Über den Autor
Hetty Esther Verolme wurde 1930 in Belgien geboren. 1931 zog ihre Familie in die Niederlande um, nach Amsterdam. Von dort wurden sie und ihre Angehörigen 1943 in die nationalsozialistischen Konzentrationslager deportiert. Sie überlebte und arbeitete einige Zeit in der Modeindustrie, bevor sie sich 1954 entschloss, zusammen mit ihrer Tochter nach Australien auszuwandern und sich dort eine neue Existenz aufzubauen. Dort entstand nach und nach und unter Zuhilfenahme von frühen Aufzeichnungen dieses Buch. Es erschien 2000 in Australien und wurde mit dem National Literary Award ausgezeichnet.
Impressum
Dieses E-Book ist auch als Printausgabe erhältlich
(ISBN 978-3-407-74202-5)
www.gulliver-welten.de
© 2010 für diese Lizenzausgabe
Beltz & Gelberg
in der Verlagsgruppe Beltz·Weinheim Basel
© 2005 Beltz Verlag·Weinheim Basel
Alle Rechte der deutschsprachigen Ausgabe vorbehalten
Die Originalausgabe erschien u.d.T. The Children´s House of Belsen
bei Fremantle Arts Centre Press, Western Australia, 2000
© 2000 by Hetty E. Verolme
Lektorat und Recherche: Claus Koch
Neue Rechtschreibung
Einbandgestaltung: Cornelia Niere, München
unter Verwendung eines Fotos der Autorin
E-Book: Beltz GmbH Bad Langensalza, Bad Langensalza
ISBN 978-3-407-22432-3
Ich widme dieses Buch
meinen beiden Enkelkindern
Jacleen Sarah Passman
und Adam Maurice Passman.
In Liebe von ihrer Oma.
Die Kinder des Kinderhauses von Bergen-Belsen. Aufgenommen von einem Angehörigen der Britischen Armee, die das Lager am 15. April 1945 befreite. Die drei Kinder im Vordergrund waren kurz davor aus Russland nach Bergen-Belsen gekommen.
Prolog
September 1965
Ich lebe in Australien, einem wundervollen, weiten und sonnigen Land. Seine Menschen sind gleich, vor allem aber sind sie frei. Ich besitze ein gemütliches Heim am Stadtrand von Perth und kenne, wie jeder andere auch, die Höhen und Tiefen des Alltags. Meine zauberhafte Tochter ist jetzt dreizehn Jahre alt. Zusammen mit den anderen Kindern fährt sie jeden Morgen mit dem Bus zur Schule, danach kommt sie heim, macht ihre Hausaufgaben, sieht fern. Sie isst gut.
Oft betrachte ich sie, wenn sie in ihrer sorglosen Art versucht, die Darsteller von Fernsehshows nachzuahmen, und meine Gedanken kehren zurück zu der Zeit, als ich in ihrem Alter war und das Wort »Freiheit« nur ein Wort aus dem Wörterbuch.
Meine Kindheit war nicht so sorglos. Jahre davon verbrachte ich im Konzentrationslager Bergen-Belsen in Deutschland, wohin ich mit meinem Vater, meiner Mutter und meinen Brüdern während des Zweiten Weltkriegs deportiert worden war.
Wenn ich die Erfahrungen unserer ganzen Familie erzählen müsste, würde das Buch nie ein Ende finden, deshalb will ich mich darauf beschränken, die wahre Geschichte meiner Erfahrungen im Kinderhaus von Bergen-Belsen zu erzählen.
1. Kapitel
Meine Familie lebte in Amsterdam, im jüdischen Viertel. Es war kein Ghetto, denn das niederländische Volk wollte von »Ausgrenzung« nichts wissen, und jeder konnte leben, wo er wollte. Religion und Glauben waren kein Thema. Doch Anfang des Jahres 1941, nachdem sie Monate zuvor die Niederlande besetzt hatten, beschlossen die Deutschen, alle Juden im Osten von Amsterdam zu konzentrieren und das jüdische Viertel abzuriegeln. Und wir bekamen einen ersten Eindruck davon, wie gnadenlos sie gegen jeden Widerstand vorgehen würden, der gegen ihren Plan gerichtet war, sich der jüdischen Bevölkerung der Niederlande zu entledigen.
Bei einer Demonstration holländischer Nationalsozialisten war es im Februar 1941 vor einem Eissalon in Amsterdam zu einer kämpferischen Auseinandersetzung gekommen. Einer der in paramilitärischen Gruppen organisierten holländischen Nazis kam ums Leben und als Antwort darauf nahmen die Deutschen bei einer entsprechenden Aktion am nächsten Tag auf dem Waterlooplein-Marktplatz ungefähr vierhundert Männer fest und prügelten sie auf bereitstehende Lastwagen, um sie dann mit unbekanntem Ziel abzutransportieren. Auch Simon, einer der Lieblingscousins meines Vaters, wurde festgenommen.
Wochen und Monate vergingen, bis wir im Mai 1941 von Simon hörten. Mein Vater hatte eine vorgefertigte Karte von ihm bekommen, und der Poststempel ließ uns wissen, dass sie von einem Ort mit dem Namen »Mauthausen« abgeschickt worden war.
Simon schrieb:
»Lieber Maurice und Familie,
Ich bin in Mauthausen und die Arbeit hier geht
in Ordnung. Ich hoffe, es geht euch allen gut, bitte
grüße Dozeman und ist Spitty eigentlich noch am Leben?
Simon«
Eine seltsame Botschaft. Doch da wir wussten, dass sie die deutschen Zensurbehörden hatte passieren müssen, gingen wir davon aus, dass eine verborgene Bedeutung in ihr stecken musste.
Zwei Tage wanderte mein Vater mit der Karte in den Händen im Haus umher, um auf ihren wahren Inhalt zu kommen. Schließlich kam er zu mir in die Küche und sagte: »Jetzt glaube ich zu wissen, was uns Simon mit seiner Karte sagen wollte: Sieh, er schreibt von ›Dozeman‹, dem Bäcker um die nächste Ecke, und ›Spitty‹ ist doch der Name unseres Hundes. Was Simon uns also wirklich mitteilen will, ist, dass er Hunger hat und in Mauthausen ein Hundeleben führt.«
Mein Vater wirkte niedergeschlagen und sah mich mit besorgten Augen an. Was konnten wir tun? Die Zukunft sah düster aus. »Ich muss alles unternehmen, damit man uns nicht nach Deutschland schickt«, sagte er abschließend.
Im Sommer 1942 fanden im jüdischen Viertel die ersten großen Razzien statt. Wir sahen, wie Familien aus ihren Wohnungen verschleppt wurden, Familien, von denen man nie wieder etwas hörte. Manche Menschen weinten, wenn man sie wegbrachte, andere waren erleichtert, dass die Anspannung des Wartens vorbei war. Wir beobachteten durch die Vorhänge, wie die Deutschen ganze Kolonnen von Menschen die Straße hinunter zum Bahnhof führten, wo Züge sie weit weg bringen würden von allem, was sie liebten und wofür sie lebten. Nach jeder Razzia war meine Familie deprimiert, denn viele unserer Freunde und Verwandten verschwanden, und Gott allein wusste, was mit ihnen geschehen würde.
Bis jetzt hatten wir Glück gehabt. Mein Vater war ein wohlhabender Textilkaufmann. Als die Razzien begannen, hatte ihm jemand geraten, wir könnten uns von dem Leiter der »Reichszentrale für jüdische Auswanderung«, Ferdinand aus der Fünten unsere Freiheit in Form einer Arbeitsbefreiung erkaufen und danach vielleicht über Portugal gegen Kriegsgefangene ausgetauscht werden.
Mein Vater zögerte nicht. Er verkaufte die meisten seiner Wertsachen und die Juwelen meiner Mutter und bekam ungefähr fünfhunderttausend Gulden zusammen. Er wusste nicht, ob das Geld ausreichte, aber nachdem auch unsere Mutter mit ihm einverstanden war, beschloss er, einen Versuch zu wagen. Die Frage war nur, wer aus der Fünten ansprechen sollte? Die Person müsste immerhin im SS-Hauptquartier vorsprechen. Dort aber hinzugehen war mehr als gefährlich – viele Menschen waren nie wieder zurückgekommen. Nach langer Diskussion überzeugte ihn unsere Mutter, sie gehen zu lassen. Sie argumentierte, einer Frau würde man wohl leichter gestatten, zu aus der Fünten vorzudringen.
Am 22. September 1942, einem sonnigen Vormittag, machte sich meine Mutter auf den Fußweg von zwölf Kilometern, um den Versuch zu unternehmen, ihre Familie zu retten. Juden war es nicht erlaubt, Busse oder Straßenbahnen zu benutzen. Den ganzen Tag verbrachten wir wie in einem Albtraum, wir versuchten, nicht an all das zu denken, was unserer Mutter passieren könnte.
Die Zeit zog sich hin, bis um fünf Uhr nachmittags das Telefon klingelte. Nach einigem Zögern nahm mein Vater den Hörer ab, voller Angst, was er vielleicht hören würde, doch dann trat ein Lächeln auf sein Gesicht. Mutter ging es gut und sie war auf dem Rückweg. Man kann sich unsere Freude und unser Glück vorstellen, als sie ein paar Stunden später ankam, müde, aber wieder in Sicherheit. Vater sagte, nie wieder würde er ihr etwas Derartiges erlauben, er sei an diesem Tag tausend Tode gestorben. Mutter jedoch lächelte glücklich, sie hatte ihren Auftrag erfüllt. Tatsächlich war es ihr gelungen, mit aus der Fünten zu sprechen, und man hatte ihr gesagt, sie solle in der nächsten Woche mit dem Geld und unseren Pässen wiederkommen. Man hatte sie auch angewiesen, zwei Koffer mit Kleidung für uns alle zu packen, damit wir zum Zeitpunkt eines Austauschs mit Kriegsgefangenen bereit für unsere Fahrt in die Freiheit seien. Wie wunderbar! Unsere Stimmung hob sich. Vielleicht würden wir bald wieder in Freiheit leben.
Am nächsten Tag wurden wir alle fotografiert und unsere Fingerabdrücke wurden im Pass festgehalten. Die Woche verging und Mutter machte sich erneut auf den Weg zum SS-Hauptquartier. Ein weiterer unerträglicher Tag lag vor uns, aber diesmal kam Mutter mit den Abschriften unserer kostbaren Pässe früher zurück, gestempelt im Auftrag von aus der Fünten: »Der Inhaber dieses Ausweises ist von der Deportation in ein Arbeitslager freigestellt.« Diese Befreiung schützte uns davor, während der Razzien, die nun Nacht um Nacht stattfanden, weggebracht zu werden. Verzweifelt glaubten wir an das uns mündlich gegebene Versprechen, bald gegen Kriegsgefangene ausgetauscht zu werden.
Mein Großvater war schon in einem Lager in Groningen, wo er für die Deutschen Zwangsarbeit verrichtete. Er war Fleischhändler gewesen, als die Deutschen Anfang 1941 den Juden verboten, Schlachthäuser zu betreten. Aber irgendwie musste er schließlich seinen Lebensunterhalt verdienen, und so gelang es ihm, mit Hilfe einiger nichtjüdischer Kollegen ein paar Rinder und Schafe auf einem Bauernhof in der Nähe von Amsterdam zu schlachten. Ich lebte damals bei meinen Großeltern und musste immer mein Zimmer räumen, wenn es nachts in eine Wurstfabrik verwandelt wurde. Zeitweise wurde auch der Tisch im Esszimmer zum Zerlegen des Fleisches benutzt. Eine Tür im Zaun ermöglichte es den Männern, die meinem Großvater halfen, zu verschwinden, wenn es eine Razzia gab.
Bei einer der nächtlichen Aktivitäten wachte ich auf und bot meine Hilfe an. Großvater zeigte mir, wie man das letzte Fleisch mit einem rasiermesserscharfen Messer von den Knochen schabt, und er war stolz, als ich mich als gelehrige Schülerin zeigte. Doch eines Nachts verkündete die laute Türglocke Unheil. Ich konnte hören, wie mein Großvater seinen beiden Freunden half, durch den Zaun zu entkommen, bevor meine Großmutter die Tür öffnete und zwei niederländische Polizisten ohne Aufforderung eintraten. Die Zeit hatte nicht gereicht, die Arbeitsgeräte und das Fleisch für die Wurst zu verstecken, mein Großvater wurde auf frischer Tat ertappt. Während ein Polizist ihn verhörte, lehnte der zweite am Türrahmen. Sein Blick wanderte durch den Raum und blieb schließlich an einem Vorrat erstklassigen Specks hängen, den mein Großvater zum Trocknen hygienisch verpackt auf meinem Kleiderschrank ausgelegt hatte. Als der Polizist die Aufmerksamkeit seines Kollegen auf diese Entdeckung richtete, war mein Großvater noch mehr verzweifelt.
Die Polizisten schrieben zunächst einen Bericht und konfiszierten dann das Fleisch, die Würste, die Salamis, den Speck und ebenso die ganze Ausrüstung. Etwa eine Stunde später kam ein Lastwagen und holte alles ab. Immerhin ließ man uns sechs Salamis und ein großes Stück Speck zum Eigenbedarf.
Im Mai 1942 wurde mein Großvater in Amsterdam vor Gericht gestellt, und man ließ ihm die Wahl: entweder vier Monate Gefängnis oder Arbeit in einem Arbeitslager. An einem Samstagnachmittag sagte mein Großvater zu mir, er würde einen viermonatigen Urlaub antreten. Die bedrückte Stimmung meiner Großmutter zeigte mir jedoch, was wirklich los war, und ich sagte zu meinem Großvater, ich wisse, dass er ins Gefängnis müsse. Nie werde ich den Ausdruck der Scham auf seinem Gesicht vergessen. Der Gedanke, dass er, ein gottesfürchtiger Mann, der nie etwas Böses getan hatte, ins Gefängnis musste, war ihm unerträglich. Dann teilte er uns mit, dass er sich dazu entschieden habe, in ein Arbeitslager zu gehen. Jetzt, nach all diesen Jahren, weiß ich, dass er möglicherweise überlebt hätte, wäre er stattdessen ins Gefängnis gegangen.
Nachdem mein Großvater im Arbeitslager war, kam meine Großmutter regelmäßig zu uns, denn sie wohnte nur wenige Schritte entfernt weiter unten in unserer Straße. Sie war die Mutter meiner Mutter und die wunderbarste Frau, die man sich vorstellen kann. Sie tat keiner Fliege etwas zuleide und wurde in der ganzen Nachbarschaft geliebt. Alle nannten sie »Oma Judie«. Meine wunderbare Großmutter sorgte für uns wie niemand sonst. Wenn wir unser wohlschmeckendes Mahl zu uns genommen hatten, fragte sie immer: »Und was möchtet ihr denn morgen?« Aber mit unseren vollen Bäuchen hatten wir nicht mehr so viel Appetit, um darüber nachzudenken, was wir morgen essen wollten.
Am Freitag, dem 2. Oktober 1942, bereitete meine Großmutter einen süßen Birnenauflauf für uns vor, was für sie eine stundenlange Arbeit bedeutete. Als sie ihn uns zum Abendessen servierte, sagten wir ihr, wie lecker er war.
»Esst, meine Kinder«, sagte sie, »und möge Gott euch alle segnen. Ich bin sicher, es ist das letzte Mal, dass Oma euch einen solchen Auflauf gebacken hat.«
»Aber Oma«, sagte ich, »das ist doch Unsinn. Was redest du da? Du wirst noch lange, lange bei uns sein.«
»Nein, mein Liebling«, sagte Oma. »Ich weiß es. Ich kann es fühlen. Heute Nacht werden sie kommen und mich abholen.«
Ich brach in Tränen aus. »Bitte, Oma, rede nicht so. Wenn du das glaubst, dann bleibe heute Nacht einfach bei uns. Geh nicht heim. Und wenn du doch heimgehst, dann gehe ich mit dir.«
»Nein.« Oma war entschlossen. »Heute Nacht schläfst du im Haus deiner Eltern.«
Manchmal schlief ich bei Oma, damit sie nachts nicht so allein war, obwohl die Deutschen verboten hatten, dass man bei jemand anderem über Nacht blieb. (Die Deutschen hatten für die gesamte niederländische Bevölkerung eine Ausgangssperre von acht Uhr abends bis sechs Uhr morgens verhängt.)
Als es kurz vor acht Uhr abends war, bereitete sich Oma darauf vor, nach Hause zu gehen. Sie küsste uns alle mit Tränen in den Augen und sagte: »Bleibt brav, meine Kinder, ich habe euch alle sehr lieb.« Mit diesen Worten verließ sie uns.
Von diesem Moment an stellte sich Mutter vor das Schlafzimmerfenster, von wo aus sie Omas Haus sehen konnte. Um Viertel nach acht kamen die ersten Deutschen. Die Razzia hatte begonnen. Durch die Vorhänge konnten wir sehen, wie sie von Haus zu Haus gingen und Menschen aus ihren Wohnungen holten. Diesmal brachten sie die Leute auf Lastwagen zum Bahnhof, weil das schneller ging. Meine Brüder und ich waren im Wohnzimmer, als mein Vater rief. »Schnell, Kinder, kommt ins Schlafzimmer, sie holen Oma ab. Beeilt euch, damit ihr euch noch von ihr verabschieden könnt.«
Vom Schlafzimmerfenster aus konnten wir Oma mit ihrem Gepäck sehen, sie rief und winkte uns zu. Mutter öffnete ein Fenster, obwohl die Deutschen das strikt verboten hatten.
»Mutter, Mutter«, schrie sie. »Gott, lass nicht zu, dass sie meine Mutter mitnehmen.«
Sie winkte verzweifelt und im nächsten Augenblick hing sie schon fast mit ihrem ganzen Körper aus dem Fenster im ersten Stock. Mein Vater packte sie und zog sie zurück. Inzwischen trieben die Deutschen Oma zum Weitergehen an.
»Auf Wiedersehen, meine Kinder«, rief sie im Gehen. »Lebt wohl, lebt wohl.«
Das waren die letzten Worte, die wir von Oma hörten. Meine geliebte, süße Großmutter! Wir hatten schon viele Leute »Auf Wiedersehen« rufen gehört, aber diesmal traf es unser Heim und unsere Familie. Solange ich lebe, werde ich jenen schrecklichen Freitagabend nicht vergessen.
Monate vergingen und die Deutschen hörten nicht auf mit den Razzien. In unserer Nachbarschaft wurde es sehr still. Die Häuser wurden leer, weil die Deutschen die Bewohner abholten. Ein paar Tage später kam dann Puls, ein Fuhrunternehmer, und lud im Auftrag der Deutschen ihre Möbel und ihre sonstige Habe auf. Alles aus den jüdischen Wohnungen wurde nach Deutschland gebracht.
Auch an unserer Schule in der President Brandstraat erstarb das Leben. Die meisten Schüler waren deportiert worden und jüdische Lehrer ersetzten die nichtjüdischen. Es war ein trauriger Tag, als Herr Douwes, unser Direktor, und Herr Tettelaar, unser Lieblingslehrer, auf diese Weise ausgetauscht wurden. Alle Schüler hatten sie geliebt und respektiert. Als Herr Tettelaar gehen musste, ließen sich zwanzig von uns, unter ihnen meine Freundinnen Sonka und Blondie, beim Fotografen am President Steynplantsoen fotografieren. Mit dem fertigen Foto gingen wir zu Herrn Tettelaar nach Hause. Und obwohl der Besuch von Juden verboten war, lud uns Herr Tettelaar ein zu bleiben und wir verbrachten einen wunderbaren Nachmittag mit ihm und seiner Frau. Das Foto aber bekam einen Ehrenplatz an der Wand seines Wohnzimmers.
28. Februar 1943
Viele ältere Juden versteckten sich mit vorgetäuschten Krankheiten in Kliniken, um nicht in eines der Lager in Deutschland oder Polen geschickt zu werden. Inzwischen hatten wir schon eine Ahnung, dass die Deutschen mit uns nichts Gutes im Sinn hatten, denn wir hatten nie wieder etwas von denen gehört, die mit dem Befehl, in Deutschland zu arbeiten, weggegangen waren. Auch die Familienmitglieder oder Freunde jener Menschen, die bei den Razzien während der letzten schrecklichen Monate aus ihren Wohnungen abgeholt worden waren, wussten nicht, was mit den Deportierten geschehen war.
Der Vater meines Vaters war im Krankenhaus, da er wochenlang an einer lebensbedrohlichen Infektion gelitten hatte. Nun war er auf dem Weg der Besserung, aber noch immer musste die schmerzhafte Wunde an seinem Gesäß täglich gereinigt werden. Meine Großmutter, Oma Hetty, befand sich ebenfalls im Krankenhaus, aber nicht, weil sie krank war, sondern weil es für sie zu gefährlich war, in ihrer Wohnung zu bleiben.
Schon seit Tagen kursierten Gerüchte darüber, dass die Deutschen die jüdischen Krankenhäuser evakuieren wollten. Meine Eltern waren so besorgt, dass sie beschlossen, meine Großeltern nach Hause zu holen. Sie liehen sich von einem »guten« Holländer auf dem Markt einen Schubkarren, und der Mann bot sogar an, meine Großeltern sicher nach Hause zu bringen. Zusammen gelang es ihnen, meinen noch immer schwer kranken Großvater samt seiner Matratze auf den Schubkarren zu laden. Großmutter Hetty saß neben ihm. Nach etwa zwei Stunden kamen sie bei uns zu Hause an, und mein Großvater wurde ins Bett gelegt, wo er sich ausruhen konnte. Das Krankenhaus hatte meine Mutter mit viel Verbandsmaterial und Medikamenten versorgt, und die Krankenschwester hatte ihr erklärt, wie man die Wunde sauber hielt. Nach einer gewissen Verlegenheit, als meine Mutter zum ersten Mal das Gesäß meines Großvaters berühren musste, wurde sie dann eine so gute Pflegerin, dass mein Großvater zwei Wochen später wieder ganz geheilt war. Meine Großmutter konnte meiner Mutter nicht genug danken, denn sie war unfähig gewesen, diese unangenehme Aufgabe selbst zu übernehmen.
Am 1. März 1943 fanden in allen jüdischen Krankenhäusern Razzien statt. Die Deutschen kannten kein Erbarmen und beluden die Lastwagen mit schwer kranken Menschen.
Unser Sportclub Bato organisierte einen Wettkampf mit den anderen noch existierenden Clubs, er sollte am Sonntag, dem 20. Juni 1943, stattfinden. Ich hatte auf dem Sportplatz neben unserer Schule wochenlang an Ringen und am Barren trainiert und meinte, eine gute Chance zu haben, zu gewinnen. In der Nacht vor dem Wettkampf legte ich meinen Turnanzug und alles, was ich brauchte, zurecht.
Am Sonntagmorgen wachte ich früh auf, es war ein strahlender Sommertag. Plötzlich fuhren Autos mit Lautsprechern durch die Straßen und verkündeten, dass sich alle Juden für einen sofortigen Abtransport bereitmachen müssten. Ich rannte zum Fenster und konnte viele grün Uniformierte sehen, unterstützt von Männern, die, wie wir später herausfanden, Sicherheitsbeamte des Durchgangslagers Westerbork waren. Auch waren viele niederländische Nazis dabei, die für jeden gefangenen Juden sieben Gulden fünfzig Kopfgeld erhielten.
Das ganze Viertel war von der SS umstellt und abgeriegelt, sodass niemand entkommen konnte. Die restlichen Bewohner wurden aufgefordert, in ihren Wohnungen zu bleiben. Schwer bewaffnete Uniformierte gingen von Tür zu Tür, kontrollierten Ausweise und andere Dokumente. Dann trieben sie die Leute aus ihrem Heim zu einem Gelände gegenüber unserer Straße. Die Menschen wurden gezwungen, sich in einer langen Schlange an der Ecke der Hofmeyerstraat und President Steynstraat aufzustellen, bewacht von deutschen Soldaten mit gezogenen Bajonetten. Durch die Vorhänge konnten wir sehen, dass die tief erschrockenen und traumatisierten Menschen versuchten, ihre Würde zu bewahren. Ein Mann wandte sich an einen deutschen Soldaten. Er hielt ein Dokument in der Hand, ich nahm an, dass es sich um eine Befreiung von der Deportation handelte. Gestikulierend versuchte er, den Soldaten zu überzeugen, ihn und seine Familie gehen zu lassen. Doch der Soldat warf nur einen Blick auf das kostbare Dokument, dann zerriss er es in kleine Fetzen. Geschlagen kehrte der Mann zurück in die Reihe, zu seiner Familie, ihm war klar, dass ihm jetzt niemand mehr helfen konnte.
Fünf Stunden lang standen die Menschen, junge und alte, ohne Nahrung oder Wasser dort, bis sie den Befehl bekamen, zum Amstelbahnhof zu gehen, von wo aus man sie mit dem Zug nach Westerbork bringen würde. In ganz Amsterdam fanden an diesem Tag Razzien statt, und nur wenigen jüdischen Familien wurde erlaubt, zu Hause zu bleiben. Wir gehörten dazu.
Im Jahr 1943 tauchten die Eltern meines Vaters unter, und ein Mann vom holländischen Widerstand kam gelegentlich zu uns und berichtete, wie es ihnen ging. Er brachte Briefe mit und Nachrichten über den Kriegsverlauf, von den Bewegungen der Alliierten und darüber, wie sie General Rommel in Afrika geschlagen hatten. Das gab uns neuen Mut, und Hoffnung flackerte auf, dass wir bald das Ende des Kriegs erleben würden.
Durch eine seltsame Laune des Schicksals war es meinem Vater noch immer erlaubt, in diesem ganzen Durcheinander weiter Handel zu treiben. Kurz nach der Besatzung durch die Deutschen war jedem Juden, der geschäftlich tätig war, befohlen worden, seine Firma registrieren zu lassen und einen Antrag auf Arbeitserlaubnis zu stellen. Damals war mein Vater ein angesehener Textilgroßhändler gewesen und seine großen Stände mit ausgezeichneten Stoffen waren auf den Amsterdamer Märkten berühmt. Nun hatte er zwei verschiedene Lizenzen beantragt, eine für die Märkte und eine andere für den Großhandel, die ihm schließlich gewährt wurden, nachdem ein Buchhalter und die Deutschen tagelang seine Bücher geprüft hatten. Die Deutschen waren in diesen Dingen übergenau und jedes Detail wurde aufgeschrieben. Eine Weile lang schien alles in Ordnung zu sein und das Geschäft lief wie immer. Doch dann kam der Befehl, dass jeder mit zwei Lizenzen eine davon zurückgeben müsse. Meine Mutter und mein Vater diskutierten tagelang darüber, welche von beiden sie behalten sollten. Mein Vater war für die Großhandelslizenz, meine Mutter für die Marktlizenz. Schließlich setzte sie sich durch. Vater gab die Großhandelslizenz zurück und reichte die Marktlizenz ein, um sie erneuern zu lassen. Ein Monat später kam die Bestätigung und mein Vater führte seinen Handel fort.
Diejenigen, die sich für ihre Großhandelslizenz entschieden hatten, hatten nicht so viel Glück. Ihre Geschäfte wurden konfisziert, und das jüdische Bankhaus Lippmann-Rosenthal & Co, das die Deutschen völlig unter ihre Kontrolle gebracht hatten, übernahm die Geschäfte und das Kapital. Den glücklosen Besitzern wurden gerade mal dreißig Minuten Zeit gelassen, um ihre eigenen Geschäfte zu verlassen. Diesen Menschen blieb nichts. Sie hatten kein Geld, um Essen für ihre Familien zu kaufen, denn sie waren nun ohne Einkommen.
Viele dieser früher sehr wohlhabenden Menschen hatten plötzlich viel Zeit. Sie kamen nachmittags zu uns und bald entstand ein Plan: Mein Vater würde mehr einkaufen, als er für sein eigenes Geschäft brauchte, und so ermöglichen, dass die mittellos gewordenen Menschen die zusätzlichen Waren an ihre eigenen Kunden verkauften. Natürlich musste man sehr vorsichtig sein, denn es bestand immer die Gefahr, denunziert und an die SS verraten zu werden.
Ein anderes Problem bestand darin, dass Textilmarken nötig waren, damit mein Vater zusätzliche Stoffe bei den Vertretern kaufen konnte. Hier kam ein Mann aus dem Widerstand ins Spiel. In den letzten Monaten hatten die Mitglieder des Untergrunds das Einwohnermeldeamt von Amsterdam überfallen und eine Menge Textilmarken in ihren Besitz gebracht. Sie brauchten dringend Geld und mein Vater kaufte ihnen die Marken ab. Viele Monate lang besorgte mein Vater auf diese Weise zusätzliche Waren.
Unser Dachboden wurde zu einem Warenlager, wo viele Stoffballen ordentlich in Regalen gestapelt waren. Dorthin zog ich mich damals morgens zurück, um mich auf meine Übergangsprüfung zur höheren Schule vorzubereiten.
Einmal, als ich ungefähr um fünf Uhr zum Dachboden hinaufstieg, traf ich einen Mann, der Stoffballen die Treppe hinuntertrug, und fragte ihn, was er da tue. Er gab an, eine frühe Auslieferung zu erledigen. Etwas an seinem Benehmen gefiel mir nicht und ich fragte ihn nach seinem Namen. »Jan«, sagte er noch, während er die Treppe hinunterrannte. Misstrauisch lief ich die Stufen zum Dachboden hinauf. Der vorher vollgestopfte Raum war leer. Ich lief hinunter ins Schlafzimmer meiner Eltern und weckte meinen Vater. Als ich damit herausplatzte, dass wir bestohlen worden waren, stürzte mein Vater im Pyjama hinaus auf die Straße, um den Dieb noch zu erwischen, aber es war zu spät. Danach ging er mit mir hinauf zum Dachboden, um nach den aufgebrochenen Schlössern und dem jetzt leeren Raum zu sehen. Er war wütend, vor allem, weil die meisten Waren erst vor zwei Tagen angekommen waren. Nach einer Weile beruhigte er sich aber, und wir gingen hinunter, wo meine Mutter wartete und wissen wollte, was passiert war. Ohne etwas zu erklären, ging mein Vater zum Telefon, um die Polizei anzurufen.
Meine Mutter war darüber sehr beunruhigt und sagte: »Tu das nicht, Maurice. Es kann für uns als Juden sehr gefährlich sein, die Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen. Vergiss es lieber.«
Aber mein Vater war so wütend, dass er überhaupt nicht über die Konsequenzen nachdenken wollte. Er sagte zu meiner Mutter, sie solle still sein, und meldete den Diebstahl bei der Polizei.
Eine halbe Stunde später kamen zwei holländische Polizisten zu uns. Der eine war ein älterer Mann, der andere jung und groß, mit blonden Haaren und strahlend blauen Augen. Er hieß Hennie. Der junge Polizist wollte von mir wissen, wie der Mann ausgesehen habe, was er zu mir gesagt habe, wie groß er meiner Meinung nach gewesen sei und andere Einzelheiten über das, was passiert war. Er war so nett zu uns, dass ich ihn, als er mit der Befragung fertig war, anhimmelte, wie es nur halbwüchsige junge Mädchen tun können. Aber meine Mutter erinnerte mich daran, dass es Zeit für die Schule war. Nach einem schnellen Frühstück in der Küche verabschiedete ich mich von Hennie und dem anderen Polizisten und ging los. Als ich gegen halb fünf Uhr nachmittags nach Hause kam, sagte mein Vater, dass die Polizei den Dieb dank meiner guten Beschreibung und seiner Kenntnisse der Männer, die auf dem Markt arbeiteten, noch am Morgen geschnappt hätte. Die meisten Waren waren gefunden und bereits zurückgebracht worden. Nun konnte mein Vater weiter denen helfen, denen man ihre Geschäfte geraubt hatte.
Hennie wurde ein guter Freund unserer Familie und kam oft nach seiner Nachmittagsschicht bei uns vorbei. Wenn ich zu Hause war, schenkte er mir sein wunderbares Lächeln, schaute von seinen ein Meter neunzig auf mich herab und sagte: »Wie geht es dir heute? Warst du gut in der Schule?«
Er war ein wunderbarer Mensch mit diesem Lächeln und seinem offenen Blick. Alle mochten ihn. Eines Tages kam ich von der Schule nach Hause und fand meinen Vater und Hennie in ein ernstes Gespräch vertieft. Ich hörte ihn sagen:
»Nein, Maurice, diesmal nicht. Erst wollen wir sehen, ob sie sicher ankommen. Ich mache dir einen Vorschlag. Reiß einen Hundertguldenschein in zwei Teile. Die eine Hälfte gebe ich dem Doktor, der mit seiner Familie weggeht, und werde ihn bitten, dass er sie mit der Post nach Amsterdam zurückschickt, wenn sie die Schweiz erreicht haben. Kommt diese halbe Banknote hier an und sie passt zu der anderen, wissen wir, dass alles geklappt hat. Dann kannst du mit deiner Familie an der nächsten Reise teilnehmen.«
Widerstrebend stimmte mein Vater zu. Er nahm sein Portemonnaie heraus und riss einen Hundertguldenschein so in zwei Teile, dass eine Art Zickzacklinie entstand. Die eine Hälfte gab er Hennie, die andere steckte er sorgfältig zurück in sein Portemonnaie. Er lächelte mir nicht zu. Er sah angespannt aus. Ich verhielt mich still.
»Viel Glück, Hennie, sei vorsichtig«, sagte mein Vater und streckte die Hand aus.
Als Hennie gegangen war, vertraute mir mein Vater an, um was es ging. Die Leute vom Untergrund, zu denen Hennie gehörte, glaubten, eine neue Fluchtroute gefunden zu haben. Auf einem Rheinschlepper sollten etwa dreißig Menschen unter Deck versteckt und von der Zuidersee aus flussaufwärts durch Deutschland bis in die Schweiz gebracht werden.
»Ich wollte, dass wir mitfahren«, sagte mein Vater, »aber Hennie meinte, wir sollen lieber das nächste Mal abwarten.«
Ich sagte meinem Vater, dass ich froh sei, dass Hennie es nicht wollte. »Es ist viel zu gefährlich. Mich erschreckt die Vorstellung, durch Deutschland zu fahren. Ich möchte lieber nach England gehen.«
»Natürlich«, sagte mein Vater, »das kann ich verstehen. Aber ein Rheinschlepper ist eben nicht für das Meer gebaut.« Er stieß einen tiefen Seufzer aus. »Warten wir also und sehen, ob der Doktor die Banknote aus der Schweiz zurückschickt. Ich hoffe es, auch um seinetwillen.«
»Wann fährt der Schlepper los?«, fragte ich.
»In zwei Tagen«, antwortete mein Vater.
Wir schwiegen beide und hingen unseren eigenen Gedanken nach.
Vier Tage vergingen. Wir hatten erwartet, dass Hennie kommen würde, aber er kam nicht. Vater wurde nervös und wir waren ebenfalls beunruhigt. Am fünften Tag kam Dirk, der ältere Polizist, der Hennie begleitet hatte, als unser Dachboden ausgeraubt worden war. Er teilte uns mit, dass Hennie zwei Tage zuvor von der SS verhaftet und zum SS-Hauptquartier in der Euterpestraat gebracht worden war. Wir waren entsetzt, denn wir hatten von den Grausamkeiten gehört, die dort von der SS begangen wurden. Dirk berichtete, dass sich, soweit er herausgefunden habe, ungefähr dreißig Personen (etwa fünf Familien) auf dem Rheinschlepper befunden hätten. Sie hatten der Besatzung einen Haufen Geld bezahlt und der Schlepper hatte in den späten Abendstunden auch ungestört abgelegt. Doch um Mitternacht, sie waren mitten auf der Zuidersee, begann die Besatzung, die Familien über Bord zu werfen. Die Schreckensschreie waren so laut, dass ein deutsches Patrouillenboot die Verfolgung aufnahm. Natürlich wurden alle aufgegriffen und befragt – mit schrecklichen Folgen für Hennie. Dirk sagte, er sei in einem sehr schlechten Zustand und befinde sich im Wilhelmina-Hospital, unter Aufsicht der SS.
Mama weinte. Und ich saß wie erstarrt auf dem Stuhl, mein Verstand wollte die Wahrheit nicht akzeptieren. Unser wunderbarer Freund. Einundzwanzig Jahre alt. Er hatte sein Leben riskiert, um den verzweifelten Menschen zu helfen.
»Meine Familie verdankt Hennie ihr Leben. Er hat mir geraten, nicht an dieser Fahrt teilzunehmen, sondern zu warten«, sagte mein Vater mit aschgrauem Gesicht. »Ich kann ihm nicht genug danken dafür, dass er mich davon abgehalten hat, eine Dummheit zu begehen. Oh Gott! Hoffentlich geht es ihm bald besser!« Er schlug mit den Fäusten auf den Tisch. »Ja, bitte«, wiederholte er, »hoffentlich geht es ihm bald besser.«
In diesem Moment kam Sonja, die Nichte meines Vaters, mit ihrem Freund Jonnie herein. Wir fürchteten uns ein wenig vor Jonnie, denn wir wussten nicht, ob er »sicher« war. Er behauptete, ein Inspektor bei der niederländischen Polizei zu sein, aber Dirk hatte im Register nachgeforscht und seinen Namen nicht gefunden. Jonnie war schrecklich verliebt in Sonja, aber in seiner Anwesenheit waren wir sehr vorsichtig mit dem, was wir sagten. Deshalb erzählten wir ihnen nur, Hennie liege nach einem ernsten Unfall verletzt im Wilhelmina-Hospital und ein Polizist bewache die Tür.
»Ich werde morgen hingehen und nach ihm schauen«, sagte Jonnie.
Dirk stand auf und verabschiedete sich. »Lassen Sie mich wissen, wenn Sie etwas Neues von Jonnie erfahren«, sagte er zu meiner Mutter und sie brachte ihn zur Tür.
Allein mit ihr in der Küche, berichtete meine Mutter Sonja von der schrecklichen Geschichte. Bald danach gingen sie und ihr Freund wieder. Wir waren froh, dass sie weg waren. In unserer deprimierenden Situation hatten wir keine Lust, Gäste zu unterhalten.
Am nächsten Abend erzählte mir mein Vater, dass Jonnie tatsächlich ins Hospital gegangen war, um nach Hennie zu sehen. Sein Zustand sei fürchterlich. Die SS habe seinen Kopf zu einer blutigen Masse geschlagen und ihn so gefoltert, dass seine Nieren zerstört seien. So erschien es uns fast wie eine Gnade, dass er am nächsten Tag starb.
Die Deutschen hatten unsere Pässe schon mehrmals kontrolliert, doch sie waren immer wieder gegangen, nachdem sie den Freistellungseintrag gesehen hatten. Bis jetzt hatten wir noch nichts von der uns versprochenen Reise nach Portugal gehört, aber unsere Koffer lagen gepackt unter unseren Betten, für den Fall, dass die Nachricht käme. Am 29. September 1943 um vier Uhr morgens wurde so laut an unsere Tür geklopft, dass alle im Haus aufwachten. Ich hörte, wie meine Eltern in ihrem Schlafzimmer herumliefen und wie meine Mutter sagte: »Sie sind hier, wir sollten lieber die Tür aufmachen.«
Von meinem Zimmer aus konnte ich in die Diele hinunterschauen und sah, wie meine Mutter die Tür öffnete. Davor standen ein SS-Offizier und ein deutscher Soldat mit gezogenem Bajonett.
»Juden?«, fragte der Offizier.
Meine Mutter nickte.
»Pässe«, fuhr er sie an. »Schnell!«
Inzwischen war mein Vater schon mit den Pässen gekommen, sicher, dass der Stempel wieder seine wunderbare Wirkung ausüben werde. Zuversichtlich übergab er dem SS-Offizier die Papiere, dieser prüfte sie sorgfältig und ordnete dann an, dass wir uns alle fünf in der Diele aufzustellen hätten. Da standen wir nun alle in unseren Schlafanzügen, meine Mutter hatte sich fest in ihren rosafarbenen Morgenrock gewickelt, um nicht zu zittern.
Der SS-Offizier befahl dem Soldaten, uns zu bewachen, während er nachschauen wolle, ob nicht noch jemand im Haus sei. »Oh Gott«, beteten wir im Stillen. In der Verwirrung hatten wir vergessen, dass Moos, der Cousin meiner Mutter, und Sonja in unserer Wohnung waren. Moos lebte schon seit einem Jahr versteckt und war erst am Tag zuvor zu einem kurzen Besuch gekommen. Er besaß weder einen Pass noch sonst irgendwelche Papiere. Sonja war die Tochter einer jüdischen Mutter und eines nichtjüdischen Vaters, und sie besaß auch die entsprechenden Papiere, um das zu beweisen. Während der SS-Offizier das Haus durchsuchte, hielten wir den Atem an. Wir konnten hören, wie er die Türen öffnete und sie dann wieder zuknallte. In der ganzen Zeit stand der Soldat mit gezogenem Bajonett vor uns. Der Offizier kam mit Sonja zurück. Er hatte sie im Hinterzimmer gefunden. Wir fragten uns alle, was mit Moos passiert war. Wo war er? Warum hatte ihn der SS-Offizier nicht gefunden? Mit den Augen gaben wir uns verstohlen ein Zeichen, aber es verblieb nicht viel Zeit, uns zu wundern.
»Ihre Papiere?«, fragte der SS-Offizier Sonja.
Sie händigte sie ihm aus.
»So, Sie sind also Halbjüdin. Und darf ich fragen, was Sie in diesem Haus machen? Ich nehme an, Ihnen ist bekannt, dass es verboten ist, über Nacht bei irgendjemandem zu bleiben?« Er hatte sich immer mehr in Rage geredet und seine Stimme überschlug sich förmlich: »Los, antworte!«
Wir erstarrten vor Schrecken und schauten Sonja und den Offizier an. Sonja war sehr blass, aber sie hielt den Kopf stolz erhoben und blickte dem Offizier direkt ins Gesicht. Leise sagte sie, sie habe uns am Tag besucht und abends, vor der Sperrstunde, habe sie einen Migräneanfall bekommen, und es sei ihr unmöglich gewesen, sicher nach Hause zu gelangen.
»Du lügst!«, schrie der Offizier. »Ich werde deinen Pass behalten, du wirst mit den anderen zum Bahnhof gebracht. Ein Ranghöherer wird sich mit dir befassen.«
Dann drehte er sich zu uns um und sagte: »Juden, ich gebe euch eine Stunde, um euch fertig zu machen.« Dem deutschen Soldaten befahl er, uns sorgfältig zu bewachen, bis er zurückkommen würde, um uns zum Bahnhof zu bringen.
Mama sagte, wir sollten uns anziehen. »Wir wissen nicht, wohin wir gehen, also zieht warme Sachen an. Los, Jungen, ich werde euch helfen.« Sie schob Max und Jackie vor sich her zu ihrem Zimmer. Aber eigentlich wollte sie herausfinden, was mit Moos war, weshalb ich Sonja und meinen Vater mit irgendetwas veranlasste, ihr nicht zu folgen. Mein Vater sah völlig niedergeschlagen aus.
»Papa, du solltest dich lieber anziehen, sonst holst du dir noch eine Erkältung, und wir müssen bald gehen«, sagte ich.
»Ja«, sagte er, »ich sollte mich lieber anziehen. Ich hoffe, sie haben einen Fehler gemacht. Vielleicht sind wir morgen früh schon wieder zu Hause. Ich kann es nicht verstehen, sie haben uns doch versprochen, dass wir nach Portugal gehen.«
Sonja und ich sagten nichts. Mama kam zurück, und wir konnten ihren Augen ansehen, dass mit Moos alles in Ordnung war. Sie zog uns alle in das große Schlafzimmer. Flüsternd erzählte sie uns, dass Moos sich, als die Deutschen an die Tür klopften, unter dem Bett hinter den Koffern versteckt hatte. Als der Offizier den Raum durchsuchte, war es für einen kurzen Moment gefährlich geworden, aber der hatte nicht unter das Bett geschaut.
»Gut«, sagte Vater. »Einen Moment lang habe ich geglaubt, er sei aus dem Fenster gesprungen, wie beim letzten Mal, als sie gekommen waren, um ihn zu holen.«
»Was wird er jetzt tun?«, fragte Max.
»Ich habe ihm gesagt, er soll dort bleiben, bis wir weg sind, und unseren Nachbarn dann alle noch verbliebenen Wertgegenstände übergeben«, sagte Mutter. »Es ist besser, sie sind bei ihnen als bei Puls.«
»Wir sollten uns lieber fertig machen«, sagte Papa. »Hetty, wenn du angezogen bist, möchte ich mit dir und den Jungen sprechen, bevor wir gehen.«
Ich zog mich an, dann holte ich Max und Jackie und wir gingen zum Zimmer unserer Eltern. In der Diele mussten wir an dem deutschen Soldaten vorbei, dem inzwischen vergangen war, sein Bajonett zu halten. Es lehnte neben ihm an der Wand.
Papa saß auf dem Bettrand. Er sah sehr erregt aus. »Kinder, es tut mir sehr leid, dass dies passiert ist«, sagte er. »Ich habe alles getan, um zu verhindern, dass man uns nach Deutschland bringt. Ich habe hart für jeden von euch gearbeitet, um euch viel von dem zu bieten, was ich als Kind nie hatte. Ich habe fast alles Geld, was ich hatte, der SS gegeben, um euch zu retten. Es tut mir sehr, sehr leid.«
Er hatte angefangen zu weinen, und wir versuchten, ihn davon zu überzeugen, dass es nicht seine Schuld war.
Er beruhigte uns und sagte: »Wir wissen nicht, was passieren wird, aber ihr müsst mir fest versprechen, dass ihr, wenn ihr diesen schrecklichen Krieg überlebt, alles tut, um nach Amsterdam zurückzukommen, zur Familie Pomstra, die um die Ecke wohnt. Sie haben ein paar Aktien und einige Juwelen, die ich ihnen zum Aufbewahren gegeben habe, für die Zeit nach dem Krieg. Sie haben mir versprochen, für euch zu sorgen, selbst wenn eure Mutter oder ich nicht zurückkommen. Das Geld, die Aktien und die Juwelen werden ausreichen, um für euren Lebensunterhalt und eure Ausbildung zu bezahlen. Also, Kinder, habt ihr das alles richtig verstanden?«
Wir nickten alle drei.
»Kommt her«, sagte Papa. Er hielt uns fest, als wolle er uns vor allem, was kommen würde, warnen. Dabei wiederholte er immer wieder: »Es tut mir leid, es tut mir leid.«
Mama kam mit Sonja ins Zimmer. Sie hatten sich um das Gepäck gekümmert. Dann legte sie die Hand auf Vaters Schulter, sie versuchte, ihn zu beruhigen. »Komm«, sagte sie. »Der SS-Offizier wird gleich wieder da sein, komm jetzt!« Sonja hatte noch etwas Kaffee gemacht. Widerstrebend ließ Vater uns los und wir folgten Mutter in die Küche.
Um halb sechs kam der SS-Offizier zurück. Aus der Stunde waren zweieinhalb geworden.
»Seid ihr fertig?«, schrie er.
»Ja«, sagte mein Vater.
»Sie gehen voraus und wir hinterher!«, bellte der SS-Offizier den Soldaten an.
Meine Mutter war die Letzte, die unsere Wohnung verließ, zusammen mit dem SS-Offizier. Sie verschloss die Eingangstür. Niemand sprach ein Wort, als wir die Treppe hinuntergingen. Unten befahl uns der SS-Offizier, in der Vorhalle zu warten. Er sagte, er müsse noch ein paar andere Leute aus der Nähe einsammeln. Wieder ließ er den Soldaten zu unserer Bewachung zurück. Es war ein wunderschöner Morgen, die Sonne schien und der Platz war verlassen – außer den Lastwagen, die draußen warteten, um uns zum Bahnhof zu bringen.
»Psst.«
Mama und ich hörten den leisen Ton und drehten uns um, um zu sehen, woher das Geräusch kam. Die Tür der Nachbarwohnung war aufgegangen, unser Nachbar lugte heraus. Meine Mutter und ich gingen näher zur Tür.
»Was passiert hier?«, fragte er. »Sind diese Kerle gekommen, um Sie abzuholen?«
Mutter nickte und wühlte in ihrer Handtasche. Sie nahm unsere Wohnungsschlüssel heraus und händigte sie dem Nachbarn aus.
»Hier«, sagte sie. »Wenn wir weg sind, gehen Sie bitte hinein und helfen Sie Moos, der sich oben versteckt. Und nehmen Sie sich mit, was immer Sie möchten.«
»Natürlich«, sagte unser Nachbar. »Überlassen Sie es ruhig mir. Und passen Sie gut auf sich auf, viel Glück. Hoffen wir, dass dieser verdammte Krieg bald vorbei ist. Alles Gute.« Leise schloss er die Tür.
Der SS-Mann kam mit einer anderen Familie zurück.
»Los!«, befahl er und wir gingen zu den Lastwagen.
Wie seltsam der Platz aussieht, dachte ich, als wir die Straße überquerten. Es war nicht mehr derselbe Platz, den ich auf dem Weg zur Schule und zurück schon tausendmal überquert hatte. Und dann fragte ich mich, ob je wieder irgendetwas dasselbe sein würde.
Wir kamen an den geparkten Lastwagen an und erhielten den Befehl, schnell aufzusteigen. Das taten wir. Als wir mit unserem Bewacher hinten auf der Ladefläche standen, konnten wir hören, wie der SS-Offizier in der Kabine mit dem Fahrer lachte und Witze machte. Ja, die hatten gut lachen! Die beiden kleinen Kinder der anderen Familie weinten. Ihre Mutter versuchte, sie zu beruhigen. Entschuldigend sagte sie, die Kinder seien aus dem Schlaf geweckt worden.
Der Lastwagen kam am Bahnhof an, wir mussten absteigen. Einer nach dem anderen wurden wir zum Bahnhof gebracht. Der SS-Offizier führte Sonja von uns weg zu einer Bahnhofstheke, an der ein paar hochrangige SS-Männer zusammenstanden. Dann wies man uns einer Gruppe von Menschen zu. Obwohl über tausend Menschen zusammenstanden, lag eine unnatürliche Stille über allem. Wir unterhielten uns nur flüsternd. Es sah aus, als seien alle noch verbliebenen Juden Amsterdams bei dieser Razzia aufgegriffen worden. Sogar der Präsident des Judenrats, Abraham Asscher, und das Ratsmitglied Abraham Soep mit ihren Familien waren abgeholt worden. Bald entdeckten wir auch Freunde.
Immer mehr Menschen wurden zum Bahnhof gebracht. Um acht Uhr glich die Halle einem Ameisenhaufen. Menschen, junge und alte, Säuglinge und Kinder, standen dicht zusammengedrängt beieinander. Einige waren zu Verwandten gegangen, die bei einer anderen Gruppe standen. Gerüchte machten den Umlauf. Manche sagten, wir würden nach Portugal gehen, andere, dass Hitler befohlen hatte, alle in Amsterdam zurückgebliebenen Juden zu ermorden. Wir wussten nicht, was wir glauben sollten, wir wurden zwischen Hoffnung und Verzweiflung hin- und hergerissen.
Die Zeit verstrich. Gegen neun standen wir noch immer in der Bahnhofshalle, aber die ursprünglichen Gruppen hatten sich aufgelöst und neue waren entstanden. Die SS-Bewacher befanden sich außerhalb des Bahnhofs.
Neben dem Schalter konnten wir Sonja stehen sehen, die Hände hinter dem Rücken, mit dem Gesicht zur Wand. Wir gingen nicht zu ihr hin, denn wir hatten Angst, die Situation könnte sich für sie nur noch verschlimmern. Also winkten wir ihr von weitem zu. Alle hatten nur einen Gedanken: Wann würde der Zug kommen?
»Hetty«, hörte ich jemanden rufen. Ich drehte mich um und sah einen besonders guten Freund.
»Herman, was machst du hier? Haben sie dich auch geschnappt?« Ich ging seit Jahren mit Herman in die Schule. Er trug mir die Schultasche, und in der Sporthalle wurden wir immer als Team zusammengespannt, weil wir die beiden Jüngsten waren.
»Ja«, sagte Herman. »Sie sind um zwei Uhr nachts gekommen und wir sind schon seit drei Uhr hier.«
»Wie geht es deiner Mutter?«, fragte ich. »Ist alles in Ordnung?«
»Es geht ihr gut«, sagte Herman. »Aber mein Vater nimmt es sehr schwer. Ich muss dir etwas Komisches erzählen. Dort ist ein Mann, der behauptet, der Zug würde nicht kommen, weil er einen platten Reifen habe.« Wir lachten. Es war gut, zu lachen, mitten in all diesem Elend.
»Weißt du, wohin wir gebracht werden, Herman?«, fragte ich.
»Ich kann es auch nur raten, genau wie du, aber ich glaube, wir gehen nach Westerbork. Hör zu, Hetty, wenn du im Zug eine Chance dazu hast, dann bitte deine Mutter, dir die Haare kurz zu schneiden. Denn wenn wir in Westerbork ankommen, wirst du eine Gesundheitskontrolle bei einem deutschen Arzt über dich ergehen lassen müssen. Wenn er glaubt, dass deine Haare nicht sauber sind, werden sie dir alle abrasiert.«
»Das ist aber nicht wahr.«
»Doch, Hetty«, sagte er. »Natürlich ist es schlimm, sie zu kürzen, aber du solltest kein Risiko eingehen, dass man sie dir ganz abschneidet.« Ich war verzweifelt. Meine Haare! Meine schulterlangen Haare sollten abgeschnitten werden.
Bevor ich mich beruhigen konnte, war ein Pfeifen zu hören, und aus dem Lautsprecher kam eine Stimme, die verlangte, wir sollten still sein. In der Halle wurde es sehr ruhig, niemand bewegte sich. Es war ein Moment, in dem man die Anspannung förmlich spüren konnte. »Juden, nehmt eure Koffer und geht zum Bahnsteig drei, von wo aus euch ein Zug nach Westerbork bringt. Gruppe A zuerst, dann Gruppe B.«
In der großen Halle entstand ein Chaos. Leute liefen überall herum, um zu ihren Gruppen zurückzufinden. Mütter suchten nach ihren Kindern, die sich entfernt hatten, Väter kämpften mit dem Gepäck der Familie. Schon waren Gruppe A und B durch die Drehkreuze gegangen, C und D folgten. Wir gehörten zur Gruppe W, deshalb hatten wir es noch nicht so eilig. Als Gruppe S vorbeiging, rief Herman mir zu: »Hetty, wir sehen uns in Westerbork. Und denk dran, was ich dir gesagt habe.«
Dann bat mich Mutter um meine Aufmerksamkeit. »Wenn wir gehen, Hetty, dann nimm Jackie an die Hand, damit er in dem Gedränge nicht verloren geht. Wir müssen versuchen, dicht beieinander zu bleiben, damit wir uns nicht verlieren.«
»Klar«, sagte ich und nahm Jackie an die Hand.
»Es ist so weit«, sagte Papa. »Sie haben gerade unseren Buchstaben aufgerufen. Kommt, gehen wir, und Gott möge uns beschützen.«
An den Drehkreuzen gab es ein enormes Gedränge, doch es gelang uns, gemeinsam den Bahnsteig zu erreichen. Es war der längste Zug, den ich je gesehen hatte, die Lokomotive stand weit außerhalb des Bahnhofs. Als jeder Waggon voll war, setzte er sich in Bewegung. Wir hatten Glück, es war ein Personenzug, nicht die üblichen Viehwaggons, mit denen die meisten Menschen transportiert wurden.
Die Deutschen hatten der jüdischen Bevölkerung der Niederlande gesagt, sie würden in ein Arbeitslager gebracht, mit genügend Essen und Familienunterkünften. Nun waren wir also unterwegs.
Der Zug verließ den Amstelbahnhof. In unserem Abteil waren nur etwa dreißig Personen. Wir hatten Glück. In die ersten Wagen hatten sie sehr viel mehr Leute gepfercht, denn etliche von ihnen mussten stehen. Wir hingegen konnten alle sitzen.
Still beobachteten wir die vorbeiziehende Landschaft, die Felder mit den Kühen und die Obstgärten. »Was jetzt, was jetzt«, schienen die Räder zu singen.
2. Kapitel