Inhaltsverzeichnis
Sie sind ein Erfinder. Mit dieser Feststellung gehe ich kein Risiko ein. In dem Film »2001 – Odyssee im Weltraum« zeigt uns Stanley Kubrick den ersten Erfinder: Ein Steinzeitmensch nimmt einen Knochen und zertrümmert damit herumliegende Tierschädel. In dieser Sicht der Geschichte ist die erste Erfindung eine Waffe. Gleichzeitig ist diese Erfindung auch ein Werkzeug, das den Menschen das Leben erleichtert und sie in die Lage versetzt, ihre Umwelt zu kontrollieren und zu verändern. Jeder Mensch trägt diesen Erfindergeist in sich. Technische Hindernisse zu überwinden und aus der Erfahrung auf technische Lösungen zu schließen ist Ausdruck der menschlichen Intelligenz.
Auf dieser Voraussetzung basiert dieses Buch. Ich werde Ihnen in seinen sechs Teilen einen Einblick in den gesamten Prozess des Erfindens geben. Dabei werde Sie sich in verschiedenen Situationen wiederfinden: beim Brainstorming mit wildfremden Menschen, in Baumärkten und Werkstätten, an Verhandlungstischen mit Industriellen und Patentanwälten, immer wieder im Internet auf der gezielten Suche nach Informationen und irgendwann in Ihrem wohlverdienten Urlaub, den Sie sich von Ihrem ersten mit einer Erfindung verdienten Geld geleistet haben. Das Buch soll Ihnen helfen, mit Freude und Erfolg die technisierte Welt nach Ihren Vorstellungen zu verbessern und dafür belohnt zu werden.
Eine Gemeinsamkeit der drei Berufe Entdecker, Künstler und Erfinder ist, dass in der Öffentlichkeit ein romantisches Bild ihres Arbeitsalltags herumgeistert. Lange Waldspaziergänge bis einen die Muse küsst mögen einen Teil dieser Arbeit bilden. Das Erfinden ist mit der guten Idee noch lange nicht getan, sondern fängt da erst an. Erst wenn die technische Umsetzung geplant, der Stand der Technik erkundet, ein lauffähiger Prototyp entwickelt und die Patentschrift verfasst ist, kann sich der Erfinder zurücklehnen. Zumindest solange, wie die Wettbewerber die Füße stillhalten. Der Schriftsteller Thomas Mann hat einmal gesagt: »Phantasie heißt nicht, sich etwas auszudenken, sondern aus den Dingen etwas zu machen«.
Als Christoph Kolumbus am 12. Oktober 1492 auf den Bahamas anlegte, hatte er für die westliche Welt neues Land entdeckt. Dazu musste er keinen Erfindergeist aufbringen. Er hatte sicher gute Voraussetzungen dafür, ein Erfinder zu sein.
Er hatte technisches Verständnis und war gelehrt in den Naturwissenschaften. Außerdem strebte er nach Neuem und hatte durchaus auch Interesse daran, Geld zu verdienen. Doch die Inseln an denen er landete, existierten bereits und mussten nur noch entdeckt werden.
Leonardo da Vinci malte im Jahr 1503 das Portrait einer jungen Frau namens Lisa del Giocondo. Dazu benutzte er allerlei technische Vorrichtungen. Doch hat Leonardo in diesem Fall keine technischen Neuerungen eingeführt. Das Besondere an dieser Arbeit war, dass das Bildnis so außerordentlich geriet, dass es noch heute die Menschen fasziniert und ihnen Rätsel aufgibt.
Wie bei Entdeckern und Künstlern gibt es auch unter den Erfindern Genies. Die meisten Erfindungen werden jedoch von ganz normalen Menschen geschaffen, die sich mit Interesse und Fleiß an die Arbeit machen. Ich denke, dass Erfinder der einfachste der »erschaffenden« Berufe ist und dass Erfinden mit ein bisschen System einfach zu erlernen ist.
Entdeckungen, Kunstwerke und Erfindungen teilen eine grundlegende Gemeinsamkeit: An ihrem Anfang steht eine Idee. Eine gute Idee ist einfach, überraschend und relevant. Sie lässt sich in einem Satz formulieren. Mit der Formulierung der Idee ist es jedoch nicht getan. In allen drei Berufen steckt viel mehr Arbeit, als es auf den ersten Blick scheint. Sie werden bei Ihrer ersten Erfindung überrascht sein, wie wenig Zeit die eigentliche Idee in Anspruch nimmt, auch wenn Sie lange nach ihr suchen müssen. Sie ist immer nur der Grundstein der Erfindung. Den Keller, die Wände und das Dach müssen Sie in handwerklicher Arbeit Stein für Stein aufbauen. Wie können Sie zum Beispiel von einer erfinderischen Idee sprechen, wenn Sie nicht vorher den Stand der Technik, die bereits gemachten Erfindungen, genau erkundet haben? Wenn Sie an diesem Punkt angelangt sind, will die Erfindung aus einem Hirngespinst in eine funktionierende Maschine umgesetzt werden. Dabei werden Sie sämtliche technischen Details der Vorrichtung ausarbeiten. Dieses vollständige Verständnis der Erfindung ermöglicht dann die Beurteilung ihrer Schutzfähigkeit und das Verfassen einer Patentschrift mithilfe des Patentanwalts.
Sie werden sehen, dass Erfinden gerade deshalb so befriedigend ist, weil etwas dabei entsteht. Es bleibt eben nicht bei einer Idee, sondern Sie werden am Ende der Reise etwas in der Hand halten und dies im Idealfall in Verkaufsregalen wiederfinden. Sie werden mit dem wundervollen Gefühl belohnt, Ihren kleinen Beitrag zur Verbesserung der Welt geleistet zu haben. Und dazu müssen Sie nicht einmal selbstlos handeln.
Was erfolgreiche Erfinder verbindet ist die Begeisterung, mit der sie ihre Idee verfolgen. Der Erfinder ist eine Radarantenne für die Unvollkommenheit der technischen Welt. Und hat er einen Makel entdeckt, wird er nicht eher ruhen, als bis dieser behoben ist. In diesem Sinn ist Erfinder ein Fulltimejob, der sich bequem mit anderen Tätigkeiten kombinieren lässt, da der erfinderische Geist niemals zur Ruhe kommt.
Menschen sind erfinderisch. Manche Menschen jedoch finden so viel Gefallen am Erfinden, dass sie diese natürliche Gabe zum Beruf machen. In Unternehmen sitzen Ingenieure und Naturwissenschaftler in Entwicklungsabteilungen zusammen und erfinden und entwickeln tagaus tagein die Dinge, die unsere technologisierte Welt bevölkern.
In großen Unternehmen werden Aufgaben verteilt: die Ingenieure erfinden, Strategen planen, Verkäufer vertreiben Produkte, Werbefachleute überzeugen Kunden. Als Privaterfinder werden Sie all diese Aufgaben selbst übernehmen müssen. Sie werden dabei viel lernen. Wenn Sie Ihre erste Erfindung in den Händen halten werden Sie Folgendes getan haben:
Am Anfang dieses Kapitels habe ich Ihnen vom Unterschied zwischen Entdeckern und Erfindern erzählt. Die Entdecker (also Wissenschaftler, die systematisch die Zusammenhänge der Welt erkunden und in Naturgesetzen nutzbar machen) sind für den Erfinder sehr wichtig. Neue physikalische Phänomene oder bisher unbekannte chemische Verbindungen lösen oft eine Flut von Erfindungen aus. Die Entdeckungen werden technisch ausgenützt. Sie liefern das Arbeitsmaterial zur Lösung technischer Aufgaben und damit zum Erfinden selbst. Vom Knochen, den der erste Erfinder als Werkzeug benutzt hat, über das Rad, den Stahl, die Hebelgesetze, den elektrischen Strom bis zum Lasereffekt ... die Liste der Entdeckungen, ohne die technische Erfindungen nicht möglich wären, ist unendlich lang.
Zu diesen neuen Entdeckungen, die der Erfinder in seiner Arbeit verwenden kann, kommen bekannte Bausteine der Technik. Der Erfinder führt diese in neuer und überraschender Weise zusammen, um ein technisches Problem zu lösen.
Um von Otto Normalverbraucher zu Daniel Düsentrieb zu werden, müssen Sie sich bewusst sein, was Sie daran hindert. Sie müssen Ihr Gehirn in Fahrt bringen und die folgenden Hindernisse beiseite räumen, die Ihnen der Alltag in den Weg legt:
Die Methoden, die ich Ihnen in Teil II dieses Buches vorstelle, sollen Ihnen dabei helfen, diese fünf Feinde zu besiegen.
Viele Erfinder werden so lange belächelt, bis sie mit ihrer Erfindung einen Haufen Geld verdienen. Der Schritt vom Sonderling zum gefeierten Held ist oft klein.
Da eine Erfindung ihrer Definition nach immer technisch ist, ist die Geschichte der Erfindungen immer auch eine Geschichte der Technik. Doch wieso erfindet der Mensch? Man sagt, die Not sei die Mutter der Erfindung. Ich glaube, dass hier eine Generation vergessen wurde: Die Not ist die Mutter eines artikulierten Problems und damit die Großmutter der Erfindung. Der Mensch erfindet, weil er in der Not deren Gründe erkennt und sie anpackt, um die Not zu lindern. Ganz allgemein gilt das immer noch auch für die Bedürfnisse des modernen Menschen, die oft erst durch Erfinder (und Marketingabteilungen) geschaffen werden. Dazu kommt eine gehörige Portion Spieltrieb, der durch Ausprobieren und Kombinieren immer wieder überraschende Erfindungen hervorbringt.
Die allermeisten Erfindungen verbessern ein bereits existierendes Gerät oder Verfahren. Meistens sind dies Geräte, die häufig und von vielen Menschen benutzt werden. Oder es sind Geräte, die von besonderem finanziellem Interesse sind, wie Blechpressen oder Computertomografen.
Bei Ersteren ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass dem Erfinder bei der Benutzung eine Verbesserung einfällt. Er hat dann das Problem intuitiv erkannt und aus seinem Erfahrungsschatz eine Lösung gefunden. Es ist jedoch viel effizienter, nicht auf eine solche Eingebung zu warten, sondern aktiv und gezielt nach bestehenden Problemen zu suchen. Komplexe Geräte der Hochtechnologie dagegen werden von spezialisierten Ingenieuren in Entwicklungsabteilungen weitergebracht. Der Anwender hat in der Regel wenig Ahnung davon, was in seinem piependen und blinkenden Apparat vor sich geht, und soll dies auch gar nicht im Detail verstehen müssen.
Als Erfinder tragen Sie zur fast unendlichen Menge an existierender Technologie Ihr Scherflein bei. Die Grundlagen dafür haben andere gelegt. In Ihre Erfindung fließt das Wissen der Welt ein, und sie stellt normalerweise nur einen kleinen Teil einer Vorrichtung oder eines Verfahrens dar. Wenn Sie die Heizspirale eines Toasters verbessern, um Ihrem Frühstücksbrot eine gleichmäßige Bräune zu geben, ist diese ein Teil eines verbesserten Geräts. Schutzrechtlich bedeutet das, dass niemand außer Ihnen einen Toaster mit dieser neuartigen Heizspirale bauen darf, sobald Sie ein Patent dafür erlangen. Jedoch erwerben Sie damit noch nicht das Recht, den Toaster auch selbst zu bauen und zu verkaufen. Alle anderen Teile des Geräts und vielleicht auch Teile der Heizspirale stammen von anderen Erfindern, die höchstwahrscheinlich auch Patente an ihren Erfindungen halten. So ergibt sich eine Reihe von Abhängigkeiten:
Für Sie als Erfinder bedeuten diese Abhängigkeiten von Schutzrechten, dass Sie vor der Herstellung Ihres patentierten Toasters für die Teile, die von anderen mit gültigen Patenten geschützt sind, Lizenzen einholen müssen.
Erfinden wird allgemein als kreativer Prozess wahrgenommen, in dem ein zerzauster Kauz nach wochenlangen Tüfteleien mit einem lauten Heureka eine zusammengebastelte technische Neuerung präsentiert. Einen kreativen Prozess wie den des Erfindens zu strukturieren und in einzelne Schritte zu zerlegen, erscheint auf den ersten Blick als Widerspruch. Sie werden jedoch schnell feststellen, dass diese Selbstbeschränkung ungleich fruchtbarer ist als ein freigeistiges Draufloserfinden. Mehr über die Systematik des kreativen Arbeitens und speziell des technischen Erfindens erfahren Sie in Kapitel 5 und 6.
Sie sind ein Erfinder. Aber sind Sie auch ein guter Erfinder? Ein guter Erfinder hat nicht nur gute Ideen. Er oder sie versteht es auch, diese zu beurteilen und zu einem Produkt weiterzuentwickeln. Das ist wie bei Musikern. Wäre Johnny Cash nur ein guter Songwriter und nicht so ein großartiger Interpret gewesen, wie er es war: Er wäre mit Sicherheit heute nicht diesen Erfolg gehabt In diesem Kapitel möchte ich Ihnen zeigen, was ein gutes Produkt von einer einfachen Erfindung unterscheidet. Sie werden lernen zu entscheiden, welche Ideen Sie zu einem erfolgreichen Produkt weiterentwickeln können und welche Sie besser schnell im Papierkorb verschwinden lassen. Diese Entscheidung ist eine der wichtigsten und finanziell folgenreichsten, die Sie in Ihrem Erfinderalltag treffen müssen. Mit den Grundideen dieses Kapitels im Hinterkopf schlagen Sie an vielen Abzweigungen auf dem Weg zum erfolgreichen Erfinder die richtige Richtung ein.
Viele Unternehmen verbrennen Millionen von Euro pro Jahr, weil hoffnungslose Projekte zu lange weiterverfolgt werden. Ein Luxus, den Sie sich nicht leisten können! Wenn Sie solche Fehlschläge vermeiden, können Sie all Ihre Kräfte und Ressourcen auf Ihre besten Erfindungen und Produktideen konzentrieren.
Ideen sind flüchtig und Pläne schwer einzuhalten. Aus diesen Gründen möchte ich Ihnen ein Erfindertagebuch ans Herz legen. Von der ersten Idee bis zur Unternehmensgründung können Sie darin all Ihre Aktivitäten und Vorhaben festhalten. Informationen, die Ihnen im Laufe Ihrer Lehrzeit und Ihres reifen Erfinderlebens unterkommen, finden hier ein Zuhause. Die nun folgenden zwölf Erfolgsfaktoren können Sie schon jetzt darin vermerken. An verschiedenen Stellen des Erfindungsprozesses werde ich Sie daran erinnern, Ihr Tagebuch weiter zu füllen. Halten Sie es also am besten jederzeit bereit!
Es gibt wiederkehrende Merkmale erfolgreicher Erfindungen und Produkte. Wenn Sie die folgenden Punkte bei der Beurteilung und Entwicklung Ihrer Idee beachten, stehen Ihre Chancen für ein erfolgreiches Produkt gut:
Ich werde Ihnen jetzt jeden der Punkte erläutern. Wichtig ist, dass Sie allen Punkten Beachtung schenken. Alles was Sie tun, um Ihre Position unter einem dieser Aspekte zu verbessern, erhöht die Chancen Ihrer Erfindung auf kommerziellen Erfolg!
Die Menschen kaufen, was ihnen nutzt. Dieser Nutzen liegt bei einer Erfindung in der Lösung einer technischen Aufgabe. Eine Erfindung ist daher eine gute Grundlage für ein erfolgreiches Produkt. Je mehr Ihrer Mitmenschen von der Verbesserung Ihrer Erfindung profitieren können, desto mehr Potenzial hat Ihr Produkt. Auch der Abstand zum Stand der Technik ist entscheidend. Je grundlegender und größer die Neuerung ist, die Ihre Erfindung ausmacht, desto leichter werden Sie die Menschen zum Kauf bringen können.
Wenn Sie für Ihre Erfindung ein Patent erhalten, haben Sie eine wichtige Zutat zum Erfolg bereits in der Hand: ein einzigartiges Gerät oder Verfahren, das sich vor dem Stand der Technik auszeichnet. Die Prüfung am Patentamt, die der Erteilung Ihres Patents vorausgeht, verschafft Ihnen eine gewisse Sicherheit, dass Ihre Erfindung einzigartig ist.
Manche Erfinder kümmert der Erfolg ihrer Erfindungen wenig. Ihnen genügt es, ein individuelles technisches Problem zu lösen und sich damit im Keller einzuschließen. Gut, wenn Sie nicht zu dieser Gruppe gehören! Die Orientierung an der Umwelt, den Wünschen und Bedürfnissen der Menschen kommt bei vielen Erfindern zu spät oder gar nicht. Dabei sollte das Bewusstsein für diesen entscheidenden Erfolgsfaktor von der Idee bis zum Produkt wach sein. Besonders wichtig ist die Einbeziehung potenzieller Kunden in den folgenden Phasen:
In den entsprechenden Kapiteln werde ich Sie daran erinnern, an die Menschen zu denken, deren Leben Ihre Erfindung später erleichtern und bereichern soll.
Ihre Erfindung hat dann am meisten Aussichten auf Erfolg, wenn sie möglichst viele Menschen anspricht. Das Design kann Ihnen helfen, Ihre Erfindung für verschiedene Zielgruppen anzupassen. Sie können Ihre Entwicklung systematisch darauf ausrichten, ein Produkt zu schaffen, das entweder universell »verstanden« wird oder leicht anpassbar ist. So ersparen Sie sich teure Doppelentwicklungen und senken auch die späteren Herstellungskosten. Die Ausrichtung auf solch einen breiten Markt beginnt schon bei der Bewertung der Ideen und ist vor allem bei der Marktforschung wichtig. Achten Sie darauf, bei Ihrer Marktforschung Daten zu erhalten, die Sie auch hinsichtlich verschiedener Zielgruppen auswerten können.
Der Weg von der Idee zum Produkt ist lang – und das ist gut so. Vor allem am Anfang sollten Sie sich Zeit nehmen und alles gut überlegen. Eine Erfindung, die eine technische Aufgabe löst, kann in viele Richtungen gehen. Die Auswahl der richtigen Lösung aus einer Menge von mehr oder weniger guten Ideen ist die erste Weiche, die Sie auf dem Weg von der Idee zum Patent stellen. Je besser Sie diese Entscheidung vorbereiten, desto größere Erfolgschancen hat Ihre Erfindung. Eine fundierte Beurteilung der Ideen beruht auf möglichst genauem Wissen in den folgenden Bereichen:
Dazu kommt die Festlegung klarer Ergebnisdefinitionen und Meilensteine, die Ihnen die Kontrolle der Entwicklung Ihrer Erfindung ermöglichen.
Wer soll Ihre Erfindung kaufen, wenn Sie keiner kennt? Ich vermute, dass Sie die Macht der Werbung richtig einschätzen. Aber unterschätzen Sie nie das Risiko von schlechtem Marketing. Je besser Sie potenziellen Kunden die Vorteile Ihres Produktes klarmachen und Ihre Erfindung von den Produkten der Konkurrenz abgrenzen, desto besser stehen Ihre Erfolgschancen. Zum guten Marketing gehört auch eine eingängige Marke. Wenn Sie Ihre Erfindung an Lizenznehmer vergeben oder über bekannte Marken vertreiben lassen, müssen Sie sich darum nicht kümmern. Wenn es aber nicht bei Ihrer ersten Erfindung bleiben soll und Sie daran denken, Ihre Erfindungen selbst zu vermarkten, sollten Sie reichlich Zeit und Geld in die Entwicklung einer guten Marke stecken.
Auch beim Marketing ist die Zeit ein kritischer Faktor. Wenn Ihre Erfindung marktfertig und hübsch verpackt aus der Fabrikhalle rollt, ist es zu spät, Marketing für Dummies zu lesen.
Am Anfang steht die Idee. Diese kommt von Ihnen und ist Ihres Geistes Kind. Doch irgendwann werden Sie keine Lust mehr haben, sich als Einzelkämpfer durchzuschlagen. Sie werden Spezialisten wie Handwerker, Techniker, Marketingfachleute, Designer oder einen Patentanwalt einbeziehen. Achten Sie bei diesen Menschen darauf, dass Sie sich mit Ihnen gut verstehen. Wenn Sie Ihre Mitarbeiter für Ihre Erfindung und sich selbst begeistern können, finden Sie Rückhalt für schwere Zeiten.
Auch Ihren Partner oder Ihre Familie sollten Sie an Ihrer Erfindung beteiligen. Wenn Sie sich Ihre Familie dadurch zum Feind machen, dass Sie Ihre ganze Zeit bei Ihrer Erfindung in der Garage oder bei Ihrem attraktiven Patentanwalt verbringen, werden Sie mit der Zeit immer weniger Spaß an der Arbeit haben.
Sie sind eine Fachfrau oder ein Fachmann – egal ob es ums Windeln wechseln geht, um Modelleisenbahnen oder Klaviere. Die Chance, in Ihrem eigenen »Fachbereich« eine echte Erfindung zu machen, ist ungleich höher, als wenn Sie sich erst in einen anderen Bereich einarbeiten müssen. Wenn Sie schon eine Idee haben und diese mithilfe dieses Buches zu einer Erfindung ausbauen wollen, stammt diese wahrscheinlich aus einem Bereich, mit dem Sie regelmäßig zu tun haben. Durch Ihre Erfahrung wissen Sie mehr, als Sie sich vielleicht selbst eingestehen. Dieses Wissen gibt Ihnen Sicherheit, die Sie bei der Verfolgung Ihres Ziels nutzen können. Fremde technische Gebiete bergen viele Fallen und Unsicherheiten, die Ihnen zum Verhängnis werden können. In Ihrem Fachbereich vermeiden Sie solche Gefahrenzonen intuitiv. Sie werden später Fachleute aus anderen Bereichen zur Mitarbeit engagieren: Designer, Handwerker oder Patentanwälte. Jeder ist ein Spezialist auf seinem Gebiet, und Sie können viel von diesen Menschen lernen. Behalten Sie aber im Kopf, dass Sie der Spezialist für Ihre Idee sind.
Mit Ihrer Erfindung wollen Sie in einem Markt mitspielen. Mit einer bahnbrechenden Erfindung können Sie sich einen neuen Markt aufbauen, den es vorher nicht gab. Dies ist eine Idealsituation, die nur sehr selten vorkommt. In der Regel werden Sie versuchen, in einem Markt Fuß zu fassen, der bereits von etablierten Firmen bedient wird. Ihre Chancen für kommerziellen Erfolg hängen in diesem Fall von der Situation ab: Auf jungen und wachsenden Märkten in neuen technischen Gebieten ist mehr Platz für Sie und Ihre Erfindung als in Gebieten, die seit 20 Jahren fest in der Hand einiger globaler Großunternehmen sind. Dies können Sie bei Ihrer Ideenbewertung beachten und bewusst nach Märkten suchen, die Ihnen Raum bieten.
Die Bewertung von Ideen funktioniert ein bisschen wie die Psychologie der Aktienspekulation. Man hält zu lange an Verlierern fest, in der Hoffnung, dass sie sich doch noch zum stolzen Schwan mausern. Diesem psychologischen Mechanismus können Sie ein Schnippchen schlagen, indem Sie sich klare Kriterien für den Abbruch eines Projektes setzen. Wenn Sie an irgendeiner Stelle in der Entwicklung bemerken, dass etwas aus dem Ruder läuft oder Erwartungen nicht erfüllt werden, dann brechen Sie das Projekt ab. Wichtig ist dabei, dass Sie zwischen Hindernissen unterscheiden, die bei einer Produktentwicklung normal sind und unweigerlich vorkommen, und echten Problemen, die den Erfolg Ihrer Erfindung in Frage stellen.
In den einzelnen Kapiteln dieses Buches führe ich Sie in verschiedene Schritte des Erfindens ein. Jeder Schritt schließt mit einem Ergebnis ab. Am Anfang steht die technische Aufgabe (Kapitel 5) und die Idee zu deren Lösung (Kapitel 5 und 6). Danach kommt die Entwicklung zum Produkt (Kapitel 9 bis 12) und schließlich die kommerzielle Verwertung (Kapitel 18 bis 20). Jedes Ergebnis gibt Ihnen die Möglichkeit der Kontrolle. Und an jedem Punkt können Sie entscheiden, ob Sie noch einmal genauer arbeiten sollten oder zum nächsten Schritt weitergehen können. Die Kriterien dafür sollten vor Abschluss jeder Phase feststehen, um eine objektive Bewertung zu ermöglichen.
Sorgen Sie im Vorfeld für ausreichende finanzielle Absicherung. Nichts ist schlimmer, als wenn Ihnen kurz vor Verkaufsstart das Geld ausgeht und Sie sich keinen ordentlichen Marketingzirkus leisten können. Ein solides Finanzierungskonzept steht am Anfang jeder Existenzgründung. Vor allem, wenn Ihr Geschäft auf einer technischen Erfindung basiert, ist Geld ein wichtiger Faktor. Von der Prototypentwicklung über die Patentierung bis zu Vertrieb und Marketing warten einige große Posten auf Sie, und es wäre schade, wenn Sie in Ihrem Tatendrang durch eine Finanzierungslücke gebremst würden. Wie Sie eine Finanzierung planen, Geldgeber finden und mit Banken umgehen, erfahren Sie in Kapitel 21.
Der Markt, den Sie anpeilen, verändert sich schnell. Je schneller Sie von der Idee zum Produkt kommen und dieses auf den Markt loslassen, desto eher treffen die von Ihnen zugrunde gelegten Annahmen über diesen Markt zu. Während Sie erfinden und entwickeln, arbeiten auch Ihre Erfinderkollegen in aller Welt rastlos an neuen Ideen. Sobald Ihnen einer davon zuvor kommt, sinken die Chancen auf den kommerziellen Erfolg Ihrer Erfindung drastisch. Anstatt einer originellen Lösung mit Aha-Effekt bekommen Sie ein »Kennen wir schon« und werden vielleicht sogar als Nachahmer mit Missachtung gestraft. Kaum etwas schadet der Psyche des Erfinders mehr!
Die Geschwindigkeit, mit der Sie von der Idee zum Produkt oder Patent kommen, darf nicht auf Kosten der Sorgfalt gehen. Die genaue Planung und die informierte Bewertung Ihrer Ideen stehen immer noch an erster Stelle. Im Gegenteil hilft Ihnen ein guter Informationsstand sogar dabei, schneller gute Entscheidungen zu treffen, sodass Sie durch gute Vorbereitung Zeit gewinnen, wenn andere längst noch auf Holzwegen irren.