Titel

Übungsverzeichnis

Für diese Übungen empfiehlt es sich, dafür zu sorgen, diese in Papierform vorliegen zu haben.

Mein aktueller Übergang

Meine beruflichen Übergänge

Meine Übergangsgeschichte

Was bringe ich schon mit?

Mein Ritual

Mein Stress im Übergangsprozess

Stressreduktion durch gedankliche Distanz

Das innere Lächeln

Mindmap 1 – meine Ressourcen

Mindmap 2 – meine aktuellen Übergangsressourcen

Mein Ressourcenpool

Schatten springen

Kühlschrankzettel

Botschaften aus der Vergangenheit

Meine Übergangsbiografie

Meine Übergangsschätze

Fragebogen Coping

Mein Übergangsbauwerk

Meine aktuelle Übergangssituation

Meine Werte

Mein Weg zum Sinn

Balance bewahren oder herstellen

Dreamday

Kreatives Schreiben

Mein roter Faden

Meine Rolle

Einflussprofil

Fragebogen zur Proaktivität

Meine verlorenen Leidenschaften

Mein Neuanfang

Meine Entscheidungen

Entscheidungsprofil

Entscheidungen sammeln und sichten

Pro und Contra nach Lincoln

Auf vielen Stühlen

Eine Münze werfen

Entscheidungstreppe

Mein Übergangsportfolio

Meine Motivatoren

Motivationsverstärkung

Mein Haltungsziel

Mindmap Plus

Metaphernmethode zur Problemlösung

Den Zielzustand visualisieren

Mein Übergangspanorama

Meine Übergangsbilanz

Wie sieht mein Sicherheitsnetz aus?

Zusammenschau

1. Bestandsaufnahme

„Überleben ist ein Beruf, der gelernt werden muss wie jeder andere“
– Hans Sahl

1.1 Ausgangssituation

Während ich diese Zeilen schreibe, muss ich an mehrere Personen denken, die sich gerade in einem beruflichen Übergang befinden: Hannelore, 42, die nach zwölf Jahren Elternzeit als ausgebildete Juristin, allerdings ohne langjährige Berufspraxis, einen Wiedereinstieg versucht; Peter, 31, der nach einem klinischen Burnout-Aufenthalt nun eine Festanstellung sucht, mit der er seine Vorstellungen von Work-Life-Balance leben kann; Petra, 55, der nach vielen Jahren Arbeit in einem mittelständischen Unternehmen betriebsbedingt gekündigt wurde und die nun entscheiden muss, ob sie in den Vorruhestand treten möchte. Vermutlich fallen auch Ihnen auf Anhieb Menschen in Ihrem Umfeld ein, die mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert sind und vermutlich sind auch Sie selbst mit einem Übergang konfrontiert. Sonst hätten Sie wohl nicht zu diesem Buch gegriffen.

In der heutigen Zeit gibt es zunehmend Übergänge aller Art. Kaum haben Sie sich in einem Lebensbereich eingerichtet, müssen Sie sich schon in einem anderen neu orientieren. Das ist reichlich anstrengend und so kann schnell der Eindruck entstehen, dass wir unser Leben nicht mehr in der Hand haben, sondern von den Umständen gelebt werden. Um die Komplexität von Übergängen heute zu erfassen, hilft folgendes Bild: Stellen Sie sich Ihren jetzigen Übergang vor wie einen Stein, den Sie ins Wasser werfen (oder der für Sie ins Wasser geworfen wurde), er zieht Kreise. Wenn nun in der Nähe Ihres Steins noch andere Steine ebenfalls Wellen auslösen, kommt es zu Interferenzen: Ihr Übergang beeinflusst Ihr Umfeld, wird aber auch durch die Übergangsprozesse Ihres Umfeldes beeinflusst. Da Sie in einem Netzwerk von Familie, Freunden und Gesellschaft leben, können Sie sich vielleicht vorstellen, zu welch komplizierten Gebilden die immer wieder in Ihrem Leben stattfindenden Übergänge werden.

Selten haben Sie genügend Zeit, einen Übergang richtig und ordentlich zu Ende zu bringen, bevor Sie sich dem nächsten Übergang stellen. Wenn Sie beispielsweise an eine Präsentationssoftware denken, dann wissen Sie, dass dort ein Übergang eher wie eine Überblendung funktioniert: Das Neue schiebt sich in das Alte. Genauso blendet ein Übergang in einem Lebensbereich in einen Übergang in einem anderen Lebensbereich – und während die Überblendung noch gar nicht abgeschlossen ist, kommt bereits die nächste. Wenn uns schon bei zu vielen, zu schnellen Überblendungen in Powerpoint schwindelig wird, wie sieht das erst mit den Überblendungen im eigenen Leben aus?

Lassen Sie uns einen kurzen Blick auf die Ursachen werfen, denn Ihr Gefühl trügt nicht: Sie müssen immer mehr private und berufliche Übergänge in immer kürzerer Zeit bewältigen. Im Zeitalter der Globalisierung wird mit fallenden Grenzen von Ihnen immer größere Mobilität gefordert. Wenn Ihre Firma den einen Standort schließt, wird Ihnen eben ein Arbeitsplatz 400 km weiter oder gar im Ausland angeboten oder Sie müssen sich auf den Übergang in ein ganz neues Tätigkeitsgebiet oder gar in die Arbeitslosigkeit einstellen. Aber auch wir selbst stellen höhere Ansprüche an unsere Tätigkeit, Individualisierung heißt hier das Schlagwort. Immer mehr Arbeitnehmer/innen möchten sich in der Arbeit selbst verwirklichen. Wenn wir schon so viel Zeit und Energie investieren, möchten wir auch etwas davon haben. Die Arbeit soll uns Spaß machen, dann fällt es uns leichter, dass es beispielsweise keine Trennung mehr zwischen Arbeitszeit und Freizeit gibt, wenn wir mal eben die E-Mails checken oder zu Hause noch die Präsentation für den nächsten Tag vorbereiten. Dafür erlauben wir uns auch, die Mittagspause zu verlängern und kurz mal anderthalb Stunden zum Friseur oder ins Fitness-Studio zu gehen.

Während auf der einen Seite hoch qualifizierte und bezahlte Arbeitnehmer/innen zunehmend in wechselnden Projekten arbeiten und hier von Projekt zu Projekt ebenfalls Übergänge erfahren, müssen auf der anderen Seite des Arbeitsmarktspektrums viele Arbeitnehmer/innen ihre Stelle aus mehreren Jobs zusammensetzen, um davon leben zu können. Dadurch bedingte Job- und Ortswechsel und ein permanentes Abstimmen der einzelnen Bausteine bringen ebenfalls vermehrte Übergänge mit sich, die oft unter zeitlichem und finanziellem Druck bewältigt werden müssen. Wer mit dem Tempo nicht mithalten kann, fliegt raus – oder muss seine Ansprüche enorm zurückschrauben.

Wenn Sie dann mit hängender Zunge wagen, sanfte Einwände gegen den ständigen Veränderungsdruck zu erheben, outen Sie sich schnell als ewig Gestriger oder es wird Ihnen unterstellt, dass Sie die Idee des lebenslangen Lernens einfach noch nicht verstanden haben ...

Die Verantwortung, für den Arbeitsmarkt attraktiv zu bleiben und dauerhaft immer wieder einen Job zu finden, wurde Ihnen in den letzten beiden Jahrzehnten ganz schleichend übergeben. Man spricht dann von Beschäftigungsfähigkeit (employability) und bisweilen entsteht der Eindruck, dass es gar nicht mehr Ihre vorrangige Aufgabe ist, einfach nur Ihren Job zu machen. Viel wichtiger scheint es, Ihre Beschäftigungsfähigkeit zu sichern, dass Sie also Ihrem Arbeitgeber permanent zeigen, wie flexibel, offen für Neues und veränderungsbereit Sie sind, dass Sie auch in Zukunft einer Beschäftigung würdig sind.

2. Abschied vom Alten – loslassen und gewinnen ...

2.1 Was ist ein Übergang?

Wenden wir uns nun Ihrem aktuellen Veränderungsprozess zu. Lernen Sie in diesem Kapitel den Unterschied zwischen Veränderung und Übergang kennen. Lassen Sie Altgedientes auf eine gute Art und Weise los. Überprüfen Sie Ihren derzeitigen Stresspegel und lernen Sie ihn zu reduzieren. Weiterhin erfahren Sie, wie Sie Kraft für die vor Ihnen liegende anstrengende Zeit aus Ihren eigenen Quellen schöpfen. Und nicht zuletzt überdenken Sie Ihre Vorstellung von Anpassung, damit Sie möglichst viel von dem, was Sie wollen, nach der Veränderung erreicht haben.

2.1.1 Veränderung und Übergang

Ein Blick auf den Unterschied zwischen Veränderung und Übergang erklärt, warum Übergänge in unserer Gesellschaft oft nur ansatzweise oder lückenhaft und damit nicht dauerhaft bewältigt werden. Eine Veränderung ist situationsgebunden. Es gibt die Situation vor der Veränderung, den Ist-Zustand und dann die Situation danach: das Neue, Erstrebenswerte, den Soll-Zustand. So viel sieht man also von außen. Aber was geschieht wirklich in einer Person im Veränderungsprozess? Da passt der Begriff Übergang besser, denn er beschreibt die Innensicht, das was im Menschen während einer Veränderung abläuft. Das können Emotionen, Fragen und innere Prozesse aller Art sein. Eine Veränderung ist also durch zwei Phasen gekennzeichnet: das Davor und das Danach. Ein Übergang hingegen besteht aus mindestens drei Phasen, die Sie in diesem Buch Schritt für Schritt kennenlernen. Dennoch werden beide Begriffe, wie auch in unserer Alltagssprache, im weiteren Verlauf immer wieder synonym verwendet. Denn jeder gelungene Übergang beinhaltet auch Veränderungen. Wichtig ist nur, dass die mittlere Phase des Übergangs ausreichend Beachtung findet.

Nur wenn Übergänge bewältigt werden, sind Veränderungen erfolgreich! In vielen Firmen ist allerdings zu beobachten, dass missglückte Veränderungen – weil die Übergänge der Betroffenen missachtet wurden – mit immer neuen Veränderungen und damit Übergangsanforderungen an die Beschäftigten „repariert“ werden. Erschwerend kommt hinzu: Die Rhythmen der beiden Prozesse Veränderung und Übergang sind keineswegs synchron. Die Veränderung wird oft in einem Veränderungsplan durch ein Change-Management von außen vorgegeben und für alle Betroffenen nach firmeninternen Schätzungen terminiert. Der Übergang hingegen vollzieht sich bei jedem Menschen im eigenen Tempo, meistens wesentlich langsamer, als es alle Beteiligten einschätzen. Sind im beruflichen Umfeld mehrere Personen von Übergängen betroffen, sind deren individuelle Übergangszeiten ganz unterschiedlich. Selbst in einer Partnerschaft ist für denjenigen, der gerade nicht in einem Übergangsgeschehen steckt, selten ersichtlich, warum das beim anderen so lange dauert.

Der Übergangsprozess beginnt nicht mit einem Anfang, sondern mit einem Ende, meistens in Form eines Abschieds. Die Person im Übergang muss das Alte loslassen, alte Verhaltensmuster und Identifikationen ablegen und sich verabschieden von einem Stück bewährter Identität. Dann beginnt die Zwischenphase. Würde man nur die Situation der Veränderung fokussieren, wird sie gar nicht sichtbar, obwohl diese Zwischenphase die wichtigste Phase im Übergangsgeschehen ist. Es ist die Phase des „Nicht mehr“ und des „Noch nicht“, ein seltsam diffuser Schwebezustand. Wer ihn durchmacht, ist meist emotional stark verunsichert, fühlt sich, als würde ihm alles entgleiten und sieht buchstäblich kein Land mehr. Je nachdem wie tiefgreifend und persönlich bedeutsam die Veränderung für den Menschen ist, finden erhebliche Umstrukturierungsprozesse auf der Ebene der Identität statt. Akzeptiert die Person im Übergang die Zwischenphase, ohne in vorschnelle vermeintlich einfache Lösungsansätze zu fliehen, beginnt sich langsam das Neue zu formieren. Der Übergangsprozess gleicht so einem kreativen Prozess: Nach einer ausgeprägten Phase der Inkubation, einer Reifezeit also, entsteht ein tragfähiger Neuentwurf, der dann behutsam in die Persönlichkeit integriert und in ersten Schritten gelebt wird.

Abb. 2: Übergangsphasen: Bridges 2002, S. 5 (Übersetzung M. Nohl)

Die drei Phasen finden nicht voneinander getrennt statt. Eine Phase dominiert zwar meistens, doch eigentlich sind es eher drei Prozesse, die zeitgleich in unterschiedlichen Intensitäten verlaufen.

In diesem Buch werden immer wieder die Aspekte des Veränderungsgeschehens neben den Übergangsprozess gestellt. Dadurch wird es möglich, Ihre inneren Prozesse mit den von außen gestellten Anforderungen in Bezug zu setzen. So erlangen Sie die Fähigkeit, sich besser nach außen zu vertreten und sich als aktive/r Übergangsgestaltende/r in Ihrem beruflichen Umfeld zu beweisen. Eine Fähigkeit, die in den meisten Unternehmen gesucht und hoch geschätzt ist! Unterschätzen Sie also nicht den Karrierevorteil, den Sie durch den Ausbau Ihrer Übergangskompetenzen erzielen.

Bei einer betrieblichen Umstrukturierung muss eine Firma in der ersten Phase ihren Mitarbeitern möglichst konkret auseinandersetzen, worin die Veränderung für sie besteht und was sie praktisch im Arbeitsalltag anders machen sollen. Ebenfalls sollte deutlich werden, was die Mitarbeiter künftig lassen sollen und an welcher Stelle sie jahrelang geübtes Verhalten ver-lernen müssen. Dies geschieht oft nur unzureichend. Als Mitarbeiter/in haben Sie jedoch das Recht, Klarheit einzufordern. Für Sie ist wichtig zu verstehen, welches Problem der Auslöser für die angestrebte Veränderung ist und welche Ziele der Prozess verfolgt. Wenn es Ihnen gelingt, Ihren ganz persönlichen Übergangsprozess und die Veränderungen innerhalb der Firma voneinander getrennt zu sehen, schreiben Sie unangenehme Gefühle nicht neuen Arbeitsstrukturen und Verhaltensweisen im Betrieb zu, sondern wissen, dass diese Ihrem inneren Prozess entstammen. Solche Phasen der Unsicherheit sind ganz normal – und Sie können sich darauf verlassen, dass es wieder bergauf geht und sich Zuversicht, neue Energien und Perspektiven entwickeln werden.

Hier finden Sie einige Eindrücke und Gefühle von Seminarteilnehmerinnen, die die erste Phase des Übergangs beschreiben. Sie sind als Wordle grafisch aufbereitet:

Abb. 3: Assoziationen – Wordle „Abschied“

2.1.2 Loslassen

„Alle Veränderungen, sogar die meistersehnten, haben ihre Melancholie. Denn was wir hinter uns lassen, ist ein Teil unserer selbst. Wir müssen einem Leben Lebewohl sagen, bevor wir in ein anderes eintreten können.“
– Anatole France

Die meisten Menschen mögen keine Abschiede, schon gar keine von außen vorgegebenen. Sie kämpfen in der ersten Phase des Übergangs eher noch darum, das Alte zu behalten oder zumindest für sie wertvolle Teile zu schützen und zu bewahren. Schließlich hatten sie hier Erfolgserlebnisse und erhielten nicht selten Wertschätzung für ihre Arbeit. So bleibt wenig Energie übrig, sich mit dem Neuen auseinanderzusetzen und die eigenen Übergangsfähigkeiten aktiv auszubauen. Daran ist nicht zu rütteln: Am Anfang eines Übergangsprozesses müssen alte Rollen und Teile der beruflichen Identität, in deren Aufbau viel Energie, Arbeit und immer wieder Herzblut geflossen ist, zurückgelassen werden. Natürlich ist das ein Grund zu trauern. Wer es aber schafft, vom Trauern zu einer Haltung des „So sei es“, „Es ist wie es ist“ zu kommen, hat schon einen wesentlichen Schritt des Loslassens getan.

Der erste Schritt im Prozess des Trauerns ist oft die Verleugnung. Man tut so, als sei alles beim Alten. Das erinnert an Kinder, die die Augen zumachen und denken, sie seien für ihr Umfeld unsichtbar oder sie könnten etwas Unangenehmes ungeschehen machen. Auch Wut und Ärger stehen oft am Anfang dieses Prozesses. Ihre Gefühle sind in einem solchen Kontext absolut legitim, doch das Ausagieren derselben in Form von Resignation oder Boykott des Veränderungsprozesses ist selten wirklich angebracht ...

Wer Veränderungen ausschließlich managt, vernachlässigt in den meisten Fällen die erste und die zweite Phase des Übergangsprozesses. Abschiede und Rituale würdigen das Alte, Veränderungsmanager möchten jedoch auf das Neue als das Bessere und Erstrebenswerte abzielen. Das Alte war gestern und ist nicht mehr von Interesse. Für Sie ist es aber überlebensnotwendig, dass Sie sich noch einmal bewusst den guten Seiten Ihrer jüngsten Vergangenheit zuwenden:

Normale Lebensübergänge sind oftmals begleitet von kleinen und größeren Ritualen. Denken Sie beispielsweise an Ihre Schultüte, die Abi-Feier, den Junggesellinnenabschied. So macht es auch bei kleineren und selbst gewählten Übergängen Sinn, durch ein Ritual das Alte zu würdigen, ihm seinen Platz zu geben und dadurch Raum zu schaffen für das Neue. Wenn Sie Rituale gestalten, sollten Sie sich mit ihnen wohlfühlen. Dramatische Aktionen sind nicht jedermanns Sache. Vielleicht vollziehen Sie dann lieber im Stillen eine kleine Abschiedsgeste.

Rituale des Loslassens

Bei Ereignissen eignet sich:

Zum Abschied von Gedanken, Zweifeln, Ängsten, Energieräubern bietet sich an:

Für Personen, die Sie verabschieden wollen:

Mein Ritual

Welches Abschiedsritual fällt Ihnen für Ihren aktuellen Veränderungsprozess ein? Halten Sie es hier stichwortartig fest. Am besten setzen Sie sich gleich einen Termin, an dem Sie es ausführen werden. Sie werden die wohltuende Wirkung erleben.

2.1.3 Überlebensstrategien

Am Anfang eines Übergangs kann es zu Überreaktionen kommen, weil unbearbeitete oder missglückte Übergänge aus der Vergangenheit sich jetzt bemerkbar machen. Diese verstärken – ohne dass es uns bewusst ist – die emotionalen Reaktionen auf die aktuellen Veränderungsanforderungen. Alte Verluste, die nie betrauert wurden, können explosiv zu Tage treten, sobald sich neue Gelegenheiten zum Trauern ergeben. Wenn Sie also bei sich Gefühle feststellen, die in keinem Verhältnis zum Anlass stehen, überlegen Sie – vielleicht zusammen mit Ihrem Partner / Ihrer Partnerin oder einer guten Freundin –, welcher Verlust hinter dem Verlust stehen könnte.

Gehen Sie Übergänge beherzt an. Trauern Sie kräftig, aber dann versuchen Sie, es auch gut sein zu lassen. Ein Abschied auf Raten verlängert diese Phase und auch den Abschiedsschmerz nur unnötig. Ziehen Sie mutig einen Schlussstrich und wenden Sie sich den neuen Anforderungen zu.

Wenn Ihnen bei einem von außen vorgegebenen Übergang das Neue so sehr widerstrebt, dass Sie sich vermutlich niemals damit anfreunden können, ist es Zeit für eine selbst gewählte Veränderung. Vielleicht müssen Sie Ihren Job wechseln, ein Sabbatjahr nehmen, eine Weiterbildung machen oder erst einmal auf Reisen gehen ... Wenn die geforderten Veränderungen überhaupt nicht mit Ihrem Wertesystem und Ihren Vorstellungen kompatibel sind, sollten Sie sich nicht erst extrem verbiegen, um einige Monate später zu sehen, dass Sie doch gehen müssen. Manchmal weiß man wirklich schon vorher, dass mit diesen Veränderungen die eigene Zeit in dieser Tätigkeit oder in diesem Unternehmen beendet ist. Dann setzen Sie mutig einen Schlusspunkt. Nehmen Sie alle Möglichkeiten in Anspruch, die das Unternehmen für die Mitarbeiter/innen bereitstellt, die nicht bleiben wollen, z. B. Outplacement-Beratungen, Abfindungen, Bewerbungsberatung etc. Aber auch hier gilt: Nehmen Sie bewusst Abschied.

Im folgenden Abschnitt kommen wir nun zur ersten zentralen Übergangskompetenz. Das erste, was in Übergängen geschieht, ist, dass die Betroffenen in Stress geraten. Sie sollen / müssen / dürfen etwas tun – und das oft noch unter Zeitdruck und ohne dass sie wissen, was genau sie tun sollen. Stress entsteht immer dann, wenn wir mit Neuem konfrontiert sind und Angst davor haben, den Anforderungen nicht gewachsen zu sein. In Veränderungssituationen ist Stress nicht vermeidbar, aber Sie können lernen, ihm besser zu begegnen. Mit erweiterten oder vertieften Fähigkeiten im Umgang mit Stress sind Sie weniger verletzlich und „betriebsblind“. Sie gewinnen Distanz und den notwendigen kühlen Kopf, um wirklich sinnvolle Entscheidungen zu treffen.

3. Die Zwischenzeit – nicht mehr und noch nicht

„Alles beginnt mit der Sehnsucht.“
– Nelly Sachs

„Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt.“
– Mahatma Ghandi

3.1 Das Wesen der Zwischenzeit

(zurück zu Kapitel 5.3: Hier komme ich)

3.1.1 Merkmale

Die Zeit zwischen dem Alten und Neuen wird von vielen Menschen als unangenehm und verstörend empfunden. Entsprechend möchte man sie gerne abkürzen, so schnell wie möglich durchlaufen oder am besten ganz ignorieren. Das Unwohlsein wird häufig auch als Gefühl von Unvermögen interpretiert: Man hat plötzlich ein „Problem“, das man mit der Veränderung nicht haben sollte, während alle anderen vermeintlich schon auf der Zielgeraden liegen. Wenn diese Phase wirklich nur eine kurze Zeit dauern würde, könnte man einfach warten, bis sie vorbei ist. Allerdings erstreckt sie sich länger als man denkt, oft über Wochen und Monate. Abkürzungen funktionieren gerade in dieser Phase von Übergängen dummerweise überhaupt nicht. Der Übergangsforscher Bridges weist darauf hin, dass die Bewältigung dieser Phase die einzige Möglichkeit ist, den Übergang nicht ein zweites Mal durchlaufen zu müssen und so spart es tatsächlich Zeit, sich Zeit zu nehmen für diese Zwischenphase.

Die Phase des „Nicht mehr“ und „Noch nicht“ ist durch ganz eigene Merkmale geprägt. Alles ist in Bewegung, nichts funktioniert mehr nach den alten Mustern. Neue Regeln und Verhaltensweisen sind noch unklar oder noch nicht etabliert. Menschen in Übergangsprozessen werden immer verärgerter, weil der Prozess viel länger dauert, als sie dachten. Die Verantwortlichen für die Veränderungsprozesse bekommen langsam Panik, weil nichts vorwärts geht, so wie geplant. Die allgemeine Motivation sinkt, alle Anstrengungen scheinen zu verpuffen. Selbstzweifel werden immer größer sowohl bei den Beschäftigen als auch bei den Führungskräften. Die Prioritäten sind nicht klar, die Belegschaft spaltet sich in solche, die möglichst schnell diese Zone hinter sich lassen wollen und andere, die den Übergang gerne ungeschehen machen würden und wieder in alte bewährte Muster verfallen. In dieser Phase ist die Diskrepanz zwischen dem Veränderungs- und dem Übergangsgeschehen am größten, da die Zwischenphase in Veränderungsprozessen schlichtweg nicht vorgesehen ist und deswegen alle damit verbundenen Schwierigkeiten als Störfaktoren und nicht als wesentlicher und wichtiger Teil des Prozesses betrachtet werden.

Dabei ist es diese Phase des vermeintlichen Stillstands, mit der das Gelingen oder Misslingen eines Veränderungsprozesses steht und fällt. Wenn es ein Bewusstsein dafür gibt, dass alles Neue eine Phase der Reifung braucht und alle wirklich guten Ideen eine Inkubationszeit benötigen, bevor sie in Erscheinung treten, könnte diese Phase endlich produktiv genutzt werden. Dann nämlich könnte sie sich auch als eine Zeit der Kreativität erweisen, zu der auch das kreative Chaos und das Ausprobieren von Neuem gehören. Wenn alte Regeln nicht mehr gelten und neue noch nicht – und das trifft auch auf die äußere Sicht der Dinge, die Veränderungsprozesse in Firmen zu –, können Sie Dinge, die Sie schon immer mal anders machen wollten, einmal ausprobieren. Ja, es besteht sogar die Möglichkeit, dass Ihre Ideen in Ermangelung anderer Vorgaben und Ideen übernommen werden und sich etablieren. Das beste Gegengift gegen die Unsicherheit und Mutlosigkeit in dieser Phase ist ein Geist des Aufbruchs.

Hier finden Sie wieder Eindrücke und Gefühle von Seminarteilnehmer/inne/n, die die zweite Phase des Übergangs beschreiben:

Abb. 5: Assoziationen – Wordle „Zwischenzeit“

Ist Ihnen im Übergang bewusst, dass in dieser Zeit wichtige Prozesse stattfinden, könnte sich Ihre emotionale Sicht auf diese zugegebenermaßen anstrengende Phase wandeln. Metaphern bieten einen positiven Zugang zu der Zwischenzeit. Sei es das Verständnis, dass der Winter notwendig ist, um in einer Zeit verdeckter Wachstums- und Vorbereitungsprozesse den Frühling erst zu ermöglichen oder der Vergleich mit Märchen, in denen der Held oft ahnungslos auf der Suche nach seinem Glück von Prüfung zu Prüfung läuft, ohne wirklich zu verstehen, worauf die Geschichte hinausläuft. Oder die Schiffspassage, in der das Heimatland nicht mehr in Sicht ist und der angefahrene Kontinent noch nicht in Reichweite. Auch lässt sich diese Zeit als anstrengende Wanderung darstellen, bei der der Weg nicht immer klar scheint, die Zielhütte noch völlig im Nebel liegt, aber der Tag schon zu weit fortgeschritten ist, um noch einen Abstieg zur Ausgangsstation vorzunehmen. Die folgende Geschichte veranschaulicht das Geschehen der Zwischenzeit:

Bis die Seele nachkommt
Ein europäischer Biologe hatte für eine Himalaja-Expedition eine Gruppe indischer Träger angeheuert. Der Forscher war in großer Eile, denn er wollte schnell an sein Ziel kommen. Nachdem die Gruppe den ersten großen Pass überschritten hatte, erlaubte er den Trägern eine kurze Rast. Nach einigen Minuten rief er aber wieder zum Aufbruch. Die indischen Träger blieben aber einfach auf dem Boden sitzen, als hätten sie ihn gar nicht gehört. Sie schwiegen und ihr Blick war zu Boden gerichtet. Als der Forscher die Inder schärfer aufforderte, weiterzugehen, schauten ihn einige von ihnen verwundert an. Schließlich sagte einer: „Wir können nicht weitergehen. Wir müssen warten, bis unsere Seelen nachgekommen sind.“

  • Welches Bild der Zwischenzeit spricht Sie an? Welche Bilder fallen Ihnen noch ein?
  • Suchen Sie Ihr Zwischenzeit-Bild, zum Beispiel als Postkarte, das Ihre Metapher zeigt und hängen Sie es an Ihrem Arbeitsplatz auf.

3.1.2 Überlebensstrategien

In dieser Phase ist es hilfreich, sich so oft es geht zurückzuziehen. Das unangenehme Gefühl sollte eben gerade nicht durch Ablenkungen aller Art ausgeschaltet werden. Sich in dieser emotional stressbeladenen Zeit zu entspannen, scheint auf den ersten Blick absurd. Allerdings ist es in dieser Phase sogar notwendig, sich zu verwöhnen und Zugang zu finden zu intuitiven Stimmen, die den direkten Weg in die Wahrnehmung nehmen, wohingegen kognitive Lösungen etwas länger brauchen. Die Umstrukturierung von Teilen Ihrer alten Identität, das Auswechseln von inzwischen hinfällig gewordenen Verhaltensmustern, geht überwiegend im Unbewussten vor sich. Wenn Sie sich in einer solchen Zeit befinden, sollten Sie sich auch gegen weitere Übergänge, selbst wenn sie eher klein sind, abgrenzen. Es gibt bei einigen Menschen die Tendenz, wenn sowieso alles im Fluss zu sein scheint, auch noch in anderen Lebensbereichen Übergänge zu initiieren. Das überfordert selbst die stärksten „Übergangskämpfer/innen“. Konzentrieren Sie sich auf das wichtigste Übergangsgeschehen. Dadurch wird schon mehr im übrigen Leben in Fluss kommen, als Ihnen lieb ist.

Bei allem persönlichen Rückzug ist es aber auch wichtig, weiterhin soziale Kontakte zu pflegen. Gerade zu den Menschen, denen Sie vertrauen können und die in einer ähnlichen Situation stehen, denn sonst führt diese Phase auch schnell in die Einsamkeit. Sich immer wieder auszusprechen hilft bei diesem Prozess, in dem sich Teilbereiche der Identität neu formieren.

Zwischenzeiten erfordern weiterhin Zwischenlösungen, auch das ist Bestandteil des Übergangsmanagements. Kurzfristige Ziele und das Reduzieren hehrer Ansprüche sind in dieser Phase gefragt. Auch hier können Sie wieder aktiv Zwischenlösungen in Ihrer Firma einfordern. Initiieren oder verlangen Sie Übergangsregelungen, bis das neue Regelgerüst greift oder verteilen Sie übergangsmäßig bestimmte Rollen an Personen, die nur in dieser Zwischenzeit anfallende Aufgaben übernehmen. Viele zeigen dann ganz neue Talente ...

Bei betrieblichen Übergängen haben Führungskräfte den Übergang selbst innerlich schon (mehr oder weniger gut) vollzogen, wenn sie den Veränderungsprozess einleiten. So ist es für sie wenig verständlich, dass ihre Mitarbeiter/innen immer noch in der „Wüste umherirren“, während sie schon gerne erste Ergebnisse vorweisen möchten. Ein amerikanisches Sprichwort besagt: „Man braucht neun Monate, ein Baby zu bekommen, egal wie viel Leute man auf den Job ansetzt.“ Dieses Verständnis für die Zwischenzeit des Übergangs, dass gerade sie gesunder und organischer Bestandteil eines menschlichen Übergangsprozesses ist und jedem zugestanden werden muss, wäre uns zu wünschen. Denn letztlich lassen sich doch alle gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Übergangsprozesse auf von Menschen zu bewältigende Übergänge zurückführen.

Nutzen Sie diese Phase des Übergangs für sich und Ihre persönlichen Ideen:

Kühlschrankzettel

Legen Sie einen Post-it-Block in die Nähe Ihres Kühlschranks oder einer Tür. Schreiben Sie hier alle Ideen auf, die Ihnen in der Übergangszeit kommen. Schreiben Sie auch auf, wie Sie es sich in dieser Zeit gut gehen lassen können (und setzen Sie diese Ideen um). Installieren Sie so eine neue innere und äußere Freiheitszone für sich, in der alles möglich ist.

4. Neustart – volle Kraft voraus!

„Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung ändern kann.“
– Francis Picabia

„Wer, wenn nicht wir? Wo, wenn nicht hier? Wann, wenn nicht jetzt?“
– Jüdisches Sprichwort

4.1 Vorbereitung

4.1.1 Merkmale