Handbuch für die Praxis
Ulrich Pommerenke
Motivation und Erfolg
Strategien und Self-Coaching für
ErzieherInnen
© 2013, 2. Auflage
Burckhardthaus-Laetare, Körner Medien UG, München
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe sowie der Übernahme auf Ton-/Bildträger vorbehalten. Ausgenommen sind fotomechanische Auszüge für den eigenen wissenschaftlichen Bedarf.
Umschlaggestaltung: Patricia Fuchs, AVR, München
Umschlagfoto: Rido – Fotolia.com
Fotos: iStockphoto, Ingram Publishing
Produktion: Gernot Körner, Körner Medien UG, München
Digitale Aufbereitung: Alfons Schmid, ISM, München
Satz und Layout: Sigrun Borstelmann, Sibo-Medien, München
www.burckhardthaus-laetare.de
ISBN 978-3-944548-74-6
Empfehlungen für den/die LeserIn
Dieses Handbuch ist nach handlungs-, Iösungs- und ergebnis-orientierten Gesichtspunkten aufgebaut. Es folgt dem Grundsatz „Arbeit an sich ist Arbeit an sich“. Sie erfahren Ihren persönlichen und beruflichen Zugewinn, wenn Sie von Ihren bisher gewohnten Lesegewohnheiten abweichen:
1. Die Zitate und Texte sind sorgfältig ausgewählt und geben den Kern wieder, worauf es im Leben, in der privaten und beruflichen Lebensgestaltung, aankommt. In ihnen werden komplexe Erkenntnisse oder Sachverhalte zusammengefasst: Sie sind substanziell. Schreiben Sie die Zitate oder Texte, die Sie besonders ansprechen, heraus, und stellen Sie einen Zusammenhang zu Ihnen her. Durch diese Arbeitsweise pflanzen Sie die ersten Samen für das, was Sie verändern wollen. Mithilfe dieser Methode wird Ihnen bewusst, womit Sie sich momentan beschäftigen, was Ihr aktuelles „Thema“ ist. Und sie zeigt Ihnen zunächst auf, woran Sie „arbeiten“ sollten, möchten oder auch wollen. Ein hilfreicher Tipp: Sprechen Sie Ihre Familie, Freunde oder Bekannten an, und holen Sie deren Meinungen und Ansichten zu den Zitaten/Texten ein. Auf diese Weise gewinnen Sie nicht nur neue Einblicke in andere Sichtweisen, die Sie bereichern werden, sondern lernen auch nach dem Prinzip der „anderen Sichtweise“ und bekommen ein Verständnis für die Aussage des Künstlers Picabia. „Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung ändern kann.“
2. Verschaffen Sie sich zunächst einen Überblick, und orientieren Sie sich dabei am Inhaltsverzeichnis und an der Einleitung. Wir Menschen wenden uns bekanntlich zuerst den Dingen zu, die uns besonders wichtig sind: Sie können daher die einzelnen Abschnitte unter den ersten zwei Kapiteln unabhängig voneinander bearbeiten. So finden Sie gleich zu Beginn Ihrer Lektüre bzw. Beschäftigung mit dem Thema hilfreiche Impulse, die Sie sofort praktisch umsetzen können.
3. Bearbeiten Sie die 10 Übungen jeweils gründlich, und halten Sie vor allem Ihre Antworten bzw. das, was Sie sich erarbeitet haben, schriftlich fest. Auf diese Weise entwickeln Sie Ihr persönliches Arbeits- oder besser Veränderungsprogramm. Gehen Sie bei diesem Prozess aufrichtig, ehrlich und selbstkritisch mit sich um: Versuchen Sie die Dinge, die Sie sehen möchten oder sehen wollen, von denen zu trennen, die real sind und womöglich „unangenehm“. Die Übungen sollen Ihnen Ihr Verhalten, Ihre Handlungen, aber auch Ihre Passivität in bestimmten Fällen bewusst machen und dienen zu nichts anderem als zu einer persönlichen Standortbestimmung. Sie finden auf diese Weise Ihren Status, Ihren gegenwärtigen Standort, und erhalten wichtige Hinweise für die Entwicklung Ihrer Veränderungsstrategie: Ihre Strategie des erfolgreichen Handelns!
4. Unter der Rubrik „Das hilft Ihnen“ im Hauptteil des Handbuchs sind jeweils 10 Tipps bzw. Empfehlungen zusammengefasst. Schöpfen Sie reichlich aus der Quelle der Praxiserfahrungen, die Sie voranbringen und die Ihnen vor allem neue und nützliche Hinweise für Ihre gegenwärtige und künftige Lebensgestaltung schenken sollen. Wenden Sie einzelne Aspekte in der Praxis an, auch wenn Sie zunächst meinen, das eine oder andere bereits zu kennen. Zwischen „kennen“, „meinen zu kennen“ und „handeln“ bzw. „Praxis“ besteht bekanntlich ein himmelweiter Unterschied!
5. Die einzelnen Zusammenfassungen der Abschnitte geben Ihnen einen Überblick über die zentralen Inhalte. Sie dienen der wiederholenden und vertiefenden Wahrnehmung, damit das, was Sie aufnehmen und behalten wollen, auch Ihr Eigentum wird.
6. Schreiben Sie jeweils zum Abschluss der einzelnen Abschnitte drei Punkte auf, die Ihnen für Ihre persönliche Weiterentwicklung wichtig und bedeutsam erscheinen. Auf diese Weise halten Sie im Hauptteil des Fachbuchs insgesamt 30 zentrale Ergebnisse fest, die für die Entwicklung Ihres Selbstkonzepts hilfreich sind. Es sind Ihre Diamanten! Arbeiten Sie das Buch auf die beschriebene Weise durch, und seien Sie dabei so konkret und vor allem aufrichtig wie möglich, dann werden Sie belohnt: Sie gewinnen mehr Wissen, mehr Handlungsfähigkeit und mehr Lebenserkenntnis. So erfahren Sie mehr Selbst- und Sozialkompetenz, was Ihnen - Sie gestatten mir diesen nicht unwichtigen Hinweis - die nicht unerheblichen Kosten für Supervision oder Coaching erspart.
Einleitung
Der deutsche Fachbuchmarkt wird von Motivations- und Erfolgsbüchern überschwemmt – ein untrügliches Zeichen dafür, dass der Mensch externe Unterstützung will und braucht für eine positive, aufbauende und erfolgreiche private und berufliche Lebensgestaltung. Dieser Trend verwundert nicht, wenn wir unsere gesellschaftliche und ökonomische Lage näher betrachten: Die Wirtschaft kriselt, der Konjunkturmotor stottert, und die mittlerweile täglichen Medienberichte über Entlassungen und zusätzliche Einsparungen bzw. finanzielle Belastungen betreffen landauf, landab längst unseren Nachbarn um die Ecke, wenn nicht uns selbst. Der Druck auf die Familien, ArbeitnehmerInnen und Menschen ohne Arbeit bzw. ohne Einkommen wächst unaufhörlich. Uns schlagen der eisige Wind und die Kälte des globalen Markts, des Wettbewerbs und des Konkurrenzdrucks entgegen. Wir haben es mit dem Wandel unserer Gesellschaft zu tun, der flankiert und forciert wird von einem rasanten technischen Fortschritt, einer Zunahme des Wissens, dem Auseinanderbrechen von Familien, der Ausländer-, Gewalt- und Suchtproblematik inmitten unserer Spaß- und Eventkultur – ein besorgniserregender Prozess, der zu einer zunehmenden Verunsicherung und Orientierungslosigkeit der Menschen führt. In dieser misslichen Situation erreichen uns nun die Versprechungen und Verheißungen zu mehr Motivation und Lebensglück. Häufig lautet die zentrale Botschaft: „Du musst nur wollen!“
Das vorliegende Handbuch für die (Kindergarten-)Praxis folgt nicht diesem Mainstream und verkürzten Ansatz der „Fast-Food-Verheißungen“. Dieser Fachbeitrag wird von der Erkenntnis geleitet, dass Motivation nur von innen heraus entwickelt und entfaltet werden kann. Es gibt kein Rezept für erfolgreiches Handeln, das Ihnen Glückseligkeit und ein Vorankommen im privaten und beruflichen Bereich garantieren kann. Mein Fachbeitrag ist ganzheitlich konzipiert und geht ausführlich auf die vier zentralen Lebensbereiche Familie/Partnerschaft, Beruf/Arbeitsmarkt, Körper/Gesundheit und Freizeit/Sinnfragen ein. Er soll Ihnen, liebe/r LeserIn, den Zugang zu sich selbst eröffnen sowie die individuelle und kollektive Auseinandersetzung mit Praxisfragen in der Elementarpädagogik ermöglichen.
Während der aufmerksamen Lektüre und Erarbeitung der Themenbereiche führen Sie einen permanenten inneren Dialog, der Sie durchweg auffordert, nach wirksamen und erfolgreichen Veränderungsmöglichkeiten zu fahnden, die nur von Ihnen selbst ausgehen können. Sinnbildlich können wir von einem „Persönlichkeits-TÜV“ und einem „beruflichen TÜV“ sprechen, die dem Prinzip folgen: IST – SOLL – WEG. Zunächst wird Ihr aktueller Status berücksichtigt, Sie werden also genau da abgeholt, wo Sie sich momentan befinden. Diese Informationen bilden die Grundlage für die Entwicklung Ihrer Vision, Ziele und Strategie; der Weg schließlich bezeichnet die konkrete Umsetzung Ihrer Vorstellungen in die Praxis.
Spätestens nach der Veröffentlichung der PISA-Studie ist uns allen klar geworden, dass sich die „Qualität“ in den Kindergärten und Schulen einschneidend verbessern muss, um den Erfordernissen unserer Gesellschaft gerecht bleiben zu können. ErzieherInnen, LehrerInnen und Eltern sind in dieser Situation häufig überfordert und stehen dem Dilemma mehr oder weniger hilflos gegenüber. Aufgrund dieser Situation hat die Volkshochschule Bad Segeberg 2004 eine umfassende Umfrage an 2.650 Kindergärten durchgeführt und ist dabei den folgenden zentralen Fragestellungen konkret nachgegangen:
•Wie beurteilen die MitarbeiterInnen die aktuelle Lage im unmittelbaren Arbeitsbereich?
•Welche konkreten Probleme erkennen sie in ihrer beruflichen Praxis?
•Welche Einstellung haben sie zu der Wahrnehmung ihrer Aufgaben?
Die Ergebnisse der Umfrage bestätigen die einhellige Meinung der ErzieherInnen, dass die Anforderungen im elementarpädagogischen Bereich gestiegen seien und sich die MitarbeiterInnen bezüglich der neuen und gar zusätzlichen Aufgaben überfordert fühlten. Die Stresssituationen nehmen zu, die internen und externen Probleme und Konflikte verschärfen sich. Vor diesem Hintergrund wünschen und fordern die Kindergarten-MitarbeiterInnen mehr Weiterbildungsmaßnahmen, vor allem Unterstützung durch strukturierte Supervisionen und Coachings.
Zur Bewältigung des Veränderungsdrucks wird die vertiefende Behandlung der untenstehenden Themenbereiche, die der Dringlichkeit nach aufgeführt sind, erwartet. Wobei die Themen die aktuelle Problemsituation unserer Kindergärten offenbaren:
1. Oualitätsentwicklung, -verfahren und -sicherung
2. Sprachentwicklungsförderung der Kinder
3. Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern
4. Konzeptionsentwicklung
5. Zielvereinbarungen
6. Elternarbeit
7. Zeitgemäße Mitarbeiterführung
8. Bildung im Kindergarten
9. Teamentwicklung und Teamarbeit
10. Konfliktmanagement
11. Ausländerintegration
12. Kindergarten-Management
13. Umgang mit den neuen Medien
Die Untersuchung gelangt schließlich zu dem folgenden Gesamtergebnis: Wir haben es gegenwärtig mit einem „Veränderungsstau“ in unseren deutschen Kindergärten zu tun, der vornehmlich mit den Finanzen und der immer schwierigeren Haushaltslage in Verbindung gebracht wird. Wir haben es außerdem mit einer „Handlungslethargie“ und einem „Bewegungsstau“ zu tun, der für die missliche Lage externe Faktoren verantwortlich macht, damit aber die institutionelle und individuelle Überforderung, strukturell bedingte sowie persönliche Kompetenzdefizite und nicht zuletzt mangelndes Selbstbewusstsein meint. Auf den Punkt gebracht: Die ökonomische Krise geht tendenziell in eine allgemeine Selbstvertrauenskrise über, wobei diese in unseren Kindergärten längst angekommen zu sein scheint.
Vor diesem Hintergrund unternehme ich mit meinem Beitrag den Versuch, Wege aus der Krise oder aus dem „Überforderungsdilemma“ aufzuzeigen, die den allgemeinen Veränderungsdruck und den Wandel nicht allein materiellen und strukturellen Defiziten überantworten, sondern die persönliche Verhaltensänderung und Neujustierung als eine wirksame Handlungsalternative für eine erfolgreiche pädagogische Kindergarten-Praxis (an-)erkennen. Wir gestehen uns ein: Jede Veränderung vollzieht sich zuerst immer bei der Person selbst. Hierfür ist allerdings ein klares Bild der (persönlichen) Veränderung und des Persönlichkeitsprofils erforderlich, das vor allem die Fach- und Sachkompetenz miteinbezieht.
Für die konkrete und praxisbezogene Lösung der gewachsenen Aufgaben und Anforderungen habe ich das M-O-P-S-Baukastensystem entwickelt. Die Bezeichnung „M-O-P-S“ entstand in diesem Zusammenhang eher zufällig, doch ist sie sehr eingängig für die zentralen Kompetenzbereiche, auf die es im Leben ankommt. M-O-P-S steht für
Motivation - Orientierung - Praxis – Strategie
Im folgenden Kapitel stelle ich Ihnen die wichtigsten Motivationsmodelle und Motivationstheorien kurz dar. Dabei wird sowohl Ihre persönliche als auch Ihre berufliche Situation ausdrücklich einbezogen, sodass Sie gleich zu Beginn des grundlegenden Themas einen unmittelbaren und mittelbaren Praxisbezug finden werden. Das ist die Grundlage für das dritte Kapitel, in dem die Strategien der Motivation dargestellt werden; diese bilden das Herzstück des Handbuchs.
Zehn strukturierte Abschnitte sollen Ihnen wichtige Impulse für Ihr persönliches Lebensverständnis geben und beziehen auch hier die Kindergarten-Praxis ausdrücklich ein. Mit der konsequenten Bearbeitung der zehn Strategien leiten Sie Ihren Klärungs- und Veränderungsprozess ein. Das vierte Kapitel schließlich befasst sich mit dem Thema „Self-Coaching“. Hier sollen Sie eine Vereinbarung mit sich selbst treffen. Es handelt sich dabei um Ihre individuelle Lösung sowie Strategie- und Selbstkonzeptentwicklung. Dazu gebe ich Ihnen zahlreiche Anregungen und vertiefende Einblicke in die einzelnen Themenfelder. In diesem Zusammenhang haben die ausgewählten Zitate und Texte eine besondere Bedeutung: Sie sind substanziell, bringen zum großen Teil komplexe Sachverhalte auf den Punkt und sind nicht nur sehr einprägsam, sondern pflanzen sich tief in unsere Herzen ein.
Für die Bearbeitung des Handbuchs wünsche ich Ihnen viel Erfolg und persönlichen Gewinn. Sie werden gelassener, glücklicher und souveräner!
Motivation und Erfolg
Grundlagen der Motivation
Der Begriff „Motivation“ heißt übersetzt „in Bewegung setzen“; er stammt vom Lateinischen „movere“ („bewegen“) ab. Die Bedeutung von Motivation ist allerdings komplexer, vielfältiger, als nur sich oder etwas in Bewegung zu setzen. Motivation fragt danach, was menschliches Verhalten auslöst; fragt nach dem „Warum“. Motivation kann aus zwei Richtungen betrachtet werden, zum einen in Bezug auf eine Person (z. B. den/die MitarbeiterIn), zum anderen in Bezug auf die Situation, in der eine Person handelt (nach Heckhausen 1989). Unsere Auseinandersetzung mit Motivation geht grundsätzlich der Begründung unseres Verhaltens nach und sucht eine Antwort darauf, was uns antreibt, bewegt, in eine bestimmte Richtung zieht und warum wir uns so und nicht anders verhalten. In diesem Prozess machen wir uns die Einflussgrößen menschlichen Verhaltens bewusst:
•Merkmale der Persönlichkeit und des Temperaments;
•Merkmale der Verhaltensprägung, die zu einem erheblichen Teil in der Kindheit, Schule und Ausbildung angelegt sind;
•Privates und soziales Umfeld, etwa Familie, Partnerschaft, Verwandtschaft, Freunde, Bekannte, Gruppen (Vereine usw.);
•Sexualität;
•Beruf, z. B. Aufgabenwahrnehmung, Teameinbindung und Teamverhalten, Unternehmens-, Führungs- und Leistungskultur;
•Gesellschaft und Ökonomie, z. B. Werte, Normen, Medien, Werbung, Orientierung an Vorbildern und Trends;
•Soziale und materielle Situation, z. B. Arbeitslosigkeit, Armut, finanzieller Druck;
•Gesundheit, Entspannung und Fitness;
•Sinngebung, z. B. Daseinsfragen, Religion, Philosophie.
Vor diesem Hintergrund versuchen wir, die Auslöser unseres Verhaltens genauer auszuloten, und stoßen dabei auf Bedürfnisse, die eine Empfindung eines bestimmten Mangels bezeichnen. Entsteht hierbei die Bereitschaft, den empfundenen Mangel zu beheben, sprechen wir von einem Motiv, das im Unterschied zu dem Bedürfnis eine Zielperspektive besitzt.
Beispiel: Hunger kennzeichnet eine allgemeine Mangelempfindung, also ein Bedürfnis. In Verbindung mit der Bereitschaft, den Hunger zu stillen, etwa mit einem Mittagessen, entsteht ein Motiv.
Motive sind in uns allen vorhanden; sie werden durch Anreize aktiviert, die eine „schlummernde“ Verhaltensbereitschaft wecken. Wir sprechen von Motivation, wenn diese Verhaltensbereitschaft aktiviert wird mit dem Ziel der Bedürfnisbefriedigung.
Beispiel: Eine Plakatwerbung kann das Motiv aktivieren, ins Theater zu gehen; Theaterbesucher, die durch das Plakat tatsächlich zum Theaterbesuch bewogen werden, sind motiviert.
Die Verhaltensbereitschaft ist abhängig von der Motivationsstruktur des Menschen. Sie ist individuell geprägt (vgl. hierzu die o. a. Einflussgrößen menschlichen Verhaltens) und wirkt zusammen mit der Wertehaltung und der Einstellung, die wiederum vom Anspruchsniveau abhängig sind. Die Art, Intensität und Häufigkeit der Bedürfnisbefriedigung haben Einfluss auf unsere Verhaltensbereitschaft. Motive können in diesem Zusammenhang neu aktiviert werden, sodass wir zu einem Kreislauf kommen können, der am Beispiel von Hunger und Durst als Mangelempfindung mit der Befriedigung Sattheit hervorruft. Wonach nach einiger Zeit erneut das Bedürfnis nach Essen und Trinken entsteht. W. H. Staehle (1991) hat diesen Zusammenhang an einem einfachen Motivationsmodell veranschaulicht:
Zusammengefasst sind Motiv und Motivation die Begründung für ein bestimmtes Verhalten, wobei ein isoliert betrachteter Beweggrund das Motiv meint und die Motivation das komplexe Zusammenspiel vielfältiger Beweggründe konkreten Verhaltens kennzeichnet. Motivation ist also der Zustand des Motiviertseins und stellt die Gesamtheit aller in einer Handlung wirksamen Motive dar, die unser Verhalten aktivieren und beeinflussen. Wir verstehen darunter die Bereitschaft, in einer konkreten Situation eine bestimmte Handlung mit einer bestimmten Intensität und Dauerhaftigkeit zu realisieren.
Abschließend unterscheiden wir zwei Formen von Motivation: intrinsische und extrinsische Motivation. Bei der intrinsischen Motivation geschieht die Handlung „aus sich heraus“, die etwa von Neugier, Interesse oder Spaß hergeleitet ist. Die extrinsische Motivation ist von außen beeinflusst oder an äußere Impulse geknüpft, etwa Lob, positive Kritik begründen das Verhalten; eine Nicht-Ausführung der Handlung ist z. B. an einen Tadel oder an eine negative Kritik geknüpft. Die intrinsische Motivation setzt sich infolgedessen zusammen aus dem Sachinteresse (Neugier), dem Anreiz (positives Gefühl) und der Erfolgserwartung. Die extrinsische Motivation besteht lediglich aus der positiven oder negativen Verstärkung (Belohnung oder Zwang). Der Management-Trainer Prof. Sprenger unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen Motivation im Sinne der Eigensteuerung, die also intrinsisch angelegt ist, und der Motivierung im Sinne der Fremdsteuerung, womit das absichtsvolle Handeln eines Vorgesetzten oder das Funktionieren von Anreizsystemen gemeint ist (Sprenger 2002).
Beispiele von Motiven und Antriebsmuster
Die Autoren Dr. Merkli, Prof. Paschen und Prof. Börkircher betrachten in ihrer Veröffentlichung zur Personalführung Motivhaltung und Erwartung und stellen hierzu fest: „Der Motivationsprozess wird nicht ausschließlich über erkennbare Motivinhalte und Anreize gesteuert. Oft bleiben die eigentlichen Motive verborgen. Offene oder verborgen vorhandene Motive wirken dann handlungsauslösend, wenn ein bestimmtes Verhalten als für die Bedürfnisbefriedigung geeignet betrachtet wird. Zudem wird beim Entscheid, etwas zu tun, immer auch die Wahrscheinlichkeit beurteilt, das gesteckte Ziel tatsächlich zu erreichen.“ Hierbei kommt dem Bewusstmachen von offenen und verborgenen Motiven eine zentrale Bedeutung zu, die ich zum einen anhand meiner Auswahl konkreter Motivklassifikationen und zum anderen anhand der von dem amerikanischen Psychologen Reiss erforschten Anreiz- und Motivsysteme verdeutlichen möchte:
Auswahl von Motivklassifikationen
An diesen Motivbeispielen oder Klassifikationen wird die Problematik deutlich, dass nicht eindeutig feststeht, ob letztlich Triebe oder Anreize verantwortlich für das Handeln sind. Prinzipiell sind Motive von außen in irgendeiner Form stimuliert und in jedem Menschen vorhanden. Die Ausprägung der Motivklassifikationen ist von Mensch zu Mensch verschieden und kann als Persönlichkeitsmerkmal betrachtet werden, das über eine bestimmte Lebenszeit weitgehend stabil ist bzw. sein kann.
Aufschlussreich sind auch die Untersuchungsergebnisse des amerikanischen Psychologen Steven Reiss, der im Jahr 2000 im Rahmen einer Befragung von insgesamt 6.000 Personen die menschlichen Antriebskräfte näher untersucht und die Ergebnisse 2001 veröffentlicht hat. Er fand 16 Lebensmotive, die angeboren sind, das menschliche Verhalten bestimmen und um ihrer selbst willen ausgeführt werden sollen. Jeder Mensch entwickelt demnach ein individuelles Antriebskräfte- und Motivationsprofil, durch das er sich von anderen unterscheidet. Das heißt, zusammen bilden diese Antriebskräfte und Motive gleichsam das Profil unserer Persönlichkeit, an dem wir unser Leben ausrichten:
•Macht: Streben nach Erfolg, Leistung, Führung und Einfluss;
•Unabhängigkeit: Streben nach Freiheit, Selbstgenügsamkeit und Autarkie;
•Neugier: Streben nach Wissen und Wahrheit;
•Anerkennung: Streben nach sozialer Akzeptanz, Zugehörigkeit und positivem Selbstwert;
•Ordnung: Streben nach Stabilität, Klarheit und guter Organisation;
•Sparen: Streben nach Anhäufung materieller Güter und Eigentum;
•Ehre: Streben nach Loyalität und moralischer, charakterlicher Integrität;
•Idealismus: Streben nach sozialer Gerechtigkeit und Fairness;
•Beziehungen: Streben nach Freundschaft, Freude und Humor;
•Familie: Streben nach Familienleben und besonders danach, eigene Kinder zu erziehen;
•Status: Streben nach Social Standing (Reichtum, Titel und öffentliche Aufmerksamkeit);
•Rache: Streben nach Konkurrenz, Kampf, Aggressivität und Vergeltung;
•Romantik: Streben nach einem erotischen Leben, Sexualität und Schönheit;
•Ernährung: Streben nach Essen und Nahrung;
•Körperliche Aktivität: Streben nach Fitness und Bewegung;
•Ruhe: Streben nach Entspannung und emotionaler Sicherheit.