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Print-Ausgabe:
ISBN 978-3-932293-35-1
Copyright © 1998 by PRINCIPAL Verlag, Münster/Westf.
Alle Rechte vorbehalten
Titelbilder: Hermann J. Mürmann
Printed in Germany
E-Book-Ausgabe:
Copyright © 2011 by PRINCIPAL Verlag, Münster/Westf.
Alle Rechte vorbehalten
ISBN 978-3-89969-124-5
Hermann J. Mürmann
Die
zwölf Hindernisse
auf dem
Weg
in eine
beglückende Gegenwart
Der Weg des Zen
PRINCIPAL VERLAG
Für die herzliche Wegbegleitung
möchte ich mich ebenso herzlich
bedanken
bei
Yamada Bunryo Roshi, Eigenji
Harada Sekkei Roshi, Hosshinji
Yasusada Seki, Goshu Kaku Dojo
Seikei Sachiko Oishi-Hess
Schnee liegt auf dem Krokus.
Roshis Worte dringen tief in mein Herz.
Es erblüht in tausendfachen Tränen.
Ich durfte bei mehreren Sesshin für Hermann Mürmann dolmetschen. Im Dokusan-Raum waren wir drei, Roshi, er und ich, eins. Ich wußte, dass er wieder Yaza (Nacht-Zazen) praktiziert hatte. Es ist ein starker Zen-Geist in ihm.
Dieses Buch beginnt dort, wo unser aller Alltag anfängt und unsere Sorgen liegen. Hier und Jetzt! Es hält uns einen Spiegel vor, in dem wir unser ungeschminktes Dasein erkennen können, ohne spirituelle Höhenflüge. Es greift den Trubel unseres Geschäftigseins und das Suchen nach Erkenntnis und geistiger Weiterentwicklung auf. Ein Buch, das nicht im fernen Tempel des traditionellen Japans beginnt, sondern um die Realität der Menschen weiß, die hier in ihrer Alltäglichkeit sorgenvoll verstrickt sind und nicht davor weglaufen können. Es zeigt uns, wie wir trotz aller Hindernisse, die sich uns in den Weg stellen, Hier und Jetzt unseren Zen-Geist ergreifen und voll und ganz realisieren können.
Seikei Sachiko Oishi - Hess
Neu-Ulm, 26. März 1998
Betrachten wir unser Leben oder das Leben von Freunden, Bekannten und anderen Mitmenschen, dann ist unübersehbar, dass jeder von uns mit Erfahrungen konfrontiert wird, die sich uns als Hindernisse in den Weg stellen. Diese Hindernisse verhindern scheinbar ein Leben in Ruhe und innerem Frieden. Schauen wir aber genauer hin, können wir erkennen, dass es nicht die Schwierigkeiten an sich sind, die uns das Leben erschweren, sondern die Art und Weise, wie wir mit ihnen umgehen. Wir sind, jeder einzelne von uns ist selbst das Hindernis. Bestimmte Vorstellungen, die wir vom Leben haben, entsprechen sehr häufig nicht der Wirklichkeit und das bedeutet für uns, dass wir diese Diskrepanz als leidvoll erleben. Wir würden gerne die Realität in einer Weise verändern, die unseren Wünschen gleichkommt. Da dies aber ein erfolgloses Unterfangen ist, benötigen wir eine andere Art und Weise mit dem Leben, mit uns umzugehen.
Jeder von uns hat die Möglichkeit einen inneren Zustand der Ruhe des Friedens und der Glückseligkeit zu erreichen. Zu diesem Weg gehören allerdings Hindernisse, die in uns selbst begründet sind und die wir umwandeln müssen, sollen sie uns nicht weiterhin von Glück und Frieden abhalten. Wenn Sie in alten Märchen, Mythen und Sagen lesen, dann können Sie immer wieder erkennen, dass den darin vorkommenden Wesen eine Vielzahl verschiedener Aufgaben in den Weg gestellt sind, die sie davon abhalten ihr Glück auf einem einfachen, bequemen Weg zu erreichen. Warum sollte dies für uns anders sein?
Die Voraussetzung für das sich-auf-den-Weg-machen, für unseren Aufbruch, ist das den Weg suchende Herz.
Verbleiben wir in einer Gleichgültigkeit uns gegenüber, lassen wir alles so laufen wie es ist. Harren wir aus im Sumpf unserer Unzufriedenheit oder unseres Wohlstandes, dann bleibt der WEG unerkannt. Wir können nicht, das den Weg suchende Herz im Kopf entstehen lassen. Es ist nicht durch gutes Zureden oder Intellektualisieren zu gebären. Das den Weg suchende Herz ist ein inneres Erleben. Es ist eine Erfahrung, die sich einstellt, wenn wir uns unserem Herzen öffnen. Im Urgrund unseres Herzens wohnt das Sehnen nach Transformation, nach Heil-werden, Frieden und Eins-sein. Vielleicht vernehmen wir nur noch leise Töne, da unsere Ohren, die nach Innen hören taub und unsere Augen, die nach Innen sehen blind geworden sind.
Der Lärm der Welt, die hektisch gewordene Zeit überfluten uns und wir haben von den Eltern und in der Schule nicht ausreichend gelernt innezuhalten und unserem Herzen zu lauschen. Schon sind wir dabei, unsere hektische Art, von einem Termin zum anderen zu laufen, an unsere Kinder weiterzugeben. Vor lauter zielgerichteten Freizeitaktivitäten haben viele Kinder keine Zeit mehr für das zweckfreie Spielen. Wir können es hin und wieder in den Zeitungen lesen, dass Untersuchungen ergeben haben, dass unsere Kinder regelrecht krank daran werden. Diese keine-Zeit-fürs-freie-Spielen-Mentalität kann von immer mehr Kindern nur noch durchgehalten werden, wenn sie Autogenes Training lernen, Entspannungstechniken praktizieren oder sogar Medikamente einnehmen. Während wir die Kinder in eine du-mußt-gut-sein-und-viel-lernen-Haltung hineindrängen und sie in einer Weise beschneiden, dass sie nicht mehr nach Herzenslust spielen dürfen, steigt gleichzeitig bei uns Erwachsenen die Zahl der Herzkrankheiten. Herzen werden trainiert, operiert und ausgetauscht. Wir Menschen erschaffen in vielen Lebensbereichen gesundheitsschädigende, zerstörerische Bedingungen und investieren im Nachhinein viel Geld und Energie, um die Folgen zu beseitigen. Eine alles betäubende Werbeindustrie drängt uns in immer mehr Konsum und individuelles Luststreben. Die Einbindung des Menschen in die Natur, sein Eins-sein mit allem was ist wird selten erkannt. Wir, die „aufgeklärten, wissenden“ Menschen zerstören die letzten intakten Lebensräume für Tiere und Pflanzen und vernichten die Lebensräume, der noch existierenden Naturvölker aus Profitgier und Machtstreben.
Ein unentrinnbarer Kreislauf?
Nein, jeder Einzelne von uns kann innerhalb dieser Entwicklung jederzeit innehalten und sich der Weisheit seines ihm innewohnenden Herzens öffnen, auf das Jesus (S.92) mit seinem Finger zeigt.
Vielleicht haben es viele von uns schon versucht und sind irgendwann auf diesem Weg steckengeblieben, haben ihn aus den Augen verloren oder sind an den Hindernissen gescheitert, die ein Weiterkommen erschwerten. Es kann auch sein, dass Unklarheit über den Weg bestand, die Hindernisse zu unklar waren, wir mit falschen Mitteln versuchten voranzuschreiten oder uns niemand Alternativen aufzeigte. Lange Zeit meines eigenen Lebens war auch ich auf der Suche nach neuen Wegen, da mir die katholische Kirche, in die mich meine Eltern geführt hatten, keine Perspektive aufzeigen konnte, in der mein Wunsch nach tiefer religiöser Erfahrung hätte befriedigt werden können.
Erst auf dem Weg des Zen fand ich, was in meinem Herzen auf Erlösung wartete. Gleichzeitig begegnete ich den Hindernissen, die sich uns Menschen in den Weg stellen, wenn uns das Äußere der Religion keinen inneren Frieden schenkt und wir den Wunsch haben, zum Urgrund der Religion vorzudringen. Die großen Weltreligionen unterweisen uns in Bildern, Symbolen und Riten. Wollen wir aber das Dahinterliegende begreifen, dieses was die Worte zu beschreiben suchen, müssen wir einen spirituellen Weg gehen, der uns durch die Erfahrung zum Durchbruch des Göttlichen, der Buddha-Natur in uns führt.
Ich möchte Ihnen mit diesem Buch zwölf der wichtigsten Hindernisse vorstellen und den Weg aufzeigen, diese Hindernisse aufzulösen, damit jeder von uns sein Leben in innerem Frieden, Ruhe und Glückseligkeit leben kann.
Wir alle gehen schon in einer bestimmten Weise, mit den beschriebenen Hindernissen um, mag dies bewußt oder unbewußt geschehen. Stellt sich dabei keine Lebensfreude, kein innerer Frieden ein, können wir jederzeit darüber neu entscheiden, in der gleiche Weise weiter zu leben und alles beim Alten zu lassen oder erste Schritte auszuprobieren, um eine neue Weise des Seins zu finden, die uns aus der Sackgasse heraus, auf einen neuen Weg führt.
Baumberger Sandstein, Eingang zum Zendo
Die gefräßige eiserne Baggerschaufel
gräbt sich tief in die spätsommerliche warme Muttererde.
Von kräftigen Männerhänden gesetzt -
Basaltsteine.
Autos stehen auf festem Grund.
Ein Vogel sucht seinen Nistplatz.
(27.9.95)
Wir Menschen können nur das ernten was wir säen. Die Ernte, die uns in den letzten Jahren zu teil wird, besteht aus verheerenden Hochwasserkatastrophen, noch nie dagewesenen Dürrezeiten und unübersehbaren Busch- und Waldbränden, die nicht nur Pflanzen, Tiere und das menschliche Hab und Gut vernichten, sondern auch bei vielen Menschen zu Krankheit und Tod führen. Immer wieder gibt es Meldungen, über eine große Anzahl von Meeressäugetieren, die stranden und qualvoll sterben, weil u.a. die Verschmutzung der Meere das feine Navigationssystem der Tiere stört und sie ihre Jahrtausende alten Wege durch die Ozeane nicht mehr so gut finden. Das Phänomen „el Nino“ zeigt uns Menschen, in welchem hohen Maß wir aktiv unsere Umwelt zerstören. Die Natur, unser Kosmos hat seine eigenen Gesetzmäßigkeiten, um seine ausbalancierte Ordnung aufrechtzuerhalten. Wir Menschen sind Teil dieser Natur und nicht getrennt von ihr. Unser Einssein mit allem was existiert, verpflichtet uns mit der Natur in Einklang zu leben. Das wir uns nicht so verhalten erfahren wir Tag täglich aus den Medien. Unser egoistischer Lebensstil, der durch Macht- und Profitgier auf Ausbeutung der Umwelt angelegt ist, ohne Rücksicht auf ökologische Zusammenhänge trifft uns Menschen wie ein Schicksalsschlag, den wir aber selbst zu verantworten haben. Nur allzu deutlich weist uns das Phänomen „el Nino“ auf unsere falsch verstandene Freiheit hin. Wirkliches Freisein besteht darin, sich in Harmonie mit den kosmischen Gesetzmäßigkeiten zu entfalten.
Die Entwicklung in unserer Gesellschaft führt aber auch im privaten kleinen Kreis immer mehr zu einer stärkeren Betonung der Wichtigkeit der individuellen Selbstverwirklichung. Dabei geht es um die Frage „Ist es richtig für mich, meine Entwicklung, wenn ich jetzt dies oder jenes tue, oder entspräche es nicht vielmehr meinem momentanen Entwicklungsstand, wenn ich alles mal ganz anders machen würde?“ Der Blickwinkel richtet sich im wesentlichen auf die eigene Befindlichkeit „Ich bin im Moment nicht so aufgelegt, erledige du das doch für mich. Ich bin mir wirklich noch nicht ganz im klaren, ob dies das Optimale für mich ist. Es ist für mich jetzt überhaupt noch nicht der passende Zeitpunkt, dass ich dafür die Verantwortung übernehme. Das ist doch nun wirklich dein Problem.“ Und, und, und. Redewendungen, die zum Standart der Selbstverwirklichung gehören. Im Vordergrund steht unanfechtbar das Individuum. Das Ich, das frei sein möchte von allen Verpflichtungen und jeder Verantwortung und sich aus einer falsch verstandenen Freiheit selbst in den Mittelpunkt stellt. Es möchte alle seine Bedürfnisse, Wünsche, Sehnsüchte und Vorstellungen ausleben, so ganz, wie es glaubt, dass es für die eigene Entwicklung richtig und gut ist. Inwieweit dies nun die Umwelt, den eigenen Partner, die eigenen Kinder betrifft oder für deren Entwicklung gut ist, spielt häufig eine nebensächliche bzw. keine Rolle. Zuallererst geht es um das Ich. Es scheint, als würde das Pendel, welches lange Zeit in der Ecke der Unterdrückung aller Individualität hing, nun einseitig in die Richtung ausschlagen, Befreiung des Ichs ohne Rücksicht auf Verluste. Aber gerade unser Ich ist es, welches den Zugang zu unserer wahren Wesensnatur verhindert.
Ich möchte an dieser Stelle deutlich unterscheiden, zwischen einer Ichentwicklung die notwendig ist, um sich eins mit seinen Gefühlen, Gedanken und seinem Körper zu fühlen und einer Ichbezogenheit, die dazu führt, seine Mitmenschen aus den Augen zu verlieren. Es kann bei jedem Menschen lebensgeschichtliche Erfahrungen gegeben haben, die ihn heute daran hindern, als Erwachsener ihre Frau bzw. seinen Mann zu stehen. Traumatisierungen können uns als Kind in unserer Entwicklung derart behindert haben, dass sie auch heute noch unser Herz und unser Leben belasten. Aus diesen Gründen kann es geboten und notwendig erscheinen, sich mit den eigenen Verletzungen intensiv auseinanderzusetzen. Wenn auch noch viele Menschen sich nicht trauen, zu einem Psychotherapeuten zu gehen, ist dies manchmal die einzige Möglichkeit, um an Leib und Seele zu gesunden, denn zur menschlichen Entwicklung gehört ein gesundes Ich, dass uns hilft, in dieser Welt zu bestehen.
Wollen wir allerdings ein Leben aus der Tiefe unserer inneren Wesens-Natur leben, müssen wir unser Ich übersteigen und uns unserem Urgrund öffnen. Während meines Japanaufenthaltes im Kloster Hosshinji hörte ich häufig die Redewendung: „Es ist hier wie in einem Sack Kartoffeln.“ Gemeint war damit das gegenseitige Abreiben und Abstoßen aller ichbezogenen Ecken und Kanten. Es galt dort, die anstehenden Arbeiten stillschweigend mit ganzem Herzen durchzuführen und nicht dem eigenen Unwillen, der dem Ich entspringt, soviel Raum zu geben, dass die Arbeit darunter litt. Was dort mit dem Abschleifen angestrebt wird, die Befreiung des Menschen aus seinen Ich-Fesseln, findet bei uns häufig falsch verstandener Weise höchste Empörung. Wir wittern dort Gleichmacherei, Angepaßtheit und vielleicht sogar einen unkritischen Konformismus, der wie das Beispiel unserer Geschichte zeigt, in einem Faschismus enden könnte. Der Unterschied in dem jeweiligen Ansatz liegt darin, dass im Zen das Ich aufgegeben wird, um das Herz zu befreien, ihm Gehör zu verschaffen und sein Handeln danach auszurichten. In unserer menschenverachtenden Zeit des Hitlerfaschismus ging es um eine Hinlenkung der Menschen auf eine selbstbetrügerische Aufwertung des Ichs, die auf Herabsetzung und Ausschaltung anderer Menschen angelegt war und das eigene fühlende Herz tötete.
Ich möchte Sie an dieser Stelle ermuntern, mit all Ihrer kritischen Energie wach zu bleiben und nichts zu bejahen, was Sie nicht selbst durch die Erfahrung Ihres eigenen Herzens bestätigen können. Auf immer wieder neue Weisen findet ein Ich Gründe, sich gegen alles mögliche aufzulehnen und Erforderliches beiseite zu schieben. Dadurch kommt es nicht zur Ruhe, sondern es ist ein Weitertreiben auf dem Weg der Bedürfnisbefriedigung und der Flucht vor der eigenen Realität. Diese Fortentwicklung ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Fort-Entwicklung. Ich-entwickel-mich-fort von meinem innersten Wesenskern und meine, durch eine Vielzahl von Bedürfnisbefriedigung eine Zufriedenheit zu finden. Dass dadurch das Gegenteil erreicht wird, merken viele Menschen erst, nachdem sie Jahre lang diesen Weg gegangen sind. Wir können nicht vor uns weg laufen, auch wenn wir uns mit allen Schöpfungen der Konsumwelt vollstopfen. Es bleibt etwas unerlöst. Und dieses Etwas sind wir, ist unser Herz. In meiner Praxis begegne ich Menschen, die auf der Suche nach sich selbst Wege gegangen sind, die aus der Not geboren wurden, um nicht da zu stehen, mit einer völligen Leere, die sich nur hohl und schlecht anfühlt. Sie haben Alkohol, Tabletten, Drogen, Essen, Kleidung, Arbeit, Sex konsumiert bis hin zum Erbrechen und sind daran teilweise noch mehr erkrankt. Es war die Flucht vor den eigenen Gefühlen, die Angst, konfrontiert zu werden mit ihrem eigenen So-Sein.
Vor nichts hat der Mensch soviel Angst, wie vor dem Anerkennen und Annehmen der eigenen Gefühlsrealität. Was immer uns im Leben widerfährt, sei es der Verlust der eigenen Gesundheit, der Tod eines lieben Menschen, das Haus, das uns abbrennt oder der Diebstahl unseres Autos, die Arbeitslosigkeit oder die Erkenntnis über unsere schwere Kindheit, ist nicht so schwerwiegend wie die Verdrängung und Abtötung unserer eigenen Gefühle, die damit zusammenhängen. Kierkegaard hat einmal gesagt, die Verzweiflung eines Menschen ist immer, was ihm auch geschieht, eine Verzweiflung an sich selbst.
Angenommene und integrierte Gefühle der Trauer, Wut und Verzweiflung befreien unser Herz und öffnen uns für das Leben in der Gegenwart. Verdrängte Gefühle setzen sich im Herzen fest und binden uns an die Vergangenheit. Unser Herz hat vor den Tränen so wenig Angst, wie die Rose vor den Stacheln. Der Teil von uns, der sich weigert im Fluß mit seinen Gefühlen zu bleiben und das zu leben, was im Inneren gelebt werden will, ist unser Ich. So kann jede Selbstverwirklichung, die nur vom Ich gesteuert und bestimmt wird, ein weiterer Schritt sein, der dem Herzens-Weg entgegensteht.
Unser Ich erlebt sich nur all zu häufig getrennt von allem anderen Existierenden, in der Tiefe unseres Herzens sind wir aber Eins mit allem was ist. Eine weitere Eskalation der ökologischen Katastrophen ist nur zu vermeiden, wenn jeder Mensch bei sich selbst beginnt und über den Weg der Selbsterkenntnis mit einem offenen Herzen seine eigene Unersättlichkeit, seine Begierden, sein Machtstreben und sein gewalttätiges Verhalten wahrnimmt und überwinden lernt.
Der Weg des Zen lehrt uns, aus unserem Getrenntsein in die ursprüngliche Einheit mit allem was ist zurückzufinden. Dadurch entsteht menschliches Handeln, dass durch Aufmerksamkeit, Mitgefühl und Liebe geprägt ist, gegenüber der Natur und allen Lebewesen, einschließlich uns Selbst. Wir kommen somit aus einer irregeführten freiheitlichen Vorstellung in eine friedvolle beglückende Gegenwart, in der wir das Leben mit all seinen alltäglichen Pflichten und Aufgaben, eingebettet in die kosmischen Gesetzmäßigkeiten, annehmen, ohne etwas zurückzuweisen oder festzuhalten. Dazu gehört auch die „Übung des Annehmens“ unserer emotionalen Reaktionen auf unsere alltäglichen Erfahrungen hin, ohne uns aus unserer Verantwortlichkeit gegenüber unseren Mitmenschen und der Schöpfung zu stehlen. Zen-Meister Keisan sprach:
„Stets wohne
im großen Erbarmen
und lasse
die unermeßlichen Segnungen des Zazen
allen Lebewesen zuteil werden!“
Stein im Kiesbeet