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Inhaltsverzeichnis


















ZU DEN ABBILDUNGEN

Joseph Beuys (1983), Mensch
Copyright und Vertrieb: Edition Staeck, 69010 Heidelberg, Postfach 10 20 63



Edeltrud Marx / Karl Josef Klauer
Kimse benim kadar zeki değil I
Çocuklar için teşvik programi
Gefördert durch die gemeinnützige Stiftung Pro HöVi, Verlag Vandenhoeck
& Ruprecht, Göttingen 2010, ISBN 978-3-525-79026-7



, u. Edeltrud Marx / Karl Josef Klauer
Keiner ist so schlau wie ich I
Ein Förderprogramm für Kinder
Mit Illustrationen von Michael Bleyenberg
Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, 3. Auflage, Göttingen 2010,
ISBN 978-3-525-79009-0, S. 40 und S. 54

VON DEN AUTOREN

Franz Meurer, Peter Otten, Silvana Becker (Hg.),
Ort Macht Heil
Ein Lese- und Praxisbuch über lebensraumorientierte Pastoral in Köln HöVi
(Höhenberg-Vingst)

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Lit Verlag Berlin 2007,
ISBN 978-3-8258-8238-9, 294 S.








Franz Meurer, Jürgen Becker, Martin Stankowski,
Von wegen nix zu machen…
Werkzeugkiste für Weltverbesserer

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Verlag Kiepenheuer und Witsch, Köln 2007,
ISBN 978-3-462-03795-1, 190 S.

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1. KAPITEL

»Meine Stadt, mein Bezirk, mein Viertel, meine Gegend, meine Straße, mein Zuhause, mein Block!«

(Sido)





UNSER VIERTEL KÖLN-HÖVI

Von Peter Otten



Die Kirchengemeindestrukturen sind nicht die wichtigsten Ebenen für die seelsorgliche Arbeit. Das gilt für beide Gemeinden, für die katholische genauso wie für die evangelische Gemeinde. Entscheidend ist die Orientierung der Arbeit am Viertel und ins Viertel hinein, also eine am Sozialraum und dessen Strukturen orientierte pastorale Arbeit. Wenn es heißt »ins Viertel hinein«, so sind eigentlich zwei Viertel gemeint: Köln-Höhenberg und Vingst. Hier wohnen knapp 23.300 Menschen. Ein Drittel von ihnen ist katholisch, knapp 13 Prozent sind evangelisch und circa 15 Prozent muslimisch.

Für die meisten Menschen, insbesondere für die Hinzugezogenen, sind die früher deutlicheren Viertelsgrenzen nicht mehr wahrnehmbar, für Außenstehende erst recht nicht. Beide Viertel sind sich in der Sozialstruktur sehr ähnlich, beide Viertel sind nach dem Krieg durch Siedlungsbau zunehmend ineinander gewachsen. So ist vor vielen Jahren ein neuer Name für die zusammenwachsenden Viertel entstanden. Ein Kunstwort, das sich inzwischen zu einer Marke entwickelt hat, die diesen Prozess des äußeren und auch inneren Zusammenwachsens zu einem Ganzen verdeutlicht. Für die meisten Bewohner heißt das Viertel schlicht »HöVi«. Dieser Begriff hat stark dazu beigetragen, dass sich eine gemeinsame Identität der Bürger herauszubilden begann. Von beiden Kirchengemeinden »erfunden«, bezeichnete HöVi zunächst Initiativen, die zumeist von beiden Kirchengemeinden gemeinsam entwickelt wurden und heute noch betrieben werden: HöVi-Land, die gemeinsame Kinderzeltstadt im Sommer, der HöVi-Spielebus, das HöVi-Sternsingen, die HöVi-Familienwerkstatt, die evangelische Jugend in HöVi wie auch katholische Kinder- und Jugendgruppierungen, zum Beispiel die HöVi-Ministranten oder der Jugendverband HöVi-KjG (Katholische junge Gemeinde). Inzwischen haben auch nicht kirchliche Initiativen diesen Begriff übernommen: der Runde Tisch Jugend in HöVi, das HöVi-Stadtteilmanagement als Lenkungsorgan des sozialen Netzwerkes im Viertel und andere.

Höhenberg und Vingst liegen im rechtsrheinischen Stadtbezirk 8 Köln-Kalk. Als »Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf« nehmen sie am Landesförderprogramm »Soziale Stadt« zur sozialen und wirtschaftlichen Stabilisierung teil, um negativen ökonomischen und sozialen Entwicklungen zu begegnen, die durch den Wegfall von Arbeitsplätzen und damit der wirtschaftlichen Basis entstanden sind. Vorhandene Kräfte und Ressourcen werden mobilisiert, um einen Strukturwandel einzuleiten und damit zu verhindern, dass ganze Straßenzüge und Quartiere aus dem wirtschaftlichen, sozialen, politischen und kulturellen Gefüge der Stadt fallen.

HöVi wird im Westen durch einen Rangierbahnhof und im Osten durch eine Stadtautobahn begrenzt. Das Kölner Stadtzentrum erreicht man mit der Stadtbahn in knapp einer Viertelstunde. Der nach dem Krieg prosperierende Industriestandort Kalk bot vor allem mit den großen Fabriken »Klöckner-Humboldt-Deutz«, einem Hersteller von Motoren, sowie der »Chemischen Fabrik Kalk« bis Anfang der 1990er-Jahre sichere Arbeitsplätze für tausende Bewohner in HöVi. Mit der Deindustrialisierung und dem Rückzug dieser und anderer Betriebe gingen seit den 1970er-Jahren etwa 8500 Arbeitsplätze verloren, wodurch die Arbeitslosigkeit zeitweise auf über 25 Prozent stieg. Der Stadtbezirk Kalk, mit ihm auch HöVi, wurde zu einem Problemgebiet. HöVi ist von der besonderen Lebenssituation seiner Bewohner geprägt. 51,4 Prozent haben einen Migrationshintergrund (der Anteil in der Gesamtstadt beträgt 31,3 Prozent). Bei Kindern unter sechs Jahren liegt der Anteil in HöVi sogar bei 76 Prozent. Der Ausländeranteil liegt aktuell bei 30,3 Prozent (in der Gesamtstadt 16,9 Prozent). Davon sind die Türken mit knapp 50 Prozent die größte ethnische Gruppe. Insgesamt ist die Bevölkerungsstruktur in HöVi ethnisch sehr gemischt, wobei teilweise schon kleinräumliche Segregation zu beobachten ist. Es gibt ganze Straßenzüge, die nahezu ausschließlich von Türken bewohnt werden und eine türkische Infrastruktur aufweisen: Türkische Hauseigentümer, türkische Geschäfte, türkische Ärzte und türkische Cafés.

Auffällig ist eine sehr niedrige Wahlbeteiligung in HöVi. Sie lag bei der letzten Kommunalwahl 2009 mit 33,8 Prozent noch einmal deutlich unter der ohnehin geringen Wahlbeteiligung in der Stadt Köln mit 49,1 Prozent. Es gab Straßenzüge, in denen die Wahlbeteiligung bei 10 Prozent lag. Man darf mit gutem Recht annehmen, dass sehr viele arme Bürger von keiner Partei mehr erwarten, dass diese etwas an ihrer persönlichen Lage verändern. Also beteiligen sich diejenigen, die das größte Interesse an politischen Veränderungen haben sollten, am wenigsten an den Wahlen. Andererseits ist der Stimmenanteil der rechtsextremistischen Partei Pro Köln mit 9,9 Prozent in HöVi bei der Kommunalwahl 2009 auch aufgrund der niedrigen Wahlbeteiligung vergleichsweise hoch, 5,4 Prozent erzielte diese Partei in der gesamten Stadt.

Mit dem Abbau der Arbeitsplätze ging auch ein Wandel in der Bevölkerungsstruktur einher. Einkommensstarke Haushalte zogen weg, der Anteil der deutschen Bevölkerung verringerte sich, während nicht deutsche Bevölkerung weiter zuzog. Neu geschaffene Arbeitsplätze, die zum Beispiel durch die Ansiedlung eines Technologiezentrums im benachbarten Stadtteil Gremberg entstanden, helfen den Menschen in HöVi nicht wirklich, da sie eher Arbeit für geringer Qualifizierte benötigen. Das Kalk-Programm, ein Förderprogramm für integrative Stadtentwicklung, sah zwar die Schaffung solcher Arbeitsplätze vor. Aber die Arbeitslosenquote ist fast unverändert. Mit den »Köln-Arcaden« gibt es in Kalk seit 2005 das größte rechtsrheinische Einkaufszentrum von Köln. Es hat dazu beigetragen, dass außerhalb des Einkaufszentrums nicht nur in Kalk, sondern auch in HöVi der Einzelhandel insgesamt, insbesondere aber Fachgeschäfte zunehmend verschwunden sind. Billig- und Ramschläden haben sich an ihre Stelle gesetzt.

IMAGESANIERUNG

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Vingst als Wohnviertel in großem Maßstab vor allem durch die GAG Immobilien AG, die größte Wohnungsbaugesellschaft der Stadt, aufgebaut. Es entstanden tausende Wohnungen, zumeist in drei- bis fünfgeschossigen Häuserzeilen. Allerdings wurden auch Einfamilienhäuser gebaut, freistehend oder als Reihenhäuser im südlichen Vingst und im östlichen Teil von Höhenberg. Nachdem zu Beginn des Jahrzehnts der Plan, sich vom Gesamtbestand der städtischen Wohnungen zu trennen, im Kölner Rat keine Mehrheit fand, wurden in den letzten Jahren die Vor- und Nachkriegssiedlungen umfassend saniert. Die Wohnungen waren teilweise noch mit Kohleöfen beheizt worden. Das größte Sanierungsprojekt betrifft zurzeit die »Schwedensiedlung« in Vingst, wo ganze Häuserzeilen abgerissen und neu errichtet werden. Neubau- und Eigentumsangebote sollen zur Aufwertung von HöVi beitragen. Im Rahmen dieser Sanierung wurden auch zwei Übergangswohnheime abgerissen, in denen die Stadt überwiegend Obdachlose und Asylsuchende untergebracht hatte. An ihrer Stelle sind unter dem Namen »Vingstveedel« viergeschossige Häuserzeilen entstanden, die Vingst ein neues Entree verleihen und die »Schwedensiedlung« aufwerten. Ein neuer begrünter Platz mit Außengastronomie ist entstanden, neue Einkaufsmöglichkeiten soll es ebenfalls geben. Die Menschen in HöVi beobachten die Veränderung aufmerksam. In einem Internetforum schreibt eine Frau:

Ich wohne seit sechzehn Jahren in Höhenberg. Mir hat der Name gefallen. Auf der Höhe eines Berges zu leben, hat was. Aber im Grunde bin ich vierzehn Jahre hier hängen geblieben. Ich wollte immer auf die andere Rheinseite, wo meine Freunde wohnten und wo das »richtige Köln« ist. Aber vor drei Jahren habe ich mich beim Kauf meiner Eigentumswohnung bewusst für Höhenberg entschieden. Der Name zieht immer noch, und das richtige Köln kann ich jederzeit haben. Es ist ja nur zehn Minuten Bahnfahrt entfernt. Die Germania-Siedlung ist neu renoviert, die schmucken Häuschen sind ganz klasse geworden, und ich fühle mich hier in ihrer Abgeschlossenheit sehr wohl. Ich gestehe, ich bin keine Städterin, ich brauche viel »Auslauf« ins Grüne. Der nahe Königsforst, die Wahner Heide, die Wildparks, Baggerseen – herrliche Sache das alles. Die kleine Merheimer Heide hier um die Ecke ist im Sommer der große Garten für viele Familien ohne Balkon. Hier ist mir schon passiert, dass mir eine türkische Familie von ihrem Essen abgegeben hat, »weil wir viel zu viel vorbereitet haben«. Auf dem Mülheimer Friedhof ist an Allerheiligen die Hölle los, da wird an den Gräbern echt gewerkelt und geklönt, da ist Familientreffen wie auf den Friedhöfen in Mexiko. Und es gibt viele alte Gräber aus den letzten beiden Jahrhunderten hier. Auf der Olpener Straße gibt es drei Supermärkte, davon zwei Discounter. Aber in dem einen Edeka-Laden, da ist seit Jahren das gleiche Personal. Und wenn man reinkommt, sagt immer jemand »Guten Tach!«, und man weiß, die kennen einen, wie in einem Tante Emma Laden. In der Nähe der Olpener Straße ist auch die Brotfabrik Kronenbrot. Morgens riecht es in ihrem weitläufigen Umkreis immer nach frisch gebackenem Brot. Mir gefällt außerdem die Nähe zum Autobahnkreuz Köln Ost, von wo aus ich schnell nach Bonn, Siegburg, Düsseldorf, Aachen und Frankfurt komme. Auch der Flughafen ist nicht weit, in meinem Beruf sehr wichtig.

Früher hab ich immer gedacht, mit der U-Bahn sollte man besser vor Mitternacht nach Hause fahren, danach wird es kritisch, da zeigt der Mensch sein wahres Gesicht, bleich und übernächtigt, resigniert, vom Leben gezeichnet. Tatsächlich stört mich der Dreck an der U-Bahn-Station. Mich stört auch das Schild meiner Nachbarn von gegenüber an den wenigen Wäscheleinen im Gemeinschaftsgarten: »Diese Leinen sind den Bewohnern des Hauses Blablastraße vorbehalten. Sonntags und Feiertags ist das Wäscheaufhängen untersagt.« Ich bin kein politischer Mensch, aber das erinnert mich irgendwie an: »Diese Straßenbahn ist den Ariern vorbehalten.« Im Haus gegenüber beschwert man sich auch, dass der frühere Glanz von Höhenberg verblasst ist, seit »sehr viele Ausländer hier eingezogen sind. Die putzen ja die Treppe nicht, müssen Sie nicht meinen.« Die Frau, die das sagt, tut mir leid. Weil sie jeden Tag ihren behinderten Mann im Rollstuhl auf die Rampe hieven muss, damit er mal die Wohnung im ersten Stock verlassen kann und an die Luft kommt. Klasse, dass es solche Rampen gibt und dass die Wohnungsbaugesellschaft auch behindertengerechte Wohnungen in dieser Siedlung möglich macht.

Viel gehört hab ich auch von den Kindergärten und Schulen, die immer die Grünflächen um die Straßenlaternen und Bäume am Straßenrand bepflanzen – im Frühling brechen hier die Osterglocken aus der Erde, dank den Kindern. Auch die Pfarrer sind berühmt in ihrem Engagement für Obdachlose und Menschen mit wenig Geld.

Die Bevölkerungsstruktur im Viertel hat sich verändert, und diese Veränderung hat zur Stabilisierung beigetragen. Da viele Wohnungen aus der Sozialbindung gefallen sind, sind private Mietwohnungen für Menschen mit niedrigem Einkommen oder Transferleistungen allerdings nicht mehr ohne Weiteres erschwinglich. Der Anteil der Sozialwohnungen, der insgesamt in Köln in den letzten Jahren zurückgegangen ist, liegt in HöVi bei 17,3 Prozent, in der Gesamtstadt sind es knapp 10 Prozent.

STRUKTURSCHWACHES VIERTEL, STRUKTURSCHWACHE MENSCHEN

Im Viertel gibt es fünf Grundschulen, darunter eine katholische Grundschule und eine Außenstelle der Montessori-Schule Köln-Deutz. Mit einer Hauptschule und einer Gesamtschule gibt es zwei weiterführende Schulen. Kinder, die eine Realschule oder ein Gymnasium besuchen möchten, müssen in einen anderen Stadtteil fahren.

Was statistisch nur bedingt zu fassen ist, aber beobachtet werden kann: Viele Menschen in HöVi vermögen ihrem Leben keine Struktur mehr zu geben. So kommen zwar viele Menschen zur Lebensmittelausgabe der Kirchengemeinde, weil sie wenig Geld haben. Andererseits haben sie aber auch nicht gelernt, einen Haushaltsplan aufzustellen und ihr Geld zu verwalten. Das fällt ihnen schwer. So leben die zahllosen Kioske in HöVi ganz gut von dieser Schwäche. Denn dort kaufen die Menschen auch bis tief in die Nacht Dinge ein, die sie spontan brauchen. Termine wahrnehmen, Einladungen annehmen oder absagen, Briefe und Behördenpost lesen, günstig und vorausschauend einkaufen, langfristig planen – für viele Menschen sind das ungewohnte Dinge.

Vor allem die Karnevalsvereine, aber auch die beiden Bürgervereine prägen die Kultur in den Stadtteilen gemeinsam mit den Kirchen. »Signale aus Vingst«, eine Gruppe kunstinteressierter Menschen, macht regelmäßig Ausstellungen in der Galerie der Kirche St. Theodor. Es gibt eine große Zahl von Straßen-, Nachbarschafts-, Kindergarten- und Schulfesten, wichtige Termine im Jahreskalender der Familien. Eine Frau, die sich in einem nicht näher bezeichneten Verein in HöVi engagiert, schreibt in einem Internetblog:

Ich bin eingefleischte Höhenbergerin und liebe mein Veedel. Mein Mann und ich sind beide hier geboren. Den Wandel haben wir hautnah miterlebt. Durch die Wohnungsbaugesellschaft ist zunächst die Germania-Siedlung wieder restauriert und modernisiert worden. Wahrlich ein Schmuckstück. Hier hat man – und auch der anstrengende Denkmalschutz – wirklich alles gegeben. Die Mieten sind zwar hierdurch rapide nach oben geschnellt. Wir konnten jedoch durch unseren Mieterrat bei Verhandlungen mit dem Vorstand der Wohnungsbaugesellschaft für vereinzelte Mieter eine vertretbare Miete erzielen.

Durch die Modernisierung hat sich das Veedel gewandelt. Neue Bürger kamen hinzu und müssen in das Höhenberger Leben integriert werden. Hier veranstalten wir wieder seit 2008 ein Veedelsfest, wie wir es schon vor 22 Jahren veranstaltet haben. Am Veedelsfest nehmen Karnevalsvereine, Höhenberger Geschäftsleute, Privatpersonen und karitative Einrichtungen teil. Alles, was eingenommen wird, wird größtenteils gespendet. Der Bürgerverein wird dies an bedürftige Höhenberger weitergeben, ausgesucht von unseren Pfarrern aus der evangelischen und katholischen Kirche. Wir haben in der Vergangenheit fast 2000 Besucher gehabt, und wir hoffen, dass wir diese Zahl wieder erreichen. Unser Veedelsfest ist nicht professionell, aber gerade Großmutters Flair macht das Fest sympathisch und bezahlbar.

Ein Beispiel für eine bemerkenswerte Arbeit eines Vereins ist die »Initiative Kinderspielplatz«. In den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts haben sich einige Eltern zusammengeschlossen, um auf einem leer stehenden Eckgrundstück in Eigenregie eine dauerhafte Alternative zum seinerzeit dürftigen Spielplatzangebot im Viertel zu schaffen. Mit vereinten Kräften baute man den Spielplatz mit den Jahren immer mehr aus. Später sorgte die katholische Kirchengemeinde mit einem Grundstückstausch und der anschließenden Stiftung des Grundstückes dafür, dass die Initiative dauerhaft an dem Ort verbleiben konnte. Die inzwischen 500 Mitglieder des Vereins aus etwa zehn verschiedenen Nationen betreuen aber nicht nur den Spielplatz, sondern organisieren für die Kinder das ganze Jahr über ein umfangreiches Freizeitprogramm.

KIRCHE IM VIERTEL

In HöVi leben zurzeit knapp 8000 Katholiken und 3000 Protestanten. In Höhenberg und in Vingst hat die katholische Gemeinde jeweils eine Kirche, St. Elisabeth und St. Theodor. Bereits im Jahr 2000 fusionierten die zuvor selbstständigen Gemeinden. Im Jahr 2002 wurde in Vingst sogar eine neue Kirche geweiht, bis heute die vorletzte im Erzbistum Köln, wo es zunehmend aufgrund von Fusionierungen und rückläufigen Gemeindemitgliederzahlen zu viele Kirchen gibt. So war der teure Bau in seiner Entstehung auch nicht unumstritten. Die konsequente Orientierung an den Bedürfnissen der Menschen bei der Planung des Baus war von Seiten der Gremien der Kirchengemeinde dann auch eine wichtige Bedingung.

Kriegsschäden und ein Erdbeben im Jahr 1992 hatten dem Vorgängerbau von St. Theodor aus den späten 30er-Jahren so zugesetzt, dass er einsturzgefährdet war. Weil ein Neubau geringere Kosten bedeutete als die Instandsetzung, entschied sich das Bistum für Abriss und Neubau. Allein der Turm aus dem Jahr 1955, der auf eigenen Fundamenten ruht, blieb stehen. Ein Wettbewerb wurde ausgeschrieben. Aus mehr als 150 anonymisierten Einreichungen ging Paul Böhms Entwurf als Sieger hervor. Im März 2002 wurde die komplett unterkellerte neue Kirche geweiht, ein sandfarbener zylindrischer Baukörper aus Leichtbeton. Aus ihm ragt dunkel der quadratische Turm der Vorgängerkirche heraus. Ein Gebäuderiegel mit Räumen für verschiedene Nutzungsmöglichkeiten und der Keller binden den sakralen Neubau in die vielfältigen kulturellen und sozialen Aktivitäten der Gemeinde ein – und umgekehrt.

Die evangelische Gemeinde Köln-Höhenberg-Vingst besitzt mit der Erlöserkirche in Höhenberg und dem Paul-Gerhardt-Haus in Vingst zwei Gemeindezentren. Im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit, im Bereich der Familienarbeit, in der Zusammenarbeit mit den Schulen und in vielen Feldern der vernetzten sozialräumlich orientierten Sozialarbeit besteht seit vielen Jahren eine sehr intensive ökumenische Zusammenarbeit.

Welche Entwicklung HöVi in den letzten Jahren erfahren hat, welche Rolle die beiden Kirchen dabei hatten und wie das gerade von jungen Menschen wahrgenommen und reflektiert wird, zeigt der folgende Rap, den ein Jugendlicher, ehrenamtlicher Mitarbeiter in der Jugendarbeit, geschrieben und mit Freunden aufgenommen hat.

WE BELONG TOGETHER

Einzigartig ist unser Town – einzigartig im Kölner Raum
Ach scheiß auf den Mist, das gibt’s nur einmal
Einmal auf der Welt – einfach phänomenal
Aktionen wie das HöVi-Land machen uns berühmt
Und es geht immer weiter, neue Ideen kommen geströmt
Man kann von uns sagen, wir haben Großes vollbracht
Unsere soziale Power – es geht nicht um Macht
Wenn man betrachtet, was wir alles schon geschaffen haben
Da musst du weit ausholen, das kann man nicht so trocken
sagen
Denn so etwas, das hat noch niemand geseh’n
Jetzt zähl‘ ich mal schnell auf, wovon ich eigentlich red‘
Ich red‘ von Blockhaus, PGH und St. Theodor
Ich red‘ vom HöVi-Land, KjG und dem Chor
Ich red‘ von Jugendbüro, KjG-Büro, HöVi-Land-Büro,
Spielebus sowieso
Auch Erlöser und Elisabeth sind noch mit dabei
Genauso wie die Kindergruppen und HöVi-Online
Viele Leute bei Sommerfahrt und Jugendgruppe
Nicht zu vergessen: offener Treff – Frau Gau macht ‘ne
Suppe



We are strong forever – We belong together
We all live in one place – We all go the same ways
Höhenberg-Vingst together – Höhenberg-Vingst forever
Die Umstände sind halt so, so muss es halt sein
Höhenberg-Vingst – keiner will alleine sein
Es gibt zwar immer Battles zwischen den beiden Konfessionen
Genauso gibt es Battles zwischen den zwei HöVi-Regionen
Doch damit ist jetzt Schluss – so kann’s nicht weiter geh’n
Im Leben gibt es so viele Sachen – so viel ist noch zu erleben
Wir müssen aufhör’n mit dem Stress, wir sind doch alle
Jamaikaner
Krieg in HöVi – ich sag euch Jungs – das war mal
Fasst euch an den Händen und macht mal ’nen Kreis
Vergesst doch mal den Ärger, denn der Preis ist zu heiß
Für den Scheiß, den ihr macht, den ihr fabriziert
Höhenberg und Vingst waren schon immer liiert
Fasziniert sind die Leute, die von außen uns seh’n
Gib denen eine Woche und sie werden uns versteh’n
Warum die Leute hier tun für keinen Cent
Warum die Leute sterben würden, wenn das HöVi-Land brennt



Vergisst den Battle, Jungs, das alles ist Vergangenheit
Höhenberg und Vingst – das ist ’ne feste Einheit
Wir steh’n zusammen, wie Elisabeth und Theodor
Der Zusammenhalt ist stärker als je zuvor
Bei allem, was wir taten – jo – wir waren gespalten
Doch jetzt ist die Zeit gekommen, in der wir zusammen
halten
Zwei Teile, eine Kraft – gemeinsame Ziele
Mit Freundschaft, Vernunft und noch viel mehr Liebe
Das geht raus an alle Leute – ja, gemeint seid ihr
Die Leute aus unserem Land – aus unserem Revier
Das ist von uns für euch, auch von uns für uns
Wie Therapie für uns – für euch ist es Kunst
So hat jeder was davon – das ist ein positives Lied
Seht ihr den Verlauf in dem Gebiet, dass ihr so liebt
Wie euer eigenes Kind, seid doch nicht blind
Ihr müsst sie behüten – unsere wertvolle Blüte.

Text und Musik: Roland Gogol