2001 ziehen die USA in den Krieg. Gegen Bin Laden, gegen Hussein und vor allem gegen den eigenen Bedeutungsverlust.
Heute ist Saddam tot, Osama auch, doch die einzige Supermacht ist schwächer als je zuvor. In Wir erschossen auch Hunde erzählt Phil Klay von den jungen Männern, die in diesem Krieg den höchsten Preis zahlen mussten. Es sind knallharte Erzählungen von Häuserkämpfen in Falludscha, aussichtslosen Hilfsmissionen in Afghanistan und dem Heimkehren in ein fremdgewordenes Land. Ein Land, das bei all dem Hintergrundrauschen aus Konsum und Entertainment kein Interesse am Leiden seiner Soldaten hat. Denn ihre traumatischen Erfahrungen beweisen nur die grenzenlose Ohnmacht und lassen etwas erahnen, was noch vor wenigen Jahren unvorstellbar schien: »America is broken, man.«
Phil Klay geboren 1983, diente von Januar 2007 bis Februar 2008 als US-Marine in der irakischen Provinz Al-Anbar. Nach dem Einsatz machte er einen Abschluss zum Master of Fine Arts und arbeitete als Assistent bei Richard Ford. Seine Beiträge erscheinen in zahlreichen Zeitschriften und Magazinen, unter anderem der New York Times.
Hannes Meyer geboren 1982, lebt und arbeitet als freier Übersetzer in Wuppertal. Er übersetzte unter anderem Bücher von Dana Spiotta, Cathi Unsworth und Christopher Brookmyre.
WIR ERSCHOSSEN AUCH HUNDE
Stories
Aus dem amerikanischen Englisch
von Hannes Meyer
Suhrkamp
Die Originalausgabe erschien 2014 unter dem Titel Redeployment bei The Penguin Press, New York.
eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2014
Der vorliegende Text folgt der 1. Auflage der Ausgabe des suhrkamp taschenbuchs 4543.
© Suhrkamp Verlag Berlin 2014
Copyright © 2014 by Phil Klay
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Umschlagfoto: Richard T. Nowitz/Corbis
Umschlaggestaltung: Herburg Weiland, München
eISBN eISBN 978-3-518-73972-3
www.suhrkamp.de
Für meine Eltern,
deren drei Söhne sich in Kriegszeiten
zum Militär meldeten.
Truppenverlegung
Frago
Einsatzbericht
Leichen
OIF
Geld als Waffensystem
In Vietnam hatten sie Nutten
Gebet im Feuerofen
Psychologische Kriegsführung
Kriegsgeschichten
Außer bei einem Lungendurchschuss
Zehn Kliks südlich
Danksagung
Glossar
Wir erschossen Hunde. Nicht nebenbei, sondern gezielt. Das nannten wir »Operation Scooby«. Ich mag Hunde, also musste ich viel darüber nachdenken.
Beim ersten Mal passierte es instinktiv. O’Leary sagt: »Mann!«, und ich sehe einen dürren, braunen Hund, der Blut aufleckt wie Wasser aus einem Napf. Es war zwar kein amerikanisches Blut, aber da steht der Hund und leckt es auf. Das ist wohl der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt, und von da an sind Hunde Freiwild.
In dem Moment denkt man nicht darüber nach. Da überlegt man, wer in dem Haus ist, was für Waffen er hat, wie er dich und deine Freunde umbringen will. Man geht Block für Block vor, mit einem Gewehr, das bis fünfhundertfünfzig Meter präzise ist, erschießt aber Leute auf fünf in kleinen Betonkästen.
Gedacht wird später, wenn sie einem Zeit dazu geben. Man kommt nämlich nicht direkt aus dem Krieg zurück in die Jacksonville Mall. Als unser Einsatz vorbei war, haben sie uns nach TQ geschickt, das ist so ein Logistikstützpunkt draußen in der Wüste. Da sollten wir uns ein bisschen entspannen. Keine Ahnung, was die damit meinten. Entspannen. Wir verstanden darunter wichsen in der Dusche. Rauchen und Karten spielen. Dann haben sie uns nach Kuwait geflogen und dort in eine Passagiermaschine nach Hause einsteigen lassen.
Da sitzt man dann. Gerade war man noch mitten im Krieg, und jetzt lehnt man sich in einem Plüschsessel zurück, schaut sich die kleine Düse der Klimaanlage an und denkt, Scheiße, was ist hier eigentlich los? Wie jeder andere hat man ein Gewehr zwischen den Knien. Ein paar Marines haben auch M9-Pistolen, aber das Bajonett haben sie einem abgenommen, weil Messer an Bord verboten sind. Alle sind frisch geduscht, sehen aber trotzdem schmutzig und hager aus. Alle starren ausdruckslos vor sich hin, und die Tarnklamotten sind verschlissen. Und man sitzt da, schließt die Augen und denkt nach.
Bloß kommen die Gedanken nicht ordentlich einer nach dem anderen. Man denkt nicht, ach, ich hab A gemacht, dann B, dann C, dann D. Man will sich an zu Hause erinnern, aber plötzlich ist man im Folterhaus. Man sieht die Leichenteile im Schrank und den Verrückten im Käfig. Der hat gegackert wie ein Huhn. Sein Kopf war auf Kokosnuss-Größe zusammengeschrumpft. Es dauert ein bisschen, bis man sich an Docs Erklärung erinnert, dass sie dem Quecksilber in den Schädel gespritzt haben, aber deshalb versteht man es noch lange nicht.
Man sieht das, was man vor Augen hatte, als man fast gestorben ist. Den kaputten Fernseher und die Leiche von dem Hadschi. Eicholtz voller Blut. Den Lieutenant am Funkgerät.
Man sieht das kleine Mädchen, die Fotos, die Curtis in dem Schreibtisch gefunden hat. Auf dem ersten ein süßes, irakisches Kind, vielleicht sieben oder acht, barfuß und in einem schönen, weißen Kleid wie zur Erstkommunion. Auf dem nächsten hat sie ein rotes Kleid an, High Heels und dickes Make-up. Auf dem danach dasselbe Kleid, aber das Gesicht verschmiert, und sie hält sich eine Pistole an den Kopf.
Ich wollte an andere Sachen denken, an meine Frau Cheryl. Sie hat blasse Haut und feine, dunkle Härchen auf den Armen. Die sind ihr peinlich, dabei sind sie ganz weich. Zart.
Aber als ich an Cheryl denke, bekomme ich ein schlechtes Gewissen, und ich erinnere mich an Lance Corporal Hernandez, Corporal Smith und Eicholtz. Wir waren wie Brüder, Eicholtz und ich. Einmal haben wir einem Marine das Leben gerettet. Ein paar Wochen danach klettert Eicholtz über eine Mauer. Ein Aufständischer taucht in einem Fenster auf und schießt ihm in den Rücken, als er halb drüber ist.
Darüber denke ich also nach. Und ich sehe den Verrückten, das Mädchen und die Mauer, auf der Eicholtz gestorben ist. Aber hauptsächlich denke ich die ganze Zeit über die verdammten Hunde nach.
Und ich denke an meinen Hund. Vicar. An das Tierheim, aus dem wir ihn geholt haben. Daran, wie Cheryl sagte, wir müssten einen alten Hund nehmen, weil sonst keiner einen alten nimmt. Daran, dass wir ihm nie etwas beibringen konnten. Dass er immer Sachen ausgekotzt hat, die er nie hätte fressen sollen. Dass er sich dann immer ganz schuldbewusst geduckt und mit hängendem Schwanz und gesenktem Kopf verdrückt hat. Dass sein Fell grau wurde, als wir ihn zwei Jahre hatten, und die weißen Haare im Gesicht wie ein Schnurrbart aussahen.
Das war’s dann also. Den ganzen Flug nach Hause Vicar und Operation Scooby.
Vielleicht ist man wirklich darauf vorbereitet, Menschen zu töten, keine Ahnung. Man übt mit menschlichen Silhouetten, also kann man das. Klar hatten wir auch welche, die sie »Hundeziele« nennen. Zielform Delta. Bloß sehen die überhaupt nicht wie Hunde aus.
Menschen töten ist aber auch nicht einfach. Nach dem Boot Camp tun Marines immer so, als würden sie Rambo spielen gehen, aber die Sache ist todernst und hochprofessionell. Meistens. Wir haben diesen einen Aufständischen gefunden, bei dem das Todesrasseln eingesetzt hatte, er hatte Schaum vorm Mund und hat gezittert, nichts zu machen, okay? Hatte eine 7.62er in die Brust und eine in den Beckengürtel abgekriegt; in ein paar Sekunden wäre Schluss gewesen, aber der XO geht hin, zieht sein KA-BAR und schlitzt ihm die Kehle durch. Sagt: »Tut gut, einen mit dem Messer zu töten.« Die Marines schauen sich an: »Was war das denn?« Das hatten sie vom XO nicht erwartet. So einen Scheiß zieht vielleicht grad mal ein PFC ab.
Daran musste ich auf dem Flug auch denken.
Total komisch. Da sitzt man mit dem Gewehr in den Händen, aber keine Munition weit und breit. Dann landet man zum Tanken in Irland. Dichter Nebel, also draußen nichts zu sehen, aber wir sind ja in Irland, also gibt’s hier Bier. Und der Flugkapitän, ein verdammter Zivilist, liest so einen Schrieb vor, dass wir offiziell noch im Dienst sind und die entsprechenden Vorschriften gelten, bis wir in den Staaten landen. Also kein Alkohol.
Aber unser CO sprang auf und sagte: »Das macht ungefähr so viel Sinn wie ein verdammter Footballschläger. Okay, Marines, ihr habt drei Stunden. Hab gehört, hier gibt’s Guinness.« Oo-rah!, Scheiße noch mal. Corporal Weissert bestellte sich fünf Bier auf einmal und ließ sie alle vor sich aufstellen. Eine Weile trank er nicht mal, sondern schaute sie nur an und lächelte selig. O’Leary sagte: »Du grinst ja wie ’ne Schwuchtel im Pimmelbaum.« Das ist so ein Ausbilder-Spruch, auf den Curtis total steht. Also lacht er los und sagt: »Kranker Baum, Alter«, und wir alle brüllen los und sind einfach froh, dass wir uns in Ruhe besaufen können.
Wir drehten bald ziemlich durch. Die meisten von uns hatten zehn Kilo abgenommen und seit sieben Monaten keinen Tropfen Alkohol angerührt. MacManigan, Second Award PFC, torkelte mit offenem Hosenstall und heraushängenden Eiern durch die Bar und ermahnte andere Marines: »Glotz mir nicht auf die Eier, du Schwuchtel!« Lance Corporal Slaughter hielt keine halbe Stunde durch, bevor er aufs Klo kotzen ging, wobei ihm Corporal Craig, der nüchterne Mormone, beistand, während Lance Corporal Greeley, der besoffene Mormone, in der nächsten Kabine kotzte. Sogar der Company Gunnery Sergeant gab sich die Kante.
Es war toll. Wir stiegen wieder ins Flugzeug und fielen ins Koma. Und wachten in Amerika auf.
Bloß als wir in Cherry Point landeten, war niemand dort. Es war stockdunkel und kalt, und die Hälfte von uns hatte den ersten Kater seit Monaten, ein beschissenes Gefühl, das sich jetzt verdammt gut anfühlte. Wir stiegen aus dem Flugzeug, und der Flugplatz war groß und leer, nichts als sechs Leute vom Nachschub und ein paar Siebentonner. Keine Familien.
Der Company Gunnery Sergeant erklärte, die würden in Lejeune auf uns warten. Je schneller wir die Ausrüstung auf den Lastwagen verstauen, desto schneller sehen wir sie wieder.
Roger. Wir teilten Arbeitsgruppen ein und warfen unsere Rucksäcke und Seesäcke auf die Siebentonner. Bei der körperlichen Arbeit wurde uns in der Kälte warm, und wir schwitzten ein bisschen vom Alkohol aus.
Dann fuhren sie ein paar Busse vor, und wir zwängten uns alle hinein. Wo man hinschaute eine M16, die sonst wohin zeigte, Mündungsdisziplin im Arsch, aber egal.
Von Cherry Point nach Lejeune ist es eine Stunde. Am Anfang durch den Wald. Da sieht man im Dunkeln nichts. Auf dem Highway 24 auch nicht viel mehr. Läden, die noch nicht auf haben. Leuchtreklamen vor den Tankstellen und Bars. Ich wusste so ungefähr, wo ich war, aber es kam mir nicht vor wie zu Hause. Zu Hause würde ich wohl sein, wenn ich meine Frau küsste und meinen Hund streichelte.
Wir kamen durch das Seitentor auf das Gelände von Camp Lejeune. Von da dauert es zehn Minuten zu unserem Bataillonsbereich. Eine Viertelstunde, so wie dieser Idiot fährt, dachte ich. Am McHugh Boulevard wurde dann jeder ein bisschen nervös. Dann bogen wir in die A Street ein, da liegt der Bataillonsbereich, und ich sah unser Kompaniegebäude und dachte, jetzt ist es so weit. Aber dann blieben wir gut vierhundert Meter davor stehen. Direkt vor der Waffenkammer. Ich hätte zu den Familien runterlaufen können. Ich konnte sehen, dass sie hinter einem der Kompaniegebäude Lampen aufgebaut hatten. Und überall parkten Autos. Ich konnte die Menschenmenge sogar hören. Die Familien waren da. Aber wir stellten uns jeder in die Reihe und dachten daran, wie nah sie waren. Ich dachte an Cheryl und Vicar. Und wir warteten.
Als ich am Fenster ankam und mein Gewehr abgab, fehlte mir sofort etwas. Seit Monaten war ich zum ersten Mal davon getrennt. Ich wusste nicht wohin mit den Händen. Erst steckte ich sie in die Taschen, dann verschränkte ich die Arme, und schließlich ließ ich sie nutzlos herabhängen.
Als alle Gewehre abgegeben waren, ließ der First Sergeant uns in einer perfekten Paradeformation antreten. Vorne flatterte sogar eine verdammte Standarte, und wir marschierten die A Street entlang. Als wir am ersten Kompaniegebäude ankamen, fingen die Leute an zu jubeln. Ich sah sie erst, als wir um die Ecke kamen, und da standen sie, eine Wand von Leuten, die unter den aufgebauten Scheinwerfern Schilder hochhielten. Die Strahler waren grell und zeigten direkt auf uns, also konnten wir in der Menge kaum jemanden erkennen. An der Seite standen Picknick-Tische, und ein Marine in Woodland-Tarn grillte Bratwürstchen. Außerdem gab es da eine Hüpfburg. Eine beschissene Hüpfburg.
Wir marschierten weiter. Ein paar andere Marines in Woodland-Tarn hielten die Angehörigen in einer Linie zurück, und wir marschierten weiter, bis wir direkt vor der Menge standen. Dann gab First Sergeant das Kommando zum Anhalten.
Ich sah mehrere Fernsehkameras. Außerdem viele US-Flaggen. Vorne in der Mitte stand der ganze MacManigan-Clan und hielt ein Banner mit der Aufschrift: OO-RAH PRIVATE FIRST CLASS MACMANIGAN. WIR SIND STOLZ AUF DICH.
Ich suchte die Menge ab. Aus Kuwait hatte ich Cheryl kurz angerufen, nur »Hey, mir geht’s gut«, und »Ja, innerhalb von achtundvierzig Stunden, frag beim FRO nach, der weiß, wann du da sein musst.« Sie hatte gesagt, dass sie kommen würde, aber am Telefon war es komisch gewesen. Ich hatte ihre Stimme lange nicht gehört.
Dann sah ich Eicholtz’ Vater. Er trug auch ein Schild. Darauf stand: WILLKOMMEN ZU HAUSE HELDEN DER BRAVO COMPANY. Ich sah ihn an und erinnerte mich noch von unserer Verabschiedung an ihn. Und dann ließen sie uns los. Und die Menge auch.
Ich blieb stehen, während die Marines um mich herum, Curtis und O’Leary und MacManigan und Craig und Weissert, auf die Menge zu rannten. Und auch die Menge lief los. Eicholtz’ Dad lief los.
Er schüttelte jedem Marine die Hand, an dem er vorbeikam. Ich glaube nicht, dass ihn viele von den anderen erkannten, und mir war klar, dass ich ihm etwas sagen sollte, aber ich ließ es. Ich wich ihm aus. Ich sah mich nach meiner Frau um. Und entdeckte meinen Namen auf einem Schild: SGT PRICE. Aber der Rest verdeckt, und ich konnte nicht sehen, wer es hielt. Ich ging darauf zu, weg von Eicholtz’ Vater, der gerade Curtis drückte, und dann las ich das Schild ganz: SGT PRICE, JETZT WO DU ZU HAUSE BIST, HAST DU AUCH WIEDER EIN PAAR DINGE ZU BESORGEN: 1. BESORG’S MIR 2. SIEHE 1.
Und da stand Cheryl mit dem Schild in der Hand.
Sie trug Tarnshorts und ein Tank Top, obwohl es so kalt war. Die hatte sie wohl für mich angezogen. Sie war dünner, als ich sie in Erinnerung hatte. Trug auch mehr Make-up. Ich war nervös und müde, und sie sah ein bisschen anders aus. Aber sie war es.
Um uns herum waren Familien, lächelnde Gesichter und ausgelaugte Marines. Ich ging auf sie zu, und als sie mich sah, strahlte sie. So hatte mich lange keine Frau mehr angelacht. Ich küsste sie. Ich nahm an, dass das von mir erwartet wurde. Aber es war schon zu lange her, und wir waren beide zu nervös, also fühlte es sich an, als würden nur Lippen an Lippen gedrückt, keine Ahnung. Sie lehnte sich zurück, sah mich an, legte mir die Hände auf die Schultern und fing an zu weinen. Sie rieb sich die Augen, umarmte mich und zog mich an sich.
Ihr Körper war weich und schmiegte sich perfekt an meinen. Den ganzen Einsatz über hatte ich auf dem Boden oder auf Feldbetten geschlafen. Ich hatte eine Panzerweste getragen und mein Gewehr umgehängt. Etwas wie sie hatte ich sieben Monate lang nicht gespürt. Es war fast, als hätte ich vergessen, wie sie sich anfühlt, oder es nie wirklich gewusst, und jetzt fühlte ich etwas, vor dessen Farbe alles andere schwarz-weiß verblasste. Dann ließ sie mich los, und ich nahm sie an der Hand, wir holten meine Sachen und gingen.
Sie fragte, ob ich fahren wolle, aber sicher, also setzte ich mich ans Steuer. Auch das war lange her. Ich legte den Rückwärtsgang ein, setzte zurück und fuhr los. Am liebsten hätte ich irgendwo im Dunkeln geparkt und es mir mit ihr auf dem Rücksitz gemütlich gemacht wie in der Highschool. Aber ich fuhr vom Parkplatz und den McHugh Boulevard entlang. Das war ganz anders als vorhin mit dem Bus. Jetzt war es wirklich Lejeune. Mein alter Weg zur Arbeit. Und es war stockdunkel. Und still.
Cheryl fragte: »Wie geht’s dir?«, was heißen sollte: Wie war es da? Bist du jetzt verrückt?
»Gut. Alles okay«, sagte ich.
Dann war es wieder still, und wir bogen in den Holcomb Boulevard ein. Ich war froh, dass ich am Steuer saß. Darauf konnte ich mich konzentrieren. Die Straße entlangfahren, das Lenkrad einschlagen, eine andere Straße entlangfahren. Schritt für Schritt. So überstehet man alles.
Sie sagte: »Ich bin so froh, dass du wieder da bist.«
Dann sagte sie: »Ich liebe dich.«
Und dann: »Ich bin stolz auf dich.«
Ich sagte: »Ich liebe dich auch.«
Als wir zu Hause waren, öffnete sie mir die Tür. Ich wusste gar nicht, wo ich meine Hausschlüssel hatte. Vicar begrüßte mich nicht an der Tür. Ich ging hinein und schaute mich um, und da lag er auf dem Sofa. Als er mich sah, stand er langsam auf.
Sein Fell war noch grauer geworden, und er hatte komische Fettklumpen an den Beinen, diese kleinen Tumore, die Labradore irgendwann bekommen. Vicar hatte die jetzt überall. Er wedelte. Er stieg ganz vorsichtig vom Sofa, als hätte er Schmerzen. Und Cheryl sagte: »Er kennt dich noch.«
»Warum ist er so mager?«, fragte ich, bückte mich und kraulte ihn hinter den Ohren.
»Der Tierarzt sagt, wir müssen auf sein Gewicht achten. Außerdem behält er in letzter Zeit nicht mehr viel bei sich.«
Cheryl zog mich am Arm. Weg von Vicar. Ich gab nach.
Sie sagte: »Ist es nicht schön, wieder zu Hause zu sein?«
Ihre Stimme bebte, als wäre sie sich unsicher, was ich antworten würde. »Doch, ja, sehr schön«, erwiderte ich. Sie küsste mich heftig. Ich packte sie, hob sie hoch und trug sie nach oben ins Schlafzimmer. Ich grinste breit, aber es half nichts. Sie sah aus, als hätte sie Angst vor mir. Die Ehefrauen hatten wohl alle ein bisschen Angst.
Das war meine Heimkehr. War in Ordnung, würde ich sagen. Es fühlt sich an wie der erste Atemzug, nachdem man fast ertrunken wäre: Gut, auch wenn es wehtut.
Ich kann mich nicht beschweren. Cheryl kam gut damit klar. In Jacksonville hatte ich die Frau von Lance Corporal Curtis gesehen. Als er wiederkam, hatte sie schon seinen gesamten Einsatzzuschlag ausgegeben und war im fünften Monat schwanger. Das ist für einen Marine, der nach sieben Monaten wiederkommt, nicht schwanger genug.
Corporal Weisserts Frau war überhaupt nicht mehr da, als er wiederkam. Er hatte gelacht, sie habe sich die Zeit wohl falsch gemerkt, und O’Leary fuhr ihn nach Hause. Als sie ankamen, war die Bude leer. Nicht nur menschenleer, sondern ganz leer: keine Möbel, keine Bilder, nichts. Weissert schaute sich die Scheiße an, schüttelte den Kopf und lachte los. Dann gingen sie Whiskey kaufen und gaben sich dort im leeren Haus die Kante.
Weissert soff sich in den Schlaf, und als er aufwachte, saß MacManigan neben ihm. Und ausgerechnet MacManigan sorgte dafür, dass er geduscht und umgezogen pünktlich in der Kaserne bei dem Kurs war, wo man sich anhören muss, dass man sich nicht umbringen und seine Frau nicht verprügeln soll. Und Weissert meinte: »Ich kann meine Frau ja gar nicht verprügeln. Hab ja keine Ahnung, wo zum Teufel sie ist.«
Das Wochenende gaben sie uns frei, und ich übernahm für Freitag den Weissert-Dienst. Er befand sich gerade mitten in einer dreitägigen Sauftour, und ich durchlebte mit ihm eine Freak Show voller Whiskey und Lapdance. Ich kam erst um vier nach Hause, als ich ihn bei Slaughter im Kasernenzimmer abgeliefert hatte, und Cheryl wachte auf. Sie sagte aber kein Wort. Ich dachte, sie wäre sauer, und so sah sie auch aus, aber als ich ins Bett kam, rollte sie rüber und drückte mich kurz, obwohl ich nach Alkohol stank.
Slaughter übergab Weissert an Addis, Addis an Greely und so weiter. Wir hielten ihn das ganze Wochenende unter Beobachtung, bis wir uns sicher waren, dass er okay war.
Wenn ich nicht bei Weissert und dem Rest der Gruppe war, saß ich mit Vicar auf dem Sofa und sah mir die Baseball-Spiele an, die Cheryl mir aufgenommen hatte. Manchmal redete ich mit Cheryl über ihre sieben Monate, über die Frauen, die zu Hause geblieben waren, über ihre Familie, ihren Job, ihren Chef. Manchmal stellte sie mir auch kurze Fragen. Manchmal antwortete ich darauf. Und so froh ich auch war, wieder in den Staaten zu sein, und obwohl ich die vergangenen sieben Monate gehasst hatte und mich nur meine Kameraden und der Gedanke an die Heimkehr da durchgebracht hatten, wollte ich irgendwie doch wieder zurück. Scheiß auf das alles hier.
Die nächste Woche Dienst war nichts als Quatsch und halbe Tage. Arzttermine, bei denen auf Verletzungen geprüft wurde, die man verschwiegen oder einfach runtergeschluckt hatte. Zahnarzttermine. Verwaltungskram. Und jeden Abend saßen Vicar und ich auf dem Sofa, schauten Fernsehen und warteten darauf, dass Cheryl von ihrer Schicht im Texas Roadhouse nach Hause kam.
Vicar schlief mit dem Kopf auf meinem Schoß und wachte immer kurz auf, wenn ich ihm ein Stückchen Salami gab. Der Tierarzt hatte gesagt, das sei schlecht für ihn, aber ich wollte ihn ein bisschen verwöhnen. Wenn ich ihn streichelte, kam ich immer wieder an einen der Tumore, und das tat bestimmt weh. Er sah aus, als würde ihm jede Bewegung Schmerzen bereiten, ob er wedelte oder fraß. Ging. Sich hinsetzte. Und wenn er kotzte, was jeden zweiten Tag passierte, würgte er zwanzig Sekunden lang, als würde er ersticken, bevor etwas kam. Das Geräusch machte mir wirklich zu schaffen. Dass ich den Teppich putzen musste, störte mich nicht.
Und dann kam Cheryl immer nach Hause, sah uns an, schüttelte den Kopf, lächelte und sagte: »Na, ihr müden Krieger.«
Ich wollte Vicar bei mir haben, aber ich konnte ihn nicht ansehen. Deshalb hab ich mich an dem Wochenende wohl von Cheryl aus dem Haus schleifen lassen. Wir sind mit meinem Einsatzzuschlag einkaufen gegangen. So zeigt’s Amerika den Terroristen.
Also das hier ist mal eine Erfahrung: Deine Frau fährt mit dir zum Einkaufen nach Wilmington. Als du das letzte Mal eine Straße in der Stadt entlangspaziert bist, ging der Marine an der Spitze ganz am Rand und beobachtete die Dächer gegenüber. Der Marine dahinter behält die Fenster im Obergeschoss im Auge, der dahinter die Fenster darunter und so weiter bis unten auf die Straße, und der letzte sichert nach hinten. In einer Stadt können sie dich aus tausend Ecken erwischen. Das macht dich anfangs ganz verrückt. Aber dann gehst du vor wie gelernt, und es funktioniert.
In Wilmington hast du kein Squad, keinen Partner, nicht mal eine Waffe. Du erschrickst zehnmal, weil du merkst, dass sie nicht da ist. Du bist hier sicher, also müsstest du auf Aufmerksamkeitsstufe Weiß sein, bist du aber nicht.
Stattdessen stehst du bei American Eagle Outfitters. Deine Frau gibt dir Klamotten zum Anprobieren, und du gehst in die enge Umkleide. Du schließt die Tür und willst sie nicht mehr aufmachen.
Draußen vor dem Fenster laufen die Leute vorbei, als wäre nichts. Leute, die keine Ahnung haben, wo Falludscha ist, wo drei Angehörige deines Platoons gestorben sind. Leute, die ihr ganzes Leben auf Weiß verbracht haben.
Die kommen in ihrem ganzen Leben nicht mal in die Nähe von Orange. Tut man auch nicht vor dem ersten Feuergefecht oder bevor die erste IED explodiert und man kapiert, dass sich alle mit ihrem Leben darauf verlassen, dass man keinen Mist baut. Und umgekehrt.
Manche gehen direkt auf Rot. Da bleiben sie eine Zeit lang, und dann stürzen sie ab, weit tiefer als bis Weiß, tiefer als »scheiß drauf, dann sterb ich eben«. Die meisten anderen bleiben die ganze Zeit auf Orange.
Orange sieht so aus: Man sieht und hört anders als vorher. Die Hirnchemie verändert sich. Man nimmt jedes Detail seiner Umgebung wahr, jedes einzelne. Ich konnte eine Zehn-Cent-Münze in zwanzig Metern Entfernung finden. Meine Antennen sondierten den ganzen Block. Ich kann gar nicht mehr genau sagen, wie sich das angefühlt hat. Ich glaube, man nimmt mehr Informationen auf, als man speichern kann, also vergisst man alles schnell wieder, um Platz für den nächsten Augenblick zu machen, den man überleben muss. Den vergisst man dann auch wieder, und man konzentriert sich auf den nächsten. Und dann wieder auf den nächsten. Und den nächsten. Sieben Monate lang.
Das ist also Orange. Und dann geht man unbewaffnet in Wilmington einkaufen und meint, man kommt einfach so wieder auf Weiß runter? Das dauert ewig.
Am Ende war ich voll auf Adrenalin. Cheryl ließ mich nicht fahren. Ich hätte wohl ununterbrochen Vollgas gegeben. Zu Hause sahen wir, dass Vicar wieder gekotzt hatte, direkt vor die Tür. Ich ging ihn suchen, und er stand auf wackligen Beinen auf dem Sofa. »Verdammt noch mal, Cheryl, es ist wirklich Zeit«, sagte ich.
»Meinst du, das weiß ich nicht?«, erwiderte sie.
Ich schaute Vicar an.
»Ich fahr morgen mit ihm zum Tierarzt«, sagte sie.
»Nein«, widersprach ich.
Sie schüttelte den Kopf. »Ich mach das schon.«
»Du meinst, du zahlst so einem Arschloch hundert Dollar, damit er meinen Hund umbringt?«
Sie schwieg.
»So läuft das nicht. Das muss ich selbst machen.«
Ich kam nicht damit klar, wie sie mich ansah. So sanft. Ich starrte aus dem Fenster ins Leere.
»Soll ich mitkommen?«, fragte sie.
»Nein. Nein.«
»Okay«, sagte sie. »Auch wenn es besser wäre.«
Sie ging zu Vicar, beugte sich zu ihm hinunter und umarmte ihn. Die Haare fielen ihr ins Gesicht, und ich konnte nicht erkennen, ob sie weinte. Dann stand sie auf, ging ins Schlafzimmer und schloss hinter sich sanft die Tür.
Ich setzte mich aufs Sofa, kraulte Vicar hinter den Ohren und überlegte mir einen Plan.
Keinen guten, aber doch einen Plan. Manchmal reicht das.
Bei uns in der Nähe gibt es einen Feldweg an einem Bach, wo das Licht bei Sonnenuntergang durch die Bäume scheint. Ist schön da. Da bin ich früher manchmal laufen gegangen. Das kam mir wie ein guter Platz vor.
Die Fahrt war nicht lang. Wir kamen genau bei Sonnenuntergang an. Ich parkte neben dem Weg, stieg aus, nahm mein Gewehr aus dem Kofferraum und hängte es mir über die Schulter. Dann öffnete ich die Beifahrertür, nahm Vicar auf den Arm und trug ihn unten an den Bach. Er war schwer und warm und leckte mir müde und langsam das Gesicht wie ein Hund, der sein Leben lang glücklich gewesen war. Als ich ihn abgesetzt hatte und einen Schritt zurückgetreten war, schaute er zu mir hoch. Er wedelte. Und ich erstarrte.
Nur ein einziges Mal habe ich ähnlich gezögert. Gegen Mitte meiner Zeit in Falludscha hatte sich ein Aufständischer an uns herangeschlichen. Als wir den Alarm auslösten, verschwand er. Wir suchten panisch alles ab, bis Curtis schließlich in einer Zisterne nachsah, die als Jauchegrube verwendet wurde, ein großer, runder Tank also, ein Viertel voll mit flüssiger Scheiße.
Darin schwamm der Aufständische, versteckte sich unter der Oberfläche und tauchte nur kurz zum Luftholen auf. Wie ein Fisch, der nach einer Fliege auf dem Wasser schnappt. Sein Mund kam kurz hoch, atmete ein, schloss sich wieder und verschwand. Ich konnte es nicht fassen. Von oben war der Gestank schon schlimm genug. Vier oder fünf Marines zielten senkrecht nach unten und feuerten in die Scheiße. Nur ich nicht.
Ich starrte Vicar an, und es ging mir genauso. Ich hatte das Gefühl, in mir geht etwas kaputt, wenn ich es tue. Dann dachte ich daran, wie Cheryl Vicar zum Tierarzt bringen würde, zu irgendeinem Fremden, der meinen Hund anfasst, und da war mir wieder klar, dass ich es tun musste.
Ich hatte keine Schrotflinte, sondern eine AR-15. Das ist quasi die gleiche Waffe wie die M16, an der ich ausgebildet wurde. Ich weiß, wie man es richtig macht. Wie man richtig zielt, wie man richtig den Abzug drückt, wie man atmet. Man fokussiert auf das Visier. Das Ziel muss unscharf werden.
Ich fokussierte erst auf Vicar, dann auf das Visier. Vicar wurde zu einem unscharfen Grau. Ich entsicherte die Waffe. Drei Schüsse muss man abgeben. Nicht einfach den Abzug drücken und fertig. Man muss es schon richtig machen. Zwei jagt man in den Torso. Und den dritten sauber gezielt in den Kopf.
Die ersten beiden müssen schnell aufeinander folgen, das ist wichtig. Der Körper besteht hauptsächlich aus Wasser, also trifft einen die Kugel wie ein Stein, der in einen Teich fällt. Wellen entstehen. Wenn man kurz danach einen zweiten Stein wirft, wird das Wasser zwischen den beiden unruhig. Genau das passiert auch im Körper, vor allem bei zwei 5.56er-Geschossen, die einen mit Überschallgeschwindigkeit treffen. Diese Wellen können Organe zerfetzen.
Wenn ich dir irgendwo neben das Herz schieße, ein Schuss … dann irgendwann der nächste, dann hast du Lungenrisse in beiden Flügeln und zwei blubbernde Wunden in der Brust. Jetzt bist du hin. Aber du erlebst noch mit, wie sich deine Lunge mit Blut füllt.
Aber wenn die beiden Treffer direkt aufeinanderfolgen, hast du das Problem nicht. Dann zerfetzen die Wellen dir das Herz und die Lunge, und du machst das Todesröcheln nicht mehr mit, sondern stirbst einfach. Schock ohne Schmerz.
Ich drückte ab, spürte den Rückstoß und konzentrierte mich auf das Visier, nicht auf Vicar. Drei Mal. Zwei Kugeln jagten ihm durch die Brust und eine durch den Schädel. So schnell nacheinander, dass er nichts spüren konnte. So geht das, jeder Schuss direkt nach dem letzten, damit man sich zwischendurch nicht fangen kann, denn dann tut es weh.
Ich blieb eine Weile so stehen und starrte das Visier an. Vicar war ein grau-schwarzes Etwas. Es wurde langsam dunkel. Ich wusste nicht mehr, was ich mit der Leiche vorhatte.
Der LT sagt, Das verdammte Haus stürmen. Roger. Wir gehen das verdammte Haus stürmen.
Ich lasse meine Männer sammeln und zeichne eine Lageskizze in den Sand. Bei der Besprechung habe ich Tabak im Mund, und wenn ich ausspucke, verdunstet es, bevor es auf den Boden kommt.
HUMINT sagt, Der Laden ist eine IED-Fabrik voller fieser Hadschis, von denen einer auf der Fahndungsliste ziemlich weit oben steht. Laut SALUTE-Meldung befindet sich dort ein Element von Fire-Team-Stärke, das mit AKs, RPKs, RPGs und vielleicht einer Dragunow ausgerüstet ist.
Ich schicke das 2. Fire Team voran. Das ist das Team von Corporal Sweet, und der ist ein verdammter Superstar. Sweets MG-Schütze ist PFC Dyer, und der ist aufgeregt, weil er noch Jungfrau ist und heute vielleicht zum ersten Mal einen erschießen kann. Dyer ist neunzehn, so ein Baby-Marine, und hat bisher im Corps nichts als Papier vernichtet.
Das 1. Fire Team teile ich als Unterstützung ein. Das von Corporal Moore. Moore ist etwas übereifrig und will mit seinem Fire Team immer als Erstes reingehen, als wäre das eine beschissene Trophäe. Ein bisschen weniger Oo-rah würde ihm guttun, aber er weiß, was er macht.
Das 3. Fire Team teile ich als Reserve ein, wie fast immer. Es wird von Malrosio geführt, und der ist dümmer als Fabio Lanzoni nach zwei Flaschen Schlafmittel. Die schieben bisher eine ziemlich ruhige Kugel, weil ich seinem Team nichts allzu Kompliziertes zumuten will. Manchmal hat man’s gut, wenn man von einem Idioten geführt wird.
Als wir am Haus ankommen, riegeln die anderen Squads die Umgebung ab, wir laufen die Straße entlang und gehen durch die Hintertür. M870 mit Türöffner-Munition. Wumm, und wir sind drin.
Hinter der Tür ist die Küche. Rechts, frei. Links, frei. Oben, frei. Hinten, frei. Küche, frei. Wir rollen durch, kein Stocken, einfach durchrollen. Langsam heißt geschmeidig. Geschmeidig heißt schnell. Corporal Sweets Fire Team stürmt Häuser wie Wasser, das durch einen Bach fließt.
Im nächsten Raum geht AK-Feuer los, sobald wir durch die Tür kommen, aber wir sind die besseren Schützen. Das Resultat: zwei Hadschis mit tödlichen Verletzungen, auf unserer Seite gar keine, just another day in paradise. Bloß führt Corporal Sweet das 2. Fire Team ins Schlafzimmer, wo ein Hadschi aufspringt, blind drauflos feuert und mit viel Glück Corporal Sweet erwischt. Zwei Kugeln werden von seiner SAPI-Platte gestoppt, aber eine durchschlägt seinen Sackschutz und geht in den Oberschenkel. PFC Dyer kommt gleich hinter Sweet als zweiter Mann durch die Tür und jagt dem Hadschi einen Feuerstoß 5.56er ins Gesicht. Wir sichern das Schlafzimmer, rufen den Sani und Dyer hockt sich zu Sweet und stopft ihm die Wunde aus. Sie blutet hellrot, vielleicht ist die Arterie getroffen.
Wir gehen weiter. Das 1. Fire Team übernimmt, und Doc P ist jetzt bei Dyer und Corporal Sweet und, ach, der Hadschi atmet noch, Doc schickt also Dyer, dem Hadschi die Kopfverletzung verbinden, die vier lebensrettenden Maßnahmen einleiten: Atmung wiederherstellen, Blutung stillen, Wunde verbinden, Schock behandeln. Ich melde mich über IISR beim Lieutenant, CASEVAC rufen.
Wir gehen weiter. Schlafzimmer, frei. Klo, frei. Speisekammer, frei. Was auch immer der Raum hier sein soll, frei. Erdgeschoss, frei.
Der LT meldet sich und sagt, Sie haben einen CH-46 in der Luft, der Sweet das Leben retten soll. Er will den Zustand wissen, also werfe ich Doc P einen Blick zu, WIA oder KIA? Kritisch, sagt Doc, kein Witz. Das leite ich dem LT weiter, als wir uns vor der Kellertür aufstellen.
Wir werfen eine Blendgranate runter, und als sie hochgeht, laufen wir hinterher. Drei Personen da unten. Ein al-Qaida, aber den hat die Blendgranate voll erwischt, und er hat keine Waffe in der Hand. Er sieht gerade mal aus wie siebzehn, hat eindeutig Angst, und als wir ihn fesseln und die ganze Kriegsgefangenen-Scheiße durchgehen, pisst er sich in die Hose. Das passiert manchmal.
Von den anderen beiden geht keine Gefahr aus, ein Polizist und einer von der 1st Iraqi Army Division. Sind beide vor einer Kamera auf einem Stativ an Stühle gefesselt. Beide grün und blau geprügelt und auf dem Boden eine anständige Blutlache.
Corporal Moore sieht die Kamera und die beiden Folteropfer. Ganz leise sagt er, Whiskey Tango Foxtrot. Aber wir wissen alle, was das hier ist. Lance Corporal McKeown schaut die Kamera an und sagt, Al-Qaida macht aber beschissene Pornos, und Moore sieht den Gefangenen an, der gefesselt und mit verbundenen Augen auf dem Bauch liegt, und sagt, Du Dreckschwein, Hurensohn, miese Ratte. Moore geht einen Schritt auf ihn zu, aber ich halte ihn auf.
Das 1. Fire Team macht die beiden los und leitet Erste-Hilfe-Maßnahmen ein. Die al-Qaidas haben sie mit Draht an die Stühle gefesselt, also kriegt man sie kaum frei, ohne ihnen noch mehr Fleisch abzureißen. Mit ihren Füßen stimmt auch etwas nicht. Bringt die beiden zu Doc ins Erdgeschoss, sage ich. Das Haus ist jetzt sauber, die ganze Sache hat keine zwei Minuten gedauert, lief also ziemlich gut, bis auf das mit Sweet, und das ist echt zum Kotzen. Unterleibsverletzungen sind immer ein Albtraum.
Im Keller gibt es ein Waffenlager, die übliche Scheiße, AKs und RPKs, improvisierte Sprengsätze, RPGs, ein paar rostige 122mm-Artilleriegranaten. Die überlasse ich Moore und gehe nach Sweet schauen.
Oben hat Doc schon das QuikClot-Pulver rausgeholt und auf die Wunde geschüttet. Ein schlechtes Zeichen, und das Zeug brennt wie sonst was, aber Sweet ringt sich ein Grinsen ab. Er zeigt mir Daumen hoch, schaut zu Doc runter und sagt, Hey Doc, willst du mir vielleicht einen blasen, wenn du schon da unten bist? Doc schaut nicht hoch.
PFC Dyer versorgt das Gesicht des verwundeten Hadschi. Er hat sein eigenes IFAK aufgerissen und die Mullbinden für den Hadschi rausgeholt. Das soll man eigentlich nicht. Dein IFAK ist nur für dich.
Dem Hadschi geht’s schlecht. Sieht aus, als ob der halbe Kiefer fehlt. Am anderen Ende des Raums liegen Bart- und Hautfetzen. Dyer übt großen Druck auf den Verband aus, um die Blutung zu stoppen, und ich sehe, dass er diesen Blick hat. Also schnappe ich mir Corporal Weber und sage ihm, er soll Dyer ablösen.
Der CH-46 landet keine zehn Minuten später. In der Zwischenzeit hat Sweet mit den Witzen aufgehört und redet das übliche Zeug, was man redet, wenn es einen richtig erwischt hat. Ich sage ihm, dass wir ihn nicht sterben lassen. Keine Ahnung, ob das gelogen ist.
Wir bringen Sweet, den Hadschi, den Polizisten und den irakischen Soldaten nach draußen, verladen sie, und sie fliegen ab Richtung TQ. Ich versichere dem Squad, dass Sweet gute Chancen hat. Wenn man bei der Ankunft im Lazarett noch einen Puls hat, kommt man wahrscheinlich auch mit einem wieder raus.
Als der CASEVAC weg ist, warten wir. Ich gebe dem LT meinen SITREP. Er leitet ihn nach oben weiter, und dann heißt es, der CO sagt, Bravo Zulu, was auch immer das heißen soll.
Ich sehe nach, ob die Umgebung weiter gesichert wird, und schaue, dass keiner zusammengeklappt ist. Ich bin’s auf jeden Fall nicht. Normalerweise klingt nach so einer Mission das Adrenalin ab, und ich will mich nur noch irgendwo zusammenrollen und schlafen. Aber nicht, solange wir nichts von Sweet wissen.
Die Männer haben ihre Posten bezogen. Malrosios Team hält Wache, Gott steh uns bei. Sweets Team geht’s nicht gut.
Dyer steht an einem der Fenster des Wohnzimmers, aber er ist nicht ganz bei der Sache. Nicht einsatzbereit. Zum einen steht er zu nah dran. Zum anderen lässt er den Blick nicht mal schweifen. Wahrscheinlich könnte ein Aufständischer ihn bei den Eiern packen, bevor er es merkt. Außerdem ist er voller Blut, das von Sweet und von dem Hadschi wahrscheinlich. Eine Wunde ausstopfen ist keine schöne Sache. Seine Ärmel sind triefnass.
Ich rufe ihn herüber. Im Wohnzimmer liegen zwei Leichen, also übertrage ich kurz Moore die Verantwortung, gehe mit Dyer in die Küche und sage: Ausziehen!
Er glotzt mich an.
Du musst aus den Klamotten raus, sage ich.
Er zieht sich aus, und ich mich auch. Ich sehe das riesige Superman-S, das er sich vor dem Einsatz hat auf die Brust tätowieren lassen. Darüber machen immer alle Witze, aber ich sage nichts. Ich gebe ihm meinen Overall. Ich lege meine Schutzausrüstung wieder an, rolle Dyers Overall zusammen und klemme ihn mir unter den Arm und gehe nur in Stiefeln, Schutzweste, Shorts und Kevlarhelm zurück ins Wohnzimmer. Meine Arme und Beine haben lange keine Sonne mehr gesehen und sind blass wie Vogelscheiße. Moore sieht mich und grinst. McKeown sieht Moore und kann sich auch nicht mehr zurückhalten. Leckt mich, ich bin sexy, sage ich.
Der LT steht mit dem Doc in einer Ecke. Er sieht meine nackten Beine, die unten aus der Schutzweste herauskommen, grinst nicht und sagt, Zum Glück hast du heute Morgen Shorts angezogen.
Ich sage, Hey Doc, was ist das für eine Scheiße?, und nicke zur Kellertür.
Doc schüttelt den Kopf. Sind ziemlich fies vermöbelt worden, sagt er. Wahrscheinlich mit Schläuchen. Überall am Körper Risswunden, vor allem an den Fußsohlen. Und die haben ihnen einen Bohrer durch die Knöchel gejagt, die beiden laufen ihr Leben lang nicht mehr richtig. Sind aber nicht in Lebensgefahr.
Der LT sagt, Sie wollten die beiden filmen.
Doc sagt, Sie haben die beiden vor die Kamera gesetzt: »Jetzt sterbt ihr, Kuffār«, und dann gemerkt, dass sie keinen Film mehr haben.
Der LT sagt, Da draußen sind noch zwei von denen. Die, die sie für den Film losgeschickt haben. Sehen wir wahrscheinlich nie wieder, aber halten Sie die Augen offen. Vielleicht ist einer so dumm und versucht etwas.
Sir, wollen wir es hoffen, sage ich.
Ich will den Marines Bescheid sagen, aber der LT legt mir eine Hand auf die Schulter und fragt leise, Sergeant, haben Sie so was schon mal gesehen?
Manchmal vergesse ich, dass das sein erster Einsatz ist. Ich zucke die Schultern. Das Adrenalin ist jetzt abgeklungen, und ich bin todmüde. Genau so etwas nicht, sage ich, aber überrascht hat es mich nicht unbedingt. Immerhin waren es keine Kinder.
Der LT nickt.
Sir, sage ich, Sie dürfen nicht darüber nachdenken, bevor wir nicht wieder in den Staaten sind.
Okay, sagt er. Er schaut nach draußen auf die Straße und fügt hinzu, Die EOD-Jungs kommen gleich wegen dem Waffenlager. Wir sollen die Finger davon lassen.
Ich spiele nicht mit Bomben, Sir, sage ich.
Sobald die fertig sind, gehen wir nach Sweet schauen, erklärt er. Der ist in TQ.
Ist er okay?, frage ich.
Wird schon, erwidert er.
Ich gehe nach meinen Männern sehen. Die von der Kampfmittelbeseitigung sind bald da, das Team von Staff Sergeant Cody. Cody ist ein bodenständiger Kerl aus Tennessee, und er zeigt auf meine nackten Beine und zieht ein breites Country-Grinsen.
Wenn du die Hadschis ordentlich gefickt hast, sollst du die Hose doch wieder anziehen.
Während sein Team das mit den UXO regelt, regle ich das mit Dyers Overall. Moore holt mir Benzin aus dem Keller, und wir zünden den Overall an. Die Teile sollen feuerfest sein, deshalb tragen wir sie ja, aber der Lappen fackelt trotzdem ab.
Während ich in die Flammen schaue, frage ich Moore, Wolltest du den Hadschi da unten zusammentreten?
Hätte er verdient gehabt, sagt er.
Darum geht’s nicht. Wenn deine Marines sehen, dass dich das hier krank macht, dann fangen sie an, darüber nachzudenken, wie krank das hier alles ist. Und dafür haben wir keine Zeit. Morgen ist gleich unsere nächste Patrouille.
Der LT kommt mit einem neuen Overall zu mir. Ziehen Sie sich an, sagt er. Wir fahren direkt nach TQ. Sweet ist stabilisiert, aber sie fliegen ihn bald nach Deutschland. Der Polizist und der von der Armee sind auch stabil. Der Hadschi hat’s nicht gepackt.
Ich nehme den Overall und sage zu Moore, Sag dem Squad Bescheid, dass Sweet okay ist, aber kein Wort über den toten Hadschi.
Ich gehe mich in der Küche umziehen, und danach sind die EOD-Jungs auch schon fertig, also fahren wir los.
Auf der Fahrt nach TQ sagt McKeown, Hey, immerhin haben wir den beiden da unten das Leben gerettet, und ich sage, Ja, Scheiße, das 2. Squad, der Retter in der Not.
Aber ich sehe die Augen der beiden vor mir. Ich glaube nicht, dass die gerettet werden wollten. Wenn al-Qaida dich schon vor die Videokamera gezerrt hat? Und nachdem du verprügelt und gefoltert und mit der Bohrmaschine verkrüppelt worden bist, denkst du dir doch, na endlich. Hoffentlich fällt der Kopf beim ersten Schlag. Das würde ich mir dann wünschen. Aber nein. Nichts da, Arschloch. Kein Film. Also sitzt du mit wahnsinnigen Schmerzen da und wartest, wer weiß, wie lang, auf den Tod. Hier gibt’s ja nicht gerade einen Wal-Mart um die Ecke.
Ich habe keine Freudentränen gesehen, als wir mit dem M4 in der Hand durch die Tür gestürmt sind. Das waren tote Männer. Dann haben wir ihnen Schmerzmittel verpasst, sie mit dem CASEVAC rausgeflogen, und sie mussten weiterleben.
Kurz denke ich, wir sollten uns heute Abend mit dem ganzen Squad in Ruhe zusammensetzen. Uns mit Listerine besaufen und mit der Scheiße hier klarkommen. Aber das will ich eigentlich nicht, wenn ich es nicht unbedingt muss, und Sweet lebt noch. Heute ist ein guter Tag. Den Mist muss ich mir für einen schlechten aufheben.
Wir fahren nach TQ rein, eine riesige FOB voller US- und verbündeter Streitkräfte. Vor dem Tor sichern und entladen wir unsere Waffen. Die FOBs sind ziemlich sicher. Und wimmeln von Mitarbeitern ziviler Firmen.
Die Straßenschilder zum Krankenhaus sehen genauso aus wie in den USA, ein blaues Quadrat mit einem weißen H in der Mitte. Hier fahren Marines in Tarnklamotten und ohne Schutzausrüstung zivile Fahrzeuge wie in jeder Kaserne zu Hause. Das Lazarett von TQ ist genau in der Mitte der Kaserne neben dem Dunklen Turm, wie die von der Logistik die Kommandozentrale nennen. Die Straße führt uns in einem Bogen langsam näher heran. Ich war schon mal hier.
Wir schweigen die ganze Zeit, bis McKeown sagt, Sergeant, das war wirklich krank da.
Aber jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt für so ein Gespräch, also sage ich, Stimmt, dermaßen viel Blut hab ich nicht gesehen, seit ich deine Mum gevögelt hab, als sie ihre Tage hatte. Dann lachen alle und machen Witze, und die schlechte Stimmung verzieht sich wieder.
Wir steigen aus den Humvees und gehen in der richtigen Laune zur Chirurgie.
Sweet ist wach, hängt aber an einem Tropf mit hartem Zeug.
Mir geht’s gut, sagt er, ich hab mein Bein noch.
Während Sweet operiert wurde, war ein anderer Marine reingekommen, und bei ihm war es nicht so gut gelaufen. Na ja, wir haben heute Glück gehabt.
Aber während wir mit Sweet herumalbern, schnappt Dyer sich einen Arzt, der vorbeikommt, und fragt ihn, wie es dem Hadschi geht, dem er eine in den Kopf gejagt hat. Ich versuche, dem Arzt mit einem Blick zu signalisieren, dass er nichts vom toten Hadschi sagen soll, mache mir aber unnötig Sorgen. Der Arzt sagt, Keine Ahnung, welchen Sie angeschossen haben. Außerdem werden die al-Qaida-Leute sofort in ein Hochsicherheitskrankenhaus ausgeflogen, sobald wir sie stabilisiert haben. Gerade sind aber keine hier.
Dann bleibt Dyer abseits stehen. Er hat immer noch meinen Overall an und schwitzt ihn voll. Ich lege ihm die Hand auf die Schulter und sage, Sie haben heute was Anständiges geleistet, PFC. Sie haben den Kerl ausgeschaltet, der Sweet angeschossen hat.
Auf der Station nebenan sind der Polizist und der von der Armee, die wir gerettet haben. Ich gehe über den Flur und schaue bei ihnen rein. Da liegen sie, kaputt, vollgepumpt, außer Gefecht. Im Krankenhaus ist es schön, kein Blut und Dreck wie in dem Keller, aber die beiden sehen auch frisch gewaschen nicht mehr aus wie Menschen. Ich muss mich erst wieder fangen. Ich rufe das Squad nicht herüber; das hier müssen meine Männer nicht sehen.
Danach haben wir hier eigentlich nichts mehr zu tun, als zur DFAC zu gehen. Wir sind auf einer FOB, das heißt, hier können wir mal was Anständiges zwischen die Zähne kriegen. Das haben meine Männer sich verdient. Wahrscheinlich brauchen sie es auch. Überhaupt sagen alle, hier in TQ gibt’s die beste Küche von ganz Anbar, und bald sind wir wieder auf dem COP.
Die DFAC ist einen guten Kilometer weit weg. Ein riesiges, weißes, scheunenartiges Gebäude, mindestens zweihundert Meter lang und hundert breit, umgeben von einem Drei-Meter-Zaun mit NATO-Draht. Wir zeigen den ugandischen Wachen unsere Ausweise und gehen durchs Tor. Drinnen kommt man zuerst an die Waschbecken, damit man nicht mit schmutzigen Händen isst, und dann an einen ewig langen Cafeteria-Tresen, wo einem das KBR-Personal alles Mögliche serviert. Ich habe eigentlich keinen Hunger, hole mir aber ein Prime-Rib-Steak mit Meerrettichsauce.
Wir setzen uns an einen langen Tisch. Die DFAC ist ziemlich voll, hier essen wohl gerade gut tausend Leute, und wir sitzen zwischen Ugandern und Marines und Navy-Leuten vom BOS.
Mir gegenüber sitzt PFC Dyer. Viel isst er nicht. Neben mir haut ein Navy-Lieutenant-Commander vom BOS richtig rein. Als er sieht, dass wir nicht gerade die normalen Schreibtischtypen von der FOB sind, spricht er mich an. Ich sage ihm nicht, warum wir hier sind, sondern erzähle nur ein bisschen über unseren COP, und dass es guttut, endlich mal etwas anderes zu essen als den abgepackten Fertigkram und die rote Pampe mit Reis der Iraker. Er sagt, Ihr habt Glück. Heute habt ihr einen guten Tag erwischt. Sonntag. Sonntags gibt’s Cobbler. Und er zeigt auf einen Tisch ganz hinten, wo man Cobbler mit Eis bekommen kann.
Also scheiß drauf, wir stehen alle auf, Cobbler holen, als wir fertig sind. Nur Dyer nicht. Er meint, er hat keinen Hunger, aber ich sage, Eric, du stehst jetzt verdammt noch mal auf und holst dir deinen Cobbler. Und dann gehen wir los.
Die KBR-Leute haben verschiedene Sorten aufgetischt. Kirsch-Cobbler. Apfel-Cobbler. Pfirsich.
Der Lieutenant Commander sagt, Kirsch ist der beste. Roger. Ich nehm Kirsch. Dyer nimmt Kirsch. Wir nehmen alle verdammt noch mal Kirsch.
Wir gehen wieder an unseren Tisch, und mir gegenüber sitzt Dyer und starrt das Eis an, das in seinen Cobbler schmilzt. So geht’s nicht. Ich drücke ihm den Löffel in die Hand. Die einfachen Sachen sind wichtig.