Das kleine Buch
gegen Burnout
Die besten Strategien gegen Stress und Erschöpfung
Patmos Verlag
Vorwort
Einleitung
Erster Teil
Grundlagen der Burnout-Prävention
1. Die sieben Ebenen von Stress
2. Was ist Burnout?
3. Kontroverse Diskussionen zum Burnout-Konzept
4. Schlüsselerlebnisse zum Burnout
5. Burnout-Prävention
Zweiter Teil
25 Prinzipien der Burnout-Prävention
1. Kraft und Klarheit am Morgen
2. Ruhe des Atmens
3. Achtsamkeit für den Körper und seine Signale
4. Harmonie der Bewegung
5. Gesunde Ernährung
6. Augenmaß in den Zielen
7. Achtsamkeit in der Fülle
8. Zentrierung auf das Eine
9. Klarheit im Denken
10. Besonnene Sprache
11. Vom Maximum zum Optimum
12. Umsicht im Handeln
13. Bejahung des Tuns
14. Multitasking als Ausnahme
15. Minipausen
16. Konstruktivität in Beziehungen
17. Gemeinsamer Vorteil
18. Zuverlässigkeit im Alltag
19. Rhythmisierung der Zeiten
20. Räume des Ausgleichs
21. Offenheit für kleine Freuden
22. Frieden am Abend
23. Eine Haltung der Liebe
24. Eine Haltung der Güte
25. Eine Haltung der Dankbarkeit
Schlussbemerkung
Literatur
Verzeichnis der Übungen
Mit dem Thema Burnout-Prävention beschäftige ich mich seit etwa 25 Jahren. Nach zwei früheren Fachbüchern zu diesem Thema mit den Titeln Helfen macht müde (2012) und Ausgebrannte Teams (2012) ist dieser Text nun für die angewandte Burnout-Prävention im Alltag konzipiert.
Den Impuls dazu, ein Präventionsbuch für Burnout-Gefährdete und -Betroffene sowie Angehörige zu verfassen, gab mir meine Lebensgefährtin Andrea Patzer, Psychologische Psychotherapeutin in Hamburg. Dafür möchte ich ihr an erster Stelle danken. Nach kurzem Bedenken machte ich mich mit dem Gedanken vertraut und fand ihn zunehmend anziehend. Wir entwickelten dann einige Kriterien, die in dem Text Berücksichtigung finden sollten:
Ich hoffe, es ist mir gelungen, im Text diesen Kriterien Rechnung zu tragen.
Ich möchte einer großen Zahl weiterer Personen meinen Dank aussprechen. Verschiedene Kolleginnen und Kollegen haben mir in Gespräch und Korrespondenz Anregungen gegeben. Mitteilungen in Psychotherapie, Beratung, Supervision und Coaching haben mir geholfen, meine Aufmerksamkeit auf die Ressourcen und Kompetenzen burnoutgefährdeter Personen zu richten. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer meiner Seminare und Vorträge haben mir von ihren Notlagen und ihrer Präventionspraxis berichtet.
Maike Kühn und Daniela Wiesmann haben die erste Version des Textes vom handschriftlichen Manuskript abgetippt. Maximilian Rasche hat in der Endfassung alle Tücken von Textverarbeitung und Internet gemeistert. Oliver Reich hat mich bei der Arbeit an den Druckfahnen unterstützt. Alle vier haben sich dabei sehr engagiert, so dass es neben den Beanspruchungen auch eine heitere Zusammenarbeit war.
Auch meinen drei Töchtern Fiona, Filia und Janne gilt mein Dank. Sie haben das Projekt begleitet, mich zu burnoutpräventiven Erholungszeiten eingeladen und sich mit mir über den Fortschritt des Projekts gefreut.
Last, not least, danke ich Frau Dr. Christiane Neuen, der Lektorin des Patmos Verlags. Sie hat mich während der Konzeptionsentwicklung fachkundig beraten, mir immer wieder hilfreiche Rückmeldung gegeben und alle Phasen der Manuskripterstellung engagiert und professionell begleitet.
Ein Text lebt auch davon, dass und wie er gelesen wird. Über eine Rückmeldung freue ich mich, unabhängig davon, ob sie bestätigend, ergänzend oder kritisch ausfällt. Meine E-Mail-Adresse lautet: joerg.fengler@uni-koeln.de.
Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern eine angenehme Lektüre, Einsichten für ihre burnoutprophylaktische Lebensführung sowie Umsicht und Erfolg bei der aktiven Selbstfürsorge.
Jörg Fengler
Köln und Bonn, August 2012
Dieses kleine Buch soll gegenüber den Burnout-Fachbüchern auf dem Markt einen neuen Akzent setzen: Es berücksichtigt an erster Stelle einen Einwand, der mir in Vorträgen, Seminaren und Diskussionen zum Thema Burnout-Prävention immer wieder begegnet ist: Bei mir funktioniert das alles nicht! Wer dies sagt, so könnte man einwenden, habe die dargestellten Optionen nicht hinreichend ernsthaft geprüft und praktiziert. Aber es steht uns ja nicht zu, den betroffenen Menschen zu belehren oder ihm einen höheren Leidensdruck zu wünschen. Deshalb habe ich hier einmal 25 Maßnahmen dargestellt, die jeder Mensch nahezu an jedem Ort ohne Kosten und mit geringstem Aufwand praktizieren kann, um seiner Burnout-Gefährdung zu begegnen. Mit geringstem Aufwand soll dabei unterstrichen werden, denn ein weiterer Einwand gegen die Burnout-Prävention lautet oft: Dafür habe ich keine Zeit. Ich werde hier also Vorgehensweisen schildern, die uns unabhängig von anderen beteiligten Personen, Instrumenten, Orten und Zeitkontingenten zur Verfügung stehen und die eine weitreichende präventive und kurative Wirkung entfalten können.
Die Fokussierung auf die einzelne gefährdete Person stößt auf ein weiteres Bedenken: Burnout ist keine Krankheitsdiagnose im Sinne des ICD-10, sondern ein Risiko im Alltag, das aufgrund individueller, aber auch institutioneller Gründe entsteht. Ist es da vertretbar, nur individuelle Korrekturmaßnahmen zu erörtern? Die Antwort ist zu bejahen, wenn institutionelle Rahmenbedingungen mit im Blick bleiben und wenn entsprechend auch seitens der Institution Maßnahmen zur Reduktion der Belastung getroffen werden. Zugleich macht das Buch deutlich, dass die erste Verantwortung immer bei der Person selbst liegt: Sie leidet und muss über ihr Leiden sprechen. Sie hat die Gelegenheit, sich zu vernetzen. Sie kann Beschwerden, Anträge und Klagen einreichen und sich dabei umsichtig Unterstützung auf vielen Ebenen beschaffen. Wenn wir dies beherzigen und wenn das Buch dies sichtbar macht, so vermag es über die Stärkung der einzelnen Leserinnen und Leser hinaus sogar einen Beitrag zur gesellschaftlichen Burnout-Prävention zu leisten.
In der Burnout-Forschung unterscheiden wir innere und äußere Faktoren, die bei einem Menschen Stress auslösen. Diese Unterscheidung habe ich, als ich sie kennenlernte, von Anfang an als weiter differenzierungsbedürftig eingeschätzt. Natürlich ist einerseits die Person selbst ein guter Ausgangspunkt aller Stressanalysen. Aber die externen Stressoren bedürfen der Untergliederung nach Lebenskontexten, in denen sich der Mensch bewegt. Als Differenzierungsebenen der menschlichen Stressbelastung habe ich deshalb gewählt:
Im Rahmen einer umfassenden Burnout-Prävention müssen alle diese Ebenen der Stressbelastung Berücksichtigung finden. In der gegenwärtigen Diskussion wird Burnout nicht mehr als individuelles Schicksal allein, als Erkrankung oder sogar als Ergebnis persönlicher Torheit betrachtet, sondern als multifaktoriell bedingtes Ergebnis komplexer Belastungsprozesse angesehen, das auf individueller, institutioneller und gesellschaftlicher Ebene zu verorten ist.
Unter den zahlreichen Definitionen von Burnout ist die Aufgliederung in drei Teilaspekte nach wie vor am prägnantesten: Burnoutgefährdet ist demnach eine Person, die 1.) über mehrere Wochen hinweg starke Erschöpfungsgefühle an sich wahrnimmt, 2.) eine erhebliche Leistungsminderung aufweist und 3.) unter Entfremdungserlebnissen der Tätigkeit, den Kolleginnen und Kollegen sowie der Institution gegenüber leidet (Maslach, 1986). Ein neuerer Zugang (Schaarschmidt & Fischer, 2008) beschreibt die Burnout-Gefährdung durch vier Reaktionsmuster im Arbeitsverhalten (Tab. 1).
Arbeitseinsatz |
|||
---|---|---|---|
hoch |
niedrig |
||
Distanz- |
hoch |
hohe Arbeitszufriedenheit gesund keine gesundheitsbezogene Intervention erforderlich |
relative Arbeitszufriedenheit Motivationsklärung wünschenswert |
niedrig |
Selbstüberforderung gesundheitsbezogene Intervention erforderlich |
Resignation gesundheitsbezogene Intervention erforderlich |
Die Darstellung von Schaarschmidt und Fischer fußt auf dem gut validierten Fragebogen AVEM und behandelt das Thema Burnout eher auf der Ebene des Verhaltens als in Form postulierter Eigenschaften. Sie unterscheidet zwischen Menschen im Arbeitsleben mit hohem bzw. niedrigem Arbeitseinsatz, die sich jeweils erfolgreich und konsequent auch wieder daraus zurücknehmen können – oder auch nicht. Als burnoutgefährdet schätzen die Autoren diejenigen Personen ein, denen diese Distanzierung nicht gelingt.
Andere Autoren wieder bezweifeln, ob das Burnout-Konzept überhaupt aussagekräftig ist (z. B. Burisch, 2006), worauf ich im nachfolgenden Kapitel näher eingehen werde. Der Begriff Burnout ist jedenfalls zweifelsfrei in der Gesellschaft angekommen. Viele Menschen beschreiben sich mit den Worten: Ich fühle mich ausgebrannt!
In den letzten Jahren sind Zweifel an der Gültigkeit und Aussagekraft des Burnout-Konzepts geäußert worden. Zu einigen dieser Einwände möchte ich im Folgenden Stellung nehmen.
1. Burnout ist eine Modediagnose.
Dieses Argument ist ernst zu nehmen. Neue Begriffe ziehen manche Menschen magisch an, wenn sie sich persönlich von ihnen berührt und zutreffend beschrieben fühlen. Eine breite Zustimmung, wie das Burnout-Konzept sie gegenwärtig erfährt, muss entsprechend durchaus mit Vorsicht betrachtet werden. Andererseits zeigt die Forschung auf diesem Gebiet, dass zumindest partiell eine Verwandtschaft zwischen Burnout und klinischen Diagnosen zu bestehen scheint – trotz mancher begründeter testtheoretischer Bedenken. Die breite Zustimmung zu dem Begriff kann auch ein Hinweis darauf sein, dass Menschen sich in ihrem Leiden gewürdigt fühlen und die Bereitschaft aufbringen, niedrigschwellige Klärungs- und Unterstützungsangebote anzunehmen.
2. Früher hat es auch kein Burnout gegeben.
Dieses Argument greift wirklich nicht. Zur Römerzeit gab es auch keinen Herzinfarkt und keinen Insulinschock. Das bedeutet aber ausschließlich, dass die Diagnosen noch nicht existierten. Vermutlich sind auch damals schon Menschen an diesen Erkrankungen gestorben. Der Hinweis auf die Vergangenheit würde also jede Innovation in der Forschung blockieren, in deren Verlauf wir Neuland betreten.
3. In den USA redet kein Mensch von Burnout.
Auch dieses Argument greift nicht. Wir können aus ihm allenfalls die Erkenntnis gewinnen, dass Forschung eben nie reineForschung ist, sondern in gesellschaftlichen Kontexten und aufgrund politischer Entscheidungen ermöglicht oder auch behindert wird. Wenn die Forschung sich ganz danach richten würde, ob im Ausland bereits darüber geforscht wird, würde sich daraus ein unvertretbares Forschungshemmnis ergeben.
4. Burnout ist nichts als eine larvierte Depression.
Dass Burnout und Depression relativ dicht beieinanderliegen, ist allseits bekannt. Aber sehr viele ICD-10-Diagnosen des Bereiches F, also der psychischen Störungen, liegen dicht beieinander, z. B. Angst, Depression, Panik, somatoforme Störungen usw. Dennoch hat die Weltgesundheitsorganisation WHO aus Gründen der Zweckmäßigkeit und Praktikabilität entschieden, sie als unterscheidbare Diagnosen zu führen. Dabei ist das Burnout ausdrücklich als nicht klinische Belastung ausgewiesen, die entsprechend nicht durch Psychotherapie, sondern durch Beratung angegangen werden soll. Die nächste Aufgabe der Forschung auf diesem Gebiet wird entsprechend darauf abzuzielen haben, tatsächlich zwischen Burnout und Depression überzeugende differenzialdiagnostische Unterscheidungen zu erarbeiten. Dabei gilt der ärztliche Scherz: »Der Patient kann auch Läuse und Flöhe haben.« Übertragen bedeutet dies, dass das Burnout nicht per se als Subform der Depression zu betrachten ist, sondern eine eigene Belastung und ein eigenständiges Erkrankungsrisiko der Person darstellt.
5. Burnout führt zu einer Verharmlosung der Depression.
Solche Vorgänge können nie ganz ausgeschlossen werden. Natürlich soll die Depressionsdiagnose in ihrer bisherigen Form der Beschreibung im ICD-10 bewahrt werden. Sie ist ja auch durch die Kassenfinanzierung von Psychotherapien und psychiatrischen Behandlungen klar definiert. Für das Burnout müssen eben eigenständige Interventionsmaßnahmen entwickelt werden, die präventiv und korrigierend wirken, aber natürlich nicht leichtfertig auf die Krankheitsbilder der Depression übertragen werden dürfen.
6. Das Burnout ist doch noch völlig unerforscht.
Tatsächlich gibt es im Bereich der Burnout-Forschung noch wenig Konsens über einen möglichen Umgang mit Burnout und eine Eingrenzung seiner Symptome. Aber dies ist das Schicksal aller neuen Ideen, dass zunächst Annäherungen, Hypothesen und Hypothesen-Prüfungen erfolgen, dann weitere Anläufe unternommen werden und es am Ende langer Forschungsprozesse endlich Festlegungen gibt, die von einer Mehrheit der Scientific Community getragen werden. Insofern sind wir gegenwärtig Zeuginnen und Zeugen eines solchen Forschungsprozesses, der dem Thema Burnout-Prävention gewidmet ist.
7. Die Leute, die glauben, sie hätten ein Burnout, haben doch gar keine Ahnung, wovon sie sprechen.
Dies ist leider nicht auszuschließen, aber es spricht nicht dagegen, dass sie trotz mangelnder Kenntnisse manchmal zutreffende diagnostische Vermutungen haben. Faktisch haben wir nur begrenzt Einfluss auf Begriffe, die wir als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler benutzen und in die Welt setzen. Vielmehr entwickelt jeder dieser Begriffe im Laufe der Jahre eine Eigendynamik. Das bedeutet: Ihm werden Inhalte, die wir ursprünglich gemeint haben, im öffentlichen Raum entzogen, andere hingegen werden ihm hinzugefügt. Dies betrifft alle medizinischen, psychologischen, pädagogischen, soziologischen und naturwissenschaftlichen Terminologien, aber es disqualifiziert Personen nicht, sich am öffentlichen Diskurs über diese Begriffe zu beteiligen.
Neben dieser kontrovers geführten Diskussion hat sich die Burnout-Prävention mittlerweile in vielen Bereichen des Arbeitslebens als fester Bestandteil der betrieblichen Gesundheitsprävention etabliert (Amann & Wipplinger, 1998; Kerr, Weitkunat & Moretti, 2007; Lauterbach, 2008).
Manche Menschen haben Schlüsselerlebnisse zum Burnout, die ihnen einen heilsamen Schrecken einjagen, durchaus vergleichbar dem, was andere mit einer Abhängigkeitsproblematik erleben: Nachdem sie lange die eigenen Auffälligkeiten verleugnet oder bagatellisiert haben, wird ihnen in irgendeinem Moment klar, dass sich ihre Lebensqualität gravierend verschlechtert hat, und sie ordnen dies dem Begriff Burnout zu: