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Nr. 82

 

Schach dem Universum

 

Die Raumschlacht an der Überlappungsfront – ein neuer Coup des »kosmischen Lockvogels« ...

 

von KURT MAHR

 

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Nach Perry Rhodans glücklicher Rückkehr aus der Gefangenschaft der Druuf hat sich die politische Situation im Solsystem wieder stabilisiert.

Dafür aber erscheint es aus verständlichen Gründen nicht mehr ratsam, die Druuf, die ja auch Gegner des Regenten von Arkon sind, ganz offiziell aufzusuchen, um mit ihnen etwa doch noch ein Bündnis einzugehen.

Den für das Weiterbestehen des Solaren Imperiums Verantwortlichen bietet sich jedoch ein Plan, der Arkon und Druufon, die beiden großen Kontrahenten im Kampf um die Beherrschung der Galaxis, entscheidend schwächen könnte!

Dieser Plan verlangt den erneuten Einsatz des »kosmischen Lockvogels« – und Julian Tifflor, jung erhalten durch die Zelldusche von Wanderer, wie andere führende Persönlichkeiten des Solaren Imperiums, zögert nicht, DEM UNIVERSUM SCHACH zu bieten ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Oberst Julian Tifflor – Der telepathische Zeichengeber macht ihn wiederum zum »kosmischen Lockvogel«.

Leutnant Franklin Lubkov und Sergeant Fryberg – Zwei Angehörige der Solaren Flotte, die sich auf höheren Befehl wie Gangster benehmen.

Door-Trabzon – 20.000 Raumschiffe stehen unter seinem Kommando.

Gucky – Man hält auf Hades keine frischen Mohrrüben für ihn bereit.

John Marshall, Ras Tschubai, André Noir und Tama Yokida – Die Mutanten des Leichten Kreuzers INFANT.

1.

 

Julian Tifflor war sicher, dass er die beiden Männer noch nie zuvor gesehen hatte. Sie waren jung, ziemlich nachlässig gekleidet, und hielten jeder einen kleinen Thermostrahler in der Hand, deren Lauf auf Tifflors Brust gerichtet war.

Tifflor bedachte seine Lage und kam zu dem Schluss, dass ihm nichts anderes übrigblieb, als das zu tun, was die beiden Burschen von ihm verlangten, was auch immer das war. Er fürchtete sich nicht. Er befand sich mitten in der großen Stadt Terrania. Die Straße, in der das Restaurant lag, in dem er soeben zu Abend gegessen hatte, war breit und leer. Für Fußgänger war die Zeit schon zu weit vorgeschritten. Ein paar Autos glitten über die Leitbänder dahin, aber sie waren zu weit entfernt, als dass ihre Insassen hätten sehen können, was zwei Straßenräuber mit dem uniformierten Mann am Rand der Straße anstellten.

Insofern war die Situation für Tifflor denkbar ungünstig. Das Lokal war schwach besetzt gewesen, als er es verließ. Es würde lange dauern, bis der nächste Gast herauskam. Aber vorerst hielt Tifflor die beiden Männer noch für einfache »Bums«, wie man sie in Terrania nannte. Sie waren auf Geld aus und hatten sich gedacht, dass sie in der Umgebung eines renommierten Speiserestaurants am ehesten ein Opfer finden würden. Morgen, wenn es ruchbar wurde, dass Oberst Julian Tifflor von der terranischen Raumflotte verschwunden war, und der mächtige Apparat der Polizei in Bewegung geriet, würden die beiden es mit der Angst zu tun bekommen und ihm die Freiheit rasch wieder zurückgeben – wenn nicht ihm selbst zuvor noch etwas Besseres einfiel.

Als einer der beiden fragte, ob der graue Wagen, der am Bordstein parkte, ihm gehöre, antwortete er fast gemütlich: »Ja, natürlich. Nicht wahr, es ist ein feines Auto?«

Sein Gegenüber schien keinen Sinn für Humor zu haben. »Schließen Sie auf und steigen Sie ein!«, forderte er und bewegte dabei unmissverständlich die Hand, die die Waffe hielt. »Hinten!« Tifflor rührte sich nicht.

»Ich bin Oberst«, sagte er trocken. »Sind Sie mehr, dass Sie mir Befehle geben können?«

Er hatte nicht auf den andern der beiden geachtet. Er hörte neben sich einen raschen Schritt, dann bekam er einen Schlag auf den Schädel. Er taumelte und wäre fast zu Boden gestürzt. Im letzten Augenblick griffen ihm harte Hände unter die Schultern und hielten ihn aufrecht. Er hörte wie aus weiter Ferne eine gereizte Stimme sagen: »Hier werden keine Witze gemacht. Tun Sie, was man Ihnen sagt.«

Tifflor hatte keine Bedenken mehr. Wie sollte er sich beizeiten wehren können, wenn sie ihn vorher bewusstlos schlugen. Er befreite sich aus dem stützenden Griff und ging auf das Auto zu. Mit dem Kodeschlüssel öffnete er die elektronische Verriegelung der Türen und des Motors, stieg durch die hintere Tür ein und setzte sich. Es war gut zu sitzen. Der Schlag war hart gewesen, und Tifflor fühlte Übelkeit in sich aufsteigen.

Einer der beiden Gangster schob sich neben ihn. Der andere setzte sich hinter das Steuer und ließ das Fahrzeug anrollen, als der kleine Bildschirm des Mikrowelleninterceptors, der die Besetzung der Leitbänder mit anderen Fahrzeugen registrierte, zeigte, dass die Bahn frei war. Er fuhr geradenwegs zu einem der schnellsten Bänder hinüber, das fast in der Mitte der breiten Straße lag, und überließ dort den Wagen sich selbst. Er hatte bisher noch kein Fahrprogramm gewählt. Das und die Tatsache, dass er ein Innenband gewählt hatte, überzeugte Julian Tifflor davon, dass das Ziel weit entfernt lag, wahrscheinlich außerhalb der Stadt.

Er versuchte, den Mann neben sich auszufragen. Zuerst stellte er direkte Fragen, und als er darauf nicht einmal eine einzige Antwort bekam, ging er zu Sticheleien über. Der Mann jedoch schien gegen jede Art psychologischer Taktik gefeit. Er blieb stumm wie ein Fisch.

Tifflor überlegte, wieviel Chancen er hätte, unbemerkt an die Waffe heranzukommen, die er in einem Halfter unter dem Uniformjackett trug. Er versuchte nur ein einziges Mal, in die Tasche zu greifen, durch deren Futter ein Schlitz bis direkt zum Kolben des kleinen Strahlers führte. Da ruckte der Mann neben ihm nach vorne, hielt ihm den Lauf seiner Waffe dicht vors Gesicht und erklärte ruhig: »Lassen Sie die Hände im Schoß liegen, Mister. Wir wissen ganz genau, wie die Flottenuniformen geschnitten sind!«

Julian Tifflor gab auf.

Einige Bedenken kamen ihm, die sich auf die Meinung bezogen, die er im ersten Augenblick über die beiden Männer gehabt hatte. Sie machten den Eindruck, als wüssten sie genau, was sie wollten. Sein Rang und die Gewissheit, dass sie in spätestens fünf Stunden die Polizei und den Geheimdienst im Nacken sitzen haben würden, schienen sie nicht zu beeindrucken. Tifflor war nicht mehr ganz sicher, ob die beiden wirklich gewöhnliche Straßenräuber seien. Er erinnerte sich an die Unruhen, die bis vor wenigen Wochen, als Perry Rhodan noch für tot galt, die Erde in Atem gehalten hatten. Die Unruhen waren vorüber. Sie waren in dem Augenblick erloschen, in dem Perry Rhodan wieder aufgetaucht und der Menschheit zu verstehen gegeben hatte, dass zur Aufregung kein Grund vorhanden sei. Aber es mochte immer noch Hitzköpfe geben, die darauf aus waren, ihre politischen Ansichten zur Geltung zu bringen – auf welchem Weg auch immer.

War er solchen Leuten in die Hände gefallen? Der Gedanke schien ihm absurd. Schön – er war Oberst. Aber wer, um des Himmels willen, war so dumm zu glauben, dass Perry Rhodan und der Solare Rat ihre Entschlüsse ändern würden, nur weil die politischen Gegner einen Oberst der Flotte als Geisel hatten?

Die Lage war verworren und unerfreulich. Julian Tifflor kam zu der Erkenntnis, dass er vorhin, in der Goshun-Road, besser daran getan hätte, mehr Lärm zu schlagen.

Es sah nicht so aus, als würde er in naher Zukunft eine ähnlich günstige Gelegenheit bekommen, die Umwelt auf seine Verschleppung aufmerksam zu machen.

 

*

 

Julian Tifflor hatte seine eindrucksvollen Abenteuer in den Tiefen des galaktischen Raumes erlebt. Mit irdischen Gangstern war er bisher noch nie zusammengeraten. Er hatte die Vorstellung, dass die Fahrt, die die beiden Kidnapper mit ihm und in seinem eigenen Wagen unternahmen, irgendwo in der Einöde der Steppe vor einem baufälligen, alten, windumtosten Haus enden müsse.

Nun – an dem Haus war, von Tifflors Vorstellung ausgehend, nichts auszusetzen. Es stand da, als sei es vor vier Jahrhunderten als Unterkunft räuberischer Nomaden errichtet worden. Tifflor wusste, dass es bis vor knapp siebzig Jahren in dieser Gegend kein einziges Haus gegeben hatte, aber das störte den Eindruck nicht, den das eigenartige Gebäude auf ihn machte.

Er revidierte jedoch seine Ansicht, als er das Innere des Hauses betrat. Er glaubte, in ein modernes Hospital geraten zu sein. Die Gänge blitzten vor Sauberkeit, die Beleuchtung war hell, und der Raum, in den man ihn schließlich führte, war mit Geräten ausgestattet, die zu dem Modernsten gehörte, was die Psychophysik zu bieten hatte.

Julian Tifflor erkannte die Funktion der Geräte und sah ein, dass er sofort etwas unternehmen müsse, wenn er je seine Freiheit wiedererlangen wollte. Hatte man ihn erst unter einem der Geräte behandelt, dann war er nicht mehr Herr seines Willens, sondern musste tun, was ihm mit starker posthypnotischer Wirkung eingeflößt worden war.

Jetzt war der Augenblick. Und Julian Tifflor bewies seinen Mut, indem er zu handeln begann, obwohl er sah, dass seine beiden Entführer gerade in diesen Augenblicken so wachsam waren wie noch nie zuvor.

Sie hatten ihn, als sie das Haus betraten, in die Mitte genommen. Auf dem Weg durch das Erdgeschoss hatten sie nur ein einziges Mal haltgemacht, nämlich, um ihm den Thermostrahler abzunehmen, den er unter der Jacke trug. Es war keine Möglichkeit gewesen, sich dagegen zu wehren.

Sie schoben ihn auch jetzt noch zwischen sich her, als sie den mit psychophysikalischen Geräten vollgepfropften Raum betraten. Einer von beiden fasste ihn bei der Schulter und führte ihn weiter in den Raum hinein, während der andere ein paar Schritte zurückblieb, um die Tür sorgfältig zu verriegeln.

Das war der richtige Augenblick. Es kümmerte Tifflor nicht, dass der Mann neben ihm ihn aufmerksam und misstrauisch anblickte. Er setzte den rechten Fuß hinter den linken und tat so, als ob er stolpere. Dabei bückte er sich nach vorne, so dass die fremde Hand von seiner Schulter glitt. Er kam wieder in die Höhe, und zwar mit aller Wucht, zu der sein Zorn ihn befähigte. Es hätte der geballten Faust gar nicht mehr bedurft; alleine der Anprall seiner Schulter schleuderte seinen Bewacher zwei Schritte weit zurück und brachte ihn zu Fall. Tifflor wusste, was er seiner Sicherheit schuldig war. Er sprang hinter ihm her, riss ihn vom Boden auf und hielt ihn vor sich, so dass er gegen seinen zweiten Bewacher an der Tür gedeckt war.

Der Mann, den er als Deckung benutzte, war zwar benommen, aber nicht bewusstlos. Als er begriff, was geschehen war, gab er sich Mühe, Tifflor Schwierigkeiten zu machen. Er wand sich unter dem harten Griff und versuchte, nach Tifflors Schienbein zu treten. Tifflor zog den Burschen mit einem kräftigen Ruck zur Seite und drückte ihm den Schädel gegen die metallene Basis eines Enzephalographen. Es folgte ein Schlag, und der Mann unter Tifflors Faust wurde schlapp.

Tifflor zog sich ein Stück weit zurück. Der Arm, mit dem er den Bewusstlosen hielt, begann zu schmerzen. Tifflor sah nach vorne zur Tür und stellte mit heißem Schreck fest, dass der zweite Mann, den er dort vermutet hatte, verschwunden war.

Er fuhr herum, ließ den Bewusstlosen fallen und duckte sich zwischen zwei mächtige Geräte, um Deckung zu haben. Dann versuchte er zu hören, wo sich der andere Gegner befand.

Alles, was er hörte, war sein eigenes Keuchen. Er gab sich Mühe, es zu unterdrücken. Er öffnete den Mund weit, um möglichst geräuschlos zu atmen. Aber da blieb immer noch das Pochen in seinen Schläfen und der dumpfe Schmerz des Schlages, den er noch längst nicht überwunden hatte.

Tifflor wünschte sich eine Waffe. Irgend eine. Es musste nicht sein Thermostrahler sein. Eine Handgranate, einen Karabiner – oder sonst etwas.

Langsam, um kein Geräusch zu verursachen, wandte er sich um. Der Bewusstlose lag zwei Meter hinter ihm, und abermals zwei Meter weiter lag der kleine Strahler, den er in der Hand gehabt und fallengelassen hatte. Vier Meter! Tifflor setzte sich in Bewegung. Er musste aus der Deckung der beiden mannshohen Geräte heraus und über den Ohnmächtigen hinwegsteigen. Er tat es vorsichtig und rasch und sah sich dabei fortwährend um.

Wo war der zweite Mann geblieben?

Julian Tifflor erfuhr es nicht mehr. Als er so dicht an die herrenlose Waffe herangekommen war, dass er nur noch die Hand danach auszustrecken brauchte, traf ihn ein heftiger Schlag, der seinen ganzen Körper in schmerzende Vibration versetzte. Er konnte noch erkennen, dass es die typische Art von Schmerz war, wie sie der Treffer eines Schockstrahlers auslöste, dann versagte sein Verstand.

Er sank in einen tiefen, finsteren Abgrund und blieb unten irgendwo liegen.

 

*

 

Dann leuchtete plötzlich ein helles Licht in der Finsternis. Es hatte keine Konturen, es war unwirklich. Trotzdem hatte Julian Tifflor das Gefühl, die Augen schmerzten ihm unerträglich.

Er versuchte, die Lider zu bewegen. Dabei stellte er fest, dass er die Augen geschlossen hatte. Er war nicht fähig, sie zu öffnen. Das Licht war also kein gewöhnliches. Es kam nicht von außen.

Eine Stimme begann zu sprechen. Sie kam aus dem Licht heraus, aber natürlich war der Besitzer der Stimme nicht zu sehen.

»Julian Tifflor«, sagte die Stimme: »Hören Sie gut zu!«

Sie sprach lächerlich tief und langsam. Tifflor spürte einen starken Lachreiz. Aber bevor er lachen konnte, sprach die Stimme weiter. Und je länger sie sprach, desto mehr faszinierten ihn die Langsamkeit und der tiefe, volle Ton. Er konnte gar nicht anders: Er musste zuhören. Er sog die Worte in sich auf wie ein nasser Schwamm das Wasser und wusste, dass er kein einziges Wort davon jemals wieder vergessen würde.

Im übrigen war das, was die Stimme sagte, äußerst verblüffend – um nicht zu sagen: sensationell.

 

*

 

Mit der üblichen Ungezwungenheit betrat Reginald Bull den weiten Raum, von dem aus Perry Rhodan seit seiner Rückkehr zur Erde wieder die Geschicke des Solaren Imperiums leitete.

Perry Rhodan saß an einem Tisch, über den hinweg er zu dem mächtigen Fenster hinaus einen großen Teil der Stadt Terrania überblicken konnte. Der Raum lag im obersten Stockwerk des hohen Verwaltungsgebäudes. Perry Rhodan hatte Wert darauf gelegt, hier seinen Arbeitsplatz zu haben. Die Weite des Ausblicks war eine anregende Allegorie zu der Tragweite, die den Entschlüssen zukam, die in diesem Raum gefasst wurden.

»Alles in Ordnung«, erklärte Reginald Bull, nachdem sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte. Er schien sicher zu sein, dass Rhodan verstehen würde, worauf er anspielte.

Perry Rhodan unterbrach seine Arbeit.

»Was hat er gesagt?«, fragte er.

Reginald Bull grinste schadenfroh.

»Einen der beiden Burschen hat er schon vorher k.o. geschlagen, als er noch nicht wusste, worum es ging, und den andern hinterher. Die beiden sind in Behandlung. Aber ich glaube, sie verstehen, wie es Tifflor zumute war.«

Perry Rhodan nickte lächelnd.

»Was sagen Mercants Wachleute dazu? Haben sie irgend jemand beobachtet?«

Reginald Bull zuckte mit den Schultern.

»Sie haben ein paar verdächtige Gestalten gesehen, die Tifflors Wagen folgten. Bis zur Stadt hinaus, allerdings nicht bis zur Psychostation. Mercant hat die Leute auf seine Liste gesetzt. Möglicherweise sind es galaktische Spione. Sie wissen nicht genau, was geschehen ist. Aber wenn Tifflor sich absetzt, werden sie sich einen Reim darauf machen können. Es sieht so aus, als wäre alles in Ordnung.«

Reginald Bull war näher gekommen und setzte sich in einen der bequemen Sessel, die Perry Rhodan für seine Besucher hatte aufstellen lassen.

»Ich weiß immer noch nicht«, sagte er nachdenklich, »was wir uns von dieser Sache versprechen, Perry.«

Rhodan schien die Frage nicht gehört zu haben. Er sah an Bull vorbei zum Fenster hinaus. Die klare, weiße Wintersonne stand zwei Handbreit über dem Horizont. Es war neun Uhr morgens. Bis vor einer halben Stunde hatte draußen Reif auf den Dächern gelegen. Das Jahr ging zu Ende.

»Viel«, antwortete Perry Rhodan schließlich. »Eine empfindliche Schwächung des militärischen Potenzials unserer beiden Gegner: der Druuf und der Arkoniden.«

Reginald Bull räusperte sich.

»Ich erinnere mich, dass wir noch vor zwei Monaten die Absicht hatten, Arkon direkt anzugreifen. Es war schon alles vorbereitet. Nur ein kleiner Zwischenfall hielt uns davon ab, den Plan zu Ende zu führen. Warum nehmen wir ihn jetzt nicht wieder auf?«

Rhodan sah seinen Freund an.

»Was du einen kleinen Zwischenfall nennst«, antwortete er amüsiert, »hat uns beide und noch zwei andere um ein Haar das Leben gekostet. Vergisst du so schnell? Erinnerst du dich noch, wie es aussah, als der ganze Planet Gray Beast unter unseren Füßen explodierte?«

Bull nickte.

»Schön. Für uns war es ernst. Aber im großen Rahmen der galaktischen Politik war es wirklich nur ein Zwischenfall. Wir haben das Abenteuer überstanden und können den Plan wiederaufnehmen, nicht wahr?«

Rhodan antwortete rasch.

»Nein, das können wir nicht.« Dann machte er eine Pause und zündete sich eine Zigarette an. Er stieß den Rauch aus und sah hinter ihm her. »Wir haben einsehen müssen, dass unsere Füße noch nicht groß genug sind, als dass wir die arkonidischen Stiefel anziehen könnten.«

Bull beugte sich nach vorne.

»Das ist ein schöner Vergleich«, sagte er ärgerlich. »Aber ich glaube nicht, dass er zutrifft.«

Perry Rhodan nickte in Richtung auf einen Stapel papierdünner Plastikfolien, die vor ihm auf dem Tisch lagen.

»Kein Wunder«, antwortete er. »Du hast auch die Rechenergebnisse der Venuspositronik noch nicht gesehen.«

Bull stand auf.

»Nein«, bekräftigte er, »das habe ich wirklich noch nicht. Ich dachte nicht, dass Atlan so schnell arbeitet.«

Rhodan lächelte ihn an.

»Seine Leute haben die Positronik auf Venus gebaut – vor zehntausend Jahren. Es gibt niemand, der rascher mit ihr umgehen könnte als er.«

Bull nickte.

»Na schön, deswegen hast du ihn hingeschickt. Und was sagt das positronische Wunder?«

»Das hast du eben gehört: Unsere Füße sind noch nicht groß genug!«

Schweigend griff Reginald Bull nach den Folien. Sie waren etwa so groß wie Briefbögen, durch dünne Linien in zwanzig schmale, senkrecht verlaufende Felder eingeteilt und mit Serien von Punkten, Kreuzen und kleinen Kreisen bedeckt. Die Zeichen gehörten zum Maschinenkode der arkonidischen Rechenmaschinen. Es gehörte Übung dazu, die Zeichen ohne positronischen Übertrager lesen zu können; aber Reginald Bull besaß diese Übung.

Er las einige Blätter und legte sie wieder zurück. Beim Lesen war sein Gesicht ernst geworden. Er sah zum Fenster hinaus, als denke er angestrengt über etwas nach.

»Das arkonidische Imperium ist in Aufruhr«, rezitierte er schließlich, was er gelesen hatte. »Der Robotregent mobilisiert die letzten Reserven, um der Druuf-Gefahr Herr zu werden. Er weiß nicht – und kann auch nicht verstehen – dass die Druuf nur noch kurze Zeit eine Gefahr sein werden. Die Überlappungsfront, in der unser und ihr Universum einander begegnen, schmilzt und wandert in Richtung des Milchstraßenzentrums ab. Ist die Überlappungsfront erst einmal verschwunden, gibt es keine natürliche Möglichkeit mehr, vom Einstein-Raum in den Druuf-Raum zu gelangen – oder umgekehrt. Das bedeutet: Die Druuf werden von da an für uns keine Gefahr mehr darstellen.«

Er sah zur Seite und musterte Perry Rhodan.

»Weiter habe ich nicht gelesen«, gab er zu. »Aber die Schlussfolgerungen liegen auf der Hand, nicht wahr?«

»Das kann ich dir sagen, wenn ich gehört habe, was du meinst.«

»Der Robotregent auf Arkon«, fuhr Bull fort, »hat sein ganzes Reich mobilisiert. Das bedeutet: Er hat mindestens achtzigtausend Kriegsschiffe unter Waffen. Er ist nicht in der Lage, das eigentliche Phänomen der verschiedenen Eigenzeiten zu verstehen. Er hält sich an das Handgreifliche – das sind die Druuf-Raumschiffe, die ab und zu in unser Universum vorstoßen, und die Überlappungszone, durch die seine eigenen Schiffe in den Druuf-Raum hineingelangen. Wenn die Druuf nichts mehr von sich hören lassen, weil die Überlappungszone verschwunden ist, dann wird er das für einen Trick halten und weiterhin wachsam sein, weil er glaubt, dass die Druuf jeden Augenblick wieder auftauchen können.«

Er machte eine Pause und fuhr sich mit der rechten Hand durch das Haar. Er sah sehr unglücklich aus.