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Nr. 98

 

Die Glaswelt

 

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

Der Sturz durch den so genannten Schlund schleuderte die Erde und den Mond in eine unbekannte Region des Kosmos. Dabei wurde der Heimatplanet der Menschheit fast vollständig entvölkert. Die wenigen Terraner, die noch auf der Erde leben, sehen sich mit einem übermächtigen Gegner konfrontiert: einer Kleinen Majestät.

 

Ähnliches gilt für die Besatzung des Fernraumschiffs SOL. Die Solaner werden zu Marionetten im Duell der Superintelligenzen BARDIOC und Kaiserin von Therm. Nachdem Perry Rhodan entführt wurde, folgt die SOL der Spur des unsterblichen Terraners.

 

Währenddessen droht dem neuen Nachbarplaneten der Erde die teilweise Vernichtung. Er soll halbiert werden, und das Mondgehirn NATHAN ergreift Partei für dieses Vorhaben. Drei Milliarden Konzepte erscheinen aus dem Nichts. Sie tragen jeweils mehrere menschliche Bewusstseine in sich und sollen die »Welt der Feuerflieger« übernehmen ...

Vorwort

 

 

Basiert unser Leben auf Zufällen? Die Beantwortung dieser Frage mag uns in zwei konträre Lager spalten. Die einen werden sagen, dass schon unser Kosmos nichts anderes sei als ein riesengroßer Zufall, der genau die Lebensbedingungen geschaffen hat, die wir nun einmal brauchen (man könnte das natürlich auch anders sehen und sagen, dass das entstehende Leben sich den vorhandenen Gegebenheiten anpassen musste, schlicht und einfach, weil keine anderen vorhanden waren. Wer weiß, wie wir aussehen würden, hätte es andere Bedingungen gegeben ...). Die andere Gruppe wird sich vehement sträuben und sagen, dass wir unser Schicksal selbst in der Hand halten, und wenn schon so genannte Zufälle greifen, dann sind wir und niemand sonst der Auslöser dafür mit unserem Tun oder Unterlassen.

Muss ich jetzt die Frage aufwerfen, zu welcher Gruppe all jene zählen, die jede Woche in Erwartung des großen Geldregens sechs Kreuze auf einen kleinen Tippschein machen? Eben! Auch das lässt beide Deutungen zu.

Zufällig habe ich jedoch den titelgebend in diesem Buch enthaltenen Roman »Die Glaswelt« bearbeitet, während die Medien lautstark verkündeten, der November des Jahres 2006 wäre der wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnung und liege letztlich um rund drei Grad Celsius über den bisherigen Durchschnittswerten.

Was unser europäisches Wetter mit einem Science-Fiction-Roman zu tun hat, der in der ersten Auflage im Oktober 1977 erschienen ist? Diese Frage kann jeder nach der Lektüre beantworten. Mir haben der Text und ebenfalls das, was zwischen den Zeilen zu finden ist, Anlass zur Nachdenklichkeit gegeben.

Ich wünsche uns, dass »Die Glaswelt« auf der Erde nie Realität wird. Vor allem wünsche ich jedoch viel Spaß und Kurzweil beim Lesen dieses Buches.

Mit Riesenschritten streben wir gemeinsam einem Meilenstein zu, dem Buch 100 unserer PERRY RHODAN-Silberbände. Die im vorliegenden Buch enthaltenen Originalromane sind: Die vierte Inkarnation (830) von William Voltz; Patrouille der MVs (831) von H. G. Ewers; Station der MVs (832) von H. G. Ewers; Orbit um Terra (833) von Hans Kneifel; Paradies der Feuerflieger (838) von Kurt Mahr; Das große Feuerwerk (839) von Kurt Mahr; Auf BULLOCS Spuren (840) von William Voltz sowie Die Glaswelt (841) von Clark Darlton.

 

Hubert Haensel

Zeittafel

 

 

1971/84 – Perry Rhodan erreicht mit der STARDUST den Mond und trifft auf die Arkoniden Thora und Crest. Mit Hilfe der arkonidischen Technik gelingen die Einigung der Menschheit und der Aufbruch in die Galaxis. Geistwesen ES gewährt Rhodan und seinen engsten Wegbegleitern die relative Unsterblichkeit. (HC 1–7)

2040 – Das Solare Imperium entsteht und stellt einen galaktischen Wirtschafts- und Machtfaktor ersten Ranges dar. In den folgenden Jahrhunderten folgen Bedrohungen durch die Posbis sowie galaktische Großmächte wie Akonen und Blues. (HC 7–20)

2400/06 – Entdeckung der Transmitterstraße nach Andromeda; Abwehr von Invasionsversuchen von dort und Befreiung der Völker vom Terrorregime der Meister der Insel. (HC 21–32)

2435/37 – Der Riesenroboter OLD MAN und die Zweitkonditionierten bedrohen die Galaxis. Nach Rhodans Odyssee durch M 87 gelingt der Sieg über die Erste Schwingungsmacht. (HC 33–44)

2909 – Während der Second-Genesis-Krise kommen fast alle Mutanten ums Leben. (HC 45)

3430/38 – Das Solare Imperium droht in einem Bruderkrieg vernichtet zu werden. Bei Zeitreisen lernt Perry Rhodan die Cappins kennen. Expedition zur Galaxis Gruelfin, um eine Pedo-Invasion der Milchstraße zu verhindern. (HC 45–54)

3441/43 – Die MARCO POLO kehrt in die Milchstraße zurück und findet die Intelligenzen der Galaxis verdummt vor. Der Schwarm dringt in die Galaxis ein. Gleichzeitig wird das heimliche Imperium der Cynos aktiv, die am Ende den Schwarm wieder übernehmen und mit ihm die Milchstraße verlassen. (HC 55–63)

3444 – Die bei der Second-Genesis-Krise gestorbenen Mutanten kehren als Bewusstseinsinhalte zurück. Im Planetoiden Wabe 1000 finden sie schließlich ein dauerhaftes Asyl. (HC 64–67)

3456 – Perry Rhodan gelangt im Zuge eines gescheiterten Experiments in ein paralleles Universum und muss gegen sein negatives Spiegelbild kämpfen. Nach seiner Rückkehr bricht in der Galaxis die PAD-Seuche aus. (HC 68–69)

3457/58 – Perry Rhodans Gehirn wird in die Galaxis Naupaum verschlagen. Auf der Suche nach der heimatlichen Galaxis gewinnt er neue Freunde. Schließlich gelingt ihm mit Hilfe der PTG-Anlagen auf dem Planeten Payntec die Rückkehr. (HC 70–73)

3458/60 – Die technisch überlegenen Laren treten auf den Plan und ernennen Perry Rhodan gegen seinen Willen zum Ersten Hetran der Milchstraße. Rhodan organisiert den Widerstand, muss aber schließlich Erde und Mond durch einen Sonnentransmitter schicken, um sie in Sicherheit zu bringen. Doch sie rematerialisieren nicht am vorgesehenen Ort, sondern weit entfernt von der Milchstraße im »Mahlstrom der Sterne«. Den Terranern gelingt es nur unter großen Schwierigkeiten, sich in dieser fremden Region des Universums zu behaupten. (HC 74–80)

3540 – Auf der Erde greift die Aphilie um sich, die Unfähigkeit des Menschen, Gefühle zu empfinden. Perry Rhodan, die Mutanten und andere gesund Gebliebene beginnen an Bord der SOL eine Reise ins Ungewisse – sie suchen den Weg zurück in die Milchstraße. (HC 81)

3578 – In Balayndagar wird die SOL von den Keloskern festgehalten, einem Volk des Konzils der Sieben. Um der Vernichtung der Kleingalaxis zu entgehen, bleibt der SOL nur der Sturz in ein gewaltiges Black Hole. (HC 82–84)

3580 – Die Laren herrschen in der Milchstraße, die freien Menschen haben sich in die Dunkelwolke Provcon-Faust zurückgezogen. Neue Hoffnung keimt auf, als der Verkünder des Sonnenboten die Freiheit verspricht. Lordadmiral Atlan sucht die Unterstützung alter Freunde, die Galaktische-Völkerwürde-Koalition (GAVÖK) wird gegründet. (HC 82, 84, 85)

Auf der Erde im Mahlstrom zeichnet sich eine verhängnisvolle Entwicklung ab. (HC 83)

3581 – Die SOL erreicht die Dimensionsblase der Zgmahkonen und begegnet den Spezialisten der Nacht. Um die Rückkehr zu ermöglichen, dringt ein Stoßtrupp in die Galaxis der Laren vor und holt das Beraghskolth an Bord. (HC 84, 85) Nur knapp entgeht die SOL der Vernichtung; die Entstehung des Konzils wird geklärt. (HC 86) Monate nach der SOL-Zelle-2 erreicht Perry Rhodan mit der SOL die Milchstraße und wird mit einer falschen MARCO POLO und dem Wirken eines Doppelgängers konfrontiert. Die Befreiung vom Konzil wird vorangetrieben. (HC 87, 88)

Im Mahlstrom halten der geheimnisvolle Plan der Vollendung und die PILLE die Menschen im Griff. Die Erde stürzt in den »Schlund«. (HC 86)

3582 – Alaska Saedelaere gelangt durch einen Zeitbrunnen auf die entvölkerte Erde (HC 88) und gründet mit einigen wenigen Überlebenden der Katastrophe die TERRA-PATROUILLE. (HC 91)

Die SOL fliegt aus der Milchstraße zurück in den Mahlstrom der Sterne (HC 89) und erreicht die Heimatgalaxis der Feyerdaler, Dh'morvon. Über die Superintelligenz Kaiserin von Therm eröffnet sich eine Möglichkeit, die Spur der verschwundenen Erde wiederzufinden. (HC 90, 91)

Die Inkarnation CLERMAC erscheint auf der Heimatwelt der Menschen, und das Wirken der Kleinen Majestät zwingt die TERRA-PATROUILLE, die Erde zu verlassen. (HC 93)

3583 – Die SOL erreicht das MODUL und wird mit dem COMP und dem Volk der Choolks konfrontiert. (HC 92) Hilfeleistung für die Kaiserin von Therm und der Kampf um die Erde. (HC 94)

In der Milchstraße machen die Laren Jagd auf Zellaktivatoren. (HC 93) Das Konzept Kershyll Vanne erscheint. (HC 95)

3584 – Perry Rhodan entführt die Inkarnation CLERMAC. (HC 96)

3585 – Die Invasionsflotte der Laren verlässt die Milchstraße. (HC 97)

Prolog

 

 

Wir schreiben das Jahr 3584 n. Chr. Seit vor nunmehr über 120 Jahren die Laren als Streitmacht des Konzils der Sieben in der Milchstraße einfielen, existiert das Solare Imperium der Menschheit nicht mehr.

Zwar konnte die Erde vor dem Zugriff der Invasoren bewahrt werden, aber der Preis dafür war hoch. Die Heimatwelt der Menschen wurde in die ferne Galaxis Ganuhr verschlagen und weitgehend entvölkert. ES hat rettend eingegriffen und zwanzig Milliarden Menschen in sich aufgenommen. Denn die neue kosmische Umgebung der Erde gehört zum Kriegsschauplatz zweier Superintelligenzen und ihrer Hilfsvölker. Die Kaiserin von Therm und BARDIOC stehen einander unversöhnlich gegenüber. Das bekommen auch Perry Rhodan und die Besatzung des gigantischen Fernraumschiffs SOL immer wieder zu spüren. Als sie glauben, einen Sieg errungen zu haben, wird Perry Rhodan zum Gefangenen des Gegners – seine Spur verliert sich im Sternendickicht von Ganuhr.

Und während in der Milchstraße der Achtzig-Jahre-Plan der Kelosker einen überraschenden Verlauf zeigt und die Hoffnung auf Freiheit weckt, sehen sich die wenigen Menschen auf Terra mit einem überraschenden Problem konfrontiert. Es geht um Goshmos Castle, die Nachbarwelt der Erde und Heimat der Feuerflieger. Nach dem Willen von ES soll der Planet schon bald nicht mehr in seiner bekannten Form existieren ...

1.

 

 

Custer hatte die Innenbahn, und für Preux Gahlmann bestanden keine Zweifel daran, dass sie das Rennen gewinnen würde. Allerdings wusste er zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass Fengor eine Robotmaus in das Feld genommen hatte, nicht etwa, um sich an seinen Freunden zu bereichern, sondern aus purem Übermut.

Die fünf Gen-Mäuse kauerten in ihren Startlöchern, sie wirkten leicht ängstlich und versuchten vergeblich, über die mit einer schwachen Energiebarriere abgesicherte Tralje zu springen.

Der Hangaringenieur Gahlmann hatte zehn Solar auf Custer gesetzt.

Das Rennen fand in Fengors Labor statt, es hatte sozusagen einen halb offiziellen Status. Natürlich gab es an Bord der SOL keine Mäuse; die fünf oder sechs Tierchen, die beim letzten Aufenthalt im Medaillon-System an Bord geschmuggelt worden waren, lebten längst nicht mehr. Aber Fengor, der eine Schwäche für genetische Spielereien hatte, war in den Besitz eines Stückchens Mäuseschwanz gelangt, und das hatte ihm genügt, um diese fünf – eigentlich nur vier, wie sich innerhalb der nächsten Minuten herausstellen sollte – Gen-Mäuse zu züchten.

Custer war dunkelbraun, schlank und langbeinig, sie besaß lange seidige Schnurrbarthaare und einen kurzen nackten Schwanz. Neben ihr waren Lordy, Fantom, Ark und Über-Bär in die Startlöcher eingeklemmt. Der fette Über-Bär hatte offensichtlich Atemschwierigkeiten, aber Gahlmann ließ sich davon nicht beeindrucken. Es war durchaus möglich, dass die Fettleibigkeit des Mäuserichs einer von Fengors Tricks war.

»Fertig?«, erkundigte sich Fengor. »Noch kann gesetzt werden.«

Die Assistenten des Molekularbiologen nickten.

»Los!« Fengor klappte die Startleiste nach oben.

Der Start war eine lahme Angelegenheit, denn keine der Mäuse schien zu wissen, was von ihnen erwartet wurde. Dann schoss Lordy in die Spur und gewann sofort einen beträchtlichen Vorsprung.

Gahlmann beugte sich ärgerlich über den Rennkasten und klopfte mit der Faust dagegen. »Custer!«, feuerte er seine Favoritin an. »Willst du endlich laufen!«

Die Maus setzte sich humpelnd in Bewegung – leider in die entgegengesetzte Richtung, was von Fengors Mitarbeitern johlend begrüßt wurde. Gahlmann strich die zehn Solar von seiner Habenseite und beobachtete mürrisch den Ausgang des Rennens.

Lordy huschte als Erste über die Ziellinie, erst Sekunden hinter ihr tappte Über-Bär über die schwarze Markierung.

»Seht her!«, sagte Fengor und holte Lordy mit einem Griff aus dem Rennkasten. Er klappte den Bauch der Maus auf und zog einen kleinen Motor hervor.

»Du alter Gauner!«, schimpfte Gernot Boysen. »Das ist überhaupt keine Gen-Maus. Ich lege Protest ein.«

Fengor sammelte die vier Gen-Mäuse ein und steckte sie in ihren Käfig. »Ich werde euch sagen, was ...«

In diesem Moment betrat Premisch Dorgon das Labor. Er war der Sektionsleiter des Labortrakts, ein hoch aufgeschossener SOL-Geborener von zweiunddreißig Jahren. Gahlmann beobachtete, dass die bleiche Gesichtshaut des Wissenschaftlers von Flecken durchsetzt war.

»Immer für ein Spielchen aufgelegt, was?«, rief Dorgon ironisch.

»Ich weiß nicht, was du dagegen einzuwenden hast«, entgegnete Fengor. Er war nicht nur äußerlich das krasse Gegenteil von Dorgon. Seine oft rauen Späße waren der Anlass vieler Diskussionen der SOL-Geborenen, die hier in der SOL-Zelle-1 arbeiteten. Fengor war untersetzt und muskulös. Seine kleinen Augen hinter den wulstigen Brauen verliehen ihm einen listigen Eindruck.

»Gen-Experimente außerhalb des offiziellen Programms sind verboten!«, herrschte Dorgon ihn an. »Gib mir die Mäuse, ich werde sie wegschaffen.«

»Wegschaffen? Du meinst, du wirst sie in einen Konverter werfen?«

»Genau das ist meine Absicht!«

Fengor blickte auf den Käfig, als müsse er stumme Rücksprache mit seinen Züchtungen halten.

»Du bekommst sie nicht!«, erklärte er, als er wieder aufschaute.

»Das ist ein Befehl!« Dorgons Blässe schien sich noch zu vertiefen.

Gahlmann stellte sich zwischen die beiden. Er hatte das untrügliche Gefühl, dass sowohl Dorgon als auch Fengor bereit waren, eine gewisse Grenze zu überschreiten – und das musste er verhindern.

»Korrekt gesehen bin ich der Ranghöchste unter den Anwesenden«, verkündete er sanft. »Zwar gehöre ich zum technischen Personal, aber das tut nichts zur Sache. Wir sind alle gereizt, deshalb dürfen wir aber nicht aufeinander losgehen.«

»Er hat recht«, bekräftigte Boysen. »Preux Gahlmann ist der Ranghöchste, und er hat Fengor die Erlaubnis für dieses Spiel gegeben.«

Gahlmann verwünschte ihn dafür, denn obwohl Boysen es gut meinte, verschlimmerte er die Situation. Doch Dorgon stand nur da, und seine Hände öffneten und schlossen sich, als würde er in Gedanken etwas Unsichtbares zerquetschen.

»Ihr steht hier und spielt«, sagte Dorgon düster. »Ihr spielt und lasst zu, dass währenddessen unser Schiff besudelt wird. Ja, besudelt, sage ich. Es wird verunreinigt und geschändet.«

Gahlmann hatte schon immer geargwöhnt, dass Dorgon eine übertriebene religiöse Neigung besaß, und diese Worte waren eine deutliche Bestätigung dafür.

»Keiner von uns ist damit einverstanden«, bemerkte Fengor, zum Einlenken bereit. »Joscan Hellmut hat unseren Protest vorgebracht, aber sie stören sich nicht daran.«

»Sie?«, wiederholte Boysen. »Du meinst, er stört sich nicht daran.«

»So einfach ist das nicht!«, rief Gahlmann. »Hellmut legte nur einen formellen Protest ein. Im Grunde genommen waren wir mehr oder weniger alle damit einverstanden, die Inkarnation zu entführen.« Er lächelte humorlos. »Allerdings hat keiner von uns damit gerechnet, dass es gelingen würde. Nun haben wir die Inkarnation in einem Lagerraum der SZ-1, und keinem von uns ist wohl dabei. Allerdings halte ich es für unfair, Perry Rhodan zu beschuldigen.«

Dorgon hob den Kopf. »Spürt ihr es nicht?«, fragte er leise. »Etwas Widerwärtiges und Fremdes ist in unser Schiff eingedrungen und versucht, Besitz davon zu ergreifen.«

Gerrit, ein junger Chemiker, lachte unsicher.

»Wir machen uns Sorgen, das ist alles«, stellte Fengor fest. »Niemand spürt etwas.«

»Weshalb darf kein anderer als die ausgewählten Wissenschaftler und Besatzungsmitglieder in den Lagerraum?«, erkundigte sich Dorgon. »Warum wurden die SZ-2 und das Mittelteil von der SZ-1 abgekoppelt?«

»Eine reine Vorsichtsmaßnahme«, meinte Gahlmann.

»Seid still!«, schrie Dorgon. »Lauscht in euch hinein! Da könnt ihr spüren, wie es wispert und nagt ... Ich fühle es deutlich – und es geht von diesem Lagerraum in den unteren Decks aus.«

»Halt deinen verdammten Mund!«, sagte Gahlmann trocken. »Willst du unsere jungen Leute verrückt machen?«

Insgeheim war er nicht so selbstsicher, wie er sich gab. Konnte nicht auch er eine unheimliche Ausstrahlung fühlen, die von dem fremden Gebilde im Lagerraum ausging? Hatte sich nicht die gesamte Atmosphäre an Bord geändert? Und bedeutete die von Rhodan befohlene Trennung des Schiffes wirklich nur eine Präventivmaßnahme?

»Jeder von uns wüsste gern, was in dem Lagerraum geschieht«, sagte Fengor nachdenklich.

»Wir können uns eine gewisse Vorstellung von den Vorgängen machen«, behauptete Boysen. »Die Halle wurde in ein Labor umgewandelt. Die Wissenschaftler und die Mutanten sind damit beschäftigt, das Rätsel dieser Wesenheit zu ergründen.«

»Eine erloschene energetische Sphäre mit einer paralysierten unbegreiflichen Existenzform in ihrem Innern«, sagte der junge Gerrit. »Wir haben schon Schwierigkeiten damit, das Gebilde zu umschreiben.«

Draußen im Korridor klangen Schritte auf. Gleich darauf streckte Joscan Hellmut den Kopf herein.

»Riechen Sie jeden Ärger?«, fragte Gahlmann spontan.

Hellmut schüttelte den Kopf und sah sich um. Sein Blick blieb schließlich an Dorgon hängen. »Ich habe Sie gesucht«, eröffnete er. »Sie sollen mich in den Lagerraum begleiten. Kelkor möchte Sie dabeihaben.«

Kelkor war einer der Wissenschaftler für extraterrestrische Biologie, erinnerte sich Gahlmann. Er war nicht auf der SOL geboren, aber er hatte schon oft mit Dorgon zusammengearbeitet. Eigentlich waren Kelkor und Dorgon kein Gespann, von dem man annehmen konnte, dass es gut funktionierte. Auf der einen Seite Dorgon mit seiner Schwäche für Okkultismus, auf der anderen Seite der geradezu knochentrockene alte Mann.

Gahlmann beobachtete Dorgon, weil er auf dessen Reaktion gespannt war und sogar damit rechnete, dass Dorgon das Ansinnen ablehnen würde.

»Dann kannst du ja selbst nachsehen, was da unten los ist«, bemerkte Fengor sarkastisch.

»Habt ihr deshalb gestritten?«, wollte Hellmut wissen.

»Wir hatten ein Mäuserennen.« Gahlmann lachte verhalten.

Der Sprecher der SOL-Geborenen warf Fengor einen Blick zu, und dieser griff in seine Kitteltasche und holte die Bruchstücke der Robotmaus hervor. Er legte sie in die offene Hand, die Hellmut ihm entgegenhielt.

»Ich werde Sie begleiten, Joscan«, sagte Dorgon in diesem Augenblick.

»Wir würden alle gern dabei sein«, erklärte Gahlmann.

Hellmut lachte ablehnend und ging mit Dorgon hinaus.

Gahlmann warf die Tür zu, dann sah er sich im Kreis der anderen um. »Premisch Dorgon wird uns einen genauen Bericht geben, sobald er zurückkommt!«

»Wenn er zurückkommt«, argwöhnte Gerrit.

»Hat er dich schon angesteckt?«, fragte Fengor irritiert. »Früher oder später wird die Schiffsführung herausfinden, was wir uns da eingefangen haben.«

»Und danach?«, fragte Gahlmann ironisch.

Die anderen schauten ihn verblüfft an, und er erkannte, dass sie überhaupt noch nicht nachgedacht hatten, was nach einer erfolgreichen Untersuchung geschehen würde. Er hatte deshalb schon ein kurzes Gespräch mit Hellmut geführt. Der Sprecher der SOL-Geborenen war überzeugt davon, dass Perry Rhodan versuchte, eine Spur zu BARDIOC zu finden.

Seit seiner frühesten Jugend versuchte Gahlmann, immer einen Sinn in der Handlungsweise anderer Menschen zu erkennen. Er bemühte sich darum, ihre Beweggründe zu verstehen und ihre Gefühle zu analysieren. Dadurch war es ihm möglich, eine manchmal fast prophetische Gabe dafür zu entwickeln, was in der nahen Zukunft geschehen würde. Rhodans Motivation zu ergründen fiel ihm jedoch schwer.

Ob der Kristall der Kaiserin von Therm doch eine Rolle spielte?

Perry Rhodan hatte die Besatzung wissen lassen, dass er einen freien Willen besaß und keineswegs ein Söldner der Duuhrt war. Aber das war seine subjektive Feststellung. Auch die Tatsache, dass die Mutanten keine Hinweise für eine Beeinflussung Rhodans durch fremde Mächte finden konnten, besagte im Grunde genommen überhaupt nichts.

Falls er doch ein Werkzeug der Kaiserin von Therm war – wofür wurde er dann von ihr benutzt? Sollte er BARDIOC finden und vernichten? Oder war er als Unterhändler unterwegs?

Vielleicht handelte Perry Rhodan tatsächlich aus eigenem Antrieb. Dann war seine Motivation halbwegs klar. Er wollte verhindern, dass die Kaiserin von Therm und BARDIOC heftig aufeinanderprallten und dass dabei die Menschheit und viele andere Völker aufgerieben wurden. In dem Fall zeugte sein Plan jedoch von Selbstüberschätzung und Vermessenheit.

»Die Wahrheit wird irgendwo in der Mitte liegen«, murmelte Gahlmann.

»Was sagst du?«, erkundigte sich Fengor.

»Wir wiederholen das Rennen!« Gahlmann sprach jetzt lauter. »Joscan hat die Robotmaus, sodass du uns diesmal nicht wieder aufs Kreuz legen kannst.«

Fengor holte den Käfig mit den vier Gen-Mäusen. »Ich fürchte, dein Zutrauen in Custer ist erschüttert. Wie wäre es diesmal mit Über-Bär?« Er nahm die Mäuse aus dem Käfig und setzte sie in den Rennkasten. Nach einiger Zeit gelang es ihm, sie in die Startlöcher zu treiben und mit der Startleiste festzuklemmen.

Es kam Gahlmann in den Sinn, dass diese Tiere aus einem kleinen Zellklumpen entstanden waren. Fengor hatte lediglich den genetischen Kode benötigt, um sie zu reproduzieren. Solche Gedanken pflegten ihn zu bedrücken, denn sie führten ihm nur allzu deutlich vor Augen, was er selbst war.

Immerhin gab es einen tröstlichen Unterschied. Er selbst besaß Bewusstsein und Verstand. Diesem Unterschied hatte er es zu verdanken, dass er zu jenen gehörte, die jetzt die Mäuse laufen ließen ...

 

Das Gefühl, zwischen allen Stühlen zu sitzen, war für Joscan Hellmut nicht neu, aber er empfand es zum ersten Mal als eine unerträgliche Belastung. Das hing zweifellos damit zusammen, dass er einerseits genau wie Perry Rhodan an der Lösung des Rätsels der Inkarnation interessiert war, andererseits aber die Entführung dieser Wesenheit an Bord der SOL als ein unerträgliches Sicherheitsrisiko für das Schiff ansah. Dabei hatte er diesem wahnsinnigen Plan zugestimmt.

Er konnte nicht genau definieren, warum, aber er spürte nicht nur die Nähe dieser unheimlichen Wesenheit, sondern auch, dass sie eine unvorstellbare Bedrohung für ihn und alle anderen Besatzungsmitglieder darstellte.

Unwillkürlich warf er dem neben ihm gehenden Mann einen Seitenblick zu. Ob Premisch Dorgon ahnte, welche Gedanken ihm durch den Kopf gingen?

Dorgon machte ein verbissenes Gesicht, wie jemand, der sich völlig auf eine bestimmte Sache konzentrieren musste. Seine Augen besaßen einen fiebrigen Glanz.

Für einen Augenblick vergaß der Kybernetiker seine Sorgen und konzentrierte sich auf seinen Begleiter.

»Sind Sie krank?«, erkundigte er sich.

»Krank?« Dorgons Gesichtsausdruck wurde noch eine Spur düsterer. »Ich bin krank vor Angst um unser Schiff, wenn Sie das meinen.«

»Das verstehe ich. Es ergeht mir nicht besser.«

»Aber Sie leisten diesem Unternehmen Vorschub!«, sagte Dorgon wütend.

»Ich bin der Sprecher der SOL-Geborenen, nicht der Schiffskommandant«, erinnerte Hellmut. »Niemand profitiert davon, wenn das Verhältnis zwischen den Interessengruppen schlechter wird. Wir haben die Pflicht, uns untereinander zu arrangieren, vor allem, wenn es um allgemeine Interessen der Menschheit geht.«

»Ich sehe nicht, wo in diesem Fall unsere Interessen tangiert werden«, behauptete Dorgon. »Uns kann die Inkarnation völlig gleichgültig sein. Wir brauchen nur mit der SOL weiterzufliegen und sind alle Sorgen los.«

»So einfach ist das?«, fragte Hellmut spöttisch. »Ich weiß nicht, was Sie und Ihresgleichen immer wieder dazu verführt, sich in einer isolierten und exponierten Stellung zusehen. Sie sind Menschen, genau wie die Terraner an Bord, auf der Erde und irgendwo in der Heimatgalaxis.«

»Glauben Sie, dass man Sie erneut zum Sprecher wählen wird?«, fragte Dorgon beziehungsvoll.

»Natürlich«, sagte Hellmut.

Dorgon lachte nur und nährte damit Hellmuts geheime Angst, dass die bevorstehende Wahl in einer extremen Situation stattfinden und einen Radikalen an die Spitze bringen könnte.

»Reißen Sie sich zusammen!«, beschwor er Dorgon. »Verhalten Sie sich gegenüber den Wissenschaftlern im Lagerraum kooperativ.«

»Keine Sorge«, sagte Dorgon gepresst. »Ich werde Kelkor davon zu überzeugen versuchen, dass wir das verdammte Ding über Bord werfen müssen, wenn wir nicht alle zugrunde gehen wollen.«

Sie erreichten den äußeren Wachring. Niemand konnte Rhodan und den anderen Verantwortlichen Leichtfertigkeit vorwerfen. Nachdem die SOL den verfolgenden Hulkoos entkommen war, hatte er eine Reihe von Sicherheitsmaßnahmen eingeleitet.

Die SZ-1, in der sich die Sphäre mit der paralysierten Inkarnation befand, war von den beiden anderen Schiffszellen getrennt worden. Die SZ-2 mit dem Mittelteil schwebte etliche zehntausend Kilometer entfernt.

Um den Lagerraum war ein doppelter Sicherheitsring gebildet worden.

Der äußere Ring bestand in einer Absperrung aller Zugänge. Sie wurden von Robotern und Raumfahrern bewacht. Wer hier vorbei wollte, brauchte die Erlaubnis von Perry Rhodan, der sich selbst im Lagerraum befand, und von Atlan, der sich in der Zentrale der SOL-Zelle-1 aufhielt.

Auch Joscan Hellmut und Premisch Dorgon wurden von zwei Robotern und einem bewaffneten Mann aufgehalten. Über Interkom fragte der Wächter nach und erhielt die erforderlichen Genehmigungen.

Wenig später erreichten Hellmut und Dorgon die Energiebarriere des inneren Sicherheitsrings. Die Prozedur wiederholte sich auf ähnliche Weise. Dann wurde eine Strukturlücke geschaltet, gerade ausreichend, um sie passieren zu lassen.

Ein beklemmendes Gefühl legte sich auf Hellmuts Brust. Ihm war, als hätte die Nähe der Inkarnation Einfluss auf sein Wohlbefinden. Aber das war natürlich Unsinn.

»Spüren Sie es?«, flüsterte Dorgon lauernd. »Es legt sich um Ihr Fühlen und Denken wie ein unsichtbares Netz.«

»Einbildung«, sagte Hellmut rau. »Unsere Fantasie spielt uns einen Streich.«

Sie gingen den verlassenen Korridor bis zur nächsten Kreuzung. Rechter Hand lagen der Maschinenraum, die Montagehalle und die zentrale Klimasteuerung. Vor ihnen befanden sich die Zugänge zum Hangar.

Lagerraum Nr. 23 lag auf der linken Seite.

Zwei Dutzend bewaffnete Männer hatten Posten bezogen, gemeinsam mit der doppelten Zahl von Kampfrobotern. Hellmut sah einen großen Paralyseprojektor, eine fahrbare Impulskanone und drei schwere Desintegratoren. Darüber hinaus war die Gruppe mit Peil- und Ortungsgeräten ausgerüstet.

Ein schlanker Mann im Schutzanzug trug trat ihnen entgegen. Mit einem Blick durch die Sichtscheibe seines Helmes stellte Hellmut fest, dass er es mit Fellmer Lloyd zu tun hatte, dem Anführer des Mutantenkorps. Lloyd war Telepath und Orter.

»Man hat mich von Ihrer Ankunft unterrichtet, meine Herren«, sagte der Mutant. »Ich habe den Befehl, Sie passieren zu lassen.«

»Warum sind Sie hier draußen?« Hellmut hatte einen bestimmten Verdacht.

Lloyd lächelte. »Als Telepath stehe ich ständig mit allen in dem Lagerraum in Kontakt! Sobald etwas schiefgeht, bemerke ich es, bevor die Alarmanlagen reagieren. Dann verschweißen wir diesen Zugang. Niemand kann dann noch heraus.«

»Heißt das ...?«

»Das heißt, dass wir alle in dem Raum in ihrem eigenen Saft schmoren lassen, sobald nur die geringste Gefahr für das Schiff erkennbar werden sollte«, ergänzte Lloyd bereitwillig.

Und er, Joscan Hellmut, musste sich nun auf die andere Seite des schweren Sicherheitsschotts begeben – dorthin, wo die Inkarnation war. Sobald sich das Schott hinter ihm schließen würde, konnte er nur darauf hoffen, dass es zu keinem Zwischenfall kommen würde.

 

Auf den ersten Blick wirkte das Innere des Lagerraums chaotisch. Maschinen und Messinstrumente waren zu Dutzenden aufeinandergestapelt oder hingen an den Regalen und Säulen. Die führenden Wissenschaftler hatten jeder für sich einen kleinen Bereich geschaffen, von dem aus sie ihre Untersuchungen führten. Tische und Stühle standen scheinbar wahllos herum, dazwischen bewegten sich ein paar hundert Roboter und erfüllten die Anweisungen ihrer nimmermüden Auftraggeber. Ein unheilvolles Stimmengewirr erfüllte die Halle.

Die Sphäre mit der Inkarnation, die, von Antigravfeldern gehalten, etwa in der Mitte des Raumes einen halben Meter über dem Boden schwebte, war im Gegensatz zu allen Einrichtungsgegenständen so andersartig, dass sie sofort auffiel. Sie war zudem beinahe wie ein ruhender Pol inmitten des Chaos.

Joscan Hellmut fühlte sich von diesem Gebilde magisch angezogen. Obwohl die Sphäre nach den Berichten jener, die sie schon aktiv gesehen hatten, viel von ihrer Faszination verloren hatte. Sie zeigte sich nicht mehr in ein fluoreszierendes Leuchten gehüllt, sondern erinnerte eher an einen dunklen, deformierten Wassersack.

Hellmut fragte sich, was sich hinter der schwarzen Hülle aus unbekanntem Material verbergen mochte.

Ein untersetzter Mann kam auf Dorgon und ihn zu. Es mutete ein wenig seltsam an, dass Mat Koljew, einer von Kelkors Assistenten, einen schweren Desintegrator im Gürtel trug.

»Premisch Dorgon?«, fragte Koljew.

Zu seinem Erstaunen sah Hellmut, dass Dorgon zitterte. Offenbar fürchtete der SOL-Geborene sogar, seine Stimme nicht in der Gewalt zu haben, denn er reagierte auf die Frage nur mit einem heftigen Nicken.

»Kommen Sie, Kelkor wartet schon!«, sagte der Assistent.

Die beiden gingen davon, und Hellmut kam sich allein gelassen vor. Doch Augenblicke später entdeckte er das Roboterpärchen Romeo und Julia und ging auf sie zu.

»Guten Tag, Joscan«, sagte unvermittelt eine Stimme neben ihm. Sie war ihm so vertraut, dass er sie unter tausend anderen erkannt hätte.

»Bjo, ich bin froh, dich zu sehen!«, rief er.

Der rot-braun gefleckte Katzer, wie Bjo Breiskoll seines ungewöhnlichen Äußeren wegen genannt wurde, trug einen Schutzanzug und hatte den Helm geschlossen.

»Alle Mutanten sind hier«, erklärte er. »Wir haben den Befehl, die Inkarnation rund um die Uhr zu beobachten.«

»Du kannst sie sehen?«

»Nein«, antwortete der junge Mutant ernst. »Sie ist paralysiert. Ich kann sie nur fühlen.«

»Wie kommt ihr voran?«

»Die Wissenschaftler haben gerade erst mit den Untersuchungen begonnen. Wir müssen vorsichtig sein, denn wir wollen das Ding in der Sphäre nicht umbringen. Ich glaube, die Wissenschaftler versuchen zunächst herauszufinden, aus was dieses Gebilde besteht, danach werden sie bestimmt einen Weg finden, einen Blick in das Innere zu werfen.«

»Ist das nicht schon längst geschehen?«, fragte Hellmut erstaunt.

Bjo schüttelte den Kopf. »Sie haben versucht, das Ding zu durchleuchten, aber das ist nicht so einfach. Es hat den Anschein, als befänden sich an seiner Innenwand energetische Strukturen, die nicht so leicht aufzulösen sind.«

»Was ist mit Infrarotspürern und Ultraschallortungen?«

»Das funktioniert alles nicht.«

Ihr Gespräch wurde unterbrochen, denn Perry Rhodan hatte Hellmut gesehen und kam auf ihn zu.

Der große Terraner sah übermüdet aus, fand Hellmut.

»Die SOL-Geborenen haben eine neue Resolution gefasst?«, argwöhnte Rhodan halb im Scherz. »Sie sind gekommen, um sie mir zu übergeben?«

»Nein«, entgegnete Hellmut. »Aber die Stimmung ist trotzdem nicht gut.«

»Deshalb?« Rhodan deutete auf die erloschene Sphäre.

»Viele glauben, die Inkarnation könnte der SOL gefährlich werden!«

»Wollen Ihre Freunde nicht wissen, wer oder was diese Inkarnation ist?«, fragte Rhodan erstaunt. »Menschen sind im Allgemeinen neugierig.«

»Die Sicherheit des Schiffes geht über die Befriedigung dieser Neugier. Aber damit gebe ich nur die Stimmung wieder. Es gibt keine konkreten Bestrebungen, etwas gegen diese Untersuchung zu unternehmen, jedenfalls bisher nicht.«

Rhodan breitete die Arme aus. »Sehen Sie sich um«, empfahl er. »Sie können Ihren Freunden dann von unseren Sicherheitsvorkehrungen berichten.«

Er ging davon.

»Ich glaube, er würde sich ein bisschen mehr Unterstützung von uns SOL-Geborenen wünschen«, sagte Bjo Breiskoll. »Er lässt es sich nicht anmerken, aber es macht ihm zu schaffen, dass er ständig gegen den Willen von zwei Dritteln der Besatzung handeln muss.«

»Er muss das nicht!«, korrigierte Hellmut.

»Ich wurde auch auf dem Schiff geboren«, sagte der Katzer. »Aber die Art und Weise, wie viele von uns die SOL als ihr persönliches Eigentum ansehen, halte ich nicht für richtig.«

Hellmut antwortete nicht, denn er sah, dass eine Gruppe von Männern und Frauen damit beschäftigt war, schwere Sensoren an dem Behältnis der Inkarnation zu befestigen. Zu diesem Zweck hatten die Raumfahrer Schutzhandschuhe angelegt, die unmittelbar nach Ausführung der Arbeit in sterile Behältnisse gelegt wurden.

»Was geschieht aktuell?«

»Neue Messungen«, sagte Bjo. »Die Wissenschaftler wollen herausfinden, welche Konsistenz das Material hat.«

»Was, glaubst du, befindet sich im Innern der Sphäre?«

Der Katzer hob die Schultern. »Ich weiß es nicht, Josc. Vielleicht – nichts.«

»Nichts?« Hellmut lachte auf. »Denkst du, die Inkarnation wäre uns entkommen?«

Seine Blicke wanderten durch den Lagerraum und blieben an Ras Tschubai hängen. »Wurde schon daran gedacht, Ras oder Gucky in die Kugel teleportieren zu lassen?«

»Das kann doch nicht dein Ernst sein!«, rief Bjo erschrocken.

Hellmut sah dem Jungen in die schräg stehenden Augen. »Wenn dieser Wahnsinn hier Methode hat, würde das eigentlich dazu passen«, sagte er dumpf.

 

Die Rückkehr aus dem Nichts war für die drei Zustandsformen der Inkarnation, CLERMAC, SHERNOC und VERNOC, mit der schrecklichen Erkenntnis verbunden, dass sie überlistet worden war. Sie befand sich nicht an Bord eines Hulkoo-Schiffes, sondern in einem Raum der SOL. Diese ungeheuerliche Vorstellung lähmte die Inkarnation und drohte sie in die uferlose Schwärze zurückzustoßen, aus der sie erst aufgestiegen war.

Sie unterdrückte den Impuls, blindlings gegen alles loszuschlagen, was sich in ihrer unmittelbaren Umgebung befand, denn das hätte zweifellos dazu geführt, dass sie erneut paralysiert wurde.

Nein!, dachten CLERMAC, SHERNOC und VERNOC unisono.

Sie durften sich nicht regen und mussten auf der untersten Stufe des Bewusstseins verharren und somit verbergen, dass sie erwacht waren. Zunächst galt es, die Bedingungen der Gefangenschaft zu erkunden und die Stärke der Wächter zu ergründen.

CLERMAC und SHERNOC zogen sich zurück und überließen VERNOC, dem Blender, das Feld.

In dieser Sekunde kam der zweite Schock. Die drei Zustandsformen der Inkarnation BARDIOCS begriffen, dass sie nicht mehr allein waren.

BULLOC war erwacht!

Sie sollten nie Gelegenheit erhalten, genau zu ergründen, weshalb BULLOC sich ausgerechnet in der Phase völliger Bewusstlosigkeit stabilisiert hatte. Seit Jahren wuchs er innerhalb der Sphäre heran, und gelegentlich waren die drei ursprünglichen Inkarnationsformen von dumpfen Ahnungen überfallen worden. Voller Unbehagen hatten sie BULLOC in ihrem Daseinskreis registriert. Sie hatten seine unvorstellbare Macht gefühlt und sich nicht ohne Sorgen gefragt, wie sie an seiner Seite existieren sollten.

Nun begriffen sie mit einem Schlag, dass niemals an ein Nebeneinander gedacht worden war. BULLOC würde sich ausbreiten und die Sphäre allein beherrschen. Diese Erkenntnis signalisierte einen erbarmungslosen Kampf um Leben und Tod.

Trotz seiner Erschütterung ließ VERNOC diese Gedanken an seine beiden anderen Zustandsformen durchsickern. »Wir sind überholt«, dachte er bestürzt. »BULLOC betrachtet uns als Existenzgerümpel, das er zur Seite räumen wird.«

Die vierte Inkarnation schien über ihnen zu schweben und sie mit gelassenem Interesse zu beobachten, wie eine Gruppe primitiver Tiere, deren Verhaltensweise es zu ergründen galt. Er war zusammen mit ihnen erwacht und reckte sich innerhalb der erkalteten Sphäre. Er fühlte sich nicht wohl, wusste aber, dass dies nur ein vorübergehender Zustand sein würde.

CLERMAC und SHERNOC schlossen wieder zu VERNOC auf, zusammen bildeten sie eine vor Entsetzen starre Wesenheit, die zu keinem klaren Entschluss fähig war.

BULLOC, der aus ihnen hervorgegangen war, registrierte ihr Verhalten amüsiert. Dass auch er ein Gefangener der Menschen war, kümmerte ihn wenig. Er war so selbstbewusst, dass er nicht daran zweifelte, das ändern zu können, wann immer er sich darum bemühte.

Eine Zeit lang beobachteten sich beide Parteien gegenseitig, ohne dass sich die Starre der drei alten Zustandsformen gelöst hätte. Sie konnten ihre übermächtige Angst nicht niederkämpfen.

»Schluss damit!«, dachte BULLOC schließlich verdrossen. »Nun bin ich die alleinige Inkarnation BARDIOCS und der Herrscher über diese Sphäre. Zieht euch in den Hintergrund zurück, damit ich überlegen kann, was zu geschehen hat.«

Dies war eine mehr oder weniger verschleierte Aufforderung zur Selbstaufgabe. Die drei alten Zustandsformen versteiften sich.

BULLOC jedoch nahm ihre Haltung nach wie vor nicht ernst.

»Es ist im Interesse des Meisters«, dachte er. »BARDIOC hat mich entstehen lassen, weil ich besser als ihr für seine Interessen eintreten kann. Denkt an die erbarmungswürdige Situation, in der ihr euch befindet. So etwas wäre mir niemals passiert. Ihr seid auf eine dumme List hereingefallen und befindet euch in Gefangenschaft der Menschen.«

Der massive Druck, der von BULLOC ausging, erstickte jede vernünftige Regung in CLERMAC und den beiden anderen. Trotzdem klammerten sie sich an ihre Existenz.

»Wollt ihr euch gegen BARDIOC stellen?«, fragte BULLOC ungläubig.

»Wir ... sind bereit, dir zu dienen!«, wimmerte VERNOC. »Das ist eine Basis, auf der wir uns einigen können. Wir stehen zu deiner Verfügung, du kannst uns benutzen, wann immer du unserer bedarfst.«

»Unsinn!«, entgegnete BULLOC kühl. »Ich brauche keinen von euch. Ich bin selbst so stark, dass ihr mich nur stören würdet.«

»Aber wir möchten leben!«

BULLOC spürte ihre Hartnäckigkeit. Zum ersten Mal zeigte er sich berührt. Aber das war nur ein Zeichen seiner wachsenden Ungeduld, nicht etwa ein Hauch von Verständnis.

»Eure Belange stehen nicht zur Diskussion«, erklärte er. »Durch den Zwischenfall im Varben-Nest ging viel Zeit verloren. Die Kaiserin von Therm, die verabscheuungswürdige Gegnerin unseres Meisters, hatte Zeit, ihre Position in vielen Bereichen zwischen den Mächtigkeitsballungen zu festigen. Damit muss nun Schluss sein. Ich werde das verlorene Terrain zurückerobern und zum Gegenangriff ansetzen.«

Er verstand, dass er die drei damit nicht überzeugen konnte. Sie wollten weiterexistieren – und gegen einen solchen Wunsch gab es kein Argument.

BULLOC sah ein, dass er kämpfen musste, wenn er die Sphäre beherrschen wollte. CLERMAC, VERNOC und SHERNOC mussten ausgeschaltet werden. Es gab keine andere Möglichkeit.

Für einen Augenblick keimte in ihm der Verdacht auf, BARDIOC könnte diese Konstellation konstruiert haben, um ihn einem letzten Test zu unterziehen. Nur wenn er die drei etablierten Zustandsformen besiegte, war er würdig, als die vierte Inkarnation für BARDIOC zu streiten.

Er verstärkte den mentalen Druck auf seine Vorgänger. Diesen Kampf zu entscheiden wäre ihm unter normalen Umständen leichtgefallen. Doch er musste vorsichtig sein. Jene, die die Sphäre in ihren Besitz gebracht hatten, durften nicht merken, was sich abspielte, denn das hätte sie sofort veranlasst, die Initiative zu ergreifen. Sobald BULLOC jedoch an zwei Fronten gleichzeitig kämpfen musste, war er gefährdet.

Das bedeutete, dass er CLERMAC, VERNOC und SHERNOC mit möglichst geringem Aufwand eliminieren musste. Und sie wussten das und würden sich darauf einstellen.

BULLOC war mit einem Schlag hellwach. Eigentlich hatte er seine gerade gewonnene Existenz genießen wollen, doch dafür blieb ihm keine Zeit. Er musste klug und entschieden handeln, wenn er nicht nach kurzer Blüte schon wieder vergehen wollte.

 

»Haben Sie gesehen?«, stieß ein junger Wissenschaftler neben Joscan Hellmut erschrocken hervor. »Es hat sich bewegt.«

Hellmut blickte in Richtung der Sphäre, dann schüttelte er den Kopf. »Sie täuschen sich«, sagte er. »Wir unterliegen ...«

Rings um das fremdartige Gebilde entstand Unruhe. Etliche griffen nach ihren Waffen, die Mutanten näherten sich der Sphäre.

»Ich habe mich nicht getäuscht!«, rief der Wissenschaftler. »Andere haben es also auch gesehen.«

Hellmut unterdrückte ein Gefühl aufsteigender Panik. Er fragte sich, ob die Inkarnation im Begriff stand, zu erwachen. Er ging zu Perry Rhodan hinüber, der mit einigen hochkarätigen Fachleuten diskutierte.

»Die Hülle beult sich aus«, hörte er Balton Wyt sagen. »Ich habe es deutlich gesehen.«

»Etwas bewegt sich da drinnen!«, rief Gucky. »Aber es sind wahrscheinlich nur Reflexe, denn ich kann keine mentalen Impulse wahrnehmen.«

»Es scheint mit unseren Sensoren zusammenzuhängen«, vermutete Kelkor.

»Ich musste eben an ein ungeborenes Wesen denken, das sich im Bauch seiner Mutter regt«, sagte Rhodan. Etliche der Umstehenden blickten ihn daraufhin betroffen an.

»Nicht schießen!«, befahl er den Männern hinter dem schweren Paralysator. »Solange die Mutanten nichts wahrnehmen, besteht keine Gefahr. Gucky hat sicher recht, wenn er sagt, dass es sich um unbewusste Reflexe handelt. Außerdem sitzt die Sphäre in Fesselfeldern fest und kann nicht daraus entkommen.«

»Da!«, rief ein Mann auf der anderen Seite der Sphäre. »Da ist es wieder! Irgendetwas bewegt sich.«

»Es erwacht!«, stellte Ras Tschubai fest.

»Das würde ich spüren!«, widersprach Gucky und wandte sich an Bjo Breiskoll. »Wie ist es bei dir, Bjo?«

»Keine Impulse!«, sagte der rot-braun gefleckte Katzer leise.

Hellmut warf ihm einen besorgten Blick zu. Er kannte Bjos Sensibilität und hätte es lieber gesehen, wenn der junge Mutant sich außerhalb des Lagerraums aufgehalten hätte.

»Wir setzen die Untersuchungen mit der gebotenen Vorsicht fort«, entschied Rhodan.

 

»Du hast heute kein Glück, Preux«, stellte Fengor fest und streichelte dem dicken Über-Bär über das Fell. »Er hat Custer zweimal geschlagen.«

Gahlmann blickte in den Rennkasten. Er hatte das Interesse an diesem Spiel verloren, in Gedanken beschäftigte er sich mit dem, was in Lagerraum 23 vorgehen mochte.

»Ich schenke dir Custer«, sagte Fengor gutmütig. »Sozusagen als Trost für die Niederlagen.« Dabei holte er die Maus aus dem Kasten und überreichte sie Gahlmann.

Der Hangaringenieur hielt das Tier auf der offenen Handfläche. Es machte einen nervösen Eindruck. Sein Kopf ruckte hin und her. Dann schnupperte es am Ärmelansatz.

Preux Gahlmann versuchte, die Gen-Maus im Nacken zu kraulen, doch sie fuhr herum und biss zu. Überrascht blickte er auf seinen Zeigefinger. Ein Blutstropfen quoll aus der kleinen Bisswunde.

»Sie hat mich gebissen! Dieses kleine Biest ...« Er setzte die Maus in den Käfig zurück. »Ich will sie nicht«, sagte er zu Fengor. »Du kannst sie behalten.«

Gahlmann rief den Medoroboter des Labortrakts und ließ die Wunde desinfizieren. Danach vergaß er den Zwischenfall und ging wieder an die Arbeit. Er fieberte dem Augenblick entgegen, in dem Dorgon aus dem Lagerraum zurückkommen und über seine Eindrücke berichten würde. Natürlich würde der Bericht subjektiv und entstellt sein, aber er traute sich zu, die Wahrheit herauszufiltern.

Preux Gahlmann war ein mittelgroßer Mann, und seine blauen Augen schienen stets mit einem gewissen Erstaunen die Umgebung zu beobachten. Er hatte eine feste Gefährtin, die SOL-Geborene Kallja Gormit, doch im Augenblick war er von ihr getrennt, denn sie hielt sich im Mittelteil des Schiffes auf.

Der Gedanke an Kallja zauberte ein Lächeln auf sein Gesicht. Er war gern mit ihr zusammen. Während er an sie dachte, wurde ihm heiß. Er wischte sich über die Stirn. Sein Herz schlug bis zum Hals, und er spürte ein Stechen in der Schläfengegend.

Doch ebenso schnell war es vorüber.

Er stand da und überlegte, ob er sich wegen dieser Kapriole seines Kreislaufs Gedanken machen sollte. Er, der nur vorübergehend in dem Labortrakt arbeitete, um eine Kühlemulsion anzusetzen, sah vorsichtig zu den anderen Männern und Frauen hinüber. Sollte er mit jemandem über seine Schwierigkeiten sprechen, oder sollte er den Medoroboter konsultieren? Er verdrängte diese Überlegungen wieder. Nach einer Weile hatte er alle Vorbereitungen getroffen und verließ das Labor.

Der Korridor war menschenleer. Gahlmann ging zum Antigravschacht und ließ sich zu den oberen Decks hinauftragen. Von dort aus begab er sich in den Hangar, seinen eigentlichen Arbeitsplatz.

Nachdem die SOL den Hulkoo-Schiffen entkommen war, hatte die Schiffsführung den Alarm aufgehoben, sodass sich nur die Routinebesatzung, zwei Technikerinnen und der Hangarleiter in der riesigen Halle befanden. Gahlmann sah sie weit von sich entfernt im Kontrollraum, einer Art Transparentkäfig, der sich unter der Hallendecke bewegte. Er hätte seine Mitarbeiter auf sich aufmerksam machen können, doch er bewegte sich langsam zwischen den verankerten Space-Jets und Lightning-Jets hindurch.

Seltsam, dass er sich hier zwischen den diskus- und torpedoförmigen Beibooten sicher fühlte. Sie schienen einen Wall um ihn herum zu bilden.

Einen Schutz – wovor?

Die Vorstellung drängte sich in sein Bewusstsein, dass eine Veränderung mit ihm vorging. Dieser Gedanke ließ ihn nicht mehr los.

Er trat zwischen den Kleinraumschiffen hervor auf den Auslaufkorridor, über den die Beiboote bei einem Einsatz zur Schleuse glitten. Dann winkte er zum Kommandoraum hinauf.

Nach einer Weile erblickte ihn Tarsia Sanck und winkte zurück. Sie machte ihm ein Zeichen, dass er nach oben kommen sollte. Dabei bewegte sie ihre Lippen, zweifellos sprach sie mit den beiden anderen. Gahlmann konnte Elliot, den Hangarleiter, lachen sehen. Tarsia hatte wohl einen dummen Scherz gemacht.

Er hatte mit einem Mal das Gefühl, in einer gänzlich fremden Welt zu leben, von den anderen durch eine unermessliche Entfernung getrennt. Sie erschienen ihm wie Puppen, die an den Fäden eines unsichtbaren Spielers ihre sinnlosen Bewegungen vollführten.

Wieder schoss ihm das Blut in den Kopf, und sein Puls beschleunigte sich. Er taumelte. Ein Gefühl eisiger Furcht griff nach ihm, seine Handflächen wurden feucht, und er zitterte.

Angstvoll lauschte er in sich hinein, als erwarte er neue Symptome einer geheimnisvollen Krankheit. Er zwang sich dazu, vom nächsten Interkomanschluss aus eine Verbindung zum Kontrollraum herzustellen.

»Preux«, sagte Elliot rau zu ihm. »Was treiben Sie da unten? Zählen Sie die Beiboote?«

»Ich weiß, wie viele es sind!«, erwiderte er heftig. »Sechsunddreißig Space-Jets und achtzehn Lightnings.« Er klammerte sich an diese nüchternen Zahlen, als seien sie eine letzte Brücke zu der realen Welt.

»Mhm!«, machte Elliot. Er schien sich nicht darüber im Klaren zu sein, wie er sich verhalten sollte. Wahrscheinlich kam ihm Gahlmanns Auftritt seltsam vor. »Wollen Sie nicht heraufkommen, Preux?«

»Nein.«

»Fühlen Sie sich nicht wohl?«

»Wieso? Wie kommen Sie darauf?«

»Ich weiß nicht«, sagte Elliot verwirrt. »Sie machen einen merkwürdigen Eindruck.«

Gahlmann ging ein paar Schritte rückwärts und lehnte sich gegen eine Wandscheibe. Kalter Schweiß trat auf seine Stirn. Sein Atem ging stoßweise.

Elliot wurde ärgerlich. »Lassen Sie jetzt diesen Unsinn, Preux! Haben Sie die Kühlemulsion angesetzt?«

Gahlmann ließ sich langsam an der Wand entlang zu Boden rutschen. Ihm war elend; seine Umgebung verschwamm hinter dichten Nebeln. Er hatte nur noch den Wunsch, sich hinzulegen und nicht mehr zu bewegen.

Aus den Augenwinkeln sah er den Kontrollraum näher gleiten. Elliot öffnete die Seitentür und beugte sich heraus.

»Preux!«

Als Gahlmann nicht antwortete, stieß der Hangarleiter eine Verwünschung aus. Wenig später kam er mit einem Antigravprojektor herabgeschwebt. Er kniete neben ihm nieder, legte ihm eine Hand auf die Stirn und sagte: »Sie sind krank, Preux!«

 

Von der Zentrale der SOL-Zelle-1 aus beobachteten Atlan und Galbraith Deighton die Vorgänge im Lagerraum 23. Der Emotionaut Senco Ahrat saß zurückgelehnt und entspannt unter der SERT-Haube. Im Augenblick befand sich das Schiff im freien Fall. Auf dem Ortungsschirm war das weit entfernt im Raum stehende Mittelteil der SOL mit der SZ-2 zu erkennen.

»Weißt du, woran ich denke?«, fragte der Arkonide den Gefühlsmechaniker. »An den Fall von Troja!«

Deighton lächelte.

»Die Sphäre ist unser Trojanisches Pferd«, fuhr Atlan fort. »Und ausgerechnet ich habe mich daran beteiligt, es an Bord zu bringen.«

»Du bist zu pessimistisch«, meinte Deighton. »Man kann das alles auch anders sehen. Es ist uns endlich gelungen, dem Gegner einen entscheidenden Schlag zu versetzen. Wir haben seine wichtigste Waffe in unseren Besitz gebracht. Die Jagd auf die Kleinen Majestäten ist vorbei, wir haben eine größere Beute erlegt.«

»Die Erde ist frei«, fügte Atlan hinzu. »Das lasse ich gelten. Hoffentlich müssen wir keinen zu großen Preis dafür bezahlen.«