Klaus-Peter Busse
Kunst unterrichten
Die Vermittlung von Kunstgeschichte
und künstlerischem Arbeiten
ATHENA
Dortmunder Schriften zur Kunst | Studien zur Kunstdidaktik
Band 14
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ISBN (Print) 978-3-89896-578-1
ISBN (ePUB) 978-3-89896-869-0
»Nun, früher war es in der Tat nicht nötig, Kunsterziehung im heutigen Sinn zu treiben, denn man wuchs auf in einer geschlossenen Kultur, die Richtung zu geben vermochte. War aber ehemals die Kunst eine selbstverständliche Lebensäußerung, so sind wir in unserer heutigen Lebenssituation gezwungen, uns bewusst an die verschiedenen Kunstdialekte heranzupirschen. […] Die Rolle, die gegenwärtig die Kunst im Unterricht spielt, ist sehr gering. Die Philologie herrscht vor infolge der wissenschaftlichen Orientierung, und auch die Künste selbst werden hauptsächlich in geschichtlicher Hinsicht behandelt. Wie kann diesem Zustand zugunsten einer richtigen Kunsterziehung abgeholfen werden? […] Nur vom schöpferischen Moment aus kann Kunsterziehung geleistet werden. Kunst ist wesentlich ein schöpferisches Verhalten zum Leben; das Eindringen in das Schöpferische hat daher bei der Kunsterfassung voranzustehen.«[1] Was für eine Stellungnahme von Siegfried Kracauer im Frankfurter Stadt-Blatt am 27. Februar 1925 anlässlich der »Kunstpädagogischen Woche« im Frühjahr dieses Jahres (die unseren heutigen kunstpädagogischen Kongressen vergleichbar ist)! Der Feuilletonist, Schriftsteller und (man würde heute sagen) der Kulturwissenschaftler Siegfried Kracauer beklagt ein Übergewicht der Philologie im unterrichtlichen Umgang mit Kunst und fordert eine deutliche Gewichtung des künstlerischen Arbeitens als »schöpferisches Verhalten zum Leben«. All das, was heute in den Debatten über den Kunstunterricht und über die Inhalte der Kulturellen Bildung verhandelt wird, hat also schon einmal stattgefunden: Man diskutiert den Stellenwert von Wissenschaft und Kunstpraxis, und es ist in einer historischen Perspektive ganz offensichtlich: Diese Debatte belegt eine wichtige, wenn nicht gar die entscheidende Frage der Didaktik des Kunstunterrichts. Welchen Stellenwert haben dort Kunst und Wissenschaft? Der Verlauf dieser Debatte bis heute erklärt die vielen Meinungsbilder in der Kunstpädagogik und eingenistete Normen, obwohl der Kunstunterricht und seine Curricula sehr gut funktionieren. Denn längst hat man sich daran gewöhnt, beide Säulen des Faches vereint zu sehen und so zu unterrichten. Es gibt kunstpädagogische Handlungsmodelle, die beide Säulen verbinden und ausgesprochen erfolgreich sind; dennoch stehen im Hintergrund Ansprüche der Fachwissenschaft und der Kunstpraxis, ihre Inhalte deutlicher berücksichtigt zu sehen. Dies können auch Ansprüche von Lehrerinnen und Lehrern sein, der Kunstgeschichte einen erheblichen Stellenwert im Kunstunterricht einzuräumen oder das künstlerische Arbeiten deutlicher zu gewichten. Sie sehen das Fach dabei im Zusammenhang allgemeiner Bildungsansprüche und propädeutisch: Was muss der Kunstunterricht bildungstheoretisch und in Hinblick auf berufliche Perspektiven von Jugendlichen leisten? Wie gehen der Kunstunterricht und seine Didaktik mit diesen Ansprüchen um? Wie lässt sich dies nicht nur in der Theorie, sondern in der konkreten Unterrichtsarbeit verwirklichen?
Mein Buch über die »Bildumgangsspiele«, das 2003 erschien und ein erster Versuch der Annäherung von Kunstgeschichte und Kunstpraxis war, verdankt seinen Erfolg sicherlich der Anlage einer offenen Unterrichtsplanung, die auf der Grundlage eines klar formulierten Handlungsmodells viele unterschiedliche Handlungschoreografien möglich macht. Den Kunstunterricht bezeichnete ich vor zehn Jahren als Raum des Umgangs mit Bildern in situativen Kontexten, also den Bedingungen des Unterrichts vor Ort. Den Begriff »Bildumgangsspiel« entlehnte ich dem sprachwissenschaftlichen Konzept des »kommunikativen Handlungsspiels«, das die situativen Bedingungen der Kommunikation zur Erzeugung von Bedeutungen erfasst. So verstand ich den Kunstunterricht: als einen Ort, an dem Kunst und Bilder so verhandelt werden, dass sie für alle beteiligten Personen »Sinn« machen. An dieser Sicht hat sich bis heute nichts geändert, und ich will die vielen theoretischen Hintergründe dieser Annahme nicht wiederholen: Sie sind vielfach formuliert worden. Heute würde man dieses Modell vielleicht »performativ« nennen, und jede »Performanz« benötigt ein »Proposal«: Unterricht setzt Planung voraus. So funktioniert das Modell der Bildumgangsspiele. Auch hat mit diesem Buch eine Diskussion stattgefunden, welche Inhalte und Methoden im Kunstunterricht möglich sind. Viele dieser Gedanken, vor denen diese Diskussionen stattfanden, haben sich weiterentwickelt und deutlich an Kontur gewonnen. Deshalb beschäftigte mich die Frage, an welchen konkreten Inhalten sich Bildumgangsspiele entwickeln können. Bis heute haben sich diese Inhalte vermehrt, und mit ihnen die Debatte über ihre Relevanz in Schule, Unterricht und Bildung. In der Auseinandersetzung mit diesen Fragen prüfte ich in nachfolgenden Projekten die Methode des Mappings und die Kartografie von Bildern als Beispiele für das künstlerische und kunstwissenschaftliche Arbeiten. Beide Methoden sind nach wie vor in der Kunstpraxis sehr aktuell, und im Kunstunterricht haben sie inzwischen Eingang gefunden.[2] Sie stellen allerdings kein didaktisches Konzept dar (wie beispielsweise die »Ästhetische Forschung« oder das Modell der »Bildkompetenzen«), sondern beschreiben nur Ausschnitte aus den vielen Handlungsmöglichkeiten im Kunstunterricht. Es lag nahe, nach weiteren Methoden zu suchen, die das künstlerische Handeln ausmachen. Dabei fiel auf, dass heute die aktuelle Kunst auffällig oft durch die Bezeichnung ihrer Verfahrensweisen im Umgang mit Kultur beschrieben wird. Im Mittelpunkt von Untersuchungen stehen nicht mehr nur mediale Umgänge (z. B. dass ein Künstler zeichnet), sondern vor allem Methoden des künstlerischen Arbeitens (wie z. B. das Mapping als Umgang mit Räumen).
Diese Suche zeigte neben dem Stellenwert solcher Methoden in der aktuellen Kunst ihre Tiefenschichten in der Geschichte der Kunst, und ich entdeckte Konzepte des künstlerischen Handelns, die sehr präzise aufgebaut und vor allem methodisch orientiert sind, wenn man in ihre Kontexte blickt. Prüft man diese Vorstellung des künstlerischen Handelns näher, erkennt man ihre historische Relevanz, denn nicht nur zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler arbeiten so. Die Auseinandersetzung mit der Kunstgeschichte wurde für mich immer wichtiger, und ich sah, dass die Geschichte der Kunst einen viel höheren Stellenwert im Kunstunterricht haben müsste. Zwar war auch ich immer von der Selbstverständlichkeit ihrer Relevanz ausgegangen, dennoch erscheint mir bis heute der kunstdidaktische Umgang mit der Kunstgeschichte als sehr unbefriedigend. In der Kunstgeschichte/Bildwissenschaft hatte sich inzwischen eine rege und wichtige Diskussion über den Stellenwert der Geschichte der Kunst in der Kunstpädagogik entwickelt. Als ich nach den Gründen dieser Diskussionen und meiner eigenen Unzufriedenheit suchte, fiel mir das unklare Verhältnis zwischen Kunstdidaktik und ihrer wissenschaftlichen Referenzdisziplin auf, das fachgeschichtliche und institutionelle Hintergründe hat (über die das Buch berichten wird).
Der genaue Blick in die Kunstgeschichte als akademische Disziplin zeigte mir, dass man den unterrichtlichen Umgang mit der Geschichte der Kunst noch viel leichter für die Planung von Kunstunterricht aufbereiten kann, als dies im Bereich des künstlerischen Arbeitens möglich ist. Vor allem aber wurde erkennbar, wie einleuchtend und stringent man den gesamten Kunstunterricht planen und begründen kann, wenn man in der Didaktik ein klares Referenzsystem hat. In den ersten Prüfungen dieser Annahmen stellte sich auch heraus, dass die Vermittlung des künstlerischen Arbeitens unter diesen Annahmen nicht leidet. Das Gegenteil ist der Fall, zumal diese Annahmen nichts an den Prämissen des künstlerischen Arbeitens ändern: Die Kunstdidaktik macht künstlerische Prozesse nicht unmöglich, sondern öffnet sie. Aus diesen Gründen bin ich nicht mehr hinter einige grundlegende Voraussetzungen des Kunstunterrichts zurückgefallen: Inhalt von Kunstunterricht sind Kunstgeschichte und das künstlerische Arbeiten; die Kunstdidaktik verhindert künstlerisches Arbeiten nicht (weil sie rational sei oder künstlerisches Denken in unfreie Bahnen lenke), sondern setzt sie im Unterricht in Gang; im Kunstunterricht ist wissenschaftsorientiertes Lernen möglich; die Kunstdidaktik benötigt klare Referenzen, weil sie selbst die Referenzen nicht erzeugt, denn sie betreibt als wissenschaftliche Disziplin keine Kunst und keine Kunstgeschichte, sondern ausschließlich didaktische Forschung. Allein diese Aussage genügt, um aus diesem Buch eine Streitschrift über die Inhalte und Institutionen der Kunstpädagogik zu machen.
Eine weitere Frage war, wie sich die Vermittlung des künstlerischen Arbeitens und die Vermittlung der Geschichte der Kunst didaktisch aufbauen. Zur Beantwortung dieser Frage kann man auf gesichertes Wissen der Fachdidaktik zurückgreifen: Man benötigt Methoden, die die Vermittlung in Gang setzen, Medien, auf die sich eine Vermittlung bezieht, und Themen, die in dieser Form vermittelt werden. Lerninhalte des Kunstunterrichts sind alle Bereiche: inhaltliches, mediales und methodisches Lernen, die in diesem Buch als Skripte bezeichnet werden. Diese Skripte sind Handlungsroutinen von Künstlern, Kunstwissenschaftlern und Kunstlehrern und beschreiben gesichertes Grundlagenwissen über Kunst, Wissenschaft und Didaktik. Schülerinnen, Schüler und Studierende können dieses Grundlagenwissen lernen, auch um neues Wissen im Zusammenhang von Universität und Seminar, Schule und Unterricht zu entwickeln, denn Skripte sind im besten Sinn Diskursformen zum Umgang mit Vorhandenem und zur Erzeugung von Neuem und Anderem. Auch hinter diesen Standard kann man nicht zurückfallen. Meine weiteren Suchbewegungen bezogen sich deshalb auf genaue Bezeichnungen dieser Inhalte, Medien und Methoden der Vermittlung des künstlerischen Arbeitens und der Geschichte der Kunst. Während es für die Methoden und Medien des Kunstunterrichts sicherlich einen Konsens gibt (denn niemand wird bestreiten, dass beispielsweise das »Wahrnehmen« eine unverzichtbare Kompetenz darstellt), ist die Bestimmung von Inhalten oder Themen schwierig. Doch auch zu ihrer Bestimmung gibt es heute deutliche wissenschaftliche Aussagen. Man kann versuchen, solche »Konstituenten« des Umgangs mit Kunst aus einer didaktischen Perspektive unter Einbeziehung ihrer Referenzen zu bezeichnen. Das Ergebnis dieser Suchbewegung ist ein Handlungsgerüst für die Planung des Kunstunterrichts und eine dynamische Systematik, die vielleicht viele für einen technokratischen Umgang mit Kunst halten, den man vor allem im Bereich des künstlerischen Arbeitens nicht gutheißen will und aufgrund eigener Vorstellungen von Kunst nicht billigen kann. Kunstunterricht ist aber eine institutionelle Veranstaltung in einem demokratisch entwickelten Bildungssystem, das mit Lehrplänen und Curricula arbeitet. Will dort der Kunstunterricht einen Stellenwert haben, muss er sich in diesen Rahmen eingliedern. Aus meiner Sicht gibt es hierzu keine ernst zu nehmende bildungspolitische Alternative, um Kunstvermittlung zu sichern. Andererseits haben Rahmenbedingungen, Lehrpläne und Systematiken wirklich guten Kunstunterricht noch nie verhindert. Offensichtlich ist es möglich, im Kontext dieser Systematiken künstlerisches Arbeiten und die Vermittlung von Kunstgeschichte zu verwirklichen. Je präziser die Vorstellungen davon sind, desto effizienter wird der Unterricht. Auch hinter diese Gegebenheiten sollte man nicht zurückfallen.
Deswegen bin ich mutig, eine solche Systematik für den Kunstunterricht zu entwerfen, und ich bin mir auch der Folgen bewusst, die eine solche Systematik auslösen kann. Denn sie bietet eine Folie zur Begründung von »Unterricht im Kontext fachlicher Standards«. Die Bezeichnung der Merkmale dieses Unterrichts ist eine sehr wichtige Grundlage für die Beurteilung von Studierenden, Lehrerinnen und Lehren, wenn sie ihn planen, durchführen und diskutieren. Man darf sich diesbezüglich nichts vormachen: Es gibt diese Normen, und sie bestimmen Studien- und Berufsbiografien wesentlich. Nur muss man sie klar und auf allen Seiten klar bezeichnen: in der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern, in den Prüfungsphasen zu staatlichen Examen und in den Begutachtungen innerhalb ihrer beruflichen Tätigkeit. Regionale Ausbildungsbehörden beispielsweise in Nordrhein-Westfalen haben begonnen, diese Erwartungen an »gelingenden Unterricht« zu bezeichnen. Dort wird eine wichtige Grundvoraussetzung der Unterrichtsplanung deutlich: Unterrichtliches Handeln ist an Lehrpläne, Schulcurricula, konkreten Förderbedarf von Schülerinnen und Schülern und vor allem an fachwissenschaftliche Wissensbestände gebunden. Auch andere Zielvorstellungen, die in solchen Papieren genannt werden, beruhen auf einem Konsens über die Grundlagen von Unterricht: Lernfortschritte und Lernzuwachs werden im Wissen, Können, Urteilen, Anwenden und Verknüpfen erreicht; Schülerinnen und Schüler sind Partizipanten von Unterricht; die Diagnose von Lernvoraussetzungen entscheidet über den Erfolg von Unterricht; seine Zieltransparenz und Methodenorientierung machen Unterrichtsprozesse anschaulich und nachvollziehbar; Medien und Unterrichtsmaterialien verlangen eine besondere Planungsanstrengung; Unterricht bedarf einer dynamischen Evaluation. Die Fachdidaktiken tragen in diesem Prozess eine wichtige Verantwortung. Die Kunstdidaktik muss beispielsweise deutlich klarstellen, wie sich der Kunstunterricht an die geforderten fachwissenschaftlichen Standards anbinden kann.
Die Systematik dieses Projekts definiert solche Bezugskontexte sehr klar, und es wäre ein Zeugnis ihres Erfolgs, wenn sich die Unterrichtspraxis von vielen Modellen des Kunstunterrichts distanzieren könnte, die heute sein Bild bestimmen. Es ist sicherlich nicht up-to-date, kunstgeschichtlichen Unterricht durch das Umgestalten von Vorlagen zu lehren oder künstlerische Praxis als eine Verwandlung dieser Vorlagen zu verstehen. Dass man auf die Idee kommen konnte, Kunstunterricht so zu verstehen, ist in der Geschichte der Kunstpädagogik begründet. Kein Künstler und keine Künstlerin würden so handeln, und keine Kunsthistorikerin und kein Kunsthistoriker würden sich diesen didaktischen Vorstellungen anschließen. Die Kunstpädagogik entwickelte sich selbst und in voller Absicht als eigenes Bezugssystem, was historische Quellen zeigen. Damit konnten Kunst und Kunstgeschichte nicht zufrieden sein, und diese Fehlentscheidung ist der Grund dafür, dass sich die didaktische Diskussion der letzten Jahre seit dem Streit zwischen Gunter Otto und Gert Selle so verzettelt hat. Heute drängen neue Positionen in den Vordergrund, die diese Vorentscheidungen aufräumen können. Es ist dabei nicht die Aufgabe der Kunstdidaktik, künstlerische und kunsthistorische Positionen zu entwickeln.
Diese Überlegungen waren Anlässe, die Kunstdidaktik weiterzudenken; vor allem aber gründen sie in einem unguten Gefühl gegenüber dem Kunstunterricht, wie er sich heute oft zeigt. Dort haben sich inhaltliche und methodische Handlungskonzepte eingenistet und offensichtlich regelrecht festgesetzt, die sich auf kunstdidaktischen Forschungen beziehen, die dreißig Jahre alt sind. Dies ist in erster Linie das Modell, die Untersuchung von Bildern in einen Zusammenhang mit der ästhetischen Praxis von Schülerinnen und Schülern zu stellen. Rahmenrichtlinien für das Zentralabitur (beispielsweise in NRW) nennen dies »perzeptorientierte« Methoden, und viele Fachdidaktiker formulieren bis heute, dass der gestalterische Umgang mit vorliegender Kunst die angemessene Methode zum Umgang mit ihr, vielleicht sogar mit Kunst überhaupt sei. Diese Methode bestimmt damit nicht nur den Unterricht, sondern auch Prüfungen zur Untersuchung von Kunstwerken. Nun gibt es aber bis heute keinen empirischen Beleg darüber, dass die Annahmen von Gunter Otto stimmen, der diese Methode profilierte. Vor allem muss man sich klar machen, zu welchen Folgen dieses Handlungskonzept geführt hat (das zum Ende der 1970er-Jahre und zum Beginn der 1980er-Jahre bildungspolitisch sehr klug gedacht war): Weit voneinander entfernt Liegendes wird in einen kunstpädagogischen Topf gegossen (z. B. die Kunstpraxis der Gegenwart und vergangene Bildwelten, aktuelles ästhetisches Verhalten von Kindern und historische Erfahrungen von Künstlern). Das, was Kunst eigentlich ist, rührt die Kunstpädagogik zu einem Gemenge-Gelage zusammen. Integrative Methoden scheinen sogar guten Unterricht auszumachen: Die ästhetische Praxis von Kindern und Jugendlichen wird durch kunsthistorische Erklärungsstunden angereichert, statt jedem Inhalt des Kunstunterrichts ein eigenes inhaltliches Recht zu gewähren.
Dass Jahrzehnte lang an den Kunsthochschulen die Kunstpädagogik als ein leidliches Anhängsel gesehen wurde, ist trotz des Umstandes, dass dort Lehrer und Lehrerinnen vorwiegend für das gymnasiale Lehramt ausgebildet werden, kein Geheimnis. Die Kunstgeschichte hat auf der anderen Seite als akademische Disziplin an Universitäten keine eigene Fachdidaktik geschaffen, wie dies in anderen universitären Fächern üblich war und ist. Die Kunstpädagogik stand immer zwischen der künstlerischen und der wissenschaftlichen Ausbildung, und sie hat seit langer Zeit einen selbstverständlichen Stellenwert in der Ausbildung von Grundschul- und Sekundarstufenlehrern an den Pädagogischen Hochschulen. Mit ihrer Auflösung in einigen Bundesländern und der Gründung von Gesamthochschulen in den 1970er-Jahren änderte sich dies, weil man nun das gymnasiale Lehramt nicht mehr ausschließlich an Kunstakademien studieren musste. Die Kunstpädagogik wandelte sich für viele Professorinnen und Professoren in eine Kunstdidaktik, die die künstlerische und wissenschaftliche Ausbildung der Studierenden begleitete. An vielen Hochschulen bleibt sie aber bis heute ein eigenständiges Konstrukt, in dem die Kunstpädagogik Kunstgeschichte und künstlerische Praxis lehrt. Dies entsprach dem bis heute gültigen Verständnis des Unterrichtsfaches als Lernen in Theorie und Praxis. Es gab seit dem Bestehen der Kunstpädagogik immer Brücken, die man zwischen den Ausbildungsbereichen von Kunstlehrerinnen und Kunstlehren geschlagen hat: die erfolgreichste und nachhaltigste Brücke entwarf sicherlich Gunter Otto. Aber auch vorher gab es wichtige Versuche zur Kartografie des kunstpädagogischen Geländes (z. B. das Handbuch zur Kunst- und Werkerziehung).
Es mag heute Studierenden des Faches egal sein, wie sich die Ausbildungssituation an den Hochschulen entwickelt hat; dennoch erzeugt die historisch gewachsene Struktur der Kunstpädagogik ein Verständnis für die Lehrinhalte, die sie vermittelt, und für mögliche Alternativen, die sich anbieten, wenn man sie ändert. Diese Änderungen sind, so nehme ich an, die Aufgabe der folgenden Generation, wenn junge Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer ihr eigenes Fach nicht gefährden wollen. Dies wird nur durch genuin didaktische Forschung und durch deutliche professionelle Referenzen zur Kunstgeschichte/Bildwissenschaft und zum künstlerischen Arbeiten gelingen. Für strukturelle Debatten an Universitäten bedeutet dies, dass ein Lehramtsstudium im Fach Kunst an die Kunstgeschichte und an das künstlerische Arbeiten gebunden sein sollte: also an wissenschaftliche und künstlerische Professuren. Dies ändert Studiengänge unter Umständen entscheidend.
Das Problem von Kunstlehrerinnen und Kunstlehrern, in einem Unterrichtsfach künstlerische Praxis und Kunstgeschichte zu lehren, ist durch die einseitige Methodenwahl des Umgestaltens und didaktischen Bricolierens nicht gelöst, weil diese Methode weder der Kunst noch der Kunstgeschichte gerecht wird. Tatsächlich sind solcher Kunstunterricht und seine Lernergebnisse keine angemessene Voraussetzung für ein Studium der Kunst, sicherlich auch nicht für ein Studium der Kunstgeschichte, und man sollte genau überlegen, ob diese Unterrichtsform sogar das verhindert, was sein eigentliches Ziel ist: die Verhandlung und Gestaltung von Kultur. Immerhin gibt es viele junge Menschen, die Kunst in irgendeiner Weise zum Gegenstand ihrer professionellen Biografien machen wollen, und in Mappen- oder Eignungsprüfungen bereiten schulische Arbeiten große Probleme (was nicht sein darf). Für ein kunsthistorisches Studium müssen Schülerinnen und Schüler propädeutisch vorbereitet sein. Und ob »perzeptorientierte« Methoden des Kunstunterrichts die Verhandlung und Gestaltung von Kultur ermöglichen, sei deswegen dahin gestellt, weil Kinder und Jugendliche auf diese Weise nur lernen, eine Kultur durch eine schon vorhandene Brille von Künstlern zu sehen. Die Vorwürfe an den Kunstunterricht, der sich so zeigt, sind also massiv. Übrigens: Ich finde ihn ausgesprochen langweilig.
Ich selbst als Lehrer würde heute meinen Unterricht und mein Engagement an meiner Schule ganz unspektakulär so aufbauen, dass alle Schülerinnen und Schüler im Verlauf ihrer schulischen Lernbiografie eine Anzahl künstlerischer und kunstgeschichtlicher Projekte verwirklichen und in der Oberstufe einen wissenschaftspropädeutischen Umgang mit Kunst lernen. Ich wäre froh, wenn die Zeugnisse meiner Schülerinnen und Schüler die »Kompetenzen« bezeichnen, die sie in den künstlerischen und kunsthistorischen Projekten erreicht haben, und es wäre sinnvoll, wenn diese Zeugnisse auflisten, welchen Beitrag der Kunstunterricht zur Entwicklung fachübergreifender Kompetenzen leistet. Ich denke die Säulen des Faches »Kunst« zusammen, und befände ich mich in einer Situation, einmal nicht der Fachmann für ein Thema zu sein, würde ich mir Unterstützung bei Künstlern, Künstlerinnen, Kunsthistorikern und Kunsthistorikerinnen suchen (wie dies in anderen Fächern auf Exkursionen u. d. durchaus üblich ist). Dies schließt ein vergleichbares Engagement in Fortbildungen ein. Das Buch »Kunst unterrichten« will zeigen, wie man dies auf den Weg bringen kann. Es ist Ergebnis meiner Beobachtungen, Bewertungen und Untersuchungen der kunstdidaktischen Debatten; es ist zugleich ein offensiver Beitrag zu den schwerwiegenden Veränderungen in der Lehrerbildung, für die eine fachdidaktische Grundlagenforschung unverzichtbar ist.
Auch in der zeitgenössischen Kunst haben wir es heute mit schwerwiegenden Veränderungen zu tun. Die wichtigste und auffälligste Veränderung betrifft partizipative und intervenierende Methoden von Künstlerinnen und Künstlern, die den Betrachterstandpunkt völlig ändern: Betrachterinnen und Betrachter werden Teil eines künstlerischen Prozesses und wirken an der Gestaltung eines Kunstwerks mit. Dies ist ein Vorgang, den Umberto Eco in den 1960er-Jahren als Umgang mit einem offenen Kunstwerk beschrieben hat (wobei er allerdings andere Kunstwerke im Sinn hatte). Weiterhin reflektieren viele Kunstwerke einen konkreten geografischen Ort, und in künstlerischen Prozessen findet eine Auseinandersetzung mit Bildern statt, die es schon gibt. Dies alles zeigt ein künstlerisches Handeln, das sehr methodisch orientiert ist, und Künstlerinnen und Künstler sprechen offen über ihre Arbeitsweisen, die ebenso wichtig wie ihre Produkte oder die von ihnen eingeleiteten Prozesse sind. Sie schicken Menschen auf Reisen, regen Forschungen an und bewegen sich in Zusammenhängen, die es schwer machen, ihre Profession von anderen Berufen zu unterscheiden. Denn sie arbeiten transdisziplinär, und so kann es geschehen, dass man nicht weiß, ob ein Künstler Biologe, Raumplaner oder Sozialarbeiter ist. Sucht man nach Begründungen für diese Kunstbegriffe, erfährt man, dass Künstlerinnen und Künstler in einem freien Raum arbeiten, der neue Blicke auf Kultur und gesellschaftliche Prozesse öffnet. Dies hat natürlich Folgen für die Kunstpädagogik und für die Sicht auf Kunst überhaupt. Denn diese beschriebene Gewichtung auf die Arbeitsweisen von Künstlerinnen und Künstlern erzeugt auch die Frage, mit welchen Methoden in welchen Kontexten früher gearbeitet wurde. Welchen Methoden folgten also Künstlerinnen und Künstler in der Geschichte der Kunst? In welchen kulturellen Kontexten machten sie dies? Antworten auf diese Fragen ändern die Sicht auf Kunst und Kunstgeschichte grundlegend.
Für die Kunstpädagogik ergibt sich das Problem, dass sie in solchen partizipatorischen Projekten überflüssig wird, wenn sich die Projekte selbst vermitteln. Dies trifft vor allem dann zu, wenn Künstlerinnen und Künstler Projekte entwickeln, »in denen junge Menschen Räume erobern für ästhetische Erfahrungen, Austausch und Experiment. Dabei lehren die Künstler den Kindern und Jugendlichen nicht ihr Wissen oder Können, sondern ermutigen und ermächtigen sie, sich in das Dickicht der Zeichen vorzuwagen, ihr intuitives Wissen zum Einsatz zu bringen und zu erzählen, was sie erlebt haben. Sich vorzuwagen als selbstbewusste Akteure: als Kunstexperten.« In diesem Vermittlungsprogramm der sehr prominenten Ruhr-Triennale 2013 haben Künstlerinnen und Künstler die Aufgaben der Kunstpädagogik vollständig übernommen, oder anders herum: Die Kunstpädagogik ist in der zeitgenössischen Kunst aufgegangen. Gäbe es dann noch eine wissenschaftliche Kunstpädagogik, bekäme sie eine neue Aufgabe: Sie untersucht nur noch den diskursiven Prozess von Kunst. Dies sind Gratwanderungen des Fachs.
Ein fachdidaktisches Buch befindet sich immer in einer Konkurrenz zu den jeweils aktuellen Lehrplänen und Rahmenvorgaben der Bundesländer, weil es Formulierungen z. B. zu Kernkompetenzen oder curricularen Strukturen verallgemeinern muss. Auf der einen Seite muss eine Fachdidaktik diese vorhandenen Datenbestände berücksichtigen, auf der anderen Seite muss sie darüber weit hinausgehen, da Fachdidaktik immer Forschung bedeutet und neues Wissen generiert, das für die Entwicklung und Veränderung neuer Lehrpläne unverzichtbar ist. Aus diesem Grund sind die grundlegenden Prämissen des fachdidaktischen Diskurses in diesem Buch fachwissenschaftlich formuliert, aber curriculare Formulierungen von Lehrplänen lassen sich anschließen und ableiten. So kann man beispielsweise die methodischen Skripte als Operatoren lesen, die den Unterricht aus der Sicht von Lehrplänen inzwischen maßgeblich bestimmen. Aus fachwissenschaftlicher Sicht kann man nicht behaupten, dass zwischen den aktuellen Lehrplänen und dem Stand wissenschaftlicher Forschung ein abgestimmtes Verhältnis besteht. Vielen Richtlinien fehlt eine explizite Theorie zu dem Umgang mit Bildern und zu inhaltlichen Aspekten der Unterrichtsgegenstände. Richtlinien und alle Curricula sollen sich mit aktuellem wissenschaftlichem Wissen begründen.
Das hier vorgeschlagene Vermittlungsmodell von Kunstgeschichte und künstlerischem Arbeiten gilt nicht nur für den institutionellen Rahmen des Kunstunterrichts an Schulen, sondern auch für andere Vermittlungskontexte an anderen Institutionen und Einrichtungen. Museen, außerschulische Bildungseinrichtungen und Projekte innerhalb der Kulturellen Bildung funktionieren zwar im Kontext ihrer jeweiligen Handlungsbedingungen, bedürfen aber auch zusätzlich einer kunstdidaktischen Qualitätssicherung, die es erleichtert, Standards der Kunstvermittlung zu sichern. Das Museum als Vermittlungsort ist (beispielsweise) den gesellschaftlichen Anforderungen und seinen wichtigsten Aufgaben verpflichtet (z. B. Sammlung, Bewahrung, Konservierung, Ausstellen, Forschen); die Museumspädagogik gehört zu diesen Aufgaben und bewegt sich in dabei in einem kunstdidaktischen Spannungsfeld. Dieser Vermittlungsort ist nicht durch staatliche Lehrpläne und Curricula geregelt, aber durch einen gesellschaftlichen Bildungsauftrag gekennzeichnet, der sich nur durch die Sicherung von wissenschaftlichen Standards implementieren lässt. Durch die kunstpädagogische Orientierung der Museumspädagogik dringt das künstlerische Arbeiten als Vermittlungsmodus von Kunst auch in die Vermittlungsarbeit der Museen. Vergleichbares gilt für andere Vermittlungsorte. Auch jüngste Konzepte von Künstlerinnen und Künstlern, die sich partizipatorisch verstehen, bestätigen den Eindruck der Dominanz des künstlerischen Arbeitens als Weg zum Kunstverständnis, wie er sich in den Konzepten zur Kulturellen Bildung insgesamt breit macht.
Die Institution Museum zeigt in diesem Zusammenhang, dass sich die Kunstdidaktik nicht als Vermittlungswissenschaft in der Lehrerbildung oder in Studienordnungen für das Fach verstecken muss. Am Museum Ostwall in Dortmund bilden kunstgeschichtliche Forschung, Museologie, die Ausstellung künstlerischer Prozesse und Kunstdidaktik ein beispielhaftes Netzwerk zur Formulierung seiner institutionellen Absichten, die von einem gemeinsam erarbeiteten Verständnis der Kunst als Verhandlung von Kultur ausgehen[3]: »Vor dieser Herausforderung steht das Museum […], wenn sich die Institution nicht nur als Teil der Freizeitindustrie und des Stadtmarketings, sondern als Ort des gemeinschaftlichen Verhandelns künstlerischer, kultureller und gesellschaftlich relevanter Fragen begreift.« Die entscheidende Frage ist, wie sich die Kunstdidaktik, vernetzt in ihren fachlichen Bezügen, konfigurieren kann: Sie mag dort mit Forschungsergebnissen auftreten und zu einer Generierung neues Wissens beitragen. Das gelingt, wenn das Netzwerk sie ernst nimmt und sie dort auftreten lässt. Dies wiederum gelingt nur, wenn die Kunstdidaktik Forschung betreibt, die für ein Netzwerk bedeutsam ist.
Das Buch »Kunst unterrichten« ist vor allem ein Projekt der Kooperation zwischen Kunstdidaktik, Kunstgeschichte und künstlerischem Arbeiten und zeigt das Ergebnis vieler Gespräche und gemeinsamer Veranstaltungen von Kolleginnen und Kollegen, die in diesen Aufgabenfeldern der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern an der TU Dortmund tätig sind. Herausragendes Merkmal dieser Studiengänge ist der fachliche Professionalismus der Arbeitsbereiche. Das künstlerische Arbeiten wird von Künstlerinnen und Künstlern, die Kunstgeschichte von Kunsthistorikerinnen und Kunsthistorikern gelehrt. Beide Arbeitsbereiche forschen und arbeiten in eigenständigen Kontexten; sie bilden die fachlichen Bezugspunkte für die Kunstdidaktik. Forschung, Kunstpraxis und Lehre der drei Arbeitsbereiche folgen ihren jeweiligen Eigengesetzlichkeiten, die miteinander in den Ordnungen der Bachelor- und Masterstudiengänge verbunden sind. Die Studierenden erfahren im Verlauf ihrer Studien, in welcher Weise sie die fachlichen Inhalte aller Bereiche miteinander in Beziehung setzen können. Das ist für sie schwierig. Darüber hinaus gibt es Projekte zwischen den Arbeitsbereichen. Die »Verschiedenheit« der Arbeitsbereiche ist durch die gemeinsame Zielsetzung verbunden. Dies entspricht den beruflichen Aufgabenfeldern von Kunstlehrerinnen und Kunstlehrern, die im Verlauf ihrer Biografien lernen, die sehr unterschiedlichen Ansprüche des Faches »Kunst« miteinander in Beziehung zu setzen und damit ein fachliches Fundament aufzubauen. Die Fachgeschichte der Kunstdidaktik und die Geschichte des Kunstunterrichts zeigen die Notwendigkeit solcher Konstruktionen von Profilen sehr deutlich, seit man das künstlerische Arbeiten und die Kunstgeschichte miteinander in einem Unterrichtsfach verbunden hat.
Das Buch ist in seinen Beispielen regional geprägt. Die Universitätsstadt Dortmund im Ruhrgebiet ist der Entstehungsort der Beiträge und in vielen Fällen auch ihr Bezugsort. Die Argumentation des Buches wird zeigen, dass alle fachlichen und methodischen Ergebnisse an alle Orte der Kunstvermittlung übertragbar sind. Die Schriftenreihe des Seminars für Kunst und Kunstwissenschaft an der TU Dortmund (die »Dortmunder Schriften zur Kunst«) gibt mit ihren Ausstellungskatalogen, Essays und wissenschaftlichen Werken weitere Impulse. Dies wird durch andere Projekte ergänzt. So haben die Arbeitsbereiche des Seminars (die Kunstgeschichte/Bildwissenschaft, die Kunstdidaktik und das künstlerische Arbeiten) 2011 bis 2013 in Zusammenarbeit mit der Wüstenrot Stiftung in dem Projekt »Stadtspäher« Formen der Kollaboration entwickelt, die weitere Anhaltspunkte für die Planung von Unterricht über künstlerisches Arbeiten und Kunstgeschichte geben. Die Abbildungen in diesem Band dokumentieren dieses Vermittlungsprojekt über die Publikationen der Wüstenrot Stiftung hinaus, das am Seminar für Kunst und Kunstwissenschaft der TU Dortmund auch in Zusammenarbeit mit Schulen, Museen und anderen Institutionen stattgefunden hat. Sie zeigen Vermittlungsmomente, Unterrichtssituationen, Seminare zur Kunstgeschichte und künstlerische Arbeiten im Rahmen der Stadtspäher-Projekte in Hagen und Dortmund. Weiterhin zeigen die Abbildungen Vermittlungsorte entlang der EMSCHERKUNST.2013, die am Lehrstuhl für Kunstdidaktik für den Kunstsommer im Jahr 2013 entlang der Emscher in Zusammenarbeit mit der Emschergenossenschaft entwickelt und von den Studierenden des Seminars ausgeführt wurden. Die Abbildungen illustrieren oder erläutern nicht den Text. Vielmehr erzählen sie eigenständig Geschichten über die Vermittlung von Kunstgeschichte und künstlerischem Arbeiten: Sie zeigen, wie Kinder, Jugendliche und sogar Erwachsene jene Skripte anwenden, über die dieses Buch erzählen wird: z. B. über das Wahrnehmen, Zeichnen und Malen, über das Analysieren und Gestalten oder über das Ausstellen und Kommunizieren. Wer erläuternde Abbildungen zum Text sucht, wird im »Methoden-Atlas: Künstlerisches Arbeiten« fündig (abrufbar unter: http://www.fb16.tu-dortmund.de/kunst/cms/busse.html). Das Literaturverzeichnis gibt nur ausgewählte wichtige Literatur zu den Themen des Buches wieder.
Die Kunstdidaktik steht nach den aktuellen Reformen der Lehrerbildung unter einem hohen Erwartungsdruck. Kompetenzen und Operatoren sollen formuliert werden. Die Bildungspolitik und -verwaltung benötigen auch dazu dringend wissenschaftlich gesicherte Handlungsempfehlungen. Der kunstkritische Diskurs zeigt die tiefgreifenden Veränderungen im Umgang mit Kunst. Die Kunstgeschichte/Bildwissenschaft reklamiert deutliche curriculare und bildungstheoretische Ansprüche. Neue Medien suchen an Schulen und anderswo Vermittlungsanker. An den Rändern löst sich die Kunstpädagogik auf, weil immer mehr Personen sie in die Hände von Künstlerinnen und Künstlern legen. Und man hat den Eindruck, dass sich der Kunstunterricht immer noch nach den gleichen alten Rastern ereignet: In der Sekundarstufe wird vorwiegend gestalterisch gearbeitet, und kunsthistorische Werke erscheinen als Anlass und Hintergrund für eine ästhetische Praxis. Wir haben oft versucht, die Frage zu beantworten, warum sich dieser Bildumgang in der Vermittlungsarbeit so festgesetzt hat und selbst bis in das Zentralabitur drängt. Es scheint, als ob sich die Erfahrungen, die Lehrerinnen und Lehrer in ihrer eigenen schulischen Biografie gemacht haben, in ihrer Professionalität reproduzieren. Kurz gesagt: Es gibt viel zu erörtern und zu verändern. Hierzu ist eine empirische Forschung unabkömmlich, weil die Kunstpädagogik viel zu wenig über ihr Handeln und seine Wirkung weiß. Diese Forschung entwickelt sich bereits: in der Untersuchung der Biografiewirkungen der Lehrenden, in der Untersuchung des ästhetischen Verhaltens von Kindern und Jugendlichen, in der Analyse des Bildumgangs heterogener Lerngruppen. Es liegt auf der Hand, in dieser genuin kunstdidaktischen Forschung und in der stringenten Fachlichkeit der Kunstdidaktik ihren Stellenwert an Universitäten zu sichern. Diese Position in einem akademischen Bildungsgefüge sichert auch das Unterrichtsfach Kunst.