Nr. 96
Die Gravo-Katastrophe
Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt
Mit dem Generationenraumschiff SOL haben Perry Rhodan und der Arkonide Atlan die nahezu entvölkerte Erde erreicht, die es in eine unbekannte Galaxis verschlagen hat. Die auf der Erde regierende Kleine Majestät konnte besiegt werden; nun beginnt Perry Rhodan mit der Jagd auf weitere Kleine Majestäten, die im Auftrag der Superintelligenz BARDIOC zahlreiche Planeten beherrschen.
Dabei erreichen die Terraner mit der SOL das kleine Sternenreich der Varben, das ebenfalls von der Superintelligenz bedroht scheint. Die Varben aber, die eine den Menschen schwer verständliche Technik beherrschen, ignorieren die Bedrohung – es kommt zum Eklat. Perry Rhodan muss erkennen, daß seine Widersacher ihm eine Falle gestellt haben ...
In der Zwischenzeit kommt es auf dem Erdmond zu einer mysteriösen Begegnung: Reginald Bull und Roi Danton treffen auf Luna ein so genanntes Konzept, einen Menschen, der mehrere Bewusstseine in sich vereint. Als aber ein Funkspruch den Gegnern verrät, daß sich Menschen auf dem Mond aufhalten, taucht ein Raumschiff der Hulkoos auf, der Krieger der Superintelligenz BARDIOC ...
Wir haben sie schon kennen gelernt, die »Konzepte« – Menschen, die in einem Körper mehrere Bewusstseine vereinen. Landläufig könnte man versucht sein, für diesen Zustand den Begriff der Schizophrenie zu verwenden, aber das ist falsch. Schizophrenie bezeichnet eine Spaltung der psychischen Funktionen, also des Denkens und Fühlens des davon betroffenen Menschen.
Vergleichbar wäre das, was uns in den Konzepten begegnet, eher einer multiplen Persönlichkeitsstörung. Dieser Begriff beschreibt die Fähigkeit eines Einzelnen, mehrere verschiedene Persönlichkeiten zu bilden, mit denen er sich von Fall zu Fall identifiziert. Diese »eingebildeten« Personen können dabei durchaus voneinander wissen. Erinnern wir uns der klassischen Geschichte des schottischen Schriftstellers Robert Louis Stevenson, die erstmals im Jahr 1886 veröffentlicht wurde: »Dr. Jekyll und Mister Hyde«. Das Vorbild für diese Erzählung soll ein Mann aus Edinburgh gewesen sein, der sich tagsüber eines tugendhaften Lebenswandels befleißigte und nachts als Krimineller Einbrüche beging.
Nun, die Konzepte in der PERRY RHODAN-Serie sind alles, nur keine Kriminellen. Ich will auch nicht behaupten, dass bei ihrer Entstehung in irgendeiner Weise Dr. Jekyll oder Mister Hyde Pate gestanden hätten, das entzieht sich meiner Kenntnis. Aber der äußere Eindruck ist zunächst einmal ähnlich, denn wir haben es mit mehreren Bewusstseinen in einem Körper zu tun.
Genau gesagt: mit sieben eigenständigen menschlichen Bewusstseinen in dem Körper eines von ihnen. Jedes dieser Bewusstseine ist in seinen Entscheidungen frei, jedes kann die Leitung des gemeinsamen Körpers übernehmen. Da es sich hier nicht um Krankheitssymptome handelt, sondern um eine bewusste »Konzeption« im Rahmen der Science-Fiction, erscheint es reizvoll, diesen Gedanken weiterzuspinnen. Auch mit Blick darauf, dass in einem Körper zwangsläufig männliche und weibliche Bewusstseine zusammenleben werden. Fragen wir uns doch ganz unvoreingenommen, wie wir uns in einer solchen Situation fühlen würden. Gemeinsam mit sechs anderen in einem einzigen Körper, und jeder hat seine persönlichen Wünsche, Erwartungen und Hoffnungen, die er an diesen Körper stellt. Vielleicht lernen wir dann, nicht nur unser Menschsein mit ein klein wenig anderen Augen zu sehen, sondern auch unsere Mitmenschen besser zu verstehen.
Die in diesem Buch enthaltenen Originalromane sind: Chaos auf Lusamuntra (808) von H. G. Francis; Meister der Gravitation (816) von William Voltz; Statthalter des Bösen (817) von H. G. Ewers; Die Gravoschleuse (818) von Hans Kneifel; Die fliegende Stadt (819) von William Voltz; Das Gravitationsgefängnis (820) von H. G. Ewers; Die Gravo-Katastrophe (821) von Hans Kneifel; Ein Fremder auf Luna (822) und Der Kampf um die IRONDUKE (823), beide von Kurt Mahr, sowie Die List des Terraners (829) von William Voltz.
Hubert Haensel
1971/84 – Perry Rhodan erreicht mit der STARDUST den Mond und trifft auf die Arkoniden Thora und Crest. Mit Hilfe der arkonidischen Technik gelingen die Einigung der Menschheit und der Aufbruch in die Galaxis. Geistwesen ES gewährt Rhodan und seinen engsten Wegbegleitern die relative Unsterblichkeit. (HC 1–7)
2040 – Das Solare Imperium entsteht und stellt einen galaktischen Wirtschafts- und Machtfaktor ersten Ranges dar. In den folgenden Jahrhunderten folgen Bedrohungen durch die Posbis sowie galaktische Großmächte wie Akonen und Blues. (HC 7–20)
2400/06 – Entdeckung der Transmitterstraße nach Andromeda; Abwehr von Invasionsversuchen von dort und Befreiung der Völker vom Terrorregime der Meister der Insel. (HC 21–32)
2435/37 – Der Riesenroboter OLD MAN und die Zweitkonditionierten bedrohen die Galaxis. Nach Rhodans Odyssee durch M 87 gelingt der Sieg über die Erste Schwingungsmacht. (HC 33–44)
2909 – Während der Second-Genesis-Krise kommen fast alle Mutanten ums Leben. (HC 45)
3430/38 – Das Solare Imperium droht in einem Bruderkrieg vernichtet zu werden. Bei Zeitreisen lernt Perry Rhodan die Cappins kennen. Expedition zur Galaxis Gruelfin, um eine Pedo-Invasion der Milchstraße zu verhindern. (HC 45–54)
3441/43 – Die MARCO POLO kehrt in die Milchstraße zurück und findet die Intelligenzen der Galaxis verdummt vor. Der Schwarm dringt in die Galaxis ein. Gleichzeitig wird das heimliche Imperium der Cynos aktiv, die am Ende den Schwarm wieder übernehmen und mit ihm die Milchstraße verlassen. (HC 55–63)
3444 – Die bei der Second-Genesis-Krise gestorbenen Mutanten kehren als Bewusstseinsinhalte zurück. Im Planetoiden Wabe 1000 finden sie schließlich ein dauerhaftes Asyl. (HC 64–67)
3456 – Perry Rhodan gelangt im Zuge eines gescheiterten Experiments in ein paralleles Universum und muss gegen sein negatives Spiegelbild kämpfen. Nach seiner Rückkehr bricht in der Galaxis die PAD-Seuche aus. (HC 68–69)
3457/58 – Perry Rhodans Gehirn wird in die Galaxis Naupaum verschlagen. Auf der Suche nach der heimatlichen Galaxis gewinnt er neue Freunde. Schließlich gelingt ihm mit Hilfe der PTG-Anlagen auf dem Planeten Payntec die Rückkehr. (HC 70–73)
3458/60 – Die technisch überlegenen Laren treten auf den Plan und ernennen Perry Rhodan gegen seinen Willen zum Ersten Hetran der Milchstraße. Rhodan organisiert den Widerstand, muss aber schließlich Erde und Mond durch einen Sonnentransmitter schicken, um sie in Sicherheit zu bringen. Doch sie rematerialisieren nicht am vorgesehenen Ort, sondern weit entfernt von der Milchstraße im »Mahlstrom der Sterne«. Den Terranern gelingt es nur unter großen Schwierigkeiten, sich in dieser fremden Region des Universums zu behaupten. (HC 74–80)
3540 – Auf der Erde greift die Aphilie um sich, die Unfähigkeit des Menschen, Gefühle zu empfinden. Perry Rhodan, die Mutanten und andere gesund Gebliebene beginnen an Bord der SOL eine Reise ins Ungewisse – sie suchen den Weg zurück in die Milchstraße. (HC 81)
3578 – In Balayndagar wird die SOL von den Keloskern festgehalten, einem Volk des Konzils der Sieben. Um der Vernichtung der Kleingalaxis zu entgehen, bleibt der SOL nur der Sturz in ein gewaltiges Black Hole. (HC 82–84)
3580 – Die Laren herrschen in der Milchstraße, die freien Menschen haben sich in die Dunkelwolke Provcon-Faust zurückgezogen. Neue Hoffnung keimt auf, als der Verkünder des Sonnenboten die Freiheit verspricht. Lordadmiral Atlan sucht die Unterstützung alter Freunde, die Galaktische-Völkerwürde-Koalition (GAVÖK) wird gegründet. (HC 82, 84, 85)
Auf der Erde im Mahlstrom zeichnet sich eine verhängnisvolle Entwicklung ab. (HC 83)
3581 – Die SOL erreicht die Dimensionsblase der Zgmahkonen und begegnet den Spezialisten der Nacht. Um die Rückkehr zu ermöglichen, dringt ein Stoßtrupp in die Galaxis der Laren vor und holt das Beraghskolth an Bord. (HC 84, 85) Nur knapp entgeht die SOL der Vernichtung; die Entstehung des Konzils wird geklärt. (HC 86) Monate nach der SOL-Zelle-2 erreicht Perry Rhodan mit der SOL die Milchstraße und wird mit einer falschen MARCO POLO und dem Wirken eines Doppelgängers konfrontiert. Die Befreiung vom Konzil wird vorangetrieben. (HC 87, 88)
Im Mahlstrom halten der geheimnisvolle Plan der Vollendung und die PILLE die Menschen im Griff. Die Erde stürzt in den »Schlund«. (HC 86)
3582 – Alaska Saedelaere gelangt durch einen Zeitbrunnen auf die entvölkerte Erde (HC 88) und gründet mit einigen wenigen Überlebenden der Katastrophe die TERRA-PATROUILLE (HC 91)
Die SOL fliegt aus der Milchstraße zurück in den Mahlstrom der Sterne (HC 89) und erreicht die Heimatgalaxis der Feyerdaler, Dh'morvon. Über die Superintelligenz Kaiserin von Therm eröffnet sich eine Möglichkeit, die Spur der verschwundenen Erde wiederzufinden. (HC 90, 91)
Die Inkarnation CLERMAC erscheint auf der Heimatwelt der Menschen, und das Wirken der Kleinen Majestät zwingt die TERRA-PATROUILLE, die Erde zu verlassen. (HC 93)
3583 – Die SOL erreicht das MODUL und wird mit dem COMP und dem Volk der Choolks konfrontiert. (HC 92) Hilfeleistung für die Kaiserin von Therm und der Kampf um die Erde. (HC 94)
In der Milchstraße machen die Laren Jagd auf Zellaktivatoren. (HC 93) Das Konzept Kershyll Vanne erscheint, um die Vollendung des Achtzigjahresplans zu beschleunigen. (HC 95)
Im Jahr 3583 n. Chr. bahnt sich eine Entscheidung an ...
Auf der Flucht vor der Invasion der Laren in der Milchstraße wurde ein Teil der Menschheit mit dem Planeten Erde und dem Mond in den Mahlstrom der Sterne verschlagen. Aber auch weit von der Milchstraße entfernt war es den Menschen nicht vergönnt, Ruhe zu finden. Mit dem Sturz in den Schlund, einen gewaltigen mehrdimensionalen Energiewirbel, scheint das Schicksal der Menschen und ihrer Heimatwelt endgültig besiegelt zu sein. Erde und Mond sind in einer unbekannten Region des Universums materialisiert, Terra ist eine beinahe menschenleere Welt geworden.
Die SOL, Perry Rhodans Fernraumschiff, folgt dem verschollenen Planeten und findet ihn in der Hand eines überlegenen Gegners. Die letzten Menschen der Erde werden von einer Inkarnation BARDIOCS bedroht. BARDIOC ist zugleich der Widersacher der Kaiserin von Therm, der Perry Rhodan und die SOL mehrmals helfen konnten – oder helfen mussten. Diese Interpretation ist wohl eine Frage des Standpunkts.
Perry Rhodan setzt alles daran, die verschwundenen zwanzig Milliarden Bewohner Terras wiederzufinden. Er will, dass die Erde wieder das wird, was sie immer war: die Heimat der Menschen. Deshalb macht er Jagd auf weitere planetare Statthalter BARDIOCS, die Kleinen Majestäten; er fordert den Gegner heraus.
Die Begegnung mit den Varben, den Meistern der Gravitation, scheint nur eine Episode von vielen zu sein, doch sie erweist sich als Prüfstein für die SOL und ihre Bewohner. Am Ende steht ein waghalsiges Vorhaben, das die Entscheidung bringen soll.
»Was die Kleine Majestät auf der Erde getan hat, das gilt ebenso für viele andere Welten.« Perry Rhodans Zorn war unverkennbar. »Deshalb habe ich mit der Jagd auf die Kleinen Majestäten begonnen. Ich hoffe, dass wir die Inkarnation CLERMAC damit provozieren und zu unüberlegten Handlungen verleiten können.«
Mit dem Desintegrator bearbeitete der Bildhauer Gorlov Ovosoffsky einen kantigen Ynkeloniumblock. Rhodans Kinnpartie und sein Mund waren schon deutlich zu erkennen. Der Künstler hatte bereits vor Monaten begonnen, die führenden Persönlichkeiten der SOL als Skulpturen zu verewigen.
»Wir werden also endgültig zu Verbündeten der Kaiserin von Therm und damit zur kämpfenden Truppe?« Ovosoffsky musterte den Unsterblichen eindringlich. »Der Kristall der Kaiserin, den Sie tragen, ist er nur ein schönes Geschenk – oder dient er auf irgendeine Weise der Kommunikation?«
»Wenn Sie damit andeuten wollen, ich könnte zum Befehlsempfänger geworden sein, dann muss ich Ihnen sagen, dass Sie sich gewaltig irren«, erwiderte der Terraner schneidend scharf.
Ovosoffsky lachte verlegen. »Entschuldigen Sie, Sir.« Er verneigte sich übertrieben. »Wir Künstler sind ein bisschen verrückt und sehen meist unsere Grenzen nicht. Ich wollte Sie nicht kränken.«
Rhodans Armbandfunk meldete sich. »Es tut mir Leid«, sagte er. »Ich werde in der Zentrale verlangt.«
»Ich bleibe noch«, erklärte Fellmer Lloyd, der ebenfalls in das Atelier gekommen war, weil er Ovosoffskys nächstes »Modell« sein sollte. »Ich möchte einiges mit unserem Freund besprechen.«
Der Bildhauer wartete, bis Rhodan das Atelier verlassen hatte. »Sie müssen mir etwas verraten, Mister Lloyd«, drängte er dann sofort. »Als Telepath haben Sie einen viel besseren Einblick als jeder andere. Wird Rhodan von dem Kristall beeinflusst oder nicht?«
»Das kann ich nicht beantworten«, erwiderte Lloyd verblüfft. Er hatte sich diese Frage selbst schon gestellt, nur halfen ihm nicht einmal seine parapsychischen Fähigkeiten weiter. Es gab keinerlei Beweise; deutlich war nur, dass Perry Rhodan sich verändert hatte. Er war nicht mehr so wie vor der Begegnung mit der Kaiserin von Therm.
Quasutan hatte die Sterne nie gesehen, stets hing eine dichte Wolkendecke über ihrer Welt. Dennoch hatte sie eine klare Vorstellung von den Gestirnen. Sie wusste, dass Schannion, die Sonne von Lusamuntra, gelb war – und dass es darüber hinaus unzählige weitere Sonnen gab, deren Impulse die Welt bestimmten.
Quasutan glaubte, die Stimmen der Sonnen zu hören.
Die Dorl saß auf einem Balken, der weit aus dem ersten Stockwerk ihres Hauses hinausragte, und blickte über die See. Ein heißer Nordwind peitschte Wellen gegen die Klippen und trieb den Gischt bis zu ihr empor.
»Spürst du es auch?« Sie zeigte auf das Meer hinaus. »Mir ist, als kämen glühende Wolken von der Insel. Sie wollen uns befehlen, was wir zu tun haben.«
»Quatsch«, widersprach Kara, der fünf Meter unter ihr im Schlamm kauerte. »Du weißt nicht, was du redest. Das ist typisch für die bevorstehende Eiablage.«
Quasutan schwieg verbittert, kroch auf dem Balken zurück ins Haus und schloss die Luke hinter sich. In der Dunkelheit krümmte sie sich zusammen. Tatsächlich vergingen nur wenige Minuten, bis beide Eier ihren Leib verließen. Kara erschien schweigend neben ihr, hob ein Ei auf und schob es sich in den Brustbeutel, um es auszubrüten. Nachdenklich rollte er das andere hin und her, bis Quasutan seine Hand zur Seite schlug.
»Ich werde einen Mann dafür finden«, erklärte sie trotzig, in Gedanken bei ihrem zweiten Gefährten Kuta, der vor wenigen Tagen einem der gefürchteten Pfeilfische zum Opfer gefallen war.
Kara hörte schon nicht mehr, was sie sagte. Gurgelnd stürmte er aus dem Haus, warf sich auf den Boden und riss den Schlick mit beiden Händen auf. Vorübergehend befürchtete Quasutan, er werde sich wieder von dem Ei befreien, dann registrierte sie, dass nicht nur er sich so rätselhaft benahm. Alle in der Siedlung schienen wie von Sinnen zu sein und wühlten im Schlamm.
Quasutan ließ sich den Schwingbogen hinuntergleiten. Sie konnte sich nicht erklären, warum die anderen Dorls sich benahmen, als hätten sie den Verstand verloren.
Der Sturm ließ nach. Es wurde still. Schon nach wenigen Minuten war die Luft trocken und unangenehm. Quasutan fühlte, dass ihre Haut sich spannte, aber sie achtete nicht darauf, denn etwas Ungeheuerliches geschah.
Die Wolkendecke brach auf, ein Stück blauer Himmel und die glühende Sonne erschienen.
Alle Dorls wurden schlagartig ruhig. Sie wirkten wie gelähmt. Einige lagen flach auf dem Boden, andere kauerten im Schlamm, und wieder andere standen auf ihren Häusern. Sie alle starrten zu der Sonne empor, bis die Ersten geblendet zusammenbrachen.
Quasutan war die Einzige, die ihre Augen mit den Händen schützte. Sie blickte zum Himmel hinauf, bis sich die Wolkendecke wieder schloss, dann sank sie auf die Knie und schickte ein Gebet zu den Göttern hinauf, die sich zum ersten Mal gezeigt hatten. Niemand wusste von Dorls, die so etwas je gesehen hatten.
Noch schöner muss es sein, wenn es Nacht ist und die Sterne am dunklen Himmel stehen, dachte Quasutan und wurde sich zugleich des Frevels dieser Gedanken bewusst.
Viele Männer und Frauen krochen an ihr vorbei ins Wasser. Entsetzt erkannte sie, dass die meisten blind um sich tasteten.
Kara erschien neben ihr. Er war einer der wenigen, die nicht den Fehler gemacht hatten, offen in das grelle Licht zu starren. »Diese Narren«, sagte er verächtlich. »Jetzt schleppen sie sich ins Wasser, weil sie ihre Augen kühlen wollen. Dabei wimmelt es in der Bucht von Pfeilfischen. Die Räuber werden reiche Beute machen. Aber du kannst hoffen, Quasutan; es werden auch Frauen umkommen, und einem ihrer Männer kannst du dann das Ei geben.«
»Scheusal!«, entgegnete sie. »Daran habe ich überhaupt nicht gedacht.«
Quasutan ging die wenigen Schritte bis zum Ufer. Schlamm spritzte über die Klippen, aufgewühlt von den heranschießenden Raubfischen. Von Entsetzen geschüttelt, schrie sie den Dorls zu, sie sollten sich in Sicherheit bringen. Doch nur wenige hörten auf sie. Schließlich sprang sie selbst in die Brandung und zog ungeachtet der Gefahr mindestens zwanzig Kinder aus dem Wasser. Als sie ebenfalls von zwei Fischen attackiert wurde, rettete sie sich mühsam ans Ufer. Mittlerweile war die Sicht klarer geworden und reichte bis zu der fernen Insel, von der ein geheimnisvolles Licht auszugehen schien. Quasutan konnte mit ihren Sinnen wahrnehmen, dass etwas von dort kam, indes brach sie ihre Bemühungen sofort ab, als sie Samok sah. Der große Mann blutete aus mehreren Wunden.
»Ich wollte sie retten«, stöhnte er niedergeschlagen, »aber ich kam zu spät.«
Quasutan begriff sofort. Hastig sah sie sich um, ob eine andere Frau zugehört hatte, dann packte sie Samoks Hand und zog ihn mit sich. »Ich habe etwas für dich!« Sie betörte ihn mit zärtlich zirpenden Lauten. »Warte einen Moment!«
Quasutan eilte den Schwingbogen hinauf und ergriff ihr verwaistes Ei. »Schließe die Augen!«, forderte sie von oben herab.
Samok gehorchte. Erst als sie ihm das Ei in den Brustsack legte, riss er die Augen auf und blickte sie fassungslos an. Er versuchte, etwas zu sagen, aber nur unartikulierte Laute kamen über seine Lippen.
»Nun bist du mein Mann«, erklärte Quasutan triumphierend. »Kara ist nicht mehr allein und kann mir nicht mehr weglaufen.«
»Du hättest mich wenigstens fragen müssen«, protestierte Samok schwach.
Immer noch freudig erregt, wollte Quasutan ihn mit sich in das Haus ziehen, doch Samok stöhnte plötzlich und presste seine Hände auf den Leib. Sie sah, dass seine Herzen in wildem, unkontrolliertem Rhythmus schlugen. Einen Augenblick später wälzte er sich in Krämpfen zuckend auf dem Boden.
»Was ist los?«
Samok war nicht in der Lage, ihr zu antworten. Niemand war dazu mehr fähig; wohin Quasutan auch blickte, überall bot sich ihr das gleiche Bild. Letztlich stellte sie fest, dass sie die Einzige in der Siedlung war, die von dem unbegreiflichen Phänomen unberührt blieb.
»Wir fliegen dieses System an!«, sagte Perry Rhodan in einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldete.
Fellmer Lloyd blickte auf den Holoschirm, auf dem sich über zwanzig Sonnen abzeichneten, die ungefähr gleich weit von der SOL entfernt waren. Er war ebenso ratlos wie alle anderen in der Hauptzentrale der SOL.
»Warum ausgerechnet dieser Stern?«, fragte Atlan.
»Warum nicht?« Rhodan musterte den Arkoniden. Es schien fast, als habe ihn die Frage verletzt. »Was spricht dagegen?«
Atlan lächelte versöhnlich. »Nichts. Dafür spricht allerdings auch nicht gerade viel.«
»Ich bin überzeugt, dass wir dort eine Kleine Majestät finden werden«, beharrte Perry Rhodan. »Eine innere Stimme sagt es mir.«
»Eine Ahnung? – Oder ist es der Kristall?«
»Was soll das?« Rhodans Stimme wurde frostig. Seine Hand schloss sich um den Kristall, den er von der Kaiserin von Therm erhalten hatte.
»Ich habe nur eine Frage gestellt, weiter nichts«, antwortete Atlan. »Ich ahnte nicht, dass sie dich stört.«
»Sie stört mich nicht«, erklärte der Terraner unwirsch. »Ich finde sie nur gänzlich überflüssig. Es bleibt dabei, wir fliegen dieses Sonnensystem an.« Damit wandte er sich um und verließ die Zentrale.
»Allmählich wird es ungemütlich«, sagte Mentro Kosum zögernd, nachdem sich das Hauptschott wieder geschlossen hatte.
»Wir haben Perry getestet, soweit das möglich war«, erinnerte Fellmer Lloyd. »Alle Mutanten sagen übereinstimmend, dass er nicht beeinflusst wird.«
Erfolglos hatte die Besatzung der SOL mehrere Sonnensysteme nach Kleinen Majestäten abgesucht. Aber nun sah es plötzlich so aus, als habe Rhodan sichere Hinweise auf einen Stützpunkt BARDIOCS.
»Ich mache mir dennoch Sorgen«, gestand Atlan. »Perry scheint nicht den geringsten Zweifel zu haben, dass wir fündig werden.«
»Er lässt sich von Gefühlen leiten«, behauptete Lloyd. »Genau das gefällt mir nicht.«
Von den Bergen kam ein langgezogener Ton wie ein an- und abschwellendes Pfeifen. Seltsamerweise hatte er eine ausgleichende Wirkung auf die Dorls. Quasutan sah, dass sich die Meisten entspannten, auf den Rücken rollten und erschöpft nach Luft schnappten.
Unaufhörlich tönte es von den Bergen herab. Quasutan wusste nicht, was dieses seltsame Pfeifen zu bedeuten hatte, es erschien ihr jedoch wie ein Signal aus einer Welt der Vernunft und klaren Übersicht. Sie verließ die Siedlung, kam aber nicht weit. Ein tiefer Graben, der vor wenigen Stunden nicht da gewesen war, versperrte ihr den Weg. Sie sah, dass er sich langsam mit Wasser füllte, und das würde ihr letztlich erlauben, dieses Hindernis zu überwinden.
Schon nach kurzer Zeit durchbrach eine Gruppe farbenprächtig gekleideter Männer und Frauen das dichte Unterholz. Allen voran ging ein dunkelhäutiger, hochgewachsener Mann. Er war es, der die seltsamen Töne hervorrief, indem er in ein langes Rohr blies.
Die Fremden blieben erst dicht vor dem Grabenbruch stehen. In Quasutan wuchs die Angst; sie wollte weglaufen, doch etwas Unerklärliches hinderte sie daran. Sie hatte diese Männer und Frauen nie gesehen, wusste allerdings, dass auch hinter den Bergen viele Dorls lebten.
Das Wasser stieg rasch. Schon schwammen die ersten Männer hindurch und hangelten sich an den Felsen von Quasutan empor.
»Ich wohne in der Siedlung am Meer«, sagte sie stockend. »Ich bin die Einzige im Dorf, die noch gesund ist. Mit den anderen ist Seltsames geschehen.«
Ein auffallend bunt gekleideter Mann kam auf sie zu. Er war größer als die anderen, und seine Augen strahlten eine ungewöhnliche Kraft aus. »Ich bin Kaimuntra«, stellte er sich vor. »Ich bin Priester.«
Quasutan atmete auf, denn das war wie eine Erlösung für sie. Sie ließ sich auf die Knie sinken und neigte den Kopf. »Ihr findet hier alles, was ihr zum Leben benötigt. Die Buchten sind fischreich und in der Tiefe wachsen wohlschmeckende Polypen.«
»Das ist erfreulich«, erwiderte Kaimuntra. »Aber wir kommen nicht, weil wir hungern, sondern weil wir die Mutter des Lichtes suchen.«
Quasutan blickte den Priester an. Großflächige Hautmalereien umsäumten seine Augen. Sie fragte sich, wie er wohl reagieren würde, wenn sie ihm überraschend ein Ei zum Ausbrüten in den Brustbeutel legte. Aber sofort waren da wieder die eher bedrohlichen Gedanken.
»Ich habe die Mutter des Lichtes gesehen«, erklärte Quasutan stolz. »Die Wolken rissen auf, und sie blickte mich direkt an. Es war ein erhebender Augenblick. Viele von uns versäumten aber, ihre Augen zu bedecken. Das Licht war so grell, dass sie geblendet wurden. Vielleicht mangelte es ihnen auch an der notwendigen Demut, und sie wurden bestraft.«
Der Priester legte den Kopf schief. »Du scheinst schon sehr lange das Wasser verlassen zu haben«, sagte er spöttisch. »Dein Gehirn trocknet ein?«
»Die Wolken rissen auf.« Einer hinter ihm lachte schrill. »Hat man so etwas jemals gehört?«
»Sie will das Licht der Sonne gesehen haben«, spottete eine Frau. »Gleich wird sie behaupten, dass sie sogar die Kraftpunkte im Reich der Sonnen beobachtet hat, wie sie sich durch das ewige Reich bewegen.«
Quasutan stand der Gruppe ohnmächtig vor Zorn gegenüber. Sie wusste nichts zu entgegnen. Angesichts dieser ihr töricht erscheinenden Reaktionen war sie hilflos.
»Du hast gesagt, dass ihr auf der Suche nach der Mutter des Lichtes seid«, brachte sie endlich mühsam hervor, als die anderen sich ein wenig beruhigt hatten. Dabei blickte sie den Priester forschend an. »Habe ich dich falsch verstanden?«
»Das Leben hier draußen ist einfach und kennt keine Kultur«, sagte der Priester überheblich. »Ich sprach von der Mutter des Lichts. Es ist bedauernswert, dass du davon bislang nichts gehört hast, obwohl sie in dieser Gegend zu finden sein muss.« Er streckte beide Arme überraschend heftig zur offenen See hin aus. »Dort draußen muss sie sein – dort lebt sie.«
Quasutan konnte nichts Ungewöhnliches erkennen. Noch nicht einmal die Insel war zu sehen, denn sie hüllte sich in dichte Nebel.
Kaimuntra ging an ihr vorbei, bis hinab zum Dorf. Er stellte sich auf eine Klippe, streckte die Arme aus und blickte schweigend auf die See hinaus. Nach kurzer Zeit fing er an, leise zu singen.
Quasutan wusste nicht mehr, was sie denken sollte. Unter dem Licht der Sonne Schannion schien alles verrückt geworden zu sein.
Perry Rhodan machte einen gelösten Eindruck. Das änderte sich auch nicht, als Atlan ihm vorhielt, dass es in dem angeflogenen Sonnensystem keine bewohnten Welten geben könnte.
»Warum nicht?«, fragte er, und es schien ihn zu belustigen, dass der Arkonide irritiert reagierte. Im Ortungsbild konnte er sehen, dass die Sonne sechs Planeten hatte.
»Der einzige für intelligentes Leben in Betracht kommende Planet wäre der zweite«, antwortete Atlan zögernd. »Er steht jedoch sehr nahe bei der Sonne und dürfte ziemlich heiß sein – zu heiß. Zweifellos herrschen Durchschnittstemperaturen von mehr als hundert Grad Celsius.«
»Das ist allerdings sehr hoch«, erwiderte Rhodan. »Trotzdem will ich, dass wir uns diese Welt näher ansehen.«
»Hast du Informationen, die du uns vorenthältst?«
Rhodan verstand sofort, was der Arkonide meinte. Sein Blick wurde abweisend, und wieder schloss er eine Hand um den Kristall auf seiner Brust.
»Was riskieren wir schon, wenn wir diese Welt anfliegen? Die Mutanten werden bald feststellen können, ob dort eine Kleine Majestät existiert. Wenn nicht, versuchen wir es woanders.«
»Dagegen ist nichts einzuwenden.«
»Finden wir hier aber einen Plasmakomplex, dann ist die Lage sogar schlimmer als befürchtet. Wenn in so großer Nähe zur Erde eine weitere Kleine Majestät regiert, dann ist BARDIOCS Herrschaft sehr gefestigt. Obwohl wir uns angeblich nur im Randgebiet seiner Mächtigkeitsballung befinden. Die Erde wäre in dem Fall weitaus mehr bedroht, als es den Anschein hatte.«
Von der Ortung wurden weitere Daten des zweiten Planeten übertragen.
»Dichte Wolkendecke, die wahrscheinlich niemals aufreißt. Ein großer Teil der einfallenden Sonnenstrahlung wird reflektiert. Temperaturen auf der Planetenoberfläche daher im Durchschnitt nur sechzig Grad Celsius.« Perry Rhodan hob den Kopf und lächelte wieder. »Damit ist es doch ein wenig wahrscheinlicher geworden, dass sich hier intelligentes Leben entwickelt hat.«
Fellmer Lloyd meldete sich. »Auf dieser Welt befindet sich eine Kleine Majestät«, stellte er unumwunden fest. »Wir Mutanten empfangen die typischen Impulse.«
»Dann greifen wir an!«, sagte Rhodan.
Die Männer und Frauen um Kaimuntra begannen damit, die Häuser der Siedlung einzureißen und alles Holz herauszunehmen. Vergeblich protestierte Quasutan dagegen.
»Geh zur Seite und schweig!«, befahl ihr der Priester. »Wir haben nur ein Ziel: Wir müssen zur Mutter des Lichtes und werden uns dabei nicht aufhalten lassen. Von niemandem.«
Kara und Samok verhielten sich wie alle Dorfbewohner, sie taten nichts.
Kaimuntra sang wieder. Eine einschmeichelnde, verlockende Melodie kam über seine Lippen. Selbst Quasutan konnte sich dem Einfluss dieses Liedes nicht ganz entziehen. Viel schlimmer aber war die Wirkung auf die übrigen Dorls. Alle stürzten sich auf die Häuser und rissen sie ein, schleppten das Holz heraus und warfen es zu einem großen Haufen zusammen. Andere liefen in die nahen Wälder, und bald kündeten heftig dröhnende Schläge davon, dass sie Bäume fällten.
Im Grunde genommen hatte Quasutan nichts dagegen einzuwenden, dass die Gebäude abgebaut wurden. Es war sogar an der Zeit, das zu tun. Doch galt es, jeden wieder verwendbaren Stein vorsichtig zu bergen. Nichts durfte zerstört werden, denn an anderer Stelle musste alles neu aufgebaut werden.
Quasutan setzte sich auf eine der Klippen. Vorübergehend riss der Nebel über dem Meer auf, und die geheimnisvolle Insel wurde sichtbar. Von dort ging ein seltsamer Einfluss aus, der nur sie selbst verschonte. Sie hob den Kopf und blickte zu den tief hängenden Wolken empor. Darüber spannte sich die Unendlichkeit, über die sie recht klare Vorstellungen hatte. Quasutan fühlte, dass ein unendlich weit gespanntes Netz energetischer Linien sie umgab. Sie war sich dessen bewusst, dass sie nur ein winziger Teil des gigantischen Geschehens war.
Weit entfernt hatte ein Stern zu strahlen begonnen. Quasutan glaubte, die auf Lusamuntra einfallende Energie spüren zu können, und der Drang nach Veränderung wurde immer stärker in ihr. Sie würde ihm bald nachgeben und glücklich sein.
Von der Insel aber kam etwas, das sich diesem Drang entgegenstellte. Sie konnte sich dagegen behaupten. Sie allein? Reagierten die anderen deshalb so seltsam?
Die Begleiter des Priesters bauten Flöße. Sie knüpften das Holz mit elastischen Fasern zusammen, dann schleppten sie es zum Wasser und ließen es einfach treiben. Es spielte keine Rolle, ob die Flöße sich weit vom Ufer entfernten oder nicht, schwimmend konnten die Dorls jedes Floß wieder erreichen.
Dass Kaimuntra überhaupt Flöße bauen ließ, deutete darauf hin, dass er eine größere Strecke auf dem Wasser zurücklegen wollte. Er und seine Gefährten hätten auch schwimmen können, doch niemand verließ ohne zwingenden Grund die Ufernähe, weil die Pfeilfische auf offener See in Schwärmen jagten und zu mörderischen Feinden wurden.
Was wollte Kaimuntra auf der Insel? Quasutan beschloss abzuwarten. Sie verharrte auf der Klippe und beobachtete das Geschehen, während das in jahrelanger Arbeit mühsam aufgebaute Dorf in Trümmern versank.
Als sie schließlich sah, dass Kara und Samok übereifrig wurden und keine Rücksicht auf die Brut in ihren Brustbeuteln nahmen, ging sie fauchend auf beide Männer los und streckte sie mit wütenden Hieben zu Boden. Dabei achtete sie aber peinlich darauf, dass ihre Brut nicht gefährdet wurde.
Für kurze Zeit wurden Kara und Samok wieder normal, sie sahen sich im Dorf um und blickten Quasutan dann entsetzt an. »Was geschieht hier?«, fragte Kara. »Was hat das alles zu bedeuten?«
»Welch ein Wahnsinn!«, rief Samok, doch schon trübten sich seine Augen von neuem. Er wandte sich einem Trümmerhaufen zu, um ein wenig Holz daraus hervorzuholen.
Wütend zerrte ihn Quasutan zurück. Sie schleppte Samok aus dem Dorf und band ihn an einen Baumstumpf. Schließlich holte sie auch Kara. Vorsichtig öffnete sie beider Brustbeutel und überzeugte sich davon, dass die Eier unversehrt waren.
Die Augen ihrer Männer waren so ausdruckslos, dass Quasutan erschrak. Zugleich war sie sich darüber klar, dass sie nicht ewig hier stehen konnten, denn die Gefahr wuchs, dass dieses Stück Land wegsackte. Natürlich konnten beide unter Wasser ebenso mühelos atmen wie an Land. Wenn aber irgendwo auf Lusamuntra Land versank, kamen Schwärme von Raubfischen, angelockt von den zahllosen Tieren, die sich nicht rechtzeitig hatten retten können.
Quasutan wollte mit dem Priester reden. Kaimuntra befand sich indes schon auf einem der Flöße, mit zehn Männern und zwei Frauen ruderte er auf das Meer hinaus. Seine übrigen Begleiter und die Dorfbewohner folgten ihm auf den anderen Flößen. Ein einziges trieb noch zwischen den Klippen, es war klein und bot nicht mehr als vier oder fünf Personen Platz.
Quasutan beschloss, dem Priester ebenfalls zu folgen. Sie wollte wissen, was er vorhatte, zudem reizte es sie, die Geheimnisse der Insel zu lüften.
Eilig löste sie die Fesseln der Männer und schleppte sie zum Floß. Sie drückte ihnen Holzstücke in die Hände und befahl ihnen, damit zu rudern. Trotzdem fielen sie zusehends zurück. Schließlich stieß sie Kara und Samok ins Wasser und befahl ihnen, das Floß schwimmend voranzutreiben. Nun holten sie rasch auf.
Als sie etwa die Hälfte der Strecke zur Insel zurückgelegt hatten, tauchten immer mehr Pfeilfische auf, so dass Quasutan ihre Männer wieder auf das Floß klettern ließ. Es wurde zu gefährlich im Wasser.
Kaimuntras Vorsprung wuchs erneut.
»Warte auf mich, Priester!«, schrie sie ihm hinterher und wusste selbst nicht, woher sie den Mut nahm, so zu reden. Kaimuntra lachte nur höhnisch.
Da geschah etwas Seltsames. Quasutan hob den Kopf zu den Wolken empor, zirpende Laute kamen über ihre Lippen. Sie streckte die Arme aus, und plötzlich schien es ihr, als strömte alle Energie des Universums auf sie über. Sie hob einen Fuß, trat über den Rand des Floßes hinaus und schritt über das Wasser auf das Gefährt des Priesters zu.
Schlagartig hörten alle auf zu rudern. Kaimuntras Gesang verstummte. Fassungslos blickte er auf die zierliche Frau, die über das Wasser ging, ohne darin zu versinken, wie es die Naturgesetze verlangten.
Es war eine faszinierende Tatsache für die Kleine Majestät, dass sich das Leben der Dorls exakt nach den kosmischen Rhythmen richtete. Sie konzentrierte sich daher nicht nur darauf, das Leben auf Lusamuntra in ihrem Sinn neu einzurichten, sondern versuchte zugleich, die besonderen Eigenarten der Dorls zu ergründen. Die Kleine Majestät vermutete, dass die planetaren Wesen über Organe verfügten, mit denen sie die Umlaufbahnen, Gravitationslinien, Sonnenwinde und Eruptionen der Sonnen wahrnehmen konnten.
Die Inkarnation CLERMAC erhoffte sich eine völlige Klärung dieser Fragen durch die Kleine Majestät. Er hatte bereits Dorls an Bord von Raumschiffen bringen lassen, um herauszufinden, ob sie dort einsetzbar waren. Aber alle Versuche waren gescheitert, diese Wesen hatten den psychischen Belastungen nicht standgehalten.
Nun leiteten die Aktivitäten eines fernen Radiosterns eine neue Periode auf Lusamuntra ein. Die Wirkung auf die Dorls war deutlich feststellbar. Vergeblich hatte die Kleine Majestät mit Hilfe geistiger Impulse versucht, den Fischartigen über ihre unvermeidlichen inneren Konflikte hinwegzuhelfen.
Doch sie vernachlässigte deswegen nicht die notwendigen kosmopolitischen Aufgaben.
»Der Angriff muss überfallartig erfolgen!«, drängte Perry Rhodan. »Die Kleine Majestät darf keine Zeit finden, Schutzschirme zu errichten. Wir verzichten daher auf jede Erkundung und schlagen sofort zu.«
»Ohne uns vorher über die örtlichen Gegebenheiten zu informieren?«, fragte Atlan überrascht. »Ich habe erhebliche Bedenken.«
»Wir dürfen der Kleinen Majestät keine Zeit für Abwehrmaßnahmen lassen, geschweige denn CLERMAC zu alarmieren. Die Mutanten sollen vorab versuchen, über die planetaren Intelligenzen mehr zu erfahren. Cortwein Khan wird an der Aktion teilnehmen.«
»Cortwein Khan?«, fragte Atlan erstaunt. »Wer ist das?«
»Nicht einmal du kannst jeden Bewohner der SOL kennen.«
»Dieser Khan scheint ein Mutant zu sein, wenn ich dich richtig verstanden habe«, folgerte der Arkonide. »Wieso habe ich nie von ihm gehört?«
»Weil er jung ist. Und Siganese. Außerdem hat er sich kaum in der Öffentlichkeit sehen lassen. Daran ist er nicht interessiert.«
»Seine Fähigkeiten ...?«
»Er bezeichnet sich selbst als Energiefraktor«, antwortete Rhodan. »Cortwein ist in der Lage, Energiefelder zu durchdringen.«
»Ich verstehe«, entgegnete Atlan. »Er soll also den Energieschirm aufbrechen, den die Kleine Majestät vielleicht doch aufbauen kann.«
»So ist es.« Perry Rhodan runzelte die Stirn. »Es wird nur nicht ganz einfach sein, ihn davon zu überzeugen, dass wir ihn benötigen.«
»Jetzt machst du Witze.«
»Bei Cortwein Khan ist niemand vor Überraschungen sicher.« Der Terraner lächelte hintergründig. »Vielleicht bist du so nett, ihn zu bitten?«
Atlan schüttelte den Kopf. »Ich dachte immer, du hättest die Befehlsgewalt an Bord«, entgegnete er ironisch.
»Einem Cortwein Khan erteilt man keine Befehle«, sagte Perry Rhodan im gleichen Tonfall.
»Wo finde ich ihn?«
Rhodan gab eine knappe Erklärung.
Der Arkonide war neugierig auf den Siganesen, andernfalls wäre er nicht gegangen. Zugleich stellte er fest, dass der Freund sich verändert hatte, noch dazu in einer Weise, die Atlan beunruhigte. Er glaubte einfach nicht, dass die Kaiserin von Therm den Kristall nur als Auszeichnung oder Schmuck verschenkt hatte. Zudem fragte er sich, ob Perry sich wirklich keine Gedanken über den Kristall machte und leichtfertig alle damit zusammenhängenden Fragen überging oder ob er schon so abhängig geworden war, dass er sich keine Gedanken mehr machen konnte.
Als ihm Ribald Corello entgegenkam, wollte Atlan zunächst ausweichen, doch der Supermutant bemerkte die Absicht und beschleunigte seinen Trageroboter.
»Hast du es so eilig, Atlan?«, fragte er. »Wenn ich richtig vermute, dann beschäftigt dich Rhodan.«
»Warum sagst du – Rhodan?«
»Viele nennen ihn zurzeit nur Rhodan. Er ist uns ein wenig fremd geworden. Frage mich aber nicht, warum, ich könnte es dir nicht erklären. – Also gut, du hast auch über Perry nachgedacht.«
»Ich frage mich, wie es weitergehen soll«, gab Atlan zu. »Schön, wir haben in diesem Sonnensystem eine Kleine Majestät entdeckt. Lassen wir einmal beiseite, wieso Perry wusste, dass er hier ein solches Riesenhirn finden würde. Aber was ist, wenn es uns gelingen sollte, diese Kleine Majestät zu besiegen? Wohin fliegen wir dann?«
Die beiden ungleichen Männer blickten sich an. Atlan sah, dass der Mutant ihn verstand.
»Darüber habe ich auch nachgedacht. Ich weiß es nicht.«
»Perry wird zum nächsten Sonnensystem jagen, in dem er eine Kleine Majestät vermutet, danach zum übernächsten. Und dann immer so weiter? Wie viele Kleine Majestäten gibt es? Wann stoßen wir auf CLERMAC und seinen Auftraggeber BARDIOC? Irgendwann, sobald der Zufall es zulässt?«
»Wen darf ich melden?«
Atlan war schlichtweg überrascht, noch nie hatte ihn jemand an Bord der SOL nach seinem Namen gefragt.
Sein Gegenüber war ein schlanker Mann mit graumeliertem Haar. Er trug eine gestreifte Weste und darunter ein weißes Rüschenhemd, die Hose saß hauteng, und die Füße steckten in halbhohen Stiefeln mit weit ausgestelltem Schaft.
»Ich bin Atlan!«, erwiderte der Arkonide. »Melden Sie Cortwein Khan, dass Atlan ihn sprechen möchte.«
»Danke.« Der Mann wollte sich umdrehen, aber der Arkonide hielt ihn fest. »Darf ich Sie ebenfalls um Ihren Namen bitten?«
»Butler John.« Mit gezierter Geste streifte der Mann Atlans Hand ab und sagte verweisend: »Ich mag so etwas nicht.«
»Ich verstehe.« Atlan hatte Mühe, ernst zu bleiben. »Verzeihen Sie mir, bitte.«
Butler John nickte würdevoll, wandte sich um und verschwand in der Kabine. Als er eine Minute später zurückkam, trug er auf den gespreizten Fingern der rechten Hand ein silbernes Tablett, und auf diesem hockte wie ein feister Buddha der korpulenteste Siganese, den Atlan je gesehen hatte.
Cortwein »Jade« Kaltik Khan trug nur eine Art Lendenschurz. Sein Körper glänzte vor Fett, und sein Kopf war völlig kahl, so dass er tatsächlich aussah wie eine aus Jade geschnitzte Buddhafigur.
»Frage den Arkoniden, was er von mir will«, sagte Cortwein Khan. Atlan hatte eine helle und leise Stimme erwartet, stattdessen dröhnte ihm ein mächtiger Bass entgegen.
»Was wollen Sie von Jade?«, fragte Butler John.
Atlan verschränkte die Arme vor der Brust. Er grinste. »Donnerwetter«, sagte er anerkennend, »das nenne ich eine Show.«
Cortwein Khans Gesicht verdunkelte sich, zugleich flogen Atlans Arme auseinander, von einer unsichtbaren Kraft gezwungen, und er lief geradewegs auf die Gangwand zu. Es gelang ihm nicht, die Bewegung zu stoppen. Erst dicht vor der Wand erlosch der unheimliche Zwang.
»Sagtest du Show, Arkonide?«, fragte Cortwein »Jade« Khan mit Stentorstimme.
Atlan drehte sich langsam um. Er ließ die Arme sinken. »Allerdings, du verfettetes Etwas.«
Er erwartete, erneut von parapsychischen Kräften gepackt und über den Gang gewirbelt zu werden. Doch Khan legte den Kopf in den Nacken und lachte schallend. Dabei hielt er sich mit beiden Händen den mächtigen Bauch.
»Du hast Recht, Arkonide, ich bin in der Tat völlig verfettet«, sagte er, als er sich wieder beruhigt hatte. Er neigte sich nach vorn, kreuzte die Arme vor der Brust, kniff die Augen zusammen und flüsterte: »Ich wiege derzeit 861 Gramm. Wie findest du das?«
»Sensationell«, antwortete Atlan belustigt. »Und wann platzt du?«
Khan lachte erneut. Dabei wurde dem Arkoniden bewusst, dass der Siganese eine derartige Ausstrahlung besaß, dass er Butler John überhaupt nicht mehr bemerkte. Seine Aufmerksamkeit richtete sich allein auf Cortwein Khan. Endlich verstand er, weshalb Perry Rhodan so eigenartig von Khan gesprochen hatte.
»Du gefällst mir, Arkonide.« Der Siganese streckte den rechten Arm aus und winkte Atlan zu sich heran. »Was willst du von mir?«
»Nur eine Kleinigkeit, und sie wird dich nicht lange aufhalten. Wir haben ein Sonnensystem erreicht, in dem sich eine Kleine Majestät eingenistet hat. Ich soll dich von Rhodan bitten, uns zu helfen.«
Cortwein Khan blieb ernst. »Spotte nicht«, sagte er. »Majestäten sind schwer zu besiegen – schon gar nicht so!« Er schnippte mit den Fingern.
»Das ist richtig«, gab Atlan zu. »Deshalb benötigt Rhodan dich.«
Cortwein Khans Augen funkelten. »Leider habe ich überhaupt keine Zeit für solche Unannehmlichkeiten. Es ist mir einfach unmöglich, Rhodans Wünsche zu erfüllen.«
Atlan durchschaute ihn sofort. Er unterdrückte ein Lächeln, wandte sich um und ging davon. Als er das nächste Schott erreichte, blickte er kurz zurück und sah, wie sich das silberne Tablett aus Butler Johns Hand löste und wie ein Diskus hinter ihm herflog.
Das Tablett schoss im letzten Moment durch das sich schon wieder schließende Schott. Atlan runzelte die Stirn. »Was gibt es denn noch, Jade?«, fragte er.
»Rhodan bittet mich?«, fragte der Siganese. »Ist das wirklich wahr?«
»Es ist wahr.«
»Dann muss er vor einem unlösbaren Problem stehen«, stellte Cortwein Khan fest. »Er hofft verzweifelt, dass ich mich von dir erweichen lasse.«
»Das könnte sein«, sagte Atlan. »Du wirst also mit mir kommen?«
»Ich kann Rhodan nicht allein lassen, wenn er sich in solcher Not befindet.«
Quasutan blickte entgeistert auf ihre Füße und sah, dass sie tatsächlich dicht über dem Wasser schwebten. Unter ihr zogen gierig die ersten Pfeilfische vorbei. Triumphierend hob sie den Kopf.
Der Priester hob ihr flehend die Hände entgegen. »Verzeih meinen Hochmut, Göttin!«, rief er.
Die anderen sanken auf die Knie. Einige waren allzu eifrig; sie verlagerten das Gewicht auf eine Seite ihres Floßes und kippten es dadurch um. Von allen Seiten schossen die Raubfische heran, und plötzlich herrschte ein unglaubliches Chaos.
»Ruhig, bleibt ruhig!«, rief Quasutan. »Die Fische fliehen vor euch.« Tatsächlich verschwanden die gefährlichen Räuber in der Tiefe, ohne einen einzigen Dorl attackiert zu haben.
Quasutan fragte sich, ob sie wach war oder träumte. Doch schnell schob sie diese Frage zur Seite und beschloss, das eigenartige Erlebnis zu genießen, solange es andauerte. Sie hielt es für sicherer, auf ein Floß zu steigen, da es mit ihrer Autorität vorbei sein würde, falls sie überraschend doch ins Wasser stürzte.
»Rudert weiter zu der Insel!«, befahl sie.
Alle waren grenzenlos verwirrt, und die Kinder erfassten überhaupt nicht, was geschah; sie blickten mit stumpfen Augen ins Leere. Auch unter den Erwachsenen legte sich die Erregung bald, sie schienen sehr schnell zu vergessen, was sich ereignet hatte.
Allmählich wurde Quasutan klar, dass sie als Einzige alles mit klarem Verstand verfolgte. Die anderen wirkten wie betäubt, als hätten sie etwas zu sich genommen, was ihren Geist trübte.
Quasutan versuchte zu ergründen, warum das so war. Je näher sie der Insel kamen, desto mehr wurde ihre Aufmerksamkeit indes von den seltsamen Gebilden beansprucht, die aus dem Wasser ragten. Bald konnte sie erkennen, dass auf diesen schlanken Türmen Dorls kauerten, und schließlich erfasste sie, dass die Insel von einer Kolonie umgeben war.
Seltsamerweise reagierten die Bewohner der Wasserstadt nicht auf die Neuankömmlinge. Unbewegt hockten sie auf ihren Häusern und blickten mit stumpfen Augen auf das Meer hinaus.
Ein heißer Wind wehte von Norden, er trocknete Haut und Kiemen aus. Quasutan sprang ins Wasser, das hier kristallklar war. Die Sicht reichte viel weiter als in der Bucht, in der sie gelebt hatte. Sie sah, dass die Häuser sich unter Wasser fortsetzten und sich zu breiten Sockeln ausweiteten.
Neugierig tauchte sie, fand besondere Nahrungskammern und sogar technisches Gerät. Aber bisher hatte sie nur von solchen Dingen gehört und konnte nichts damit anfangen. Deshalb kehrte sie an die Wasseroberfläche zurück.
Die Flöße trieben schon zwischen den Wohntürmen. Quasutan hatte keine Lust, ebenso wie die anderen auf etwas zu warten, was vielleicht nie eintrat. Sie schwamm bis ans Ufer und kletterte aus dem Wasser.
Etwas Unsichtbares übte hier Druck auf ihren Geist aus. Quasutan sah sich um, doch sie konnte nicht mehr klar erkennen, was um sie herum war. Sie sah, dass einige Kanäle ins Innere der Insel führten, wo sich eine Art Becken auszubreiten schien. Aus einer Nebelbank ragten zwei mächtige schwarze Gebilde auf, wie Dorls sie nie zuvor gesehen hatten. Es waren künstliche Körper von wahrhaft gigantischen Ausmaßen. Sie erschienen Quasutan wie drohende, die Insel beherrschende Wächter.
Sie fragte sich, ob von diesen riesigen elliptischen Erscheinungen jene geheimnisvolle Kraft ausging, die alle Dorls zu dumpf vor sich hin brütenden oder sinnlos handelnden Geschöpfen werden ließ. In dem Moment tauchten wie aus dem Nichts drei fremdartige Gestalten vor ihr auf. Sie waren etwa so groß wie sie selbst, aber völlig schwarz. Quasutan empfand spontan Abscheu vor diesen Wesen, deren Körper zudem mit Stacheln bedeckt waren. Vor allem hatte jedes nur ein einziges großes Auge von strahlend blauer Farbe.
Quasutan erholte sich schnell von ihrem Erschrecken, als sie sah, wie schwerfällig die Fremden sich bewegten. Dass diese Wesen keine Tiere waren, bewiesen die breiten Gürtel um ihre Hüften. Darin steckten Geräte, deren Sinn und Funktion der Dorl rätselhaft blieben.
»Was wollt ihr von mir?« Sie bemerkte erst jetzt, dass sie als Einzige die Insel betreten hatte. Alle anderen hielten sich weiterhin im Wasser auf.
Quasutan hatte nicht erwartet, dass die Fremden ihr antworten würden. Umso überraschter war sie, als es ihr entgegenhallte: »Wir wollen mit dir reden. Hab keine Angst und bleib ruhig stehen.«
Sie fürchtete sich nicht. Sie fühlte sich überlegen, weil sie nicht wie die anderen Dorls beeinflusst werden konnte. Die Strahlung, die von der Insel kam, glitt wirkungslos an ihr ab.
Die drei Stachelhäuter rannten plötzlich überraschend behände auf sie zu. Quasutan erfasste, wie sehr sie sich geirrt hatte, warf sich herum und flüchtete zu den Klippen. Doch sie schaffte es nicht.
Einer ihrer Verfolger riss sie so heftig herum, dass sie zu Boden stürzte, einer der anderen richtete ein fremdartiges Gerät auf sie. Erschaudernd blickte Quasutan in ein rot glühendes Auge. Sie wusste nicht, was der Stachelhäuter da in der Hand hielt, aber sie begriff, dass ihr Leben an einem dünnen Faden hing. Mit einer Demutsgeste zeigte sie, dass sie ihren Widerstand aufgeben wollte.
»Steh auf!«, befahl einer der Fremden, und sie gehorchte. Die anderen Dorls saßen auf den Felsen und schienen überhaupt nicht wahrzunehmen, was geschah.
Entmutigt ließ Quasutan sich von den Stachelhäutigen wegführen.
Ihre anfängliche Furcht legte sich bald. Die Fremden bestraften sie nicht, sondern geleiteten sie zu einem schwarzen Kasten, der sich wie von Geisterhand bewegt erhob und sie alle zu den riesigen schwarzen Gebilden brachte.
Quasutan beruhigte sich vollends, als sie feststellte, dass die elliptischen Gebilde nichts anderes als Häuser waren. Ihr fiel sofort auf, dass es im Innern künstliches Licht gab. Das war ein Grund, sich den Fremden überlegen zu fühlen, denn sie selbst konnte sich sogar im Dunkeln orientieren.
Schließlich betraten sie einen Raum, in dem sich zwanzig weitere Fremde aufhielten. Über die Funktion der Sitzmöbel wurde Quasutan sich sofort klar. Unverständlich blieben ihr nur die vielen Fenster, die dicht nebeneinander lagen, aber dennoch verschiedene Bilder zeigten, als könne man durch sie in weit entfernte Räume blicken.
Ein Stachelhäuter, der einen höheren Rang einnahm, schickte ihre Begleiter mit energischer Geste weg. »Hast du so etwas schon einmal gesehen?«, fragte er freundlich.
»Nein«, gestand Quasutan. »Ein seltsames Haus ist dies.«
»Ein Haus, das fliegen kann. Bis hin zu den Sternen.«