Willi Hoffsümmer (Hg.)
Die 100 schönsten Weihnachtsgeschichten
Zum Vorlesen in Familie, Kindergarten, Schule und Gemeinde
Titel der Originalausgabe: Die 100 schönsten Weihnachtsgeschichten
Zum Vorlesen in Familie, Kindergarten, Schule und Gemeinde
© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2008, 2012
ISBN 978 - 3-451 - 32000-2
© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2014
Alle Rechte vorbehalten
www.herder.de
Umschlagkonzeption: Groothuis, Lohfert, Consorten | glcons.de
Umschlaggestaltung: Finken & Bumiller
Umschlagmotiv: K. Michels
E-Book-Konvertierung: epublius GmbH, Berlin
ISBN (E-Book): 978 - 3-451 - 80295-9
ISBN (Buch): 978 - 3-451 - 32000-2
I. Geschichten für 3- bis 7-Jährige
1. Das Haus der Varenka
2. Das schwarze Schaf
3. Der alte Baum war doch zu etwas nütze
4. Die Tiere feiern Advent
5. Der kleine Stern
6. Der winzig kleine weiße Stern
7. Drei kleine Sterne
8. Wie Ochs und Esel an die Krippe kamen
9. Eine Wintergeschichte
10. Die Geschichte vom Weihnachtslicht
11. Storchenlegende
12. Ein kleiner Engel machte sich große Sorgen
13. Asinello und der König der Welt
14. Der störrische Esel und die süße Distel
15. Der Weihnachtszug
16. Der Tanz des Räubers Horrificus
17. Der Tölpel
18. Zwiegespräch an der Krippe
19. Von der Flöte mit den sieben Tönen
20. Der übermütige Komet
II. Geschichten für Grundschüler/-innen
21. Nikolaus und der Kaufmann
22. Dinis Weihnachtswunsch
23. Zu etwas nütze sein
24. Mit Geschenken unsere Liebe zeigen
25. Das Gesicht im Spiegel
26. Der Straßenkehrer und das Engelshaar
27. Die Bekehrung des Wilderers Jan
28. Schuster Konrad
29. Das Hirtenlied
30. Ochs und Esel
31. Ochs und Esel bei dem Kind
32. Der uralte Hirte von Betlehem
33. Vom Wolf, der die Krippe sehen wollte. Weihnachtslegende
34. Räuber Rinaldo erinnert sich
35. Schenk mir Hände!
36. Das Christkind an den Bahnschienen
37. Lauter Wünsche an das Christkind
38. Ein etwas seltsames Weihnachtsevangelium
39. Das Niklas-Schiff
40. Weihnacht in der Rue Bonaparte
41. Der verlorene Engel
42. Rauch verhüllt die Sterne von Kalkutta
43. Der unsichtbare Ring
44. Hannas schönstes Weihnachtsgeschenk
45. Die Könige mit den kahlen Köpfen
46. Warum der Großvater den Fernsehkrimi Versäumte
47. Wie Herodes Einhalt geboten wurde
III. Geschichten für Schüler/-innen weiterführender Schulen
48. Es gibt keine Engel
49. Die fremdländische Familie
50. Der Engel Jadwina
51. Der Engel
52. Hilfe, die Herdmanns kommen
53. Krippenspiel: Jesus im „Maritim“ geboren
54. Das Weihnachtssingen
55. Der Sprayer
56. Der Weihnachtsmann im Niemandsland
57. Der Weihnachts-Traum
58. Ein Komet zieht vorbei
59. Der sterbende Stern
IV. Geschichten für jüngere Erwachsene
60. Die 25. Stunde
61. Die Landstraßengeschichte
62. Brief des alten Vaters
63. Liebe Tante Billa!
64. Falsch geparkt
65. Was für ein Fest?
66. Die Kupfermünze
67. Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzchen
68. Der Zulu-Mann
69. Der bucklige Josef
70. Die beiden Weihnachtsesel
71. Versöhnung ist möglich
72. Der Engel, der nicht fliegen konnte
73. Das schönste Weihnachtsgeschenk
74. Das Opfer
75. Die drei Gaben
76. Die vertauschten Stäbe
77. Die Klage der Christbäume
78. Flüsterpropaganda
79. Die letzte Besucherin
80. Der Nachweihnachtsengel
V. Geschichten für ältere Erwachsene
82. Die Muschelschale
83. Das Adventslicht
84. Ein Kind bringt es fertig
85. Das richtige Wort
86. Die Geschichte vom Weihnachtsbraten
87. Der kleine weiße Spitz war schuld
88. Tante Rosemarie
89. Mein Großvater hat so erzählt
90. Nachdenken Josefs
91. Den Glanz des Sterns weiterschenken
92. Die Heilige Nacht
93. Keine Krippe für die Katz
94. … und hätte die Liebe nicht
95. Die Engelgeschichte
96. Vom Engel, der nicht mitsingen wollte
97. Der Engel und das Kind
98. Der alte Marionettenspieler
99. Sergej
100. Heute ist die Heilige Nacht
Quellen
Hinführung: Wer Gott um etwas bittet, bekommt oft etwas anderes geschenkt, das weiterhilft.
Vorlesedauer: ca. 1 ½ Minuten
Vor langer Zeit lebte friedlich in den weiten Wäldern Russlands die Witwe Varenka. Aber eines Tages wütete ein schrecklicher Krieg. Alle flohen und rieten auch Varenka zur Flucht. Doch sie dachte: Wer stärkt dann die müden Wanderer oder nimmt die Kinder auf, die sich verirren? Sie kniete nieder und bat Gott, um ihr Haus eine Mauer zu bauen.
Aber Gott half nicht.
Anderntags pochte ein Ziegenhirt auf der Flucht bei ihr an, dem nur eine kleine Ziege geblieben war: „Nimm uns auf, sonst fressen uns die Wölfe!“, bat er. Da öffnete Varenka ihnen die Tür. Abends betete sie wieder, Gott möge eine Mauer um ihr Haus bauen.
Aber Gott half nicht.
Schließlich schluchzte ein kleines Mädchen vor der Tür, das auf der Flucht Vater und Mutter verloren hatte. Varenka nahm es auf. Das Donnern der Kanonen war jetzt schon bedrohlich nahe. Morgen würden die Soldaten da sein! Abends betete Varenka noch inständiger als zuvor.
Und – in der Nacht fiel Schnee! Er fiel so dicht, dass er erst bis zum Fenstersims reichte und dann das ganze Haus bedeckte.
Am Mittag zogen die Soldaten suchend durch den Wald. Sie gingen an der Hütte vorbei.
Da wusste Varenka, dass Gott sie doch erhört hatte – auf seine Weise.
Bernadette Watts
Hinführung: Schwarze Schafe gehen meistens andere Wege als die üblichen. Aber auch diese können gut enden.
Vorlesedauer: ca. 3 Minuten
Der Hirte könnte zufrieden sein: seine Schafe folgen ihm, wohin er geht. Da ist nur eines: das schwarze.
Das schwarze Schaf macht dem Hirten Sorgen: Es läuft immer wieder von den andern weg und geht seine eigenen Wege.
Eines Tages werden die Schafe geschoren. Das schwarze Schaf möchte seine Wolle für sich behalten. Es springt davon, weg von der Herde. Der Hirte ruft seinen Hund. Sie rennen dem schwarzen Schaf nach. Auf einmal ist es verschwunden. Wo ist es, das schwarze Schaf? Sie suchen es lange. Aber sie finden es nicht.
Das schwarze Schaf hat sich in einer Felsenhöhle versteckt. Sie ist leer. Hier möchte das schwarze Schaf bleiben und für sich allein leben. Manchmal wagt es sich aus der Höhle hinaus. Dann läuft es ganz allein über leere Felder.
Es wird Herbst. Die Novemberstürme fegen über das Land. Ein kalter Wind bläst. Das einsame Schaf friert trotz seiner Wolle. Allein und traurig steht es im leeren Feld. Dann beginnt es zu schneien. Immer dichter fällt der Schnee. Das schwarze Schaf findet seine Höhle nicht mehr. Hat es sich verirrt?
Auf einmal sieht es einen seltsamen Schein. Es geht dem Licht entgegen und findet die Höhle. Darin ist es hell geworden. Ein Mann und eine Frau haben hier ein Obdach gefunden.
Das schwarze Schaf will davonspringen. Da sieht es ein kleines Kind. Geht das Licht von ihm aus? Die Frau nimmt das Kind an sich, damit es bei ihr Wärme finde. Aber es beginnt zu weinen.
Das schwarze Schaf läuft nicht weg. Seine Wolle wird ihm schwer und schwerer. Es schaut das Kind an und spürt Wärme in sich. Es geht näher, immer näher hin zum Kind, senkt seinen Kopf und legt sich auf den Boden. Die Frau staunt. Sie bettet das Kind hinein in die Wolle. Es weint nicht mehr. Das schwarze Schaf wagt kaum zu atmen. Nur einmal zuckt es zusammen: Im Eingang steht der Hirte. Hinter ihm sind die anderen Schafe. Er sieht das schwarze und sagt: „So hat mein verlorenes Schaf seine Wolle für dieses Kind behalten. Es darf dableiben und ihm gehören.“
Er legt seinen Hirtenmantel sorgsam über Kind und Schaf. Dann geht er seinen Weg zufrieden weiter. Die anderen Schafe folgen ihm.
Elisabeth Heck
Hinführung: Wir hören von einem alten Baum, der sterben wollte und dann zu etwas Großem wurde.
Vorlesedauer: ca. 2 ½ Minuten
Auf einer Lichtung in einem Wald stand ein alter krummer Baum. Sturm und Unwetter hatten ihn gezeichnet. Und alt war er, sehr alt. Er wusste, dass seine Tage gezählt sind. Ein Sturm noch, und sein Stamm würde umknicken wie ein Streichholz.
Er war nicht unglücklich darüber, nein, schließlich hatte er ein langes und gutes Leben gehabt. In seinen besten Jahren trug er so viele Früchte, dass sich seine Äste bis zum Boden bogen. Doch jetzt berührten sie nur dann die Erde, wenn sie abgeknickt waren. Gerne wäre er noch zu etwas nütze gewesen, bevor er endgültig …! „Ach ja“, dachte er, „erinnern wird sich wohl keiner an mich, und vermissen schon gar nicht.“
Eines Tages nun fing ein hektisches Treiben um ihn herum an. Es wurde gehämmert, gesägt, gehobelt und geschliffen. Auf der Lichtung wurde ein Stall gebaut. „Nun, vielleicht können die mich ja brauchen“, dachte er, „als Bretter für die Wände; als Balken, die das Dach halten, oder als Türrahmen?“ Er streckte seinen krummen Stamm, so gut er konnte, damit man ihn ja nicht übersah.
Aber die Stallwände standen, und keiner hatte ihn geholt; das Dach wurde errichtet, und keiner holte ihn; der Türrahmen wurde eingepasst, und keiner holte ihn. Ja, nicht einmal für die Zaunlatten brauchte man den alten, krummen Baum. Traurig und ohne Kraft stand der Baum da; ja, es schien sogar, als ob sein Stamm noch etwas krummer geworden sei.
Und wirklich: beim nächsten Sturm knickte der Stamm um, ohne sich auch nur ein bisschen zu wehren! Am anderen Morgen kam ein Mann, begutachtete den umgefallenen Baum, holte eine Säge und trennte den Stamm von Wurzel und Krone. Dann holte er Hammer und Meißel und schnitzte mit kräftiger Hand eine – Krippe aus dem alten Baumstamm. Danach trug er die Krippe in den Stall und füllte sie mit duftendem Heu.
Und ratet mal, was noch in diese Krippe gelegt wurde? Eine Frau und ein Mann kamen eines Tages in den Stall und brachten dort ein Kind zur Welt. Und sie legten das Baby genau in diese Krippe. Und man sagte, dieses Kind sei Jesus, der Gottessohn.
Sagt mir, ist es nicht das Schönste, was passieren konnte: Gottes Sohn zu tragen, ihm Geborgenheit, Schutz und Wärme zu geben?
So war der alte, krumme Baum schließlich doch noch zu etwas nütze geworden.
Monika Endres
Hinführung: Jedes Tier ist gespannt auf den neuen größten König.
Vorlesedauer: ca. 7 Minuten
Auf einem Bauernhof ganz nahe am Walde lebte einst ein Bauer mit seiner Frau und seinen beiden Kindern. Es war ein kalter Winter, sodass die Kinder meist drinnen in der Stube saßen und spielten. Nur manchmal, wenn es nicht so eisig war, gingen sie zum Nachbarsberg rodeln. Hurra, war das lustig, den Berg im Sausetempo hinunterzufahren.
Die Bauersleute hatten auch einen Hund, einen Rauhaardeckel namens Waldi, der nichts lieber tat, als bei jeder Gelegenheit nach draußen zu entwischen. Waldi konnte stundenlang im Freien herumstreunen und seinem Lieblingshobby nachgehen: Knochen suchen. Er suchte Knochen hinter der Scheune, er suchte Knochen im Acker, und er suchte Knochen im Wald. Man weiß ja nie. Heute, drei Tage vor dem ersten Adventssonntag, war er wieder dabei, sich nach Knochen umzusehen. Schnuppernd lief er ums Haus herum, damit er nur ja keinen Winkel übersah.
„Au, was war denn das? Da hatte ihm doch tatsächlich etwas in die Nase gestochen.“ Noch einmal hob er vorsichtig seine Schnauze. „Au, schon wieder.“ Ein grünes, stacheliges Ding stand vor ihm. Es roch ganz wie der Wald.
Waldi schaute sich dieses Ding von allen Seiten an.
„Wau“, bellte er, „hier wohne ich, und niemand darf sich ohne meine Erlaubnis hier aufhalten.“ „Wau“, bellte er, jetzt schon ärgerlich, „wau, wau. Wie kommst du hierher, und wer bist du eigentlich, wau?“
„Was, du kennst mich nicht?“, sagte da dieses grüne stachelige Ding. „Ich bin ein Adventskranz, und die Bäuerin hat mich hierher gestellt, weil es hier kühl ist und meine Nadeln nicht so schnell abfallen.“ „Wau“, bellte wieder Waldi, „so, so, ein Adventskranz. Nun, wie ein Kranz schaust du tatsächlich aus, aber ein bisschen groß, um dich auf den Kopf zu setzen.“
„Ich bin auch ein Kranz für den größten König, den es jemals gegeben hat.“
„Für einen König, so, so.“ Das interessierte Waldi. Wo ein König ist, da gibt es auch ein Königreich mit großen Küchen und herrlichen Knochen. Waldi hob schnuppernd seine Schnauze, ob er nicht dieses Königreich finden könnte. „Wo wohnt denn dieser König, wau, wau?“ „Ach“, sagte der Adventskranz, „vor langer Zeit hat er hier bei uns gelebt. Er ist in einem Stall zur Welt gekommen, ganz arm, obwohl er doch der größte König aller Zeiten ist.“
Waldi schüttelte ungläubig den Kopf. Ein König und arm, das gibt’s doch gar nicht, und noch dazu der größte König.
Während sie so plauderten, hatten sich unbemerkt ein paar Hühner genähert.
„Go, go, go“, füßescharrend und nach Körnern suchend, gesellten sie sich zu den beiden. Mittendrin stolzierte ein wunderschöner Hahn. „Kikeriki“, krähte der Hahn, „kikeriki. Ich kenne diesen König. Kikeriki. Ich habe einmal für ihn krähen müssen.“ „Kikeriki“, krähte er noch einmal. „Vergiss Jesus nie, kikeriki!“
Einstweilen hatte sich noch jemand angeschlichen. Minka, die Katze, schlich auf Samtpfoten näher. „Miau“, sagte sie, „und warum hast du so hübsche Schleifchen in deinen Zweigen?“ Das wollte sie jetzt genau wissen, denn sie war auch ein bisschen eitel und schleckte sich ihr Fell mehrmals am Tage glänzend. „Warum ich Schleifchen trage?“, sagte der Adventskranz. „Nun, das ist doch ganz leicht. Warum bindet man sich wohl ein Schleifchen in die Haare oder Zweige?“ „Miau“, machte die Katze, „jetzt weiß ich’s, miau. Du machst dich für jemanden schön“, und vorsichtig leckte sie über ihr Fell. „Ganz richtig! Ich mache mich für jemanden schön. Ich mache mich schön für den größten König der Tiere und Menschen. „Wau“, bellte Waldi, „jetzt möchte ich doch endlich wissen, wer dieser König ist“, und er sah wieder ein Königreich mit herrlichen Knochen vor Augen.
„Kikeriki“, krähte der Hahn, „vergiss Jesus nie!“
Einstweilen war noch jemand dazugekommen. Ein Schaf, besser gesagt ein Lamm, ein junges Schaf, es schaute sich neugierig den Adventskranz von allen Seiten an. Am schönsten waren doch die lila Kerzen.
Auch die Katze hörte auf, sich ihre Pfoten zu putzen, und schaute auf die lila Schleifchen und Kerzen. „Miau, ich weiß jetzt, warum du Schleifchen trägst, aber warum schmückst du dich mit Kerzen?“ „Weil Kerzen Licht geben“, sagte der Adventskranz, „und weil der König das größte Licht der Welt ist. Niemand hat mehr Licht und Wärme ausgestrahlt als dieser König. Jedem hat er geholfen, ob er nun ein guter oder schlechter Mensch war. Er hat Kranke geheilt, Traurige getröstet, Hungrigen Brot gegeben und viel von Gott erzählt.“
„Mäh“, machte das Lamm, „mäh, schenk Liebe wie er. Mäh, schenk Liebe wie er.“
Da wurden alle Tiere still vor so einem wunderbaren König.
Ganz leise sagte der Adventskranz: „Und Lila ist die Farbe des Wartens auf etwas Wunderbares. Die Farbe Lila sagt uns, dass wir uns vorbereiten auf das Kommen dieses Königs.“
„Wau“, bellte Waldi, „ja, wie schön, dass dieser wunderbare König zu uns kommen will. Lasst uns ihm eine Freude bereiten! Ich bell für ihn. Wau, wau“, machte Waldi. Und die Katze streckte ihre Pfoten aus und machte: „Miau, miau“, ganz friedlich neben dem Hund, und das Lamm machte: „Mäh, mäh, schenk Liebe wie er“, und die Hühner: „Go, go, go“, und mittendrin der Hahn: „Kikeriki, vergiss Jesus nie!“
Da entzündete sich eine Kerze am Adventskranz (Eine Adventskerze anzünden).
Jemand hatte Licht in die Welt gebracht.
Ich weiß nicht, warst du es, oder du, oder war es gar der wunderbare König, von dem der Adventskranz erzählt hatte?
Ja, und das Licht, es leuchtete ins Dunkel hinein bis in alle Ecken der Erde. Es leuchtete so hell, fast so hell wie einst, als ein Kind in Betlehem, arm und doch als König, in einem Stall geboren wurde.
Isabella Vogl
Hinführung: Wie der kleine traurige Stern strahlte.
Vorlesedauer: ca. 3 Minuten
Eventuell Personen: Erzähler(in), Sonne, Stern, Mond.
Erzähler(in): Vor langer, langer Zeit lebte einmal ein kleiner Stern. Er war so winzig, dass die Leute auf der Erde ihn nur dann sahen, wenn der Himmel ganz klar war und die großen Sterne prächtig leuchteten. Dann wurde es auch um ihn etwas heller. Von allen, die auf der Erde wohnten, ahnte niemand, mit welcher Verzweiflung der kleine Stern kämpfte.
So sehr er sich auch putzte, wie groß auch seine Mühe war – er leuchtete immer nur ein wenig. Manches Mal blinzelte er zu den großen Sternen hinüber, um herauszufinden, warum sie so hell leuchteten. Sie hatten sogar die Kraft, die Erde zu erhellen. Ach, könnte er doch auch so strahlen! Er fand keine Antwort auf seine Fragen, und so wurde er immer trauriger. Manchmal, wenn keiner es sah, weinte er auch ein wenig.
So traf ihn die Sonne auf ihrem täglichen Weg. Mit ein paar besonders warmen Strahlen trocknete sie seine Tränen ab und sagte:
Sonne: „Kleiner Stern, freu dich doch, dass du da bist!“
Stern: „Aber ich bin so klein und leuchte nur so wenig.“
Erzähler(in): antwortete der Stern. Die Sonne hatte keine Zeit für lange Gespräche. Sie zog weiter, weil noch viele auf ihre Wärme warteten. So blieb der kleine Stern allein zurück. Als die Nacht kam, fing er wieder an, sich zu putzen. So verging die Zeit. Eines Tages bekam er Besuch von zwei Bewohnern eines anderen Sterns. Sie waren auf dem Weg zu ihrem Planeten und fragten höflich an, ob sie die Nacht bei ihm verbringen dürften. Der kleine Stern freute sich sehr. Vielleicht würden sie ein wenig mit ihm reden. Die beiden waren jedoch viel zu müde, um sich zu unterhalten, und gingen bald ins Bett. Ausgeruht und fröhlich setzten sie am nächsten Morgen ihre Heimreise fort. Wieder war der kleine Stern allein und traurig. So fand ihn der Mond auf seiner nächtlichen Reise. Er fragte ihn:
Mond: „Warum bist du so traurig, kleiner Stern?“
Erzähler(in): Erschrocken blickte der Stern zur Seite. Doch der Mond schaute ihn so freundlich an, dass er beschloss, seinen Kummer zu erzählen. Er sprach von seinen Sorgen, seinen quälenden Gedanken und seinen heimlichen Wünschen. Während der ganzen Zeit hatte ihn der Mond nicht ein einziges Mal unterbrochen. Und auch jetzt – der kleine Stern schwieg schon lange – zeigte der Mond keine Reaktion. Es schien, als lauschte er auch dem Schweigen. Dann endlich begann er zu reden:
Mond: „Sieh mal, kleiner Stern, bei uns am Himmel ist es wie bei den Menschen auf der Erde – auch sie leuchten alle verschieden. Manche siehst du schon von Weitem, doch wenn du selbst neben ihnen stehst, wird dir plötzlich kalt. Und dann gibt es welche, da musst du schon genau hinsehen, damit du nicht an ihnen vorübergehst. Wieder andere leuchten auf ganz sonderbare Art und Weise: Es ist nicht das Licht, sondern die Wärme, die leuchtet … Und so verschieden sie auch sind, eines haben sie alle gemeinsam – sie brauchen einander! Der große Mensch den kleinen, der Kühle den, der Wärme gibt … Unser Sternenhimmel wäre nicht vollkommen, wenn es dich nicht gäbe.“
Erzähler(in): Plötzlich verstand der kleine Stern. Entschlossen wischte er sich die Tränen ab, reckte sich und fühlte sich auf einmal unendlich wichtig. Und er strahlte. Es wurde zwar immer noch nicht heller als vorher, aber, was machte das schon.
Der kleine Stern war glücklich.
Autor unbekannt
Hinführung: Wenn alle ein wenig abgeben, kann Großes entstehen.
Vorlesedauer: ca. 2 Minuten
Es war einmal ein winzig kleiner Stern. Der wollte sich auch auf den Weg nach Betlehem machen. Da er aber nur sehr schwach leuchtete, wollte er noch andere Sterne mitnehmen.
Zuerst sprach er einen wunderschönen roten Stern an. „Nein“, sagte der, „ich kann meinen Platz nicht verlassen, sonst verirren sich die Menschen in den riesigen Wüsten und finden die Oasen nicht mehr.“ Aber er schüttelte einen roten Strahlenregen über den winzig kleinen Stern. Der freute sich, weil er dadurch größer und schöner wurde.
Dann sprach der kleine Stern einen wunderschön gelb leuchtenden Stern an. Aber auch der wollte nicht mitziehen. Er sagte: „Die Zugvögel auf ihrem Weg in warme Länder orientieren sich an mir. Sie könnten sich verirren, wenn ich fehle.“ Aber er schüttelte einen goldenen Strahlenregen über den kleinen Stern. Der freute sich, weil er jetzt wieder etwas größer war und rötlich-gelb funkelte.
Schließlich traf der kleine Stern auf einen riesigen blauen Stern. Doch auch der wollte nicht mitziehen. Er gab zu bedenken: „Auf den Meeren schauen noch viele Seeleute nach mir aus. Sie könnten die Häfen nicht finden, wenn ich fehle.“ Aber er schüttelte einen blauen Sternenregen über den rötlich-gelb funkelnden Stern. Und so war aus dem winzig kleinen weißen Stern ein rötlich-gelb und blau funkelnder großer Stern geworden, der in wunderschönen Regenbogenfarben über Betlehem stand. Niemand konnte ihn übersehen, der den Weg nach Betlehem zu dem Kind im Stall suchte.
Ursula Möltner
Hinführung: Wir hören, wie zwei kleine Sterne einem Stern helfen, der erloschen war.
Vorlesedauer: ca. 5 Minuten
Am Tage vor Weihnachten traten die drei kleinsten Sterne aus der Milchstraße in die himmlische Kanzlei und baten darum, Weihnachten zu den Menschen gehen zu dürfen.
„Was wollt ihr denn auf der Erde?“, fragte sie der alte Obersternmeister verwundert.
„Wir wollen den Menschen nur ein bisschen Licht und Wärme bringen“, antworteten die Sterne.
„Schenkt ihr ihnen nicht das ganze Jahr über genug Licht?“
„Es ist aber doch Weihnachten, Herr Obersternmeister“, baten die Sterne.
„Nun gut, geht zu den Menschen, aber schenkt nicht all euer Licht fort, sonst findet ihr nicht mehr nach Hause und müsst auf der Erde bleiben.“ So sprach der alte Obersternmeister. Die Sterne nickten froh und machten sich auf den Weg zur Erde.
Sie kamen in eine Stadt, die so dunkel war, als hätte ein Riese seinen Hut über sie gestülpt. Eines der Sternchen lief von Haus zu Haus und hauchte ein wenig gegen die Scheiben. Da entzündete sich überall ein Licht dahinter. Sogar die Menschen bekamen frohe Augen.
Das zweite Sternlein war ins Haus getreten. Überall fand es nur kalte Öfen und tote Herdfeuer vor, und die Menschen in den Stuben froren bitterlich. Da trat der Stern ans Herdloch und blies eine helle Flamme an, die den ganzen Raum durchwärmte. In vielen kalten Stuben begannen die Öfen warm zu werden und die Herde zu prasseln. Damit hatte auch der zweite Stern seine Gaben verschenkt und kehrte in den Himmel zurück.
Der dritte kleine Stern begegnete auf einer einsamen Straße einem Blinden, der mühsam seinen Stock vor sich her setzte, um damit den Weg abzutasten. Aber er hatte seinen Weg verloren und stand nun hilflos in der Finsternis. Er rief um Hilfe und klopfte mit seinem Stock an die Wände längs der Straße, aber niemand wohnte in den Ruinen. Da trat der kleine Stern zu ihm und schenkte ihm etwas von seinem Licht, aber es war zu wenig. Erst als der Stern all sein Licht an den Blinden verschenkt hatte, begannen dessen Augen zu leben: Er sah wieder, und obwohl es eine ärmliche Welt war, die er um sich erblickte, weinte er darüber vor Freude helle Tränen. Den kleinen Stern neben sich aber gewahrte er nicht mehr, denn der hatte all seinen Glanz verloren. Der Stern fand nun nicht mehr den Weg nach Hause. So musste er wohl für immer auf der Erde bleiben, und die Menschen würden ihn für einen Stein halten und darüber hinwegtreten; denn Steine hatten die Menschen ja genug.
Als die beiden Sterne in den Himmel zurückkehrten, fragte der Obersternmeister böse, wo sie ihren Gefährten gelassen hätten. „Wir haben ihn verloren“, antworteten die beiden Sterne. Da richtete der alte Herr sein Fernrohr auf die Erde und suchte nach dem verlorenen Stern. Und er sah ihn, ohne Licht und grau wie ein Stein, auf der einsamen Straße liegen.
„Warnte ich ihn nicht, sein ganzes Licht zu vertun? Nun darf er nicht mehr nach Hause!“, schimpfte der Obersternmeister.
„Wenn wir alle ihm ein bisschen von unserem Licht abgeben, darf er dann wieder zurückkehren?“, baten die Sterne. Der Obersternmeister überlegte eine Weile, und weil es gerade Weihnachten war, mochte er nicht Nein sagen. Er nickte nur. Da fuhren die beiden Sternlein auf einem Windstoß durch die Milchstraße und sammelten überall die Lichtspenden ein. Es ward so viel Licht, dass sie es gar nicht mehr tragen konnten. Dann fuhren sie zur Erde nieder, um dem erloschenen Stern das Licht zu bringen. Wie freute er sich, als er wieder leuchtete, und er funkelte schöner und herrlicher als früher.
Nun steht er wieder am Himmel. Mitten in der Milchstraße. Wer Zeit dazu hat, suche ihn mal vor dem Schlafengehen – oder denke über diese Geschichte nach.
Ernst Wichert
Hinführung: (Überschrift nicht vorlesen) Wir hören, wer ganz nahe an der Krippe stehen darf.
Vorlesedauer: ca. 2 Minuten
Als Josef mit Maria auf dem Weg nach Betlehem war, rief ein Engel die Tiere heimlich zusammen, um einige auszuwählen, der Heiligen Familie im Stalle zu helfen. Als Erster meldete sich natürlich der Löwe: „Nur ein König ist würdig, dem Herrn der Welt zu dienen“, brüllte er, „ich werde jeden zerreißen, der dem Kinde zu nahe kommt!“
„Du bist mir zu grimmig“, sagte der Engel.
Darauf schlich sich der Fuchs näher. Mit unschuldiger Miene meinte er: „Ich werde sie gut versorgen. Für das Gotteskind besorge ich den süßesten Honig und für die Wöchnerin stehle ich jeden Morgen ein Huhn!“
„Du bist mir zu verschlagen“, sagte der Engel.
Da stelzte der Pfau heran. Rauschend entfaltete er sein Rad und glänzte in seinem Gefieder. „Ich will den armseligen Schafstall prächtiger schmücken als Salomon seinen Tempel!“
„Du bist mir zu eitel“, sagte der Engel.
Es kamen noch viele und priesen ihre Künste an. Vergeblich. Zuletzt blickte der strenge Engel noch einmal suchend um sich und sah Ochs und Esel draußen auf dem Felde dem Bauern dienen. Der Engel rief auch sie heran: „Was habt ihr anzubieten?“
„Nichts“, sagte der Esel und klappte traurig die Ohren herunter, „wir haben nichts gelernt außer Demut und Geduld. Denn alles andere hat uns immer noch mehr Prügel eingetragen!“ Und der Ochs warf schüchtern ein: „Aber vielleicht könnten wir dann und wann mit unseren Schwänzen die Fliegen verscheuchen!“
Da sagte der Engel: „Ihr seid die Richtigen!“
Seitdem stehen Ochs und Esel an der Krippe.
Karl-Heinrich Waggerl
Hinführung: Du kannst nicht nur Schokolade teilen. – Kann ich auch einen Ball teilen? Ja, indem ich andere mitspielen lasse. Wir hören von einem Mann, der anfangs überhaupt nicht teilen wollte.
Vorlesedauer: ca. 3 Minuten
Es war einmal ein Mann. Er besaß ein Haus, einen Ochsen, eine Kuh, einen Esel und eine Schafherde.
Der Junge, der die Schafe hütete, besaß einen kleinen Hund, einen Rock aus Wolle, einen Hirtenstab und eine Hirtenlampe.
Auf der Erde lag Schnee. Es war kalt, und der Junge fror. Auch der Rock aus Wolle schützte ihn nicht. „Kann ich mich in deinem Haus wärmen?“, bat der Junge.
„Ich kann die Wärme nicht teilen. Das Holz ist teuer“, sagte der Mann und ließ den Jungen in der Kälte stehen.
Da sah der Junge einen großen Stern am Himmel. „Was ist das für ein Stern?“, dachte er. Er nahm seinen Hirtenstab, seine Hirtenlampe und machte sich auf den Weg.
„Ohne den Jungen bleibe ich nicht hier“, sagte der kleine Hund und folgte seinen Spuren.
„Ohne den Hund bleiben wir nicht hier“, sagten die Schafe und folgten seinen Spuren.
„Ohne die Schafe bleibe ich nicht hier“, sagte der Esel und folgte ihren Spuren.
„Ohne den Esel bleibe ich nicht hier“, sagte die Kuh und folgte seinen Spuren.
„Ohne die Kuh bleibe ich nicht hier“, sagte der Ochse und folgte ihren Spuren.
„Es ist auf einmal so still“, dachte der Mann, der hinter seinem Ofen saß. Er rief nach dem Jungen, aber er bekam keine Antwort. Er ging in den Stall, aber der Stall war leer. Er schaute in den Hof hinaus, aber die Schafe waren nicht mehr da.
„Der Junge ist geflohen und hat alle meine Tiere gestohlen!“, schrie der Mann, als er im Schnee die vielen Spuren entdeckte.
Doch kaum hatte der Mann die Verfolgung aufgenommen, fing es an zu schneien. Es schneite dicke Flocken. Sie deckten die Spuren zu. Dann erhob sich ein Sturm, kroch dem Mann unter die Kleider und biss ihn in die Haut. Bald wusste er nicht mehr, wohin er sich wenden sollte. Der Mann versank immer tiefer im Schnee. „Ich kann nicht mehr!“, stöhnte er und rief um Hilfe.
Da legte sich der Sturm. Es hörte auf zu schneien, und der Mann sah einen großen Stern am Himmel. „Was ist das für ein Stern?“, dachte er.
Der Stern stand über einem Stall, mitten auf dem Feld. Durch ein kleines Fenster drang das Licht einer Hirtenlampe. Der Mann ging darauf zu. Als er die Tür öffnete, fand er alle, die er gesucht hatte: die Schafe, den Esel, die Kuh, den Ochsen, den kleinen Hund und den Jungen.
Sie waren um eine Krippe versammelt. In der Krippe lag ein Kind. Es lächelte ihm entgegen, als ob es ihn erwartet hätte.
„Ich bin gerettet“, sagte der Mann und kniete neben dem Jungen vor der Krippe nieder.
Am anderen Morgen kehrten der Mann, der Junge, die Schafe, der Esel, die Kuh, der Ochse und auch der kleine Hund wieder nach Hause zurück. Auf der Erde lag Schnee. Es war kalt.
„Komm ins Haus“, sagte der Mann zu dem Jungen, „ich habe Holz genug. Wir wollen die Wärme teilen.“
Max Bolliger
Hinführung (in einem abgedunkelten Raum mit einer brennenden Kerze vorlesen): Das Kind in der Krippe braucht uns, um die Welt heller und schöner und wärmer zu machen.
Vorlesedauer: ca. 3 Minuten
Ein kleiner Hirtenjunge sucht ein Geschenk für das Jesuskind und entdeckt das Weihnachtslicht.
Als die Engel den Hirten verkündet hatten, dass im Stall von Betlehem der König der Welt geboren worden war, da suchte jeder nach einem passenden Geschenk, das er dem Kind in der Krippe mitbringen wollte. „Ich bringe ein Schäfchen mit!“, meinte der eine. „Ich eine Kanne voll frischer Milch!“, sagte ein anderer. „Und ich eine warme Decke, damit das Kind nicht friert!“, rief ein Dritter.
Unter den Hirten war aber auch ein Hirtenknabe. Der war bettelarm und hatte nichts, was er dem Kind schenken konnte. Traurig lief er zum Schafstall und suchte in dem winzigen Eckchen, das ihm gehörte, nach etwas, was er vielleicht doch mitbringen konnte. Aber da war nichts, was auch nur den Anschein eines Geschenkes hatte. In seiner Not zündete der Hirtenknabe eine kleine Kerze an und suchte in jeder Ritze und in jeder Ecke. Doch alles Suchen war umsonst. Da setzte er sich endlich mitten auf den Fußboden und war so traurig, dass ihm die Tränen an den Backen herunterliefen. So bemerkte er auch nicht, dass ein anderer Hirte in den Stall gekommen war und vor ihm stehen blieb. Er erschrak richtig, als ihn der Hirte ansprach: „Da bringen wir dem König der Welt alle möglichen Geschenke. Ich glaube aber, dass du das allerschönste Geschenk hast!“
Erstaunt blickte ihn der Hirtenknabe mit verweinten Augen an. „Ich habe doch gar nichts!“, sagte er leise.
Da lachte der Hirte und meinte: „Schaut euch diesen Knirps an! Da hält er in seiner Hand eine leuchtende Kerze und meint, er habe gar nichts!“
„Soll ich dem Kind vielleicht die kleine Kerze schenken?“, fragte der Hirtenknabe aufgeregt.
„Es gibt nichts Schöneres!“, antwortete der Hirte leise.
Da stand der Hirtenknabe auf, legte seine Hand schützend vor die kleine Flamme und machte sich mit dem Hirten auf den Weg. Als die Hirten mit ihren Geschenken den Stall erreichten, war es dort kalt und dunkel.
Als aber der Hirtenknabe mit seiner kleinen Kerze den Stall betrat, da breitete sich ein Leuchten und eine Wärme aus, und alle konnten Maria und Josef und das Kind in der Krippe sehen.
So knieten die Hirten vor der Krippe und beteten den Herrn der Welt, das kleine Kind mit Namen Jesus, an. Danach übergaben sie ihre Geschenke. Der Hirtenknabe aber stellte seine Kerze ganz nah an die Krippe, und er konnte deutlich das Leuchten in Marias und Josefs Augen sehn. „Das kleine Licht ist das allerschönste Geschenk!“, sagten die Hirten leise.
Und alle freuten sich an dem schönen Weihnachtslicht, das sogar den armseligen Stall warm und gemütlich machte.
Der Hirtenknabe aber spürte, wie in ihm selbst eine Wärme aufstieg, die ihn immer glücklicher machte. Und wieder musste er weinen. Jetzt weinte er aber, weil er sich so glücklich fühlte.
Bis zum heutigen Tag zünden die Menschen vor Weihnachten Kerzen an, weil sie alle auf Weihnachten warten und ihnen das kleine Licht immer wieder Freude und Geborgenheit schenkt.
Rolf Krenzer
Hinführung: Wir hören, warum die Störche zu Freunden der Menschen geworden sind, besonders die Freunde kleiner Kinder.
Vorlesedauer: ca. 5 Minuten
Eine alte Storchenlegende:
Auch eine Storchenmutter im fernen Land Ägypten vernahm die wunderbare Nachricht, dass ein besonderes Kind in Betlehem geboren worden war. Sie hatte – wie alle Storchenmütter – ein zartes und gutes Herz und dachte voller Liebe und Ehrfurcht an das kleine, neugeborene Kind; denn es war ja Gottes Sohn. Und während sie so über das Wunder nachdachte, warf sie ihren Kopf zurück, dass er fast auf den Schwanzfedern lag, und begann mit ihrem langen, roten Schnabel zu klappern. Das ist nämlich die Art und Weise, wie ein Storch zu sprechen pflegt.
„Ich muss nach Betlehem fliegen“, sagte die Storchenmutter zu ihren Kleinen, „ich muss das heilige Kind selber sehen!“
Aber bevor sie sich auf den langen Weg machte, sammelte sie zuerst eine Menge Vorrat für ihre Kinder, denn sie war eine gute Storchenmutter. Weiche Aale und zarte Fröschlein trug sie aus den sumpfigen Niederungen am Nil zusammen. Dann tat sie einen kurzen Sprung in die Luft, und dann noch einen, und dann ging’s auf zum Flug ins Heilige Land.
Es war ein weiter Weg nach Palästina, aber sie war das Fliegen gewohnt und hat schließlich ihr Ziel erreicht.
„Ist das Heilige Kind hier?“, fragte sie, als sie sich auf der steinernen Treppe eines vornehmen Hauses in Betlehem niederließ.
„Nein, es ist nicht hier“, antwortete jemand. Da flog sie weiter zu einem anderen Haus, das auch sehr schön war.
„Ist das Jesuskind, der Sohn Gottes, hier?“, fragte die Storchenmutter. Und wieder kam die Antwort: „Nein, es ist nicht hier.“
Endlich stelzte sie mit ihren langen, roten Beinen auf die Tür der Herberge zu, bei der Maria und Josef um ein Obdach gebeten hatten.
„Das Kind ist nicht hier“, sagte der Herbergsvater, „es war kein Platz da. Das Kind liegt in einer Krippe, drüben im Stall.“
Dort fand es die Störchin. Und Maria, seine Mutter, und Josef, sein Pflegevater, waren bei ihm. Kostbare Geschenke lagen auf dem Stroh neben der Krippe: Gold und Weihrauch und Myrrhe, Gaben der Weisen aus dem Morgenlande. Aber die Storchenmutter sah diese schönen Dinge nicht. Mit ihren ernsten Augen blickte sie gespannt in die Krippe. Immer wieder schaute sie hinein, und ihr Herz wurde von Mitleid bewegt, denn das Kind hatte ein zu raues Bett!
„Hat dieses gesegnete Kindlein denn nicht einmal genügend Kissen und Betttücher?“, fragte die Storchenmutter, „seine Schultern sind ja genauso nackt wie die meiner Storchenkinder, wenn sie aus dem Ei schlüpfen! Das Kind braucht eine weiche Decke, um es zuzudecken und warm zu halten!“
Und da streckte der edle Vogel plötzlich seinen Hals aus, und sein Schnabel beugte sich zu seiner Brust und begann, sich die weichsten Federn auszurupfen. Hin und her wanderte der rote Schnabel der Storchenmutter, und jedes Mal, wenn sie sich genug ihrer flaumweichen Federn aus der Brust gerupft hatte, warf sie diese über das bloß daliegende Jesuskind. Das alles dauerte eine ganze Weile, und es war, als wenn das Kind in der Krippe zugeschneit würde von all den weichen Storchenfedern, die zuletzt wie eine warme, schützende Decke über dem neugeborenen Sohn Gottes lagen.
So gab die Storchenmutter dem Jesuskindlein – wie die Hirten und Weisen aus dem Morgenlande – ihr Bestes. Und darum ist der Storch der Freund aller kleinen Kinder.
Die alte Legende erklärt uns, dass die Störche wegen jener Storchenmutter mit dem guten Herzen zu Freunden aller Menschen geworden sind. Überall im Lande mögen die Leute sie gern und sind froh, wenn sie auf ihren Dächern nisten.
M.H. Misevicius
Hinführung: Es gibt auch unter den Tieren welche, die nennen wir frech, einfältig und störrisch. Ob die alle bereit waren, als das Kind in Betlehem geboren wurde?
Vorlesedauer: ca. 3 Minuten
Der kleine Engel Benjamin faltet artig seine Flügel zusammen. Er pocht vorsichtig ans Wolkentor des großen Engels Gabriel. Streng schaut ihm Gabriel entgegen. „Hast du endlich deinen Auftrag erfüllt?“, fragt er und zieht die Augenbrauen hoch. „Sind alle Tiere da unten in dem ärmlichen Stall auf das große Fest vorbereitet?“
„Ich hab getan, was ich konnte“, flüstert der kleine Engel. „Die munteren Vögel werden ihre Schnäbel nicht zu weit aufsperren, sondern ein leises, sanftes Schlaflied für das Kind zwitschern. Die große Eule wird das Kind nicht erschrecken mit ihren dunklen Flügeln, sondern sich brav auf den Dachbalken setzen und die Nacht mit ihren glühenden Augen ein bisschen heller machen. Die Putzengel haben die frechen Fliegen und Flöhe schon herausgewedelt. Die Schlange hat strengstes Einschleichverbot. Auf die vorwitzigen Mäuse passen die schlauen Dorfkater Mausi und Peter auf. Sie wissen ganz genau: Krallen zeigen – aber Fressverbot!
Nur Ochs und Esel machen mir Sorgen. Dieser einfältige Ochse ist ein missmutiger, langweiliger, dummer Geselle. Er wedelt mir mit seinem eklig schmutzigen Schwanz vor der Nase herum, dass mir ganz schlecht wird. Dann drückt er seinen mächtigen Körper und den Kopf an die Stallwand, dass sich die Balken biegen. Dazu schnaubt er ganz widerlich, dass der Staub aufwirbelt. An dem haben wir keine Hilfe. Und der Esel ist noch schlimmer! Er ist aufsässig und störrisch. Er besteht darauf, dass er nach der schweren Arbeit am Tag wenigstens in der Nacht in Ruhe fressen kann. Der lässt nicht den kleinsten Strohhalm in der Krippe. Und er geht bestimmt nicht vor die Tür, um seine Notdurft zu verrichten. Der Ochse übrigens auch nicht.“
„Na, das kann ja heiter werden!“, meint Gabriel. „Was sollen wir machen?“
„Ich glaube“, wagt der kleine Engel Benjamin schüchtern zu bemerken, „wenn Gott selber auf die Erde kommen will, wird er auch die störrischen Menschen und Tiere, sogar Ochs und Esel, zur Vernunft bringen.“
„Warten wir’s ab!“, sagt Gabriel und faltet die Engelshände zu einem dringenden Stoßgebet. – Und dann geschieht wirklich das Wunder:
Die erschöpfte Maria, der müde aussehende Josef und das zitternde hilflose Kind rühren das Herz von Ochs und Esel, und sie treten zur Seite, hauchen ihren Atem vorsichtig über die Krippe, holen immer wieder ein Maul voll frischem Stroh herbei, treten vor die Tür, wenn es sein muss, wedeln die neugierigen Mücken und Fliegen fort, die sich immer wieder hineinwagen – kurz: Sie empfangen das Kind mit aller Liebe und Sorgfalt, deren das Herz eines Ochsen und Esels fähig ist.
„Die Menschen können sich an den Tieren ein Beispiel nehmen“, denkt der kleine Engel Benjamin gerührt.
Barbara Cratzius