Als unsere Tochter uns fragte, was das Entscheidende daran sei, dass unsere Ehe Bestand hat, waren wir uns schnell einig: Die Tatsache, dass wir in guten wie in schlechten Zeiten nie den Respekt und die Wertschätzung füreinander verloren haben. Das klingt erst einmal denkbar einfach. Wenn man jedoch darauf achtet, wie Menschen über ihre Partner erzählen, stellt man schnell fest, dass dies in der Realität gar nicht selbstverständlich ist. Natürlich gibt es Dinge, die einen an seinem Partner nerven oder die in einer Beziehung nicht rund laufen. Und manchmal hilft es, darüber mit einem Seelsorger oder einer vertrauten Person zu sprechen. Wenn jedoch vor lauter Frust über Dinge, die in der Beziehung nicht optimal laufen, die Wertschätzung auf der Strecke bleibt, beginnen manche Menschen, ihre Partner in der Öffentlichkeit schlechtzumachen oder bei einem Streit unter die Gürtellinie zu zielen. Deshalb haben wir immer darauf geachtet, den andern bewusst wertzuschätzen.
Es gab längere Zeiten, in denen ich (Harald) krank und schwach war und von Hanna durchgetragen werden musste. Sie hat die Familie am Laufen gehalten und mich bei meiner Genesung unterstützt. Obwohl ich in diesen Phasen nicht der starke Ehemann sein konnte, der ich ihr gerne gewesen wäre, hat Hanna mich nie bemitleidet oder wie einen Schwächling behandelt. Egal wie schwach und nutzlos ich mich fühlte, ist sie mir stets mit Respekt und Wertschätzung begegnet.
- Denk mal
Was schätzt du an deinem Partner / deiner Partnerin am meisten?
- Mach mal
Schreibe es auf eine Postkarte oder in einen Brief und schicke ihm oder ihr die Nachricht zu.
Im vorigen Kapitel haben wir davon gesprochen, wie wichtig Respekt füreinander auch und gerade in schwierigen Zeiten ist. Eine weitere Haltung, die dazu beigetragen hat, dass wir immer noch verheiratet sind: Wir gehen beide mit einem gewissen Maß Pragmatismus an unsere Beziehung. Wir erwarten von ihr nicht einen permanenten Zustand des Himmels auf Erden.
Beziehungen verändern sich, weil sich die Umstände, wir selbst oder unsere Partner ändern. Keine Beziehung ist statisch. Das ist auch in Ordnung.
Problematisch wird es, wenn man statt auf die Gegenwart ständig auf die Vergangenheit schaut und dem nachtrauert, wie es einmal gewesen ist: »Wie schön war es damals, als wir frisch verliebt waren und der andere mir jeden Wunsch von den Augen ablas.« Oder sich nur auf die Zukunft konzentriert: »Wenn unsere Kinder einmal aus dem Haus sind oder mein Partner gelernt hat, besser zu kommunizieren, dann wird unsere Beziehung endlich gut sein.«
Vielleicht ist die Phase, in der sich deine Beziehung aktuell befindet, nicht die beste, die ihr je hattet oder in der ihr je sein werdet. Sicher hat sie ihre eigenen Herausforderungen. Aber sie hat vor allem auch ihren besonderen Gewinn. Wenn wir pragmatisch hinnehmen, dass Perfektion auf dieser Erde nicht zu erreichen ist, werden wir frei dafür, uns auf das zu konzentrieren, was im Hier und Jetzt gut ist. Unabhängig davon, ob es früher einmal besser war oder zukünftig noch steigerungsfähig ist.
- Denk mal
In welcher Phase befindet sich eure Beziehung gerade?
- Mach mal
Schreibe auf, was du an dieser Phase besonders schätzt, und teile es mit deinem Partner.
So schön die Phase des ersten Verliebtseins und Kennenlernens ist – irgendwann kommt jede Beziehung an den Punkt, wo wir entscheiden müssen: Wollen wir an dieser Beziehung dauerhaft festhalten, auch wenn die Tönung der rosaroten Brille nachgelassen hat? Oder nicht?
Vielleicht erreicht ihr diesen Punkt nicht gleichzeitig. Während Harald schon zu Beginn unserer Beziehung fest davon ausging, dass wir heiraten, dauerte es bei mir (Hanna) etwas länger, bis ich wusste: Ja, mit diesem Mann möchte ich alt werden.
Doch ab diesem Punkt gab es für uns beide keinen Plan B mehr. Wir sind nicht zusammen, weil es »das Schicksal« oder »der Zufall« so wollte, sondern weil wir uns bewusst füreinander entschieden haben. Diese Entscheidung hat unsere Ehe bis heute getragen.
Man kann auf Dauer nur dann entspannt leben und sich ganz in eine Beziehung investieren, wenn man nicht jeden Tag neu auf dem Prüfstand steht.
Wir kennen Paare, die vor lauter Angst, sich endgültig zu binden, die Zukunft ihrer Beziehung ständig offen lassen. Sie entscheiden quasi von einem Tag auf den anderen, ob sie noch Lust auf die Beziehung haben. Oder ob ihnen vielleicht noch ein besserer Kandidat über den Weg läuft. Dieses Klima der ständigen Unsicherheit schadet ihnen mehr, als widrige Umstände oder nervige Angewohnheiten des Partners es jemals könnten.
Liebe ist – auch – eine Entscheidung.
- Denk mal
Hast du dich bewusst für deinen Partner / deine Partnerin entschieden?
- Mach mal
Sprecht die Entscheidung füreinander (noch einmal) voreinander aus. Zum Beispiel, indem ihr eure Eheversprechen wiederholt.