
IMPRESSUM
DIE HOFFNUNG IST EIN HUNDESOHN
wird herausgegeben von MFM Entertainment
(Klingelhöfer, Ruhrmann GbR), Gutleutstr. 47,
60329 Frankfurt am Main.
Autor: Marcus Staiger
Lektorat: Alexandra Hölscher
Korrektorat: Stefan Mönke
Buchrealisation: Markus Rohde
Cover Artwork und Satz: Rowan Rüster / Amigo Grafik
Copyright © 2014 by MFM Entertainment.
Alle Rechte vorbehalten.
ISBN 978-3-9814515-7-3 | Januar 2014
www.mfm-entertainment.de
Schimpfworte und rassistische Bezeichnungen innerhalb dieses fiktionales Werkes geben nicht die Meinung des Verlages, des Autors oder anderer Beteiligter wider.
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.
Zum Abschied und zum Neubeginn
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Im Halbdunkel sitzt ein Mann. Manchmal taucht sein Gesicht kurz im Lichtkegel der nackten Glühlampe auf. Ich sehe seine kräftigen Arme mit den hochgekrempelten Ärmeln. Er spricht. Ohne Unterlass. Er will mich überzeugen. Mich, der ich auf einem Stuhl sitze und friere. Mit gefesselten Händen. Er wirbt um mein Verständnis.
Warum Verständnis? Ich verstehe doch. Ich verstehe nur zu gut. Es ist vorbei.
Deutschlandkrise
Die Deutschlandkrise im Oktober 1989 war eine Konfrontation zwischen den beiden deutschen Staaten →Bundesrepublik Deutschland (BRD) und →Deutsche Demokratische Republik (DDR), die sich aus der gewaltsamen Niederschlagung der →ostdeutschen Demokratiebewegung entwickelte.
Die eigentliche Krise dauerte 13 Tage, ihr folgte eine umfassende Neuordnung der europäischen und internationalen Beziehungen. Mit der Deutschlandkrise erreichten die Spannungen zwischen den beiden deutschen Staaten eine neue Qualität. Durch den Aufmarsch westdeutscher und französischer Truppen im →Harz und im →Fränkischen Vogtland sowie aufgrund der Mobilmachung auf ostdeutscher Seite näherte sich der Konflikt zwischen den beiden deutschen Staaten einer direkten militärischen Konfrontation. Nur durch die Zurückhaltung der damaligen Supermächte →USA und →Sowjetunion konnte eine weitere Eskalation und ein Übergreifen des Konflikts auf andere europäische Länder verhindert werden.
Wir sitzen auf ihrem Bett und alles ist anders. »Aber deswegen sind wir doch nach Berlin gegangen, damit alles anders wird. Sabine, hör mir doch zu ...«, aber sie hört nicht. Sie weint. Ich sitze bei ihr und bin der Einzige, der sie trösten könnte, aber ich darf nicht. Ich will nicht. Sabine ist eine tolle Frau. Wir sind zusammen aus Gießen hierhergezogen, aber jetzt ist es eben vorbei. Manchmal ist das halt so. Was soll ich denn machen? Ich habe mich in den letzten paar Monaten verändert und sie ist irgendwie stehen geblieben. Ich habe neue Leute kennengelernt. Spannende Leute. Ich muss viel arbeiten und sie hat viel Zeit. Sie hängt da mit ihren komischen Werbeagenturleuten rum und das ist einfach nicht mein Ding. Kann man doch auch akzeptieren. Die Menschen verändern sich eben. Hätte ich ja auch nicht gedacht, dass das so schnell geht.
»Sabine«, sage ich und strecke die Hand nach ihr aus, obwohl ich eigentlich nur gehen will. Was für eine Scheiße. Lasst mich doch einfach in Ruhe. Das ist mein Leben. Ich will raus hier. Mir ist das alles zu eng und trotzdem greife ich nach ihrer Hand. Ich will nicht, dass sie weint. Ich habe das Gefühl, dass ich alles, was ich anfasse, zerstöre.
»Sabine«, sage ich noch einmal und sie lehnt sich an mich, gleitet in meine Arme, schluchzt und zittert und ich halte sie und starre auf meine Armbanduhr. Es ist wie im Film. Ich sehe mich, wie ich sitze, Sabine ganz aufgelöst in meinen Armen, und die Dinge passieren mir einfach. Ich lebe mein Leben nicht, mein Leben lebt mich. Ich spüre ihre Wärme.
»Alles ist gut. Alles wird gut«, flüstere ich.
Eigentlich will ich nicht flüstern und ich weiß, dass ich es nur mache, damit der Schmerz nicht so groß ist, damit sie endlich aufhört zu heulen, damit es ihr wieder besser geht und mir auch. Ich bin nicht hart genug. Ich müsste jetzt hart bleiben. Ich müsste noch einmal alles wiederholen, was ich eben erst gesagt habe, ich müsste es so lange wiederholen, bis sie es versteht, und ich müsste immer wieder nachstechen, doch stattdessen spüre ich, wie ich weich werde. Ich spüre, wie auch sie weich wird. Ich spüre ihren schönen, warmen Körper und ihr Gesicht wendet sich dem meinen zu und mein Mund, der eben noch in ihr Ohr geflüstert und ihre Haare berührt hat, ist nun ganz nah an ihrem Mund und ich kann das Salz ihrer Tränen schmecken und ich spüre ihre Lippen an meinen Lippen, ganz weich, und ihre Zunge. Ihr Körper drängt sich dem meinen entgegen, voller Sehnsucht, ihre Brüste heben sich und ich sehe wie meine Hand unter ihren Pulli gleitet, weil ich weiß, was mich dort erwartet, weil ich weiß, wie es geht, weil ich den Weg kenne, weil ich genau weiß, was ich machen muss, und es ist alles so leicht und vertraut und so leidenschaftlich. So leidenschaftlich, wie es schon lange nicht mehr war, ich schmecke die salzige Flüssigkeit in ihrem Mund, es kitzelt und ich überlege, wie lange wir uns schon nicht mehr so geküsst haben und denke, warum nicht? Warum sollte ich sie nicht küssen und sie streicheln. Ihre Brüste streicheln. Warum verdammt noch mal nicht? Nur weil ich gestern eine andere gevögelt habe? Nur weil ich gerade eben Schluss gemacht habe? Nur weil ich eben alles ausgesprochen habe, was mir die letzten Monate so schwer gemacht hat? Ich denke noch nicht einmal mehr an dieses drückende, bleierne, graue Gefühl in diesem Moment. Diese Lähmung, wenn man morgens nebeneinander aufwacht und sich nichts mehr zu sagen hat. Alles weg und das Licht heute Abend ist warm und vertraut und ich würde alles dafür geben, dass es genauso bleibt und alles wieder so wird wie früher. Ja, wir bleiben zusammen, Sabine. Niemals würde ich dir wehtun. Ich scheiß auf die Welt da draußen. Auf diese Leute, auf das Glitzern und das Geld, auf den Fame und all das. Ja, wir bleiben zusammen, Sabine, hier in unserer kleinen Gießener Welt. Ja, wir beide. Und ich spüre ihre Hand an meiner Hose und alles ist ganz weich und zart und hart und nass und das Salz ihrer Tränen, ihr Atem, ihre Haut und ich höre ein leises Stöhnen direkt an meinem Ohr. Ganz sanft, ganz nah und schon ewig war es nicht mehr so wie heute Abend und es wird uns zu heiß und wir müssen uns ausziehen. Wir streifen uns die Kleider ab. Ungeschickt, ungestüm, als wäre es das erste Mal, voll Verlangen und Sehnsucht und doch so vertraut. Auf einmal sind wir ganz nackt. Die Luft streift unsere erhitzten Körper und ich spüre Haut, so viel Haut, überall Haut, und wir finden uns, wir kennen die Wege, wir wissen Bescheid und alles ist so logisch und einfach. Es ist nichts Falsches dabei in diesem Moment und ich stehe neben mir und beobachte uns. Ich sehe, wie ich in sie hineingleite, sehe wie ich zucke und sich ihr Gesicht verkrampft. Ich sehe ihren Schmerz, ihre Lust, sehe, wie ich komme, wie sie kommt und mit einem Mal fällt alles in sich zusammen. Ich kann es nicht aufhalten. Es geht alles so schnell. So rasend schnell und in jenem Moment, in dem die weiße Wolke in meinem Kopf explodiert, weiß ich, dass alles falsch ist. Alles ist falsch und verwandelt sich zurück. Das Licht ist nicht länger warm. Die Gerüche nicht länger betörend, das Gefühl der verschwitzten Haut plötzlich unangenehm und klebrig. Ein Abschiedsfick und beide wissen wir es. Wir liegen hintereinander. Ich will sie halten, aber meine Beine beginnen zu schwitzen. Ich muss hier raus. Ich will weg. Wir sprechen kein Wort. Was soll ich auch sagen? Sie beginnt zu weinen. Bitte nicht. Mir wird schlecht. Scheiße. Dann schüttelt sie sich, reißt sich zusammen, rafft sich auf, bedeckt sich und zieht den Pulli über. Fest verschränkt sie die Arme vor ihrer Brust.
»Du gehst jetzt besser«, sagt sie. Ich sage: »Sabine ...«, sie sagt: »Was?«, ich sage: »Nichts.«
Unter ihrem kalten Blick ziehe ich mich an. Sie schaut mir zu und ich lasse den Kopf hängen, weil ich denke, dass ich zumindest so tun müsste, als sei ich zerknirscht. Wie ein Verlierer lasse ich den Kopf hängen, während sie kühl und beherrscht den ihren hebt und mich mustert. Ich bin fertig und entschuldigend hebe ich die Hände.
»Ich bring dich zur Tür.«
Wir gehen in den Flur. Ich dreh mich noch mal um, will sie küssen, umarmen zum Abschied. Sie wendet ihren Kopf ab.
»Was soll das?«
Sie schaut mich abschätzig an. Ich versuche zu lächeln, zucke mit den Schultern. Alles falsch. Ich mache alles falsch. Sie schaut mich an mit diesem Gesichtsausdruck, der sagt: »Wenn du dich nur einmal entscheiden könntest ...« Ich hasse ihn, diesen Gesichtsausdruck.
»Du bist eine Wurst«, zischt sie und ihre Gefühle schwanken zwischen endloser Liebe und tiefster Verachtung. Lass mich endlich in Ruhe, schreit es in mir, während ich wortlos dastehe. Das ist mein Leben und wenn ich hundert Mal eine Wurst bin. Es ist MEIN Leben. Trotzdem fühle ich mich wie ein Verlierer.
Ich sage: »Tschüss«, sie lächelt verächtlich und schließt die Tür hinter mir. Ich sollte verzweifelt sein und bin froh. Ich sollte glücklich sein und fühle mich wie Dreck. Wie auf Wolken gehe ich die Treppe nach unten. Bin ich jetzt frei? Ich weiß, dass sie mir aus dem Fenster hinterherblickt, wie ich zum Auto gehe, aber als ich hochschaue, sehe ich sie nicht. Ich muss noch einmal nach oben schauen und sie muss hinter dem Vorhang versteckt stehen und mich beobachten. So steht es im Drehbuch, auch wenn das hier das echte Leben ist. Es ist meine Hand, die den Schlüssel ins Schloss steckt. Mein Ohr, das die Geräusche hört. Meine Haut, die das kalte Metall spürt. Es ist mein Gesicht, das den kalten Nachtwind fühlt und dort oben sitzt ein Mädchen, das wegen mir weint. So ist das im Film. So ist das Leben.
Jedele sitzt vor dem Fernseher. Wie jeden Abend. Kann sein, dass da draußen irgendwelche Menschen ein echtes Leben leben. Interessiert ihn nicht. Das Fernsehprogramm ist scheiße. Wie jeden Abend. Er zappt durch die 32 Kanäle, vielleicht findet er ja irgendeinen Sexkanal zwischen all dem Schrott. Bei den »Sexy Sport Clips« bleibt er hängen. Kennt er alle schon, aber diese kleine tschechische Hure, die sich gerade die Titten reibt. Darauf hat er sich schon mal einen gewichst. Die war gut. Haha. Die war gut. Jedele fischt nach seinem Schwanz. Mit heruntergezogener Jogginghose versucht er ihn steif zu bekommen. Früher konnte er ihn noch sehen, aber das ist schon lange her. Er schnauft und schielt nach dem verklebten Taschentuch. Wie oft schon heute Abend? Egal. Gleich ist es so weit. Die kleine Tschechin spreizt ihre Beine und er stellt sich vor, wie er ihren Kopf auf seinen Schwanz drückt, dass sie würgen muss. Da, du kleines Miststück, das habt ihr jetzt von eurer Eurodollar-Osterweiterung, du kleine Kommunistenhure. Das hast du jetzt davon und er stellt sich vor, wie er in einem Abschiebeknast arbeitet, wo diese ganzen kleinen Ostnutten sitzen und auf ihre Ausweisung warten. Erst neulich hat er gelesen, dass es da dieses Lager in Altmariendorf gibt, wo die ganzen Prostituierten sitzen, die sie in der Potsdamer Straße auflesen und die zurück nach Ostberlin geschickt werden sollen. Die Ostler kriegen Geld dafür. Vierhundert Eurodollar pro Person, aber seit die der Eurodollarzone beigetreten sind, machen die sowieso alles für Geld. Diese beschissenen Russensklaven. Obwohl Russland ja auch nichts mehr zu melden hat, haha. Er stellt sich vor, wie er sich zwei von den Huren ins Büro kommen lässt, als Lagerkommandant hätte er das Recht dazu, und dann müssten die beiden ihm zu Diensten sein. Er weiß, dass die Ostlerinnen geil und willig sind. Oh ja. Das hat er schon oft genug ausprobiert, da auf dem Strich in der Potsdamer. Er mag es nicht. Eigentlich will er da gar nicht hin, aber bevor er bei seiner eigenen Ollen wieder mal nicht zum Zug kommt, geht er halt dort vorbei. LSD steht an einem der Gebäude, Ecke Kurfürstenstraße – Liebe, Sex und Drogen. Er hasst Drogen. Die ganze Stadt ist voll davon. Und von diesen beschissenen Anarchos. Zum Glück haben die Bullen das einigermaßen im Griff. Aber in letzter Zeit kotzt es ihn immer mehr an. Er würde diese kleinen Huren züchtigen, oh ja, das würde er. Jedele schnauft schwer. Genauso wie diese Tschechin, die jetzt an die Heizung gekettet wird, das gefällt ihm, macht ihn geil. Früher hätte man so etwas nur im Pay-TV sehen können, aber jetzt laufen solche Filme auch im normalen Programm. Das war schon eine gute Sache, als 2000 der TV-Markt endgültig liberalisiert wurde. Er als alter Postler war da eigentlich dagegen gewesen, gegen die Zerschlagung der Staatsbetriebe, aber eigentlich war es ihm auch scheißegal. Nur immer weniger Geld bringt er nach Hause. Die da oben machen halt doch was sie wollen, aber das mit dem Fernsehen und den Pornokanälen, das ist schon eine gute Sache. Seitdem verbringt er seine Abende vor dem Fernseher. In Jogginghose. Mit Schnaps und Papiertaschentüchern. Der Orgasmus kommt überraschend. So überraschend, dass er das verklebte Taschentuch gar nicht schnell genug zur Hand hat. Ein kleiner, trauriger Tropfen spritzt auf sein fleckiges T-Shirt. Er kann es nicht sehen, dafür ist er zu fett. Ahhh. Klarheit schießt in seinen Kopf. Er fühlt sich schmutzig. Dreckig. Eklig. Aber so ist das halt. Seine Frau ist schon lange ins Bett gegangen. Nebenan schnarcht seine Mutter und die Kinder hat er seit Wochen nicht mehr gesehen. Es ist Freitagabend, verdammt noch mal. Wochenende! Warum sollte er sich also zurückhalten? Er schenkt sich noch mal nach. Schnaps, Taschentücher und Fernsehen. Freitagabend. Jawoll. So soll es sein. Verdammte Huren. Verdammtes Fernsehen. Verdammter Schnaps. Scheiß Schnaps. Diese ganzen Idioten im Fernsehen, mit ihrem beschissenen Zahnpastalächeln. Er schaltet um. Werbung. Talkshows. Billige Filme. Käfigkämpfe, na klar, diese Hurenböcke. Die Welt wird immer brutaler und diese ganzen Ausländer machen alles kaputt. Die Ausländer und die Juden, die Deutschland noch immer dafür büßen lassen, dass die Nazis im Dritten Reich ein bisschen über die Stränge geschlagen haben. Zu Recht, wie er manchmal sagt. Zu Recht hatten die über die Stränge geschlagen. Außerdem ist es schon so lange her, aber die Juden hacken da immer noch drauf rum. Immer noch. Nach all den Jahren. Wie lange denn noch, fragt er sich. Irgendwann muss doch auch mal Schluss sein und überhaupt: Wie lange noch muss Deutschland geteilt bleiben? Nicht, dass er groß Sehnsucht auf die Brüder und Schwestern aus dem Osten hätte. Die sollen hübsch drüben bleiben oder eben rüberkommen und billig arbeiten, die Huren dürfen von ihm aus auch kommen, aber trotzdem. Die Juden hatten die Deutschen immer noch am Sack, diese Schweinebande, und noch immer darf man nicht laut sagen, was man denkt. Aber das ist vielleicht auch besser so. Sonst würden wieder die Linken kommen, mit ihrer linken Meinung. Die Sozis und die Grünen, dieses Pack. Voller Ekel denkt Jedele an die 1980er Jahre. Damals, als es noch diese Politischen gab. Da hatte er schon bei der Post gearbeitet und irgendwann hatten sie dann sonntags sogar Schwule an den Schaltern arbeiten lassen. Schwule?!? Und das ganze Ausländerpack, das dann zu ihm kam und Geld abheben wollte, von ihren Schwarzgeldkonten oder Postsparbüchern. Nixe verstehen, aber Geld habe wollen. Kein Wort schreiben können, aber Geld, Geld, Geld. Ha, denen hatte er es gezeigt. Er hatte sich geweigert, ihnen Geld auszuzahlen. Wenn nicht schreiben, nix Geld. Sollten die doch sehen, wo die ihr Geld herbekamen, diese Arschlöcher. Immer kommen und haben wollen Geld. Bei ihm hatten sie es auf jeden Fall nicht bekommen.
Mit den Ausländern ist es seit den neunziger Jahren ja zum Glück besser geworden. Dieser Kotsch hat da schon ganz gut durchgegriffen mit den Checkpoints und dass deren Kinder nicht mehr mit den Deutschen zusammen zur Schule gehen dürfen. Gute Sachen, die der da gemacht hat, und der Kohl ist eigentlich auch immer noch ein fähiger Mann. Aber in der letzten Zeit haben die stark nachgelassen. Korrupte Wichser, diese Typen. Weicheier. Stecken alle unter einer Decke. Wollen in letzter Zeit alle nur noch Geschäfte mit den Ostlern machen. Und dann dieser Neger als Präsident in Amerika. Sozialistische Scheiße. Sozidreck. Der Überfall auf den Rentner in München, in der U-Bahn. Ausländer waren das und keinen interessiert’s. Diese organisierte Kriminalität aus dem Osten. Die arabischen Banden da, in ihrem Ghetto in Neukölln. Direkt bei ihm um die Ecke. Wer unternimmt da was gegen? Stecken doch alle unter einer Decke. Und diese Schwulen überall. Fehlte nur noch, dass sie einen Schwulen zum Bürgermeister von Berlin machen. Das würde dem Ganzen noch die Krone aufsetzen. Irgendwie ist die Regierung in letzter Zeit ein bisschen lasch geworden. Trotz der Abschiebeaktionen und trotz der ach so gefürchteten Geheimpolizei. Wo war denn die angeblich allgegenwärtige Geheimpolizei des Verfassungsschutzes, als in München der Rentner von den zwei Kanaken zu Tode geprügelt wurde? Geheimpolizei, denkt Jedele verächtlich, drauf geschissen auf diese Geheimpolizei. Alles Wichser und er kippt sich den Schnaps in seinen Kopf.
Jedele ist Ende vierzig. Irgendwann mal hat er Freunde gehabt. Alles Arschlöcher. Allesamt sind sie Arschlöcher, aber bei dieser Wehrsportgruppe hat er wenigstens Schießen gelernt, damals. Am Ende war ihm das zu sportlich gewesen und er hatte den Kontakt verloren. Auch Idioten. Warum fragt ihn eigentlich keiner, wie es geht? Er wüsste genau, was zu tun ist. Die werden schon noch sehen, was sie davon haben.
Und seine Frau. Scheiß auf seine Frau. Eine alte, abgewirtschaftete, hässliche Putze, die keinen Bock auf Sex hat. Warum setzt er die Fotze nicht einfach vor die Tür? Gute Frage. Schnaps! Seine Mutter genauso. Jedele hasst den Geruch, wenn er nach Hause kommt. Ihren Geruch. Diesen Geruch nach alter Frau, aber er hat noch nie ohne seine Mutter gelebt. Es ist Freitag und eigentlich ist es doch ganz gut so. Noch einen Schnaps. Er schaut auf das verwelkte Papiertaschentuch und fühlt nach seinem verschrumpelten Schwanz. Alles nass und verschmiert. Egal. Scheiß drauf. Alles im Nebel. Sein Kopf kippt zur Seite und fast augenblicklich beginnt er zu schnarchen. Der Fernseher brüllt. Stundenlang und irgendwann steht seine Frau auf und schleicht durch die kalte Wohnung. Mucksmäuschenstill schaltet sie das Gerät aus und sieht traurig ihren Mann an, der in sich zusammengesackt im Fernsehsessel hängt. Ekel überkommt sie und Mitleid und schnell verzieht sie sich wieder in ihr Bett, wo sie weiter im Dunkeln an die Decke starrt.
Sabine starrt in den Spiegel. So hat sie sich ihren Freitagabend nicht vorgestellt. Stefan hat sie also verlassen.
»Die Nacht, in der mich Stefan verließ«, summt es in ihrem Kopf. Man könnte ein Lied daraus machen, doch stattdessen schlägt sie mit der Faust gegen ihr Spiegelbild. Nicht fest genug. Das Spiegelbild zittert, doch es zersplittert nicht. Nicht einmal das klappt. Sie lächelt sich zu, was sich seltsam fremd anfühlt. So sieht man also aus, wenn man verlassen wurde. Tränen laufen über ihre Wange. Sie wischt sie weg. Sie lacht, weint, lacht. Sie schaut sich die ganzen Fotos an, trinkt Wein, lacht und weint. Macht man doch so. In der Vergangenheit wühlen. Sich erinnern. Die letzten Stunden waren wild und leidenschaftlich. Aber sie hat gewusst, dass sie ihn nicht würde halten können. Sie hat es gewusst und trotzdem hat sie sich ihm hingegeben. Ihm hingegeben. Das war das richtige Wort. Ein altertümliches Wort. Aber es passt. Noch nie zuvor hat sie sich so aufgelöst gefühlt, so fiebrig und weich, als würde ein heißes Messer durch Butter gleiten. So weich! Und dann der Bruch. Die Leere. Die Kälte. Der Wein. Das ist gut. Sie will sich richtig besaufen. Fotos anschauen. Betrunken sein. Gebrochenes Herz. Sie mit acht Jahren. Süß. Hat sie Stefan da schon gekannt? Nein, Stefan kam erst in der fünften Klasse. Mit elf. Eigentlich konnte sie ihn zuerst gar nicht leiden, diesen blonden Jungen. Mit 19 sind sie dann zusammengekommen. Nach dem Abiball. Mein Gott, das war jetzt auch schon fünf Jahre her. Abitur in der westdeutschen Provinz. Vor zwei Jahren dann der Umzug nach Berlin. Scheiß Berlin. Eigentlich hätte sie es wissen müssen. Ihr Vater hatte noch gelacht, als die geteilte Mauerstadt im Jahr 2000 zur Hauptstadt ausgerufen wurde. Es sollte ein Statement sein gegenüber den Russen und dem gesamten Ostblock, aber den Kommunisten war es zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich eh schon egal. Die wollten Kohle machen. Genauso wie die Chinesen und die Amerikaner und überhaupt alle. Alle wollten mitmachen, beim großen kapitalistischen Run. Nur die Moslems nicht. Die interessierten sich nur fürs Jenseits, auch egal. Nach der gemeinsam ausgerichteten Olympiade in Ost- und Westberlin 2008 hatten sie sich dann entschlossen, hierherzuziehen. Das war ein richtiges Großereignis. Die Stadt war geöffnet, die Grenze gab es nur noch formal und sowieso nur noch für die Ostler und alle Welt feierte hier, obwohl mehrmals das Thema Menschenrechte auf dem Plan stand. Irgendwie hat sich am Ende aber dann doch keiner mehr drum gekümmert. Wen interessierten schon die Menschenrechte. Die Party war super. Zuhause in Gießen waren sie noch in Schülergruppen aktiv gewesen, die sich für mehr Demokratie einsetzten, aber irgendwann war auch das eingeschlafen. Man hatte anderes zu tun. Das waren ... Wie alt waren sie da? Sabine hält ein Foto in der Hand. Ein Gruppenfoto. Stefan ganz links, mit so einer Topffrisur. Und Marcus. Ihr damaliger Freund, den sie dann später wegen Stefan verlassen hat. Oh mein Gott, wie sie damals aussah. Sabine muss lachen. Das kann alles nicht wahr sein. Stefan war ihre erste große Liebe. Davor war alles ganz nett, aber Stefan war ... Mit Stefan war es einfach was anderes. Deshalb ist es für sie auch völlig klar gewesen, dass sie mit ihm nach Berlin zieht. Ihr Vater war dagegen. Nur Faschisten in der Hauptstadt, hatte er gebrüllt und dass Stefan als Redakteur bei der Kohleigenen B.Z. anfangen würde, fand er natürlich total beschissen. Staatsschreiber hatte er ihn genannt und Regierungsbüttel. Wie altmodisch. Ihr Vater war noch bei den Grünen gewesen, damals in den Achtzigern, bevor das mit dem niedergeschossenen Aufstand in Leipzig passierte. Bevor die Panzer im bayerischen Vogtland aufgefahren sind. Danach musste er es dann für ein paar Jahre ruhiger angehen lassen. Als die Grünen in den neunziger Jahren verboten wurden, zog er sich endgültig aus der Politik zurück, das war ja gar nicht mehr anders machbar. Mussten dann ja alle aufhören, wenn sie keinen Ärger haben oder in den Untergrund gehen wollten. Ein paar Freunde von ihm sind untergetaucht, aber ehrlich gesagt, waren das auch die richtig radikalen Spinner gewesen. Trotzdem hat er sich für seine Tochter einen anderen Freund gewünscht. Einen aufmüpfigeren. Nicht so angepasst. Stefan war ihm einfach zu glatt. Da hätte er gern so einen wie Marcus behalten, der immer ein bisschen angeeckt ist. Aber Marcus war ihr einfach zu anstrengend gewesen. Immer dagegen und immer in die Vollen. Was Marcus heute wohl machte? Egal.
Stefan und sie, wie sie ankamen in Berlin. Mit dem Auto ihrer Eltern. Sie blättert weiter und irgendwann ist Stefan auf den Fotos nicht mehr zu sehen. Stefan hat neue Freunde. Da ist sie mit ihren Freundinnen aus der Werbeagentur. Stefan nicht. Sie im Sommer mit Freunden am See. Stefan irgendwo. Sie beim Grillen auf irgendeinem Schöneberger Dach. Stefan bei irgendwelchen Terminen. Stefan hat jetzt B.Z.-Freunde und sie keine Lust. Natürlich hätte sie mitgehen können, aber sie wollte nicht. Das war nichts für sie. Stefan hat sich ein Auto gekauft. Sie fährt lieber Fahrrad. Stefan geht jetzt ins Puro im Europacenter. Sie geht lieber in die Bar 25 im Osten, wo ihre Eurodollar fast das Doppelte wert sind und alles irgendwie rockig und subversiv ist. Stefan nimmt Drogen. Die falschen. Sie auch. Die richtigen. Heute Nacht hat sie Lust, was zu nehmen.
»Die Nacht, in der mich Stefan verließ«, summt es wieder in ihrem Kopf und sie spürt, wie sein Sperma aus ihr herausläuft. Ein Abschiedsfick. Sie kann ihn noch spüren. Diesen Körper. Seine Küsse. Sie schließt die Augen und beißt sich auf die Lippe. Sie will nicht heulen. Sie wird ihm schon beweisen, dass sie ohne ihn leben kann, diesem Bastard. Diesem kleinen beschissenen Bastard. Diesem Idioten. Diesem karrieregeilen Arschloch. Natürlich hat sie sich gefreut, als er bei der B.Z. anfangen konnte. Helmut Kohl hin oder her. Es war ihr egal, ob er irgendwelche staatstragenden Artikel schreiben musste oder nicht. Sie arbeitete in einer Werbeagentur. So what? Irgendwie waren sie alle Nutten und die harte Haltung ihres Vaters fand sie mehr als anstrengend. Gelogen wurde immer und überall und außerdem hat er sich ja auch viel für die Gegenseite engagiert. Er schrieb Artikel über die Ausländer, Freaks, Drogennehmer und albanischen Familien in den sozialen Brennpunkten. Er kam in Kontakt mit arabischen Mafiaclans, aber dass er sich dann so auf diese Welt eingelassen hat, das wurde ihr schließlich zu viel. Das nervte. Die teuren Autos. Der Schmuck. Plötzlich fing er an, sich zurechtzumachen. Lächerlich. Sie will keinen Freund, der sich zurechtmacht. Natürlich gefiel es ihr, dass er Kontakte zur Regierung und in die Unterwelt hatte. Nein. Stopp. Das gefiel ihr nicht. Das fand sie immer beängstigend, aber ehrlich gesagt konnte sie beide Welten oft nicht voneinander unterscheiden. Am Anfang kämpfte Stefan für eine gerechte Sache, aber im letzten Jahr wurde er immer seltsamer. Die neuen Freunde. Das Koks. Eigentlich ist die Trennung nur noch eine Frage der Zeit gewesen. Sie mustert sich im Spiegel. Schminkt sich. Betrachtet ihr glattes, schönes Gesicht. Das blonde Haar nach hinten gebunden. Sie sieht gut aus. Merkt er das denn nicht? Dieser Idiot. Sie wird heute ausgehen und es ihm beweisen. Sie wird heute Nacht Drogen nehmen und schauen, was passiert. Der Wein ist schon lange leer. Sie macht sich einen Wodka Tonic und als sie das Koks auf die Tischplatte streut, weiß sie, dass sie vor Montag nicht mehr nach Hause kommen wird. Will sie auch nicht. Dieses Arschloch soll sehen, wo er bleibt. Dieser Wichser. Sie wird feiern gehen. Sie zieht eine Nase und ihre halterlosen Strümpfe an. Die höchsten Schuhe, die sie finden kann. Gerade gut genug. Sie schminkt sich, noch eine Line, noch einen Drink. Ready to fuck, Arschloch. Ich geh aus und du bleibst da!
Stefan. Erzähl mir nichts von den Frauen. Deine Sabine ist hübsch, aber, versteh mich nicht falsch. Die hat keine Klasse. Stefan. Du bist ein Mann. Ein richtiger Mann. Jetzt lass dich mal nicht so hängen, Junge! Guck mal. Ich erklär mal so: Frauen brauchen manchmal einen Arschtritt, ich schwöre, Stefan. Diese Sabine ist doch eine Emanze. Ich mein, ich kenn die nicht und ich kann auch gar nix sagen über die, aber was du so erzählt hast, ist sie Emanze, oder? Stefaaan. Das geht nicht. Du brauchst eine andere Frau. Eine Frau, die dich respektiert. Keine so lila Latzhose und kurze Haare. Eine richtige Frau, Stefan. Verstehst du mich?
Was ist mit Anne Christine? Hab ich dir doch vorgestellt, oder? Und? Hast du sie gefickt? Ja? Ja, hast du gemacht? Beste Stefan. Gut gemacht. Na also.
Mann, Mann, Mann. Die Weibers, die ficken deinen Kopf. Echt mal. Ganz ehrlich, ich sage, ficken o.k., aber Liebe gibts nich. Das ist so eine Erfindung von euch Deutsche. Das gibts alles nich. Nimm noch einen Schluck. Hamoudi, bring Stefan mal was zu trinken. Mann, Stefan, was los. Jetzt guck nich so. Nachher gehen wir noch mal in den Club und dann treffen wir Mädels. Spaß, Stefan. Das war ein Spaß. Du gehst garantiert nicht mit, sorry. Du bleibst da.
Jetzt guck nich so. Ist auf jeden Fall gut, dass du hier bist. Ist gut, dass wir dich gefunden haben. Ich hab schon gedacht, du bist verschwunden. Aber echt, Stefan. Sabine war nix für dich. Du brauchst mehr Klasse. Mann, Stefan, ich schwöre dir, ich hab neulich eine kennengelernt. 1a-Sahne, ich schwöre. So ein richtig deutsches Mädchen. So mit gutem Elternhaus und so. Die ist klasse. Danke, Hamoudi, und jetzt trink, Stefan. Trink, Mann. Das hilft, mein Freund. Das ist gut. Wirst noch alles vergessen. Das ist gut. Also dieses Mädchen, ja. 19 Jahre alt. Schülerin. Gymnasium, Mann, ich schwöre. Die würde mir noch mal fünf Jungs schenken. Auf jeden Fall. Aber ich kann die nicht heiraten. Auf keinen Fall. Liebe. Guck mal, ich hab schon drei Kinder. Na und. Ich könnte noch ein paar mehr vertragen. Das ist doch gut. Viele Kinder, aber heiraten geht trotzdem nicht. Zumindest nicht bei der.
Meine Eltern haben auch viele Kinder. Fünf Jungs waren wir zu Hause. Und wir haben immer aufgepasst. Natürlich hat Mama geweint, wenn wieder Polizei vor unserer Tür stand, aber wir haben aufgepasst auf uns. Da is nix passiert und wir waren allein bei uns im Viertel. Die anderen hatten alle Familie-Mamilie, die waren zwanzig Leute, dreißig Leute und wir waren nur fünf, aber wir haben zusammengehalten und die konnten nix machen gegen uns. Die haben es ja immer wieder probiert. Auf der Straße. Beim Fußballspielen. Da war so ein Turnier, zum Beispiel. Mann. Die ganze Halle war voll. Kurden. Araber. Und wir waren eine Mannschaft und die haben versucht, uns abzuzocken. Die kamen dann nach dem Spiel und der eine meinte, ich hätte ihn gefoult und, ehrlich, die ganze Halle stand plötzlich vor uns. Nur Türken und Araber und Kurden, ich schwöre, und die dachten alle, wir wären Palästinenser oder so was. Die Sozialarbeiter haben nix gesagt, die haben so getan als würden sie das gar nich mitkriegen, haben Papiere sortiert und so. Die ganzen Leute kamen dann immer näher und dann habe ich gepfiffen. Einfach so mit den Fingern. Ich habe gepfiffen und so eine Sporttasche fliegt nach unten. Genau vor meine Füße. Hab ich meinem Bruder gesagt, vorher, dass er die werfen soll, wenn ich pfeife. Er wirft die Sporttasche. Die landet genau vor meinen Füßen und ich mach auf und was ist drin? Schwerter. Die ganze Tasche voll mit Schwertern. Wir nehmen die Schwerter. Meine beiden kleinen Brüder nehmen Schwerter, ich nehm ein Schwert und Achmed, mein großer Bruder auch. Der hat sogar noch einen Dolch dabei. Weißt du, so ein Rambomesser, mit so gezackter Klinge, und so stehen wir da mit den ganzen Schwertern. Die anderen gucken nur und wir so: Jetzt kommt, ihr Mutterficker. Ihr seid doch Hurensöhne. Kommt her, wenn ihr was wollt, und ...? Keiner ist gekommen. Natürlich ist keiner gekommen. Die haben gar nicht damit gerechnet. Die haben gedacht, diese Abou-Mohammeds machen wir fertig. Aber uns macht keiner fertig. Wir halten zusammen. Deshalb will ich Jungs. Eine ganze Armee Jungs. Wir brauchen Jungs. Wir müssen auf uns selbst aufpassen. Wir brauchen eine Armee. Die Deutschen scheißen auf uns, auch wenn Kotsch jetzt angekrochen kommt. Da scheiß ich drauf, auf den Hurensohn. Ich scheiße auf die Deutschen. Du warst echt eine Ausnahme, Stefan. Du warst eigentlich immer korrekt. Der einzige Deutsche, der immer korrekt zu uns war. Ist doch so, oder? Immer korrekt. War doch immer so? Du hast mir vertraut und ich dir, auch wenn das jetzt anders ist. War doch so, oder? Ansonsten vertraue ich niemandem und den Deutschen schon gar nicht. Das war immer so: Schwarze Haare. Disko? Nein. Du nicht. Schwarze Haare – geht nicht. Ganz ernsthaft, Stefan, das hat mich immer angekotzt. Aber wir waren fünf und irgendwann mussten die uns dann reinlassen. Das gab Ärger, aber wir waren drin. Ich mein, ich bin da nicht stolz drauf. Ehrlich, bin ich nicht. Wir haben viel Scheiße gebaut, aber das konnten wir uns nicht bieten lassen, oder? Oder, Stefan? Mann, Stefan, jetzt guck nich so. Vergiss die Olle. Lass noch mal was trinken. Hamoudi, hol noch mal das Gleiche für Stefan. Mann, Stefaaan. Wir könnten ins Puro fahren und dann treffen wir uns mit den Mädels. Ein bisschen auf andere Gedanken kommen. Was ist mit Ann-Kathrin? Ann-Christin heißt die. Scheißegal wie die heißt, was ist los mit ihr? Die ist doch auch da. Na also. Wir könnten hinfahren. Das wäre geil. Geht nicht mehr, wa? Hast du selber kaputt gemacht, aber es wäre geil, oder? So wie früher. Ist jetzt alles kaputt. Naja, was soll’s. Mann, guck doch nicht so, du kommst mir schon so vor wie die Kurden aus unserem Dorf, Mann. So mit Ehre und so und immer traurig. Ich erzähl dir was Lustiges, Mann, ich erzähl dir von meiner Letzten. Die habe ich auf so einer Aftershowparty kennengelernt. Die war mit ihrem Freund da und ich schwör, die guckt die ganze Zeit auf meinen Schwanz. Ich geh so zu ihr hin, quatsch so ein bisschen mit ihr und ihr Freund die ganze Zeit daneben. Ich so, geb ihm die Hand und er voll freundlich, kennt mich irgendwie und findet mich wichtig. Merke ich. Is mir egal, ich denk mir, die Olle fick ich trotzdem und die wird auch so fickrig ... die grabscht so an mir rum und ich streichel sie ein bisschen unterm Rock und ich denk, der Typ merkt das gar nicht, aber irgendwann peil ich so, dass der auf jeden Fall alles mitkriegt und dass er das geil findet. Wir sitzen so in einer Ecke. Ich bestell Champagner und plötzlich macht die einfach die Beine breit und ich finger ihr so richtig die Fotze. Die ist richtig nass und der Typ dreht sich plötzlich um und zieht ihr den Schlüpfer aus. Wirklich wahr. Der Typ zieht seiner eigenen Freundin den Schlüpfer aus, damit ich besser rankomme. Ernsthaft, Stefan. So etwas habe ich noch nie vorher gesehen. Noch nie, nie, nie. Später hab ich die dann auf dem Hotelzimmer gebumst und ihr Freund stand draußen und hat aufgepasst, dass da keiner reinkommt. Ist das krank, Stefan? Ist das krank? Das ist doch krank. Ich hab ihr gesagt, dass sie eine Schlampe ist und dass ich sie dreckig finde, das hat die Nutte aber noch geiler gemacht. Ich glaube, die standen da drauf und als ich gegangen bin, hat der Typ mich nur angelächelt und ist im Zimmer verschwunden. Kranke Scheiße so was. Richtig kranke Scheiße. Das ist doch nicht gesund, so was. Das ist echt nur bei Deutschen so. Das würde es bei uns nicht geben, ich schwöre. Da würde ich lieber meine Mutter töten, bevor ich so etwas machen würde. Auf gar keinen Fall. Das ist richtig kranke Scheiße. Du kannst das aber verstehen, was der gemacht hat, oder? Du kannst das verstehen? So was versteh ich nicht. So was kann man nicht verstehen. So was machen Ostler vielleicht. Die sind auch verrückt, aber irgendwie müssen wir mit denen ja auskommen, wo die Grenzen so offen sind, wa? Mir soll’s recht sein. Das Geschäft blüht. Hahaha. Rosige Aussichten Mann. Mann Stefan, du musst in die Zukunft gucken und nicht so traurig. Du musst in die Zukunft schauen. Du hast keine, wa? Spaß, Stefan. Kleiner Spaß, oder?
Die Aussicht aus dem Kanzleramt über den nächtlichen Tiergarten war erhebend. Kotsch stand am Fenster und schaute hinüber zum hell erleuchteten Brandenburger Tor. Zur Siegessäule. In der Ferne blinkte der Funkturm und das Europacenter – Westberlin. Wenn er sich nach links drehte, dann sah er den Fernsehturm – Osten. Schon den ganzen Tag dauerte die Sitzung mit der Delegation des Ministeriums des Innern der DDR und langsam hatte er genug. Zwar waren die Zweifel der ostdeutschen Kollegen berechtigt, aber schließlich und endlich mussten die Herren ja auch mal anerkennen, dass sich nach der Durchführung der Olympischen Sommerspiele 2008 die Zusammenarbeit der beiden deutschen Staaten doch in wesentlichen Punkten verbessert hatte. Und das war immerhin nun auch schon vier Jahre her. Die Ostdeutschen wollten einfach nicht wahrhaben, dass die illegalen Huren und die illegalen Einwanderer ihr Problem waren und sie zur Rücknahme dieser Personen verpflichtet waren. Schließlich bezahlte die Bundesrepublik dafür eine Menge Geld und da spielte es doch keine Rolle mehr, dass damals die DDR mit Zähneknirschen zugestimmt hat, dass die BRD ihren Hauptstadtsitz nach Berlin und somit auf das Gebiet der DDR verlegen durfte. Immer diese alten Geschichten. Bei jedem Treffen fingen die von vorn an. Das hatte einfach nichts damit zu tun. Kotsch nahm die Brille ab und strich sich über den Nasenrücken. Diese DDR-Funktionäre waren eine Qual. Die hatten nichts mehr zu sagen, aber blockierten, wo sie nur konnten. Als die Bundesregierung 2000 beschloss, nach Berlin zu ziehen, hatten die Ostdeutschen schlicht und ergreifend unter dem enormen wirtschaftlichen Druck nachgeben müssen. Die Eurodollarzone war im Anmarsch und die Ostdeutschen waren pleite. Der Eurodollar war faktisch eingeführt und die EU hatte immer beabsichtigt, die DDR und den gesamten Ostblock in diese Zone zu integrieren. Erstens weil es ein interessanter Absatzmarkt war und zweitens wegen der billigen Arbeitskräfte, Rohstoffe etc. Die Russen mussten nachgeben. Die pfiffen aus dem letzten Loch und elf Jahre nach dem Massaker auf dem Leipziger Innenstadtring und der militärischen Konfrontation an der innerdeutschen Grenze hatte sich das Klima zwischen den beiden Staaten zumindest so weit verbessert, dass man seit der Jahrtausendwende wieder miteinander sprach.
Obwohl Kotsch eigentlich immer dagegen gewesen war, war er doch einer der wichtigsten Brückenpfeiler der Ost-West-Beziehungen. Im Oktober 1989 war er als junger Landespolitiker in Hessen aktiv und Vorsitzender seiner Partei im Kreistag gewesen. Manche in der Partei hatten ihm schon damals eine große Zukunft attestiert. Helmut Kohl kümmerte sich persönlich um den ehrgeizigen Nachwuchspolitiker und zusammen mit Junkers, Wolf, Pflug und Röttgen hatten sie auf einer gemeinsamen Chile-Reise, wo sie dem alternden Diktator Augusto Pinochet ihre Aufwartung gemacht hatten, einen Pakt geschlossen und sich geschworen, immer füreinander da zu sein. Fünf Leute, fünf Brüder, und sie würden zusammenhalten, was auch immer da komme. Sie waren eine Familie, der Osten war ihr Feind, sie würden sich durchsetzen und genauso war es gekommen.
Daran musste Kotsch jedes Mal denken, wenn er mit diesen DDR-Menschen sprach. Andere konnten das Massaker auf dem Innenstadtring in Leipzig vielleicht vergessen, er verzieh ihnen das nicht. Er hatte die Kommunisten noch nie leiden können und war schon in den frühen Siebzigern in die Junge Union eingetreten und hatte sich mit Falken und Jusos geschlagen, die ihre Wahlkampfstände angegriffen hatten. Er war Mitglied in einer schlagenden Studentenverbindung gewesen und hatte die Grünen bekämpft, die damals in Hessen sogar in der Regierung saßen. Später hatte er dann aktiv das Verbot der Grünen sowie aller anderen Parteien links von der SPD vorangetrieben. Die SPD! Kotsch lachte auf, als er an die verstümmelte, ehemals stolze Arbeiterpartei dachte. Erbärmlicher Haufen.
Er hatte Kohl unterstützt, schon immer, und als die Roten im Osten ihre eigenen Leute massakrierten, forderte er augenblicklich den Aufmarsch der Panzer an der thüringischen Grenze und an der Harzfront. Als Offizier der Reserve war er einer der Ersten, der als Politiker einen Kampfverband leitete, und er wäre auch zum Letzten bereit gewesen, wenn die Amerikaner und die Russen sich nicht eingemischt hätten. Sein Hass war damals unbeschreiblich gewesen und ein wenig von diesem Hass war noch immer in ihm. Auch heute Abend. Aber er musste taktieren. Schließlich standen an diesem Sonntag wieder einmal Neuwahlen an und Kotsch würde diese geplante große Abschiebeaktion morgen früh brauchen, damit das System Kohl auch nach dreißig Jahren weiter an der Macht bleiben konnte. Und vielleicht, so hoffte Kotsch insgeheim, dankte der greise Altkanzler in Kürze ab und vererbte ihm endlich seinen Chefsessel. So war es zumindest schon vor Jahren zwischen ihm und seinem politischen Ziehvater besprochen worden, wobei er aber in letzter Zeit immer öfter das Gefühl hatte, dass Kohl dieses Thema in seiner Gegenwart vermied. Es schien ihm manchmal, als wäre er aus irgendeinem Grund in Ungnade gefallen und politisch war ihm zuletzt nicht immer alles so geglückt, wie er es sich gewünscht hatte. Die Menschen im Land waren unzufrieden und das böse Wort »Korruption« geisterte durch die Bevölkerung. Kotsch lächelte in sich hinein. Wenn die Leute wüssten. Trotzdem musste er vorsichtiger sein und Fakten schaffen.
Kotsch war müde. Er war müde und musste unbedingt einen Erfolg erzielen. Die Polizeieinheiten, die die Abschiebung der illegalen Einwanderer morgen früh durchführen sollten, standen schon bereit, aber die DDR-ler hatten noch nicht zugesagt, dass sie die Abgeschobenen auch aufnehmen würden. Kotsch wusste, dass sie letztlich nur auf das Geld aus waren, und er wusste auch, dass sie wussten, dass er unter Druck stand. Obwohl ihm als Innenminister ein Sonderetat für solche Angelegenheiten zur Verfügung stand und auch noch diverse andere Mittel für kleine persönliche Aufmerksamkeiten, musste er versuchen, den Preis so gering wie möglich zu halten.
Kotsch setzte sich die Brille wieder auf. Eigentlich könnte er jetzt zuhause bei seiner Frau und den Kindern sein. Wie sich das anhörte? Wie ein richtiger Familienvater. Er war kein Familienvater. Ehrlich gesagt war die Familie für ihn nicht wirklich existent. Als Innenminister brauchte er sie zwar für Fototermine in der Öffentlichkeit und als Bundeskanzler würde die Präsentation einer funktionierenden Familienidylle elementar wichtig werden, aber dass sie ihm am Herzen lag? Kotsch lachte hart. Für seine eher spärlichen, körperlichen Bedürfnisse hatte er loyale Mitarbeiter, die dafür sorgten, dass seine Wünsche erfüllt wurden. Ein System übrigens, das auch bei den Verhandlungen in der heutigen Nacht wohl zum Durchbruch führen würde. Ansonsten fehlte es ihm an nichts. Er arbeitete gern. Er war gern im Büro. Er schlief nur vier Stunden pro Nacht. Er brauchte nicht mehr. Er kannte alle Akten. Er kannte alle Zahlen. Nichts war ihm fremd und seine Mitarbeiter und politischen Gegner mussten hart arbeiten, wenn sie ihm das Wasser reichen wollten. Keiner hatte das bislang geschafft. Kein einziger und wieder musste Kotsch lächeln. Er war gut und das wusste er.
Nur die ewigen Sitzungen mit diesen gesichtslosen und furchtbar langweiligen DDR-Funktionären waren ihm zuwider. Er straffte sich. Die zehn Minuten am Fenster hatten ihn erfrischt. Er hörte die anderen Sitzungsteilnehmer von der Toilette wiederkommen, wo sie sich ebenfalls frisch gemacht hatten. Er wusste, wie es jetzt weiterging. Es war immer dasselbe Spiel. Die nächste halbe Stunde würden die vier Delegierten mit großen Pupillen und unglaublich selbstbewusst in die Verhandlungen gehen und spätestens in einer dreiviertel Stunde würde Kotsch dann vorschlagen, die Sitzung noch einmal kurz zu unterbrechen. Dann würde er sich Schnappauf, den Delegationsleiter, greifen und mit ihm in das Büro gehen, das ihm im Bundeskanzleramt zur Verfügung stand. Dort würden diese kleinen Tschechinnen auf sie warten und dann würde Schnappauf sich einen blasen lassen. Danach noch eine kleine Line ziehen und Kotsch würde ihm die 50.000 Eurodollar Handgeld überreichen. Seine Mitarbeiter hätten in der Zwischenzeit die anderen Delegationsmitglieder mit Koks und je 25.000 Eurodollar versorgt und nach einer weiteren Viertelstunde Blabla und wirtschaftlichen Zusicherungen der BRD könnten sie dann endlich den Vertrag unterschreiben und nach Hause gehen.
Dass Schnappauf für solche Spielchen überhaupt zu haben war, hatte Kotsch Ende der neunziger Jahre entdeckt, als er die Verhandlungen über den Umzug der Bundesregierung geführt hatte. Schnappauf war damals sein direkter Ansprechpartner gewesen und so sehr er die Kommunisten auch hasste, mit Schnappauf verstand er sich dann doch überraschend gut. Damals galt Schnappauf als einer der scharfsinnigsten DDR-Politiker. Nach der biologischen Wende, sprich nach dem Tod von Honecker und Mielke 1994 und 1995 und der Machtübernahme durch Egon Krenz und Günther Schabowski machte sich eine neue rhetorisch gebildete und wirtschaftlich stark nach Westen ausgerichtete DDR-Führungselite breit, die alle ideologischen Wurzeln und Hemmschuhe über Bord zu werfen bereit war. Diese ideologische Ungebundenheit imponierte Kotsch, kam sie seiner eigenen Einstellung doch am nächsten. Abgesehen von seinem tiefen Kommunistenhass war Kotsch dafür bekannt, seine Standpunkte sehr schnell wechseln zu können. Teflon-Kotsch nannten sie ihn deshalb, auch weil keiner der gegen ihn erhobenen, wie auch immer gearteten Vorwürfe jemals bewiesen werden konnte. Man hatte ihn oft genug mit Dreck beworfen, doch jedes Mal hatte er sich erfolgreich zur Wehr gesetzt und sich bitterlich gerächt an diesen selbstgerechten, politisch korrekten Schweinen.
Schnappauf auf jeden Fall hatte ganz ähnliche Ansichten, allerdings war er verwundbar durch seinen Hunger auf Koks und Nutten. Dieser Jude Friedbert hatte ihm von Schnappaufs Vorlieben erzählt und der musste es ja immerhin wissen. Hatte sich dieser unter dem Decknamen Paolo Pinkel doch regelmäßig Kokain und ukrainische Huren auf sein Hotelzimmer liefern lassen. Irgendwann war die Sache mit Friedbert aber auch aufgeflogen und es hatte einen Riesenskandal gegeben, woran Kotsch auch nicht ganz unbeteiligt gewesen war. Kotsch lächelte bei diesem Gedanken und er dachte zurück an dieses private Abendessen Ende der 90er Jahre, als er das Gespräch mit Schnappauf ganz unauffällig auf das Thema Entspannung gelenkt hatte. Schnappauf biss sofort an.
»Und Holger, wie kommst du so durch die Woche?«
»Wie meinst du das? Das weißt du doch. Ich schlafe wie du nur vier Stunden pro Nacht. Joggen. Kaffee. Na ja, du weißt schon.«
»Nein. Ich meine, wie oft siehst du Deine Frau? Was ist mit den angenehmen Momenten im Leben?«
»Viel zu wenig. Weißt du doch selbst. Das wird bei dir nicht anders sein.«
»Das meine ich ja. Fehlt dir da nichts?«
»Brauch ich dir doch nicht zu erzählen. Wir haben doch unsere Tricks. Oder?«
»Ich weiß von nichts, aber ich kann es mir denken.«
Das gespielte Augenzwinkern der beiden, das verschwörerische Grinsen war ihm damals genug gewesen, um zu wissen, dass er Schnappauf kriegen würde. Auf der Heimfahrt vom Restaurant, in der luxuriösen Mercedes S-Klasse mit den getönten Scheiben, hatten sie dann zum ersten Mal weibliche Begleitung und bolivianisches Marschierpulver dabei und obwohl sich Kotsch zurückhielt, gab er seinem ostdeutschen Kollegen doch das Gefühl von Vertrautheit und Mittäterschaft. Fotos wurden geschossen – Schnappauf saß in der Falle und am nächsten Tag konnte Kotsch der überraschten westdeutschen Führungselite den Durchbruch bei den Verhandlungen um den Hauptstadtstatus von Westberlin verkünden. Leider hatte Schnappaufs Lebenswandel innerhalb der letzten 13 Jahre doch deutliche Spuren in dessen Gesicht und Geist hinterlassen und aus dem einst brillanten jungen Denker war ein schlaffer, angewiderter, launischer Parteifunktionär geworden.
Seit Olympia 2008 knirschte es im Gebälk. Egon Krenz hatte sich als greiser Staatratsvorsitzender und Generalsekretär der SED festgesessen und Schabowski blockierte das Ministerium für Staatssicherheit. Das lange Warten hatte Schnappauf zermürbt. Tiefe, schwarze Ringe lagen unter seinen Augen und auf den ersten Blick ähnelte er beinahe seinem Vorgesetzten Krenz, als er sich just in diesem Augenblick neben Kotsch ans Fenster stellte. Schweigend blickten beide über den dunklen Tiergarten.
»Na, dann wollen wir mal, Ronald, oder? Auf ein Neues.«
»Auf ein Neues, Holger. Auf ein Neues!«
Schnappauf zog hörbar die Nase hoch und wischte sich mit dem Handrücken kurz über beide Nasenlöcher. Kotsch lächelte. Vielleicht würde er die Sitzung auch schon nach zwanzig Minuten unterbrechen. Wer wusste das schon.
Das Massaker von Leipzig
Als unmittelbarer Auslöser des Massakers an der »Runden Ecke« und somit auch als Ursprung der →Deutschlandkrise gilt der wachsende Unmut der DDR-Bevölkerung mit den undemokratischen Verhältnissen in ihrem Land. Nachdem in einigen Wahllokalen der DDR bereits 1986 von oppositionellen Beobachtern Fälschungen von Wahlergebnissen beobachtet worden waren, kam es nach den Kommunalwahlen vom 7. Mai 1989 in mehreren Städten der DDR zu massiven Bürgerprotesten. Das Fundament der SED-Herrschaft war zu diesem Zeitpunkt bereits in vielerlei Hinsicht ausgehöhlt und befand sich aus diesem Grund unter massivem Druck.