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Richard van de Sandt

Am Ende des Feldweges
eine Reise ins Licht

Eine Vision der Moderne

Haag + Herchen

Zum Umschlagfoto: ›Ricardas Brünnle‹, nach unserer Tochter benannt, befindet sich nur wenige Meter unterhalb der ›van-de-Sandt-Quelle‹ (846,2 m) nebst Findling als Bildstock und Wegweiser zugleich direkt am Straßenrand zwischen Brenden und Häusern/St. Blasien oder Höchenschwand/Waldshut. Muslime schätzen das frische, klare Quellwasser und kommen von weit her. Ein Ort der Begegnung.

Bank und Anordnung sind das Werk von Helmut Ebner aus Brenden, ausgeführt im Jahre 2007, dem ich zu tiefem Dank verpflichtet bin.

 

 

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-89846-707-0 (Druckausgabe)
ISBN 978-3-89846-717-9 (ePUB)
© 2013 by Verlag HAAG + HERCHEN GmbH,
Schwarzwaldstraße 23, 63454 Hanau
Alle Rechte vorbehalten
Satz: kn
Herstellung dp

 

Für Ricarda

1. In Erwartung

Menschliches Da-Sein gebietet, für das Leben besorgt zu sein. Man führt kein Leben unbekümmert und isoliert. Vielmehr sind die Menschen aufeinander verwiesen und können nur gemeinsam ein höheres kulturelles Niveau erlangen. Dabei bleiben die Leistungen eines jeden einzelnen Menschen für sich bestehen. Der Mensch steht im Alltagsgeschehen seiner Lebenswelt, in welcher er sich zu bewähren hat, und das er erfährt, indem er es durch seine Handlungen, sein Gestalten und sein Entscheiden im Rahmen seiner Möglichkeiten weiterentwickelt und dementsprechend fortsetzt.

Aus dieser Sicht wird es verständlich, daß das Leben ein ständiger Prozeß des Übens und Bemühens ist, der nur mittels Vollzug seinen Sinn bekommt. Es ist letztlich immer der eigene Antrieb, der das Wohlbefinden steigert, Wohlfahrt mehrt und mittelbar zur Verbesserung der Lebenswelt beiträgt. Da es sich so in dem Alltag abspielt, geht es dem Menschen schließlich um sein Schicksal, seine Zukunft.

Leben steht im Zeichen von Aktiv und Passiv. Es ist im Alltag eingebettet. Die Aktivität des Menschen wie die der Lebenswelt wirkt ohne Unterbrechung auf ihn und sie zurück. Wichtig ist jedoch, daß sein Handeln zielorientiert geschieht. Denn Bewegung bedingt Zielsetzung. Dazu gehört selbstverständlich Entschlossenheit, die aber nicht Vollendetheit seines Da-Seins herbeiführt. Da es zeitlich ist, vollzieht sich der Werdensprozeß des Menschen in dieser Zeitspanne. Daher ist das Leben wesentlich von der Zeit her begreiflich. Das Verhalten und Handeln des Menschen in Freiheit bringt entweder Gelingen oder Scheitern mit sich.

Zieht Gelingen Selbstzufriedenheit nach sich, dann Scheitern Verzweiflung. Zwischen diesen beiden Extrempolen bewegt sich das Spektrum des Lebens in der Welt, die es zu verstehen gilt, und in der die Selbstverwirklichung stattfindet: aktive Teilnahme oder passive Annahme, Beteiligtsein oder Gleichgültigkeit, Ermutigung oder Entmutigung, Offenheit oder Unehrlichkeit, Anpassung oder Eigensinn, Großzügigkeit oder Geiz, Anerkennung oder Auflehnung gegen das Alter. Ebenso kann Arroganz auf die Nähe zu anderen Menschen störend wirken. Ich meine, daß besonders gesellige Erlebnisse auch Glück bringen. Meine Frau und ich schätzen sie, gleichgültig wo wir uns aufhalten. Es ist erfreulich, daß die Familie in der italienischen oder arabischen Welt eine dominante Rolle spielt. Ich selbst bin offen und bodenständig. Daher sind mir Mitmenschen im Dorf lieber, weil sie sich ohne Maske zeigen. Ich begegne dort einfachen Menschen, die ein erstaunlich feines Empfinden besitzen und sich weniger hochmütig benehmen. Die Gespräche sind locker, ehrlich und erfrischend. Kein arrogantes, selbstsüchtiges oder geheucheltes Gerede. Eine Atmosphäre der Behaglichkeit stellt sich im Herrgottswinkel ein.

Jeder Lebensabschnitt hat seine eigene Weile. Die einzelnen Abschnitte bilden ein Kontinuum. So ist das Alter mit der vorhergehenden Lebensphase verbunden. Die letzte Wegstrecke versteht sich als Phase zunehmender Langsamkeit und Gebrechlichkeit. Die Bedürfnisse an Hilfe und Pflege sind Zeichen des sich nähernden Alterns. Es ist der Übergang von einer Taktart in eine andere. Alles spielt sich nun ohne Erwerbsarbeit ab. Das Gefühl der Kontinuität ist zwar gegeben, aber ein anderes Zeitempfinden macht sich bemerkbar. Die innere Uhr wird langsamer, obwohl die objektive Zeit gleich bleibt. Im Greisenalter kommt es zum verstärkten Anspruch auf Betreuung. Je nach finanziellen Ressourcen bleiben viele ältere Menschen in ihrem bisherigen Zuhause wohnen, andere wiederum suchen frühzeitig Residenzen auf. Je pflegebedürftiger der ältere Mensch wird und je weniger die Familie die Pflege übernehmen kann, desto eher steht das Unterbringen in einem Altenheim an.

Gerade im Alltag im Draußen bedarf es der Achtsamkeit älterer Menschen im lebhaften Verkehr. So bedeutet die Überquerung einer Straße trotz einer Fußgängerampel auf Grün ein Risiko. Wer nicht gut zu Fuß ist, erreicht oft gerade die Straßenhälfte. Schaltet die Ampel auf Rot, hat er die andere Straßenseite noch nicht erreicht. In der Regel jedoch erweisen sich die wartenden Autofahrer zuvorkommend hilfsbereit, so daß sich der ältere Mensch durch Weitergehen vor dem sonst unabänderlichen Aufprall noch retten kann. In den Großstädten Italiens geht es lebhafter, temperamentvoller zu, da sich zu den Autos noch die motorini gesellen. Der Verkehr ist hitzig, wenn rechts und links die Vespas vorbeiziehen. Tollkühn und flink wuseln sie zwischen den Autos hindurch und setzen sich an den Ampeln vor diese. Doch selten kommt es zum Crash. Irgendwie sprechen sich die Fahrer ab und sind zugleich Meister des Improvisierens. Die kleinen Altäre und an manchen Straßenlaternen Fotos mit Namen, Alter, Todestag und oft mit frischen Blumen weisen aber auf schwere Unfälle hin.

Bevor das Gespräch aufgenommen wird, versuche ich, über einige Grunddinge nachzudenken. Ich möchte hier bescheiden Fragen aus dem Blickwinkel meiner Vita beantworten. Worauf kommt es an? Ist das Einfache nicht das Wahre? Gibt es über der Bio- und der Noosphäre, wie Teilhard de Chardin sagt, noch eine Letztphase, in der der Mensch eine offene Tür zu Gott vorfindet?

Warum? Welche Gründe haben Sie bewogen, Ihren Wohnsitz in den Schwarzwald – den südlichen Bereich – zu verlegen?

Schwarzwald! Black Forest! Foresta Nera! Dunkle Wälder: Fichten, Kiefern, Tannen. Alte Bauernhöfe, Herrgottswinkel, Kuckucksuhren, Bollenhüte. Ein einzigartiges Bild bietet die unvergleichbar schöne Landschaft mit den sanften Höhenlinien und der schroffen Alpenkette im Hintergrund. Tourismus, hervorragende Gastronomie und Weine, innovativer Mittelstand. Fast unberührtes Landschaftsbild ohne energetische Industrialisierung des Horizonts wie in Norddeutschland. Seine Geschichte wie auch die Besiedelung ist spannend. Ebenso der Aufbruch der Glas- und Uhrenträger über den Schwarzwald hinaus. Seit 2007 ist diese liebliche Region unsere Heimat. Ich brauche das Bergdorf auf 900 Meter Höhe für meine Spätlebensphase und kreative Erdung. Heimelig ist das Nest.

Ihre Beschreibung der ›Skulptur – Sein und Raum – in Brenden‹ hat Aufmerksamkeit ausgelöst. Nun sitzen Sie mitten in der Arbeit an der Fortschreibung einer Vision der Moderne über den ›Mystischen Raum ohne Hölle‹.

Die Rede ist von einer Eingebung, die ich an verschiedenen Orten in Italien erfahren habe – beispielsweise im Pantheon mit seiner Kuppel als Symbol des Himmels, vor dem Altarbild des Jüngsten Gerichts in der Sixtinischen Kapelle, ähnlich im Dom zu Orvieto oder in der Kapelle zu Ehren des hl. Bonaventura in Bagnoregio. In dieser kleinen Schrift vertiefe ich, was ich im Buch ›Die Skulptur‹[1] bereits begonnen habe. Hierbei geht es um die Thematik des Alters, der Erwartung und der Hoffnung am Ende des Weges.

Das macht deutlich, daß Sie es bei Ihrem Vorhaben mit der Bewältigung eines ungeheuren Stoffes zu tun haben.

Ich habe mir vorgenommen, es knapp zu meistern. Das Thema ist faszinierend und erlaubt eine neue Sichtweise des Zugangs zum Glauben. Außerdem bereitet es mir viel Freude, da ich schon selbst zu den älteren Menschen zähle. Betrachten wir uns selbst einmal im Werden! Stellen wir im Rückblick nicht fest, daß ein jeder seinen Feldweg bis ans Ende zu gehen hat? Und was kommt danach? Quo vadis? Was erwartet uns? In Erwartung? Welche Ängste befallen uns im Zeitablauf des Lebens? Endängste? Das Angstgefühl zu mildern, abzuschwächen, vielleicht sogar zu nehmen, möchte ich mit diesem Opusculum bezwecken. Seit Menschengedenken stellen sich die Menschen die Frage nach dem ›Danach‹, die aus Sicht der einzelnen Kulturen und ihrer Lebenswelten unterschiedlich interpretiert und kulturgeschichtlich differenziert werden müßte. Dieser Stoff wäre jedoch zu umfangreich. Daher gibt es keine weltumfassende, vollständige Schrift, die ich hier vorlege. Die Frage, die sich Leserinnen und Leser stellen, lautet: Geht es mich an? Das kleine Buch will trotz seiner Grenzen aufhellen, will vielen Menschen auf ihrem Lebensweg helfen. Es ist eine Art Portikus, der neugierig macht, was uns erwartet, wenn wir glauben: Der Portikus zum Pantheon?

Wollen Sie mit Ihrer Vision die Spätlebensphase der Menschen erträglicher machen?

Gewiß doch! Vieles bleibt natürlich ungesagt. Dennoch geht es mir um ein Richtungsbild als Grundidee, das von einem hoffnungsvollen, wunderbaren Morgenrot erzählt. Ein verheißungsvoller Beginn einer universalen Botschaft, die Verständigung ermöglicht. Die über die jeweilige Moderne hinausgehende Vision mitzuteilen, zu offenbaren scheint mir wichtig. Wenn ich diese nicht niederschreibe, um sie auch für andere Menschen festzuhalten, würde sie mich ständig in meinen Träumen verfolgen.

Was könnte Ihr Vorhaben gefährden?

Die Gedanken könnten ins Schlingern geraten, wenn ich mich auf mich allein gestellt sähe. Die Antwort auf die Frage nach dem ›Danach‹ läßt sich eigentlich kaum in Worte fassen. Gefährdend wäre folglich eine drohende Antwortlosigkeit, die, wenn sie von vornherein gegeben wäre, Scheitern bedeutet. Gelingt mir jedoch der Versuch des Verstehens und die Herbeiführung einer Antwort, so ist das Ergebnis nicht abstrakt, sondern steht in alltäglichen Lebenszusammenhängen.

An was erinnern Sie sich, wenn Sie auf dem Petersplatz stehen?

Spontan fallen mir die Worte »La luna, le stelle« von Johannes XXIII. ein. »Der Mond, die Sterne sehen auf euch Menschen herunter, und wir sollten uns lieben.«