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Inhaltsverzeichnis
 
 
 

Für meinen Freund Willi Jobst und seine Familie

Vorwort
 
 
Die Geschichte dieses Buches reicht zurück ins Jahr 1998. Damals leitete ich ein Astrologie-Seminar auf unserem Grundstück in der Toskana. In einer der Sitzungen wollte ich ein Beispiel dafür geben, wie im Sinne der zwölf Tierkreiszeichen ein und derselbe Begriff zwölf verschiedene »Gesichter« bekommt. Warum ich gerade »Depression« als Beispiel wählte, weiß ich nicht mehr – jedenfalls hielt ich aus dem Stegreif einen Vortrag über dieses Thema. Wichtig war mir zu zeigen: Depression ist nicht gleich Depression. Wird ein Widder (besser: ein Mensch mit einer starken Widder- oder Marsbetonung) depressiv, ist der Hintergrund, die Entstehungsgeschichte anders zu verstehen als etwa bei Stier- oder Zwillingebetonung. Dementsprechend gibt es auch unterschiedliche Wege der Heilung: Die Wirkung therapeutischer Verfahren ist individuell verschieden. Als ich mit meinem spontanen Vortrag geendet hatte, war mein Freund Willi Jobst, der mit seiner Frau an der Gruppe teilnahm, so angetan, dass er mir nahelegte, ich solle darüber etwas schreiben. Ich tat es nicht, weil zum damaligen Zeitpunkt das Thema »Schreiben« für mich in weite Ferne gerückt war. Ganz vergessen habe ich die Anregung meines Freundes allerdings nie – auch weil Willi mich im Lauf der Jahre wiederholt darauf ansprach und ich mich inzwischen mit dem Schreiben angefreundet hatte. So sagte ich zu, als die Redaktion der Astrologie-Zeitschrift »Sternbild« anfragte, ob ich Lust hätte, Artikel für sie zu schreiben, und mir dabei inhaltlich freie Hand ließ. Bei der Suche nach einem Thema fiel mir das erwähnte Toskana-Seminar wieder ein, es kam mir vor wie die Erinnerung an eine seit langem unerledigte Aufgabe. Mit Hilfe meiner Tochter Lisa, die Management und Tippen übernahm, entstanden zwölf Artikel und aus diesen die erste Fassung dieses Buches.
Was zunächst als reines Familienprojekt gedacht war – wir vertrieben das Buch ausschließlich von zu Hause aus -, zog bald weitere Kreise. Das positive Echo bewog mich schließlich, meinen Namensvetter Gerhard Riemann zu kontaktieren, der schon Geburtshelfer meines ersten Buches »Der tiefe Brunnen« war. Er war sofort bereit, das Buch in sein Arkana-Programm aufzunehmen – allerdings legte er mir nahe, es ein wenig zu »vergrößern«. Nach einigem Zögern – mir gefiel das Original in all seiner Kürze gut – vertraute ich auf die Intuition meiner Tochter, die irgendwann sagte: »Papa, lass uns das machen!« So entstand eine erweiterte Fassung, angereichert vor allem durch Beispiele aus der therapeutischen Praxis sowie durch Motive aus der Märchenwelt, die mir in meiner Arbeit im Lauf der Jahre so wichtig geworden sind. Außerdem habe ich jedem Kapitel eine im Original nicht vorhandene kurze Einführung in die Symbolik des jeweiligen Tierkreiszeichens beigefügt.
Die Überarbeitung fiel mir nicht leicht. Die Narrenfreiheit, die ich empfand, als seinerzeit die zwölf Artikel entstanden, kam mir abhanden, als ich den Vertrag unterzeichnet hatte. In der Zeit der Selbstzweifel war mir die Unterstützung durch meine Freunde Angela und Theodor Seifert enorm hilfreich. Beide sind schon seit Jahrzehnten therapeutisch tätig und haben hervorragende Bücher geschrieben. Ihr geradezu begeistertes Echo auf die Originalfassung der »Depressionen« machte mir Mut. Danke, Angela und Theo!
Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle auch bei Jens Corssen, dem »Meister des Augenzwinkerns«, für seine Erlaubnis, ihn immer wieder zu zitieren, sowie bei meinem alten Freund und Weggefährten Frank Moosmüller, bei dem ich lernen durfte, wie tief therapeutische Arbeit gehen kann. Weiterhin danke ich meinem Freund Uli Kopp, der mit seinem Engagement und seinen Anregungen das erste Buchprojekt entscheidend vorantrieb, sowie Maria Birnkammer für ihre freundschaftliche Unterstützung bei der Gestaltung des Originals. Zuletzt möchte ich ein ganz tiefes und herzliches »Danke« an meine Frau Laura und meine Tochter Lisa aussprechen, die – für mich manchmal unverständlich – immer an mich glauben und mir das Gefühl geben, dass meine Arbeit wertvoll ist.

Astrologie

Ich hoffe und glaube, dass dieses Buch auch für diejenigen interessant sein kann, die sich bisher mit Astrologie wenig oder gar nicht beschäftigt haben – Vorkenntnisse sind nicht vonnöten.
Jeder von uns kennt schließlich seinen Sonnenstand im Geburtshoroskop, er ergibt sich aus dem Geburtsdatum. Bin ich etwa im ersten Frühlingsmonat geboren, steht meine Sonne im Tierkreiszeichen Widder, bin ich im zweiten, mittleren Frühlingsmonat geboren, »bin ich« im Volksmund ein Stier etc.
Allerdings ist der Stand der Sonne (»dein Tierkreiszeichen«) nicht alles: Vor allem der Stand des Mondes sowie der des Aszendenten sind immer von großer Bedeutung. Wer an der Position des Mondes, des Aszendenten und der Planeten in seinem Geburtshoroskop interessiert ist, kann sich mittels eines der vielen Computerprogramme sein Geburtshoroskop berechnen lassen. Dieses so genannte »Radix-Horoskop« enthält neben den Planetenständen auch die Position des Aszendenten beziehungsweise des gesamten Felder- oder Häusersystems. Du brauchst dazu nur Geburtsdatum, Geburtsort und die möglichst genaue Geburtszeit (in der Regel am Standesamt des Geburtsorts registriert). Wenn dein Sonnenstand zum Beispiel Widder ist, kann auch das Kapitel über Schütze oder Krebs interessant für dich sein, wenn sich dort die Position deines Mondes oder Aszendenten befindet. Solltest du während der Lektüre den Wunsch verspüren, tiefer in die Welt der Astrologie einzudringen: In meinem ersten Buch »Der tiefe Brunnen« habe ich die Grundlagen der psychologischen Astrologie – so, wie ich sie verstehe – dargestellt.
Um die »Seele« der zwölf Tierkreiszeichen zu verstehen, halte man sich an den Rhythmus der Jahreszeiten. Nach unserer Definition tritt die Sonne bei Frühlingsanfang in den Himmelsabschnitt, den wir mit dem Symbol des Widders verbinden, bei der Sommersonnwende in das Tierkreiszeichen Krebs, bei der Herbst-Tagundnachtgleiche in Waage etc. …
Die Widderseele wird einfühlbar, versetzt man sich in die Stimmung des ersten Frühlingsmonats, in der das Jahr neu geboren wird – mit dem Fixsternbild Widder hat das wenig zu tun. Man braucht viel Fantasie, um in den Sternbildern die Gestalten eines Widders, Stiers oder einer Waage zu erkennen – in Entsprechung zum Naturgeschehen werden die überlieferten Symbole verständlicher: Die Energie des dahinstürmenden Widders etwa drückt die Stimmung des ersten Frühlingsmonats sehr gut aus.
Ein zweiter Zugang zum Verständnis der Tierkreissymbolik ergibt sich aus dem Satz: Wie oben, so unten. Ein Atomphysiker bezeichnete einst das Atom als Miniatur-Sonnensystem; Atomkern und Elektronen entsprechen in diesem Bild Sonne und Planeten. Im Sinne dieser Analogie kann auch der Mensch – und überhaupt alles, was existiert – als kleines Universum, als Mikrokosmos verstanden werden. Andersherum: In vielen Kulturen gibt es das Bild des Makro-Anthropos, des großen, kosmischen Menschen. Eine dieser Darstellungen zeigt das Kind im Mutterleib in Entsprechung zum Tierkreis: Kopf und Füße des kosmischen Kindes berühren sich, es ist zum Kreis geformt. Jedes der zwölf Tierkreiszeichen hat in diesem Bild eine Körper-Entsprechung: Dem Widder entspricht der Kopf, Stier die Schultern, Zwillinge die Lungen etc. Von der tieferen Bedeutung dieser Körperentsprechung wird in den nachfolgenden Kapiteln die Rede sein.
 
Einen Hinweis möchte ich hier noch geben: Traditionell wird jedem Tierkreiszeichen ein Planet als so genannter »Herrscher« zugeordnet. So spricht man etwa vom Sonnenzeichen Löwe, vom Marszeichen Widder, vom Saturnzeichen Steinbock, Uranus wird dem Wassermann, Pluto dem Skorpion zugeordnet etc. Es besteht eine symbolische Verwandtschaft zwischen den Tierkreis-Archetypen und den »Planetengottheiten«, etwa zwischen dem Sonnenprinzip und dem Hochsommerzeichen Löwe. Wenn ich zum Beispiel im Skorpion-Kapitel das Wort »plutonisch« oder im Steinbock-Kapitel das Wort »saturnisch« gebrauche, nehme ich auf diese Zuordnung Bezug: Eine starke Betonung des Zeichens Skorpion ist gleichbedeutend mit stark »plutonisch«, wer eine starke Fischebetonung hat, kann auch als »Neptuniker« bezeichnet werden.

Vom Wesen der Depression

Ich neige dazu, Depression wörtlich zu verstehen: Niedergedrücktsein oder besser: Niederdrücken von Lebensenergie. Ein neugeborenes Kind in der Wiege wird wohl kaum jemals als depressiv empfunden – es ist in allem ganz, was es tut, Lebendigkeit pur.
Freut es sich, ist der ganze Körper Freude, ist es wütend oder traurig, drückt der ganze Körper Wut oder Trauer aus. Der Fluss der Lebensenergie erscheint ungebrochen. Dann folgen die Jahre der Erziehung, der Sozialisation, in denen Kinder lernen, welche Gefühle, welche Verhaltens- und Denkweisen erwünscht oder unerwünscht sind. Der zunächst noch unschuldige Fluss der Lebensenergie wird nun kanalisiert, kontrolliert, nicht selten blockiert, gehemmt. Beim erwachsenen Menschen finden sich dann oft nur noch traurige Reste der kindlichen Ganzheit und Lebendigkeit: Ein schwaches Lächeln, herabgezogene Mundwinkel, zusammengepresste Lippen drücken dann Freude, Trauer oder Wut aus. Um zu funktionieren, geliebt und anerkannt zu werden in der Herkunftsfamilie oder später in Beruf und Partnerschaft, haben wir gelernt, viel von der Echtheit und Spontaneität unserer Gefühle niederzudrücken. Das kostet Körper und Seele Kraft und macht auf die Dauer müde und depressiv. Alexander Lowen, Meisterschüler von Wilhelm Reich, bezeichnet folgerichtig Depression als Verrat am Körper, an unserer eigenen Lebendigkeit. Wir arbeiten gegen uns selbst, werden unser eigener Feind. In gewisser Hinsicht sterben Depressive bei lebendigem Leib: Die Atmung ist flach – man gibt sich also wenig Lebensenergie -, die Augen wirken glanzlos, haben keine Tränen mehr, das gesamte Energieniveau erscheint herabgesetzt. Im mentalen Bereich finden sich Gedankenmuster und Glaubenssätze, die das ihrige beitragen, etwa: »Es hat ja doch keinen Sinn, ich bin es nicht wert, dass …«, »ich kann doch nicht einfach …« etc. Häufig ist das Denken defizitorientiert, man sieht nur das halb leere Glas, freut sich nicht über den Sommer, denn: Der nächste Winter kommt bestimmt!
Fühlt sich ein Mensch depressiv, frage er sich also zunächst: Was drücke ich nieder, welchen Gefühlen, Energien gebe ich im Moment, oft auch schon seit langer Zeit, keinen Platz in meinem Leben? Ist es lebendige Trauer, Wut, Sexualität, ist es Tanz, Lachen, Leichtigkeit? Was du nicht lebst, lässt dich nicht leben, sagt eine alte Therapeutenweisheit. Ist diese Frage beantwortet, kann die Heilung beginnen. Dann kann ich damit beginnen, die dreizehnte Fee zu versöhnen, ein Motiv aus dem bekannten Grimm’schen Märchen »Dornröschen«. Diese wird zur bösen Fee, zur Giftmischerin, weil sie nicht zum großen Fest anlässlich der Geburt von Dornröschen eingeladen wurde – es waren nur zwölf Gedecke vorhanden. Habe ich also meiner dreizehnten Fee einen Namen gegeben (zum Beispiel Wut, Sex, Trauer …), kann ich einen Weg suchen, der die blockierten Energien wieder in Fluss bringt. Um den Bogen zur Astrologie zu spannen: Jedes Tierkreiszeichen hat seine »Lieblingsfee« – davon wird in den folgenden Kapiteln die Rede sein.
Dem Leser wird auffallen, dass ich mich häufig der Märchensymbolik bediene, um das jeweilige Thema zu verdeutlichen. Märchen erzählen von der zeitlosen Weisheit der menschlichen Seele – wie auch die Astrologie, so wie ich sie verstehe, das tut. In der therapeutischen Arbeit habe ich die »Hebammenwirkung« der Märchen im Lauf der Jahre immer mehr schätzen gelernt – darüber erzählt mein Buch »Alter König – Neuer König«, das in Zusammenarbeit mit meiner Tochter entstand. Fühlen wir uns über längere Zeit depressiv, können wir – in der Sprache der Märchen ausgedrückt – davon ausgehen, dass in uns ein alter König regiert, der dem Leben nicht mehr dient, dass wir uns in einem Hamsterrad vertrauter Gewohnheiten befinden, in einem erstarrten Bewusstseinszustand. Das »alte Königreich« bedeutet allerdings auch Sicherheit: Schließlich ist uns das vertraute Elend oft lieber als der Sprung in den Abgrund der Ungewissheit. Das Unbekannte macht Angst. Will der Weg aus der Depression gegangen werden, muss dieser alte König überwunden, ersetzt werden durch einen Nachfolger, der für fällige Erneuerungen im Königreich sorgt. Dieses Motiv gibt es in Märchen aller Zeiten und Kulturen, dieses Thema hat einen kollektiven wie individuellen Aspekt. Kollektiv betrachtet ist etwa gerade in den USA zu spüren, welche Hoffnung sich mit der Inthronisation eines neuen Königs verbindet. Auf der individuellen Ebene betrachtet, erleben wir den neuen König am Ende eines Entwicklungszyklus, neues Leben ist eingekehrt, die Phase der Depression überwunden!

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Widder
Zum Zeitpunkt der Frühlings-Tagundnachtgleiche betritt die Sonne alljährlich den Himmelsabschnitt, den wir mit dem Symbol des Widders verbinden. Das Jahr wird neu geboren, der Tag wird länger als die Nacht, der Winter ist besiegt, es herrscht Aufbruchstimmung. Das bekannte Widdersymbol scheint Hörner darzustellen, ist allerdings ursprünglich aus einer Rune entstanden, die einen Mann mit erhobenen Armen zeigt: ein senkrechter Strich mit zwei schrägen Strichen nach oben. Diese »man-Rune« bedeutet so viel wie Frühling, aufsteigendes Leben, Osten, Geburt. Die Geburt ist unsere erste Entscheidung. Im Sinne der Widderseele ist es notwendig, auch im künftigen Leben immer wieder das trennende Schwert der Entscheidung zu gebrauchen, das heißt, für Neuanfang zu sorgen, Altes hinter sich zu lassen, »rücksichtslos« zu sein. Schließlich blickt man ja im Frühjahr nicht sehnsüchtig auf den Winter zurück! Da mit Widder der Tierkreis beginnt, entsteht die Tendenz, Erster sein zu wollen, sei es in Konkurrenz mit anderen (Sieg oder Niederlage), sei es als Pionier, der in unbekannte Welten aufbricht, wie der Märchenheld, der das alte, vertraute Königreich verlässt. Die Körperentsprechung ist hier der Kopf, wobei es weniger um das Thema »Denken« geht – der Denktypus ist mehr den Luftzeichen zuzuordnen – als vielmehr darum, seinen Kopf durchsetzen zu wollen, wie man das schon bei der Geburt getan hat: In der Regel kommt schließlich das Kind mit dem Kopf voraus durch den Geburtskanal. Widder ist das »jüngste« der drei Feuerzeichen; die Leitmotive sind dementsprechend der jugendliche Held oder Krieger beziehungsweise die jugendliche Amazone oder Kriegerin; das stimmige Feuerbild ist das noch ungezähmte Urfeuer. Als Herrscher in diesem Tierkreiszeichen gilt traditionell Mars, der griechische Ares. Im persönlichen Horoskop repräsentiert er den inneren Krieger – unabhängig davon, ob jemand biologisch als Mann oder Frau geboren ist.
Neulich sah ich eine Karikatur, in der zwei Widder nebeneinander über eine Wiese gehen, wobei der eine zu dem anderen sagt: »Weißt du, manche nennen das, was ich hier tue, schlicht und einfach gehen; ich will dir aber verraten, was ich wirklich tue: Ich drehe die Welt unter meinen Hufen, bis sie sich an der richtigen Position befindet.« Diese Lebensphilosophie erinnert an den klassischen Märchenhelden, der mit dem Satz »Ich kann alles, wozu ich Lust habe« durch die Welt geht. Ein Feuermensch, dem dieses Omnipotenzgefühl, diese Siegermentalität in die Wiege gelegt ist, scheint auf den ersten Blick immun gegen Depression zu sein. Nur: Wir Menschenkinder sind so lange abhängig von der Mutter wie kein Tierkind. Für uns alle, egal welches Horoskop wir haben, ist die frühe Kindheit eine Zeit der Abhängigkeit und Ohnmacht.
Für ein Kind mit einer starken Widder- oder Marsenergie ist diese Erfahrung mit Sicherheit besonders schwierig: Zu sehen, dass sich die Welt nicht unter den eigenen Hufen dreht, dass die Mutter, die Eltern, das Umfeld zunächst die stärkeren oder größeren Hufe haben!
Feuerbetonte Kinder fordern mit ihrer Vitalität, ihrem Eigenwillen ihr Umfeld von frühester Kindheit an heraus. Ist die Energie des kleinen Kriegers/der kleinen Kriegerin in der Herkunftsfamilie willkommen, wird das Widderkind (damit meine ich nicht nur den Sonnenstand, sondern auch den Mondstand, den Aszendenten oder eine starke Marsstellung) dafür sehr dankbar sein. Nur – häufig ist es nicht so. Wenn man bedenkt, dass es in unserem Kulturkreis vor einigen Generationen üblich war, Kindern den Willen zu brechen, dass in den Handbüchern der »schwarzen Pädagogik« seinerzeit der Eigenwille eines Kindes als dessen schlimmste Eigenschaft bezeichnet wurde, dann wird das Schicksal »niedergedrückter« Widderenergie verständlich.
Düster sieht es vor allem für kleine Widdermädchen aus, wenn man das tradierte Frauenbild betrachtet. In der so genannten Mutter Kirche haben nur Marienkinder, aber keine Hexenmädchen, keine wilden Mädchen Platz. Im Märchen »Die roten Schuhe« etwa wird das Drama eines Widdermädchens sehr eindrücklich dargestellt: Dem ungezähmten Naturkind werden die roten Schuhe verbrannt, es wird in ein weißes Kleidchen gesteckt, glatt frisiert, symbolisch gesehen zum Marienkind gemacht. Besonders Frauen mit Mond in Widder (der zeitlebens für das »innere Kind« steht) erzählen in der therapeutischen Arbeit immer wieder, wie ihnen in der Kindheit die roten Schuhe verbrannt wurden, wie aus vitalen, abenteuerlustigen kleinen Mädchen brave, blasse, depressive Wesen geworden sind. Dazu tragen »Giftbotschaften« bei wie »Übermut tut selten gut«, »Du wirst schon sehen, wohin dich das (deine Widerspenstigkeit, dein Eigenwille etc.) führt« oder auch »Denk an dich selbst zuletzt«, »Sei nicht so egoistisch, laut, rücksichtslos« … Dabei hat doch Widder als erstes Zeichen geradezu den Auftrag, »rücksichtslos« zu sein, aufzubrechen ins Leben mit der Energie des »Heiligen Frühlings«, wie die Märchenhelden, die das alte Königreich verlassen, um auf Abenteuer auszuziehen! Dieser Impuls des jugendlichen Helden wohnt in uns allen – ob Mann oder Frau. Ob Widdermann oder Widderfrau, frage dich einmal: Bist du jemals in deinem Leben aufgebrochen wie Parsifal, der »rücksichtslose Held«, der sich nicht nach seiner Mutter Herzeloide umdrehte? Oder bist du »rücksichtsvoll« im Spinnennetz der Vergangenheit, der Herkunftsfamilie steckengeblieben und hast mit Depression bezahlt?
Ist ein widderbetonter Mann depressiv, sollte er sich unter anderem mit der Geschichte vom »Eisenhans« beschäftigen. Dort ist in einem Königsschloss der wilde Mann (Eisenhans) in einen Käfig eingesperrt, und es ist bei »Lebensstrafe« verboten, ihn herauszulassen. Eisen ist das Metall von Ares/Mars, dem Widder-Herrscher. Der im Königsschloss eingesperrte Eisenhans deutet auf tabuisierte wilde Männlichkeit hin. In der Schlüsselszene des Märchens steht der brave Königssohn vor dem Käfig des wilden Mannes, sein goldener Ball ist hineingerollt, und er bittet nun den Eisenhans, ihm diesen wiederzugeben. Eisenhans sagt: »Nur, wenn du mich herauslässt!« Das stürzt den Königssohn natürlich in einen Konflikt. Er hat jetzt die Wahl, entweder guter Sohn zu bleiben und Eisenhans im Käfig zu lassen oder das Tabu der Eltern zu verletzen und dadurch ganz zu werden, das heißt seinen goldenen Ball zurückzubekommen. Und wo liegt der Schlüssel zum Käfig des wilden Mannes? Unter dem Kopfkissen der Mutter, dort wo die Mutter ihre Träume und Wunschvorstellungen über den Sohn hütet, zum Beispiel: Mein Sohn wird einmal Priester oder Professor oder ein braver Familienvater. Welche Mutter aber träumt schon von ihrem Sohn: »Mein Sohn wird einmal ein wilder Mann«? Vor allem Mütter, denen man die roten Schuhe verbrannt hat, werden zur Bedrohung für die Männlichkeit eines heranwachsenden Widder-Sohnes.