bringen Herz und
Hirn in Not –
Ruhe, ruhe,
Meine Seele,
Und vergiß,
Was dich bedroht!
Gewitterschwanger dräut es Tag und Nacht,
Doch fällt kein Blitz, kein starker Donner kracht.
Zuweilen flammt am Horizont ein Schein,
Dann folgt ein schwaches Grollen hinterdrein.
Todmüde röchelnd ringt die Welt nach Luft,
Als schmachte sie in dumpfer Leichengruft.
O brich herein mit Donnersturmgetos,
Laß deiner schwarzen Rosse Zügel los,
Sturmjäger, auf, wir alle harren dein,
Nicht länger kann die Qual ertragen sein!
Siehst du die bangen Haufen murrend stehn?
Die Zeit ist hoch, was sein muß, muß geschehn.
Und flammen tausend Dächer auf in Rauch,
Und bricht zusammen uralt heiliger Brauch,
Und gibt's ein Jammern, daß die Luft zerbirst,
Laß dich nicht mäßigen, Gewitterfürst!
Donner auf Donner, roter Strahl auf Strahl,
Rein muß es werden von Gebirg zu Tal.
In Scheuern birgt ein glücklicher Geschlecht,
Was mühvoll wir gesät. Gott wird gerecht.
Was gelten wir? Die Zukunft gilt allein,
Reif ist die Frucht und muß geschnitten sein.
Die Wolken sausen über mir,
durch kahle Heide schreit' ich zu,
Wie Sturmgewölk die Seele saust,
die Seele kennt nicht Rast noch Ruh;
Ein mächtiger Schauer hob sich auf
aus ihren Tiefen über Nacht,
Und schwere, bittre Herzensnot
ist in ihr plötzlich aufgewacht.
Nur weiter, weiter durch das Feld,
dem Sturme gib, was dich beengt,
Und zu den Wolken wirf empor,
was furchtbar quälend dich bedrängt,
Und regt der Spötter Hauf sich rings
und lacht dich aus in blindem Wahn,
Verkünde, was dein Ohr gehört,
ruf aus, was deine Augen sahn!
Es kommt die Zeit, der Spott verstummt,
und sie verhüllen scheu ihr Haupt,
Und alle sinken gläubig hin,
die heute nimmermehr geglaubt.
[15]Verflucht die Nacht, verflucht die Nacht,
die eure Herzen ganz bedeckt,
Daß ihr den Strahl nicht sehen wollt,
der euch zu schönerm Leben weckt!
In finsterm Wandel schreitet ihr,
ein blödes Volk, tagaus, tagein,
Und eure Seele fror zu Eis,
und euer Glück ist Angst und Pein.
Wie morsche Blätter, die der Herbst
den Winden gibt zu losem Spiel,
Treibt ihr am Boden wirr und welk,
und euer Jagen kennt kein Ziel.
Das aber ist der Hauch der Pest,
die grausig schwirrt durch eure Nacht,
Daß eurer Herzen Glanz verblich
in eitel Gold und Goldespracht;
Das aber ist das Leichentuch,
begrabend Lieb und Lust der Zeit,
Daß unbarmherzig wie Basalt
ihr starrt in Herzenshärtigkeit.
Wohl wühlt ihr in der Erde Herz
mit Maulwurfsemsigkeit euch ein,
Wohl wißt ihr der Gestirne Gang
und spaltet selbst den Sonnenschein;
[16]Wohl reiht das Stäubchen ihr zum Staub
und baut das All aus Stoff und Kraft,
Und seid fürwahr ein klug Geschlecht
an Hirnverstand und Wissenschaft.
Und doch unselig seid ihr ganz,
und euer Wissen all ist hohl,
Ihr habt ermordet euer Herz,
der Gottheit leuchtendes Symbol.
Verbrechen paart ihr dem Genuß
und reizt des Fleisches rohen Sinn:
»Nach uns die Sündflut – Halali!« –
und taumelt siech und lüstern hin.
Ihr wähnt wohl gar, die eigne Schuld,
das sei des Schicksals arge List,
Und keiner schulde seine Tat,
die blindes Fatum vorbemißt?
Ihr Toren, die die Frechheit narrt,
das ist die Lüge, die ihr sucht.
Ihr überlacht der Seele Schrei,
betäubt den Gott in euch verrucht.
Ihr horch nicht dem Gewissensschlag,
den ihr gebunden feig und scheu,
Und sinkt ihr abgrundtief in Schuld,
euch rettet keine wahre Reu ...«
– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
[17]Die Wolken sausen über mir,
die Winde pfeifen schauervoll,
O Gott, mein Gott, wo ist das Licht,
das unser Volk erleuchten soll?
Was frommt dir Sieg und Siegsgeschrei,
wenn du dir selber bist ein Knecht?
Sei deiner Herr, sei deiner Herr,
und deine Siegerschaft ist echt.
Sei Herr und Diener, diene du
in Mitleid trotz Verrat und Spott,
Und deine Herrschaft ist ein Fels,
ein Tempel dem lebendigem Gott. –
Was soll dir Macht und Schellenruhm?
Das alles ist nur Spreu und Tand,
Der Herzen Macht, der Herzen Ruhm
ist deiner wert, mein Vaterland.
Die Wolken sausen über mir,
und Licht und Heimat schreit' ich zu,
Nur wenn die Liebe mächtig wird,
dann findet meine Seele Ruh.
Deutsche Jugend, sturmesmächtig,
Glockenläutend, frühlingsprächtig
Ruft dich auf mein stolzer Sang.
Einig Band hält uns umschlossen,
Hört mich, wachsende Genossen,
Bruderbund in Sturm und Drang!
Allen Spöttern schenkt Verachtung,
Die in nebelnder Umnachtung
Eure Sehnsucht nicht verstehn!
Die da lachen und euch höhnen,
Sollt sie nie mit euch versöhnen,
Blindlings laßt sie untergehn!
Die am Golde sich genügen,
Schmähend euch mit feilen Lügen,
Säend Arglist und Verrat:
In den Kot die Sinnesdirnen!
Hebt zur Sonne eure Stirnen,
Ratet und vollführt die Tat!
[19]
Eins ist not, ach nur dies eine:
Daß des Menschen Bild erscheine,
Rein von Schminke die Natur.
Daß mit innerstem Verstehen
Augen sich in Augen sehen,
Eins ist not, dies eine nur!
Alle Ketten, die da lauern,
Alle morschen Scheidemauern
Schmettert in den tiefsten Grund!
Arbeit soll die Arbeit achten,
Faule Schlemmer sollen schmachten
Einsam mit verdorrtem Mund!
Freie Arbeit – schöne Tugend,
Höre mich, du deutsche Jugend,
Zukunftschaffendes Geschlecht!
Schöne Tugend, edles Wagen –
Selbstverkümmernd Jochertragen
Preist voll Demut nur der Knecht.
Lauscht dem Worte hoher Meister,
Tiefer Seelen, klarer Geister,
Ehrt des Genius' goldne Saat!
Vor dem Rohen scheu und scheuer,
Nährt der Sitte reines Feuer,
Das euch stählt zur höchsten Tat:
[20]
Tat der Wahrheit, Tat der Freiheit,
Tat der Schönheit, heilige Dreiheit,
Komm, wie dich der Seher sieht!
Deutsche Jugend, sturmesmächtig,
Glockenläutend, frühlingsprächtig
Ruft dich auf mein stolzes Lied.
Ich habe manchen Fant gekannt,
Der zum Charakter ward ernannt.
Ich saß bei Zechgelag und Mahl,
Jungdeutschland lärmte satt und schal.
Im Parlamente war ich auch,
Da sah und hört' ich Schall und Rauch.
Oft vor der Börse stockt' mein Fuß,
Wie Lustschrei klang's, wie Höllengruß.
Aus Essen sah ich Feuer lohn,
Im Rauch geschwärzte Fäuste drohn.
Mit Trommeln und Trompetenklang
Marschiert' ich früh die Stadt entlang.
[21]
Die Mädchen spähten aus der Tür –
Hei Füsilier, hei Musketier!
Dem Landmann hab ich zugeschaut,
Wie er den Acker still bebaut.
Der Pflug ging hin und kam zurück,
Der Bauer sät und mäht sein Glück.
Bald einen schlauen Juden fand
Ich witternd schleichen auf dem Land.
Die Bäurin rang die Hände schwer –
Das Glück zieht übers große Meer.
In kahler Kammer, kampfeswund,
Ein deutscher Künstler ging zu Grund.
Grub seinem Volk der Schönheit Gold,
Drum stand er in des Mangels Sold.
Die Schönheit und die Wahrheit stehn
Im Schatten, bis sie untergehn ...
Mein Volk vom Weichselstrand bis ob dem Rhein –
Des Jubilierens laß ein Ende sein!
Spar dir die Reden, fettgespickt mit Phrasen,
Spar dir die »patriotischen« Ekstasen!
Die bunten Fahnen, die so prahlend fliegen,
Laß ruhig auf der Bodenkammer liegen,
Und deiner Eichenwälder dunkles Laub,
Es falle welscher Ruhmsucht nicht zum Raub!
Genug des Pompes stolzer Siegerlust!
Die Totenklage birg in treuer Brust!
Den du befruchtest hast mit heiligem Blute,
Wahr' vor dem geilen Kraut, dem Übermute,
Der Einheit Acker, unsrer Freiheit Boden!
Stich zu, mit Stumpf und Stiel es auszuroden!
Jetzt – eh's zu spät, eh das Verderben naht,
Und aufgeht kraftlos hohle Ruhmessaat.
Schau um dich und schau in dich! Schau voraus,
Bestelle stillen Eifers Hof und Haus!
Gefährlich ist's vom Kapital zu leben,
Das keine Zinsen trägt. So treibst du's eben.
Geh, wuchre mit dem Pfund, dem Reich geliehen,
Doch laß die leeren Festtagsmelodieen –
Sei wach zur Freiheit! Zuviel Böllerkrach
Betäubt die Ohren. – Sei zur Freiheit wach!
O matt Geschlecht der Tintenwüchsigkeit,
Du Mißgeburt der herzensärmsten Zeit!
Wie steife Reihn beschnittener Kakteen,
Wie tote Front gradliniger Armeen,
Wie eine Puppenkompagnie am Seil
Seh ich dich starrn und baumeln ohne Heil.
Die tief des Menschen Innerstes erfaßt,
Die freie Regung ist dir ganz verhaßt.
Was Herzensrechte, drängende Gefühle?!
Nur höchst korrekte, reservierte Kühle!
Daß eurer Seele Flut stets schicklich schleicht,
Habt ihr in Anstands Höhe sie geeicht.
Die ihr verlustig jeder Männlichkeit,
Merkt ihr denn nicht, daß ihr Eunuchen seid?
Ihr habt die Kräfte der Nation verraten
Und seid Kastraten, klägliche Kastraten.
Leis lispelt untertäniger Fistelton
Das Lammgeplärre von Altar und Thron.
Doch kommen wird der Tag der Kraft und Glut,
Der dich emporreißt, stinkend faule Brut!
Er ist nicht fern – wach auf, wach auf bei Zeiten,
Schon seh ich Blitze durch die Himmel gleiten,
Schon ruft die Werdelust Gewitter wach –
Dann weh dem dürren Stroh auf deinem Dach!
Der Regen sprüht, der Regen spinnt
Den grauen Hexenschleier,
Hohl stöbert der Novemberwind –
Flackre, mein brodelnd Feuer!
Schal spöttelnd raunt die Zwergenbrut,
In ewigem Nebel nachtend –
Flamm zu in störrischer Kampfesglut,
Mein Sinn, weltverachtend!
Flamm zu und zuck durch schweren Dunst,
Nichts kann dich vernichten:
Feuer im Nebel deine Kunst,
Glut, Glut in Grau dein Dichten!
Ein leiser Tauwind pfiff wohl über Nacht –
Hörst du, wie fern die starre Decke kracht?
Im Froste war der Welle Trieb verdorrt,
Nun heult ein Wind, das ist das Losungswort.
Den warmen Hauch verspürt die steife Flut,
Laut ächzt und stöhnt, die todesmatt geruht.
[25]Schwer seufzend ringt der Schrei der Not sich los,
Der Bann der lähmenden Gewalt ist groß,
Die Flut will Luft, und wildgequält empört
Sie sich der Fessel, die ihr Atmen stört.
Hörst du das Schnauben dort? Sieh da den Riß!
Schon quillt die Flut aus enger Finsternis;
Ein neuer Spalt, schrill klagend birst das Eis,
Das keinen Halt vor Flut und Winden weiß.
Der See springt auf, allmächtig wogt der Hauch,
Eistänzer ihr, ahnt die Gefahr ihr auch?
Laßt nun das Spiel, das mit Verderben droht,
Und geht ans Werk, und zimmert euch ein Boot!
Ein Boot aus gutem, wohlgefügtem Holz,
Wild schweift die Woge, wenn sie jauchzend schmolz.
Laßt Mast und Segel fest und sicher sein,
Denn jetzo braust ein Frühlingssturm herein
Und wühlt empor die Tiefe, die euch trägt,
Und opfert jeden, der nicht rasch sich regt,
Das Steuer richtend mit der starken Hand
Auf unsrer Zukunft neues Menschenland.
Sturm, o Segen!
Ströme, du Kühle
Des wettergereinigten
Sommerabends,
Ströme mir zu!
Ganz verschmachtet
Lag ich am Tage,
Niedergezwungen
Von den dumpfen,
Drückenden Banden
Staubiger Schweißglut.
Widrig Brenzeln,
Schwefelstickig,
Schlug den Atem
Schwer in Bann;
Gähnend starrt' ich
Auf zum Dunstkreis,
Und verschlafen,
Matt und leblos
Schlich des Geistes
Mutverlassenes,
Träges Streitroß.
[27]Siehe, da züngelten
Gelbliche Blitze,
Rollte des Donners
Wachsende Wut.
Wogten die Winde,
Rauschten die Fluten,
Blüten der Linde
Fegte die Windsbraut.
O wilder Segen,
Geburt des Sturmes,
Geburt der Wolken,
Geburt der Kraft! ...
Rein und lieblich
Haucht die Luft nun,
Wohlig hebt die
Brust sich leicht.
Durch die Bäume
Zieht ein Säuseln,
Und der Donner,
Fernverhallend,
Schweigt ...
Nur zuweilen
Flammt's im Osten,
Wetterleuchtend
Spielt die Glut;
[28]Und lebendig
Durch die Adern
Rollt das rascher
Drängende Blut ...
Schlüg' ein Wetter doch,
Sturmwindschwanger,
In diese frevel-
Stinkende Welt!
Allwärts lagert
Ekler Pesthauch,
Lügengeister
Gehen um,
Und den kühnen
Ringer Leben
Schnürt der faule
Dunst »Gewohnheit«.
O, wann weht uns
Freier der Odem,
O, wann leuchtet
Die Luft uns rein?
Komm, o Segen,
Wilder Segen,
Geburt des Sturmes,
Geburt des Kampfes,
Geburt der Kraft!
Rings tönt ein Hämmern durch die Nacht.
Wo bin ich? Tief im Erdenschacht.
Die Grubenlampen flimmern trüb,
Gib acht, so dir dein Leben lieb!
Links droht ein Abgrund, rechts ein Spalt,
Tritt sicher, wahre deinen Halt! –
He, Bergmann, kehr dein Licht mir zu!
Was klopfst du ohne Rast und Ruh?
»Ich hämmre früh und hämmre spät,
Daß dieser Fels in Stücke geht.«
Und welche Ader zu befrein,
Zerschmetterst du den morschen Stein?
»Ich suche keiner Ader Licht,
Ich will nur, daß Zerfressnes bricht.«
Und doch, um Gott, schau dort hinauf!
Auf deinem Block, welch wirrer Hauf?
Sie klammern sich mit Angst und Pein
An den von Grund zerhöhlten Stein.
Stürzt plötzlich er gelöst herab,
Sie finden all ein schaurig Grab.
Schon gleiten im Verzweiflungswahn
Hier Mann, dort Weib die Unglücksbahn.
[30]Sieh jener Krone blinden Glanz
Und rings den unterwürfigen Kranz!
Sieh dort das Kreuz, das wankend steht,
Von einer kleinen Schar umfleht!
Und sieh den Greis, bepackt mit Gold,
Dem Stück um Stück zur Tiefe rollt!
Das Kreuz zerbirst, die Krone sinkt,
Wenn dein Zerstörungswerk gelingt,
Und deiner schrankenlosen Wut
Verfällt das alterworbne Gut.
»O, ich weiß alles, was Ihr sagt,
Und habe lang und schwer geklagt.
Was gehst du, rief ich, ins Gericht?
Laß sein, bis alles selbst zerbricht!
Der Hammer sank, die Zähre floß,
Daß ich die blinden Augen schloß.
Es muß geschehn, sprach dann ich dumpf
Und traf mit Macht den Felsenstumpf.
Was morsch, muß fallen, sei's mit Graun,
Dort hinten magst du Bessres schaun.
Wer hier das Ende nahen sieht,
Tut wohl, daß dorthin er entflieht.
Ich hämmre früh und hämmre spät,
Daß dieser Fels in Stücke geht.«
Gestalten huschen spärlich fort
Nach dem verheißungsvollen Ort.
[31]Ah, hell und heller flammt der Schein,
Entstrahlt aus seltsam neuem Stein,
Den, wo er brüchig noch und rauh,
Viel Meißler glätten kunstgenau,
Bis, was vordem ein Teil der Nacht,
Glorreich erglänzt in Wunderpracht.
Was weicht der blöde Schwarm zurück,
Geblendet von dem Götterblick?
Warum verhüllt er tief sein Haupt?
O weh! sie haben nicht geglaubt.
Sie schrieen Hohn dem Ideal,
Nun schreckt sie sein lebendiger Strahl.
Scheu wie die Kinder stehen sie,
Bang wie die Sünder flehen sie
Und wissen nicht, wo aus noch ein,
Und rufen: »Nimm uns auf, o Stein!
Wir sind in Reu versunken ganz,
Gib Kraft, zu schauen deinen Glanz!«
Sieh! milder wird das helle Licht,
Und alle heben ihr Gesicht.
Sie sehen schauernd, was geschieht,
In zagen Worten tönt's mein Lied.
Der Schein fliegt auf, der Stein erblaßt,
Schwarz liegt, was vordem klarer Glast.
Doch auf der dunklen Fläche – ja!
Es täuscht mich nicht, schon steht es da –
[32]Erscheint in Zeichen, die noch nie
Ein Mensch geschaut auf Erden hie,
Erlösender denn Christi Blut,
Ein Wort aus goldner Flammenglut.
Durch alle Leiber rinnt ein Strom,
Und ist kein Tempel, ist kein Dom,
Und ist kein Gott in Menschgestalt,
Der durch die selige Menge wallt,
Auf seines Vaters Reich verweist
Und seines Himmels Freuden preist.
Ein jeder blickt zum andern hin,
Durch alle zieht ein einziger Sinn,
Der jenem wirkt, was er ersehnt,
Weil er im andern nur sich wähnt,
In sich erkennt des Ganzen Glied,
In jedem eins und alles sieht.
Der Geizige spricht: »Nehmt hin mein Gut!
Weh der geschwollnen Mammonsflut,
In der ich tief versunken war,
Dem Eignen frönend Jahr für Jahr!
Des Goldes Glanz schuf mir die Nacht,
Nehmt hin, nehmt hin – ich bin erwacht!«
»Mein Weib, mein Weib!« der Gatte ruft,
»Was überbrückte diese Kluft?
Unselig Gift herztoter Wahl!
Heut lieb' ich dich zum erstenmal.
[33]Geschwunden ist der falsche Schein,
Nun bist du mein, nun bin ich dein!«
Wer naht sich dort mit Sehersinn
Der ärmsten Tagelöhnerin?
Ein junger Meister hebt den Hort,
Des Menschentums Erlösungswort,
Es strömt der neuen Botschaft Licht
Auf ihr verklärtes Angesicht.
Da tönt ein Klirren ringsumher,
Wie wenn ein Glas zersplittert wär'.
Das Zepter warf der Kaiser ab:
»Fahr hin, du Gottesgnadenstab!
In Glas verkehrte sich das Gold,
Das scherbend jetzt zur Tiefe rollt.
Die Krone, echter Kraft beraubt,
Die Krone brennt auf meinem Haupt.«
Vom Geist der Wahrheit übermannt,
Reicht er dem Arbeitsmann die Hand.
»Was ist der goldne Apfel wert?
Sei mir gegrüßt! Nur Mensch sein ehrt!«
Und ein geheimnisvoller Sinn
Verschwistert Magd und Kaiserin. –
Gewaltig steht in Flammenglut
Das Wort, das solche Wunder tut.
Als sei des Blitzes Strahl gebannt,
Ausfließt es von der Felsenwand.
[34]Der Bergmann winkt dem Bergmann weit,
Als suche Zeit nach Ewigkeit ...
Das Hämmern schweigt durch helle Nacht,
Heilig ruht der Erdenschacht.