Inhaltsverzeichnis
HINWEIS:
In diesem Buch wurden alle mit einem Stern gekennzeichneten Namen* aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes verändert. Auf berechtigte Nachfrage – zum Beispiel von Journalisten und Wissenschaftlern – kann mit Genehmigung der Namensträger das Pseudonym aufgehoben werden. Entsprechende Anfragen sind bitte an den Autor zu richten.
Für Leo und Max
Es ist niemals der gleiche Fluss
Wie freies Denken zu wunderbaren Einsichten führen kann
Ein Vorwort
Sind wir allein im Universum? Was geschah in der Sekunde vor dem Urknall? Überlebe ich meinen Tod? Habe ich ein Schicksal zu erfüllen oder regiert König Zufall? Wer sich diese und ähnliche Fragen schon einmal gestellt hat, gehört zu den Menschen, die bereit sind, ihrem Denken eine andere Perspektive zu geben, und die offen sind für neue Erfahrungen. Ausgerüstet mit einer lebhaften Neugier, zählen sie zu den – wie die Psychologen sagen – »erfahrungsoffenen Temperamenten« mit außergewöhnlicher Vorstellungskraft.
Dabei sind es nicht nur die existentiellen Fragen, die ihren Geist anregen – auch sinnliche Erfahrungen, beispielsweise Musik, Malerei und Literatur, gehören ebenfalls dazu. In eine Sinfonie können sie sich ebenso vertiefen wie in eine eindrucksvolle Landschaft oder die Betrachtung des bestirnten Himmels.
Offenheit für neue Erfahrungen geht meist einher mit einem hohen Intelligenzquotienten und einem überdurchschnittlich scharfen Verstand. Wer aufgeschlossen gegen über unkonventionellen Gedanken ist, braucht auch kein strenges Wertesystem, das von ihm ideologischen Gehorsam verlangt. Menschen, die bereit sind für neue Ideen, erfüllen das, was die Naturwissenschaft von ihren Anhängern verlangt: mit jeder neuen Erkenntnis das Wissenspotenzial zu verändern.
»Alles fließt«, sagt der Philosoph Heraklit. »Es ist niemals der gleiche Fluss, in den du steigst.« Denn wenn du wieder einmal in ihm badest, haben sowohl der Fluss als auch du sich verändert.
Das Bedürfnis, Neues zu entdecken und zu begreifen, ist nicht jedem Menschen gegeben.
Während die einen unentwegt danach drängen, ihren Erfahrungshorizont zu erweitern, gibt es die anderen, die mit dem zufrieden sind, was sie kennen, und die jede Erweiterung ihrer wohlgeordneten Welt als Bedrohung empfinden. In einer immer komplexer werdenden Gesellschaft hat auch diese Einstellung sicherlich einen Sinn. Ideal wäre es jedoch, wenn sich die unterschiedlichen Temperamente gegenseitig ergänzten. Und es gibt immer wieder so viel Neues zu entdecken! Unser Geist leuchtet, wenn wir uns zum Beispiel über die phantastischen Erkenntnisse unserer Astronomen begeistern. Jeder Tag beschert uns eine Fülle neuer Objekte: Planeten außerhalb unseres Sonnensystems werden entdeckt, und zwar mit einer Ökosphäre, die der unserer Erde ähnelt. Damit erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass wir in diesem riesigen Universum nicht allein sind. Schwärmerisch erhoffen wir ein Lebenszeichen von »den anderen« da draußen, auf Nachrichten aus einer fremden Welt.
Unsere Weltraumfahrer hingegen warten nur auf ein Zeichen – und auf das nötige Budget -, um Forschungsstationen auf dem Mond zu errichten und den ersten bemannten Flug zum Mars zu organisieren. Technisch ist das kaum noch ein Problem. Wären da nicht die Bedenkenträger, die noch immer die Konstruktion der Teflon-Pfanne für das einzig brauchbare Resultat der Weltraumfahrt halten. Die Argumente sind hinlänglich bekannt: Statt Milliarden bei der Erforschung des Weltalls zu verplempern, soll das Geld lieber in die Bekämpfung weltweiter Armut und nicht bekämpfter Seuchen gesteckt werden.
Astronomie ist die einzige wertfreie Wissenschaft, die allein der Erweiterung unseres Bewusstseins dient. Forschung an den Grenzen unseres Wissens ist reiner Selbstzweck. Astronomen forschen nicht um eines industriellen Nutzens willen, sondern einfach, weil sie forschen wollen. Um zu erfahren, ob unser Bewusstsein den körperlichen Verfall überdauert, ob es eine Wiedergeburt gibt und was in den Nanosekunden vor dem Urknall – der Geburt von uns allen – wirklich geschah, sollten wir uns also nicht mehr allein auf die Aussagen alter Legenden, Mythen und Religionen verlassen.
»Raumfahrt ist ein Teil der menschlichen Evolution«, sagte mir einmal der NASA-Wissenschaftler Jesco von Puttkamer. Sie hat in erster Linie nicht das Ziel, unseren Planeten zu verlassen, sondern unser Bewusstsein zu erweitern.
Das heißt also: Nicht weg von der Erde, sondern zurück zur Erde. Von außen erkennen wir die Schäden an diesem »Raumschiff«, und nun muss die Besatzung – die Menschheit – gemeinsam versuchen, es zu reparieren.
Ich vermute einmal, dass Forschungen in diesen Bereichen ein genetisch programmierter Schritt sind. Wir haben es hier mit tieferen, unbewussten Kräften zu tun, die nach außen drängen. Inzwischen gibt es mehr und mehr Menschen, die sozusagen Regelkreise bilden, um den letzten großen Fragen erhellende Antworten zuzuführen – gegen alle Hindernisse und Zweifel. Und das ist gut so. Denn freies Denken kann zu wunderbaren Einsichten führen.
Der Spatz im Tempel des Pharao
Ein frühes Leben zwischen UFOs, Engeln und Außerirdischen
Zu später Stunde hatte die Moderatorin für ihre Sendung »Menschen bei Maischberger« das Thema: »UFOs, Engel, Außerirdische – sind wir nicht allein?« gewählt. Dem ZDF-Wissenschaftsredakteur Joachim Bublath zur Seite saß die Sängerin Nina Hagen, die aus ihrer Wahlheimat Kalifornien herübergeflogen war, um über ihre Begegnung mit einem UFO zu berichten. Die damals schwangere Künstlerin war von diesem Erlebnis so beeindruckt, dass sie ihre später geborene Tochter Cosima nannte, was sie vom Wort »Kosmos« ableitete. Nachdem in der Runde ausführlich – und mit allerlei Beispielen über mögliche Besuche außerirdischer Wesen – diskutiert wurde, erschöpfte sich die Geduld des ZDF-Mannes. »Als ein weiteres Fass mit Engeln aufgemacht wurde, konnte ich nur noch aufstehen und gehen«, sagte Joachim Bublath später.
Der Abgang des Journalisten sorgte für Wirbel in den Medien und ist typisch für jene Zwei-Fronten-Position, bei der die Vertreter der Naturwissenschaften auf Menschen treffen, die sich mit übersinnlichen Phänomenen befassen. Bublath war in die Sendung gekommen, um zu erklären, dass es auf unserer Erde so viel Wunderbares gebe, dass wir getrost auf UFOs und andere Merkwürdigkeiten verzichten könnten. Der Mann hat recht. Doch es liegt in der Natur des Menschen, hinter den Vorhang zu schauen, die Welt hinter der Welt zu erforschen. Das Unerklärbare aufzuklären, ist stets eine Motivation für die Wissenschaft gewesen. Ihr Ziel: Unser Bewusstsein zu erweitern und zu neuen Grenzen aufzubrechen.
Knapp zwei Jahrzehnte lang habe ich Menschen getroffen, die über ihre Begegnungen mit Engeln, Außerirdischen, Geistern und Elfen berichteten. Ich machte Reportagen über Heiler und Schamanen, Feuerläufer, Hellseher, Magnetmenschen, Aura-Fotografen und Wunderkinder. Ich kletterte in das Innere der Cheopspyramide und stieg auf den Jaguar-Tempel in Tikal, traf russische Kosmonauten und Leute von der NASA, die ich nach möglicher außerirdischer Intelligenz befragte.
Ein wichtiges journalistisches Leitmotiv bei all dem lautet: »Mache dich nie gemein mit einer Sache und sei sie auch noch so edel.« Ich trage diesen Satz bis zum heutigen Tag wie ein Banner vor mir her. Doch es ist nicht immer leicht, sich der Sogkraft mancher Phänomene zu entziehen, die schließlich auch die eigene Existenz betreffen. Wenn es um die Frage geht, ob es ein Leben nach dem Tod gibt, ob wir möglicherweise wiedergeboren werden oder ob es bei schwerer Krankheit Alternativen zur konventionellen Medizin gibt, die mit Geistheilung oder Naturmedizin nur ungenügend beschrieben werden, dann ist der Reporter ganz schnell involviert. Auch er wird sterben, auch er kann krank werden. Ich gestehe, dass es bei solchen Themen schwierig ist, die Position des nüchternen Beobachters zu bewahren.
Journalisten gerieren sich gerne als Herren über die veröffentlichte Meinung, reagieren ironisch bis sarkastisch auf Menschen, die Erfahrungen fernab der gültigen Weltbilder machen. Leuten wie Nina Hagen kann man natürlich empfehlen, erst einmal ihrem Therapeuten von dem UFO-Erlebnis zu erzählen. Ein anderer Weg wäre es, herauszufinden, in welcher Lebenssituation sich Nina befunden hat, als ihr – gewissermaßen aus dem Kosmos – ein Licht aufging. Gibt es ähnliche Fälle und wie weit passen solche Schilderungen in ein bereits bestehendes Raster von UFO-Sichtungen? Stattdessen heißt es in den meisten Medien lapidar: »Es gibt keine UFOs!« Und eventuellen Augenzeugen wird nahegelegt, mal einen Psychiater aufzusuchen.
Was mich betrifft, so kann ich sagen, dass ich immer wieder die Balance zwischen Offenheit und Distanz suche: Für Radio Luxemburg moderierte ich unzählige »Unglaubliche Geschichten«, die später auch für das Fernsehen aufbereitet wurden. Ich hatte als Produzent und Moderator die TV-Reihe »Phantastische Phänomene« für SAT 1 zu verantworten und veröffentlichte etwa zwanzig Bücher zu dieser Thematik. Wenn ich Bilanz ziehen soll, dann bin ich stolz darauf, dass alle gezeigten Phänomene so dargestellt wurden, wie sie sich mir und meinen Kollegen präsentierten. Es gab keinerlei Manipulationen an dem gesendeten Material, und wir sind niemals einem Menschen auf den Leim gegangen, der uns unter Vorspiegelung falscher Tatsachen hätte täuschen wollen. Wenn man so will, war ich über Jahre hinweg der Einzige aus meiner Zunft, der sich ohne Vorurteile mit Menschen beschäftigt hat, die von Erlebnissen außerhalb ihrer Alltagserfahrung berichteten.
In der Universität Bern erhielt ich den »Schweizerpreis«, weil ich – wie es in der Verleihungsurkunde heißt – mit meinen zahlreichen Radio- und Fernsehsendungen und mit meinen Büchern »das Weltbild zahlloser Menschen erweitert und die Paraphänomene ins allgemeine Bewusstsein gebracht« habe.
Doch was mich eigentlich freuen sollte, wird auch schon mal zur Last. In unserer Gesellschaft neigt man nämlich dazu, zu rubrizieren, Menschen und ihre Tätigkeiten in bestimmte Schubladen zu stecken. Und so bin ich – trotz aller Bemühungen um journalistische Ausgewogenheit – bei manchen Zeitgenossen in der Schublade »Übersinnliches« gelandet. Häufig werde ich in Talk-Shows oder Interviews deshalb gefragt: Glauben Sie eigentlich an das alles? Und meine Standardantwort darauf lautet: »Ich kann an den lieben Gott glauben oder an die Liebe meiner Kinder. Journalisten sollten nicht ›glauben‹, sondern ›wissen‹, sollten recherchieren und nach Beweisen fahnden.«
Es ist jedoch fast unmöglich, hieb- und stichfeste Beweise beispielsweise für Phänomene wie die »Wiedergeburt« oder ein »Leben nach dem Tod« zu finden. Da muss man sich statt mit Beweisen mit Hinweisen begnügen. Denn es gibt seriöse Forschungen auf diesem Gebiet, Indizien aus dem Bereich der »Nahtod-Erfahrungen« und dokumentierte Fälle, die auf eine mögliche Reinkarnation deuten. Dies ist aufregend genug.
Joachim Bublath hat in der erwähnten Sendung wiederholt naturwissenschaftliche Beweise für Erscheinungen der numinösen Art eingefordert. Denn nach den Regeln der Wissenschaftler ist nur existent, was nach mehrfach wiederholten Experimenten im Labor stets das gleiche Resultat erbringt. Längst müssen jedoch selbst eingefleischte Skeptiker zugeben, dass sich unsere Welt auf den meisten Ebenen noch als ein großes Rätsel darstellt. So gibt es keine klaren Definitionen darüber, was eigentlich »Intelligenz« bedeutet oder gar »Bewusstsein«. Auch was »Leben« ist und was es wirklich bedeutet, konnte noch nicht hinreichend geklärt werden. Insofern hat Joachim Bublath schon recht: Man braucht nicht nach Engeln, UFOs oder Außerirdischen zu forschen, wenn wir die wahren Rätsel direkt vor unseren Sinnen haben.
»Um ein guter Philosoph zu werden, darfst du dich nicht an die Welt gewöhnen«, erfährt das kleine Mädchen in dem Roman Sofies Welt. »Werdet wie die Kinder«, rät Jesus und meint damit, dass wir uns die Offenheit, Toleranz und Wissbegierde unserer frühen Jahre wieder bewusst machen sollen. Als mein Enkel Leo im Kindergarten aufzählen sollte, wen er besonders gerne mag, setzte er noch vor Mama und Papa »meinen Engel«. Vielleicht gelingt es ja unseren kleinen Mädchen und Jungen wirklich, noch einen Blick hinter den imaginären Vorhang zu werfen, der uns vor der wirklichen Welt verbirgt.
Und noch etwas anderes passt zu diesem Gedanken: Nachdem ich am Schneidetisch in Fernsehstudios stundenlang Aufnahmen von merkwürdigen Himmelserscheinungen, hellsehenden Menschen und peruanischen Götter-Landebahnen bearbeitet hatte, kam es bei Dreharbeiten im Sethos-Tempel von Abydos zu einem für mich bedeutungsvollen Erlebnis: Natürlich empfand ich Ehrfurcht vor den riesigen Säulen, vor der Leistung früher ägyptischer Baumeister, gewaltigen Steinen eine ästhetische Form zu geben. Und dann plötzlich sah ich in einer der Nischen einen Spatz sitzen. Der Vogel beäugte die Schar drängelnder Touristen und spähte offenbar nach etwas Fressbarem. Da begriff ich: Nicht der grandiose Tempel ist die Sensation, nicht die lobenswerte Leistung seiner Architekten und Steinmetze. Es ist der Spatz, das Wunder des Lebens, an das wir uns alle schon so sehr gewöhnt haben.
Bereits vor dreitausend Jahren konnten Menschen diese gewaltigen Steine aufeinandertürmen, genial und kaum nachvollziehbar, sodass wir sie noch heute betrachten dürfen. Ein Wesen jedoch wie den kleinen Spatzen hat bisher noch kein Mensch konstruiert, in keinem Labor und in keiner Denkwerkstatt dieser Welt. Auch ein Gänseblümchen, auf das wir im Sommer vielleicht versehentlich treten, ist kein Menschenwerk. Beide – Spatz wie Blume – legen Zeugnis ab vom Phänomen des Lebens, das unergründlich ist und voller Rätsel. Für mich gehört die Suche nach seinem Sinn zum spannendsten Abenteuer, in das wir uns immer aufs Neue begeben können.
Das Leben verändert...
Ein Brief an den Autor
Sie kennen mich nicht persönlich, für mich jedoch sind Sie wie ein »alter Freund«... Eines Tages schaltete ich bei RTL die »Unglaublichen Geschichten« ein. Mich hatten diese Themen zwar immer interessiert, letztendlich tat ich es jedoch als Humbug ab. Nachdem ich einige Ihrer Sendungen gehört hatte, wandelte sich mein Bild. Sie wurden mein ständiger Begleiter über viele Jahre, ich gewann Einblicke in den Buddhismus, Huna, Positives Denken... und das alles ließ mich nicht mehr los.
Es gelang mir damals, mittels positiver Gedankenkraft mein Leben zu verändern, ich verbesserte meine Schulzensuren umgehend von der Sechs über die Drei zur Eins und gewann beim Preisausschreiben einer Computerzeitschrift den ersten Preis. Es wurde mir mehr und mehr klar, wozu unser Vorstellungsvermögen – unser Geist – fähig ist. Ich begann mit Zen-Meditation, Selbsthypnose und anderen mentalen Techniken. Und so sind Sie, lieber Herr Holbe, nicht gerade unschuldig daran, dass ich mich nach dem Abitur entschied, Medizin zu studieren. Ich wollte alternativer Arzt werden und erlernte in China die Akupunktur, die ich heute mit Erfolg anwende.... Ich beschäftigte mich mit Hypnose, NLP, Energieheilung und anderen alternativen Methoden..., allerdings nie als einziges Allheilmittel. Ich suche stets die in meinen Augen wertvollen Elemente heraus, wandle ab, erfinde selbst etwas, mache meine eigene Medizin. Zusätzlich arbeite ich noch als ganz »seriöser« Arzt im Krankenhaus, habe eine tolle Frau und vier Katzen. Jedenfalls haben Sie und Ihre Sendungen mein Leben sehr verändert. Dafür bin ich Ihnen wirklich dankbar.
Wolfgang Hewig, F-57800 Merlebach,
Ich träume, also bin ich
Das Unbewusste vergisst nicht / Warum ein »Tatort« gefährlich werden kann / Ein Traumbuch hilft beim Erinnern
In unserem nächtlichen Traumtheater vermischen sich die Gesetze der Wirklichkeit, Vergangenheit und Zukunft verschmelzen ebenso wie Personen und Ereignisse zu einem schillernden Spektakel. Geheime Wünsche erfüllen sich, Sehnsüchte gewinnen an Gestalt, Ängste werden angesprochen und abgebaut und die dunkle Seite unserer Persönlichkeit ohne Schuldgefühle ausgelebt.
Wer da sagt, der Schlaf versetze uns in tiefe Bewusstlosigkeit, der irrt. Vier bis fünf Mal in einer Nacht erwacht unsere Seele zu nie geahnter Größe: Wir träumen. Jeder Mensch erlebt diese Theatervorstellungen unseres Unbewussten, ganz gleich, ob er sich daran erinnern kann oder nicht. Menschen mit einer durchschnittlichen Lebenszeit verschlafen ein Drittel davon, also fast ein Vierteljahrhundert. Das sollte ein triftiger Grund sein, endlich zu akzeptieren, dass Träume keine Schäume sind, sondern Spuren in unserer Persönlichkeitsstruktur hinterlassen. Es wird Zeit, sich die kreative Kraft unserer Träume nutzbar zu machen, sich von den nächtlichen Bildern inspirieren und neue Wege öffnen zu lassen. Wenn man sie richtig zu interpretieren weiß, warnen uns unsere Träume vor Gefahren und Überheblichkeit.
Jeder Traum will uns liebevoll in ein besseres Leben begleiten, denn er stammt aus einer Quelle, die es wirklich gut mit uns meint: aus unserem eigenen Ich.
Zu diesem Thema gibt es unzählige Literatur, deshalb möchte ich hier nur die wichtigsten Aspekte des Träumens ansprechen. Ich öffne quasi eine Tür zu diesem Wunderland – durchgehen muss jeder selbst.
Grundsätzlich gilt: Das Unbewusste vergisst nichts. Wir können es uns als Computerdatei vorstellen, mit vielen Unterdateien, die wiederum aus Unterdateien bestehen. Alles, was wir während unseres Lebens sehen, fühlen, lesen, sprechen, hören, riechen oder schmecken, wird in den Dateien unseres Unbewussten abgelegt.
Natürlich gibt es viele Möglichkeiten, in längst verschlossenen Schubladen des Unbewussten zu kramen. Unter Hypnose beispielsweise wird Verschüttetes wieder sichtbar; auch über Meditation lassen sich verblasste Bilder aus der Vergangenheit rekonstruieren. Ebenso verhelfen Gerüche – wie die berühmte Weihnachtsbäckerei – zu einer Zeitreise in unsere eigene Biografie. Demenzkranken verhilft man zum Beispiel zu Erinnerungsfragmenten, indem man ihnen Speisen aus der Kindheit vorsetzt. Musik kann ebenfalls solch eine Angel sein, um erfolgreich im Unbewussten zu fischen.
Und Tagebücher: Für mich selbst sind sie der größte Schatz. Als Zwölfjähriger schenkte mir mein Vater einen Taschenkalender, in dem ich meine damaligen Termine notierte: Kino um 14 Uhr, Gedichtlernen um 17 Uhr. Wann immer ich heute in dem verblichenen Kalender stöbere, ich kann jeden beliebigen Tag aus meinem Leben rekonstruieren. Wenn ich beispielsweise lese: »Mutti hat Schweinebraten gekocht«, dann schmecke ich noch heute die böhmischen Knödel und das Sauerkraut auf meiner Zunge. Oder wenn da steht: »Im Kino bei ›Prinz Eisenherz‹«, dann sehe ich Robert Wagner in Ritterrüstung und mit Pagenschnitt über den Burghof reiten.
Wer in einem alten Terminkalender blättert und irgendwo einen Eintrag mit Notizen zu einem Meeting findet, möglichst noch mit dem zu besprechenden Thema und den anwesenden Personen, wird nach Sekunden der Konzentration die damalige Situation unschwer rekonstruieren können.
Wie stark das Unbewusste Erinnerungen und Eindrücke speichert, ist auch beim Phänomen der Nahtod-Erlebnisse zu beobachten. Menschen mit solchen Erlebnissen berichten von einer Phase, die Psychologen den »Lebensfilm« nennen. Dieses Phänomen – inzwischen empirisch erforscht – wird später in diesem Buch ausführlich beschrieben. Ich möchte es jedoch hier – als Hinweis auf die Speicherkapazitäten des Unbewussten – schon einmal aufgreifen.
Der Sterbende erlebt noch einmal jedes Ereignis aus seinem Leben in überraschender Klarheit. Und er spürt dabei auch die Wirkungen seines Handelns.
Da ist die Verletzung des Gegenübers, wenn er lügt, schlägt oder betrügt. Das Lachen, das er auslöst, wenn er heiter und einfühlsam ist. Tiefe Dankbarkeit, wenn er lobt, streichelt und Mitleid empfindet. Zugleich ist der Mensch aufgefordert, alle diese Begegnungen zu werten: ohne die bekannten Ausflüchte und Beschönigungsversuche. Dieses große Gefühlskino erlebt offenbar jedes sterbende Wesen – sowohl in einer Art Zeitlupe als auch gleichzeitig in einem Zeitraffer. Nichts aus dem Leben bleibt dabei ungesagt, vom Zeitpunkt der Geburt bis zu jener Sekunde des Todes. Dies geschieht bereits in einer Phase, die losgelöst ist von Raum und Zeit.
Dieser »Lebensfilm« ist es, der die Existenz unseres wahren Persönlichkeitskerns, unseres Ich, so glaubhaft macht. – Das Unbewusste vergisst nicht.
Unser Schlaf wird häufig auch als der »kleine Bruder des Todes« bezeichnet. Neben den verschiedenen Schlaf- und Traumphasen ist uns dabei die sogenannte Alpha-Phase am vertrautesten. Es ist der angenehme Zustand zwischen Tag und Traum, wenn wir schon nicht mehr ganz wach, aber noch nicht eingeschlafen sind. Der Zustand ist mit der »Trance« zu vergleichen, die etwa durch bestimmte Techniken wie Yoga, Hypnose oder Meditation stabil gehalten werden kann. In dieser Phase der körperlich-psychologischen Entspannung nehmen wir leichter Wissen auf. Zum Beispiel können Fremdsprachen buchstäblich im Schlaf gelernt werden. Als Stichwort sei hier die Losanow-Methode genannt, bei der – auch mit Hilfe technischer Apparaturen – unbekanntes Wissen schneller aufgenommen und effektiver gespeichert wird. Vor allem Schauspieler und Musiker nutzen dieses »Lernen im Schlaf«. Im Tiefschlaf – in der sogenannten REM-Phase (Rapid Eye Movement) -, wo sich die Augen hinter geschlossenen Lidern schnell hin und her bewegen, wird dann das neu erlernte Wissen im Unbewussten abgelegt und verfestigt.
Uns allen ist folgende Situation vertraut: Wir kommen nach Hause, setzen uns vor den Fernseher und sehen uns zur Entspannung einen Film über das Liebesleben der Pinguine in der Antarktis an. Dass dies nicht unbedingt spannend zu werden verspricht, ist klar. Also schlafen wir ein. Inzwischen sind jedoch die Pinguine auf der Mattscheibe von einem »Tatort« abgelöst worden, der mit einer Vergewaltigungsszene beginnt: Das Opfer wehrt sich verzweifelt, schreit, ist in Todesangst. Und obwohl wir schlafen, nehmen wir nun das Geschehen wahr! Würden wir die Szene im Wachzustand verfolgen, würde uns unser Verstand vor allzu großen Empfindungen schützen. In solchen Situationen sagt uns unsere Lebenserfahrung: Reg dich nicht zu sehr auf, das ist nur ein Film. In der Wirklichkeit ist das Opfer eine Schauspielerin, die sich nach Drehschluss das Blut abschminken lässt und in die Kantine geht.
Beim Schlafenden sind Logik und Vernunft ausgeknipst.
Die Gefühlswelt regiert, und wir nehmen das Grauen auf der Mattscheibe ungefiltert auf. Beim Aufwachen fühlen wir uns dann schlecht. Wie nach einem Alptraum. An das Geschehen auf dem Bildschirm erinnern wir uns zwar nicht, aber was bleibt, ist ein unangenehmes Gefühl der Furcht, von dem wir nicht wissen, woher es stammt.
Merke: Auch wenn wir schlafen, bleibt unser Unbewusstes empfangsbereit.
Das Unbewusste teilt sich also fortwährend mit – in Gefühlen bzw. in Träumen. Wie können wir seine Botschaften besser verstehen? Wir träumen in der ältesten Sprache der Menschheit: in Bildern. Deshalb ist die Traumsprache auch so leicht verständlich, wenn man sich mal die Mühe gemacht hat, sie zu erlernen. Traumbilder sind wie die Piktogramme auf den Flughäfen: eine startende und eine landende Maschine, zwei Menschen nebeneinander, ein Mann allein, eine Frau allein. Überall in der Welt können wir diese Sprache entziffern.
Auch die Traumsymbole arbeiten mit dieser Methode, die uns niemand beibringen kann, weil sie so verschlüsselt ist, dass nur wir selbst sie verstehen. Also heißt es: Lernen, lernen, lernen. Und wie die meisten Fähigkeiten in unserem Leben, kann man auch das Träumen trainieren. Ein Traumbuch ist dabei der erste und wichtigste Schritt, sich selbst auf die Spur zu kommen.
Und so wird’s gemacht: Nach dem Aufwachen am Morgen erinnern wir uns meist an den letzten Traum in der vergangenen Nacht. Schreiben Sie ihn möglichst noch mit halbgeschlossenen Augen auf die rechte Seite eines Papierbogens. Ein Traumbild ist flüchtiger als ein Schmetterling, deshalb sollte es noch im Dämmerlicht des Morgens aufgezeichnet werden.
Auf der linken Seite des Bogens notieren Sie Ihre derzeitige Lebenssituation, Ihre Ängste, Wünsche, Vorstellungen.
Wenn Sie dies regelmäßig tun, schaffen Sie sich so etwas wie ein Traum-Wörterbuch, das Ihnen helfen wird, die Symbolsprache Ihrer Träume zu erkennen. Weil sich die meisten Träume auf unseren Status quo beziehen, also auf die momentane Lebenssituation, entschlüsseln Sie damit schon bald Ihre ganz individuelle Traumsprache, die Sie darin unterstützen wird, Ihr Leben erfolgreicher, angstfreier und lustvoller zu leben.
Im Königreich der Nacht
Wie das Unbewusste helfen kann / Die Idee zu »Wetten dass...« kam im Traum / Blick in die Zukunft
Das Unbewusste ist ein solch ideales, individuelles Aufzeichnungsgerät unserer Erlebniswelt, dass wir es sogar bewusst einsetzen können, um uns bei der Bewältigung alltäglicher Aufgaben zu helfen. Als ich meine Hausschlüssel verlegt hatte, bat ich vor dem Einschlafen mein Unbewusstes, mir doch im Traum einen Hinweis zu geben. Und richtig: Im Schlaf erschien mir meine Mutter – Mutter ist halt wirklich die Beste! – und riet mir, doch mal hinter die Couch zu schauen. Das Bild war so klar, dass ich erwachte und nachsah. Tatsächlich: Der Schlüsselbund war hinter die Polster der Sitzecke gerutscht... Zwei Dinge sind an diesem Vorgang bemerkenswert: Das Unbewusste zeigte mir nicht nur den Fundort, sondern erschuf mit meiner längst verstorbenen Mutter eine Autoritätsperson, von der man Rat und Hilfe erwarten kann. Und zweitens war das Traumbild so intensiv – ein Klartraum! -, dass ich erwachte und sofort nachsehen konnte.
Die Informationen in unseren Träumen bestehen, wie schon erwähnt, aus Bildern, so wie bestimmte Eigenschaften auch in Gleichnissen oder Märchen dargestellt werden. Jedes Jahr im November zerteilt zum Beispiel der römische Martin vor den Augen der Kinder seinen Mantel und schenkt die eine Hälfte dem notleidenden Bettler als Zeichen seiner Nächstenliebe. Ähnliche Darstellungen verwendet auch der Traum.
Jeder Traum hat eine Botschaft für uns, unbedeutende Träume gibt es nicht.
Die besten Geistesblitze, sagte schon Sigmund Freud, hat der Mensch im Traum. Besonders jenen Träumen, an die wir uns nach dem Erwachen erinnern, sollten wir besondere Aufmerksamkeit schenken. In verschlüsselter Form enthalten sie oft die Lösung für ein Problem, das uns gerade beschäftigt. Im Königreich der Nacht werden Logik und Vernunft ausgeschaltet, und die ganze Vielfalt des Geistes mit seinen uneingeschränkten Möglichkeiten kann sich entfalten. Besonders kreative Menschen nutzen die Ressourcen des Unbewussten, um Lösungen bei bestimmten Aufgaben zu erhalten.
Traumforscher raten, kurz vor dem Einschlafen das
Problem in Gedanken zu formulieren. Die Lösung erfolge
prompt im Schlaf.