Susan Mallery, Lucy Monroe, Debra Webb
Collection Baccara, Band 267
IMPRESSUM
COLLECTION BACCARA erscheint im CORA Verlag GmbH & Co. KG,
20350 Hamburg, Axel-Springer-Platz 1
Redaktion und Verlag: Brieffach 8500, 20350 Hamburg Telefon: 040/347-25852 Fax: 040/347-25991 |
Geschäftsführung: | Thomas Beckmann |
Redaktionsleitung: | Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.) |
Cheflektorat: | Ilse Bröhl |
Produktion: | Christel Borges, Bettina Schult |
Grafik: | Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto) |
Vertrieb: | asv vertriebs gmbh, Süderstraße 77, 20097 Hamburg Telefon 040/347-27013 |
© 2005 by Susan Macias Redmond
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Kristina Krüger-Barhoumi
© 2007 by Lucy Monroe
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Birgit Hannemann
© 2003 by Debra Webb
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Brigitte Marliani-Hörnlein
Fotos: Harlequin Books S.A.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe COLLECTION BACCARA
Band 267 - 2008 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg
Veröffentlicht im ePub Format im 05/2011 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
eBook-Produktion: , Pößneck
ISBN 978-3-86349-575-6
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Prinz Rafiq schenkt ihr Juwelen, einen teuren Sportwagen und führt sie zärtlich ein in die lustvolle Welt der Leidenschaft. Doch so sehr Kiley die sinnlichen Nächte mit ihm genießt – sie will viel mehr: Wann wird der elegante Wüstenkönig ihr endlich vertrauen und sein Herz sprechen lassen? Denn ohne seine Liebe wird Kiley niemals seine Frau werden ...
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„Suchen Sie vielleicht zufällig gerade eine Geliebte?“, begann Kiley Hendrik vorsichtig, als ihr Chef aus seinem Büro trat.
Prinz Rafiq von Lucia-Serrat sah seine Sekretärin entgeistert an. Was hatte sie überhaupt hier zu suchen? Er vermutete sie eigentlich auf Hawaii, um ihre Flitterwochen zu genießen. „Äh – soll das etwas ein Angebot sein?“
Sie nickte, den Blick auf den Stapel Papiere vor sich gerichtet.
„Die Hochzeit am Sonnabend war wohl kein großer Erfolg?“, mutmaßte Rafiq.
„Es gab keine Hochzeit.“ Kiley hob den Kopf. „Eric und ich haben uns getrennt.“
„Ich verstehe.“
Sein Blick fiel auf ihre ineinander verschlungenen Hände. Der Verlobungsring mit dem großen Diamanten fehlte. Alles klar, dachte Rafiq.
„Ich weiß, dass Sie sich gerade von Ihrer letzten Freundin getrennt haben“, fuhr sie fort. „Na ja, ich hab selbst das Abschiedsgeschenk samt Brief auf den Weg gebracht“, setzte sie lahm hinzu.
„Stimmt, Carmen und ich sind nicht mehr zusammen“, bestätigte er.
„Genau. Und da Sie jetzt also wieder auf dem Markt sind … kurz gesagt, ich dachte, vielleicht wollen Sie es mal mit mir versuchen? Auch wenn ich eigentlich nicht Ihr Typ bin.“
Ach, er war auf einen Typ abonniert? „Und auf welchen Typ steh ich Ihrer Meinung nach?“
Sie rutschte unbehaglich auf ihrem Stuhl hin und her. „Glamourös. Schön. Weltgewandt. Okay, ich sehe nicht übel aus, aber in der Liga kann ich nicht mithalten. Allerdings kennen Sie mich ja nur in meinem Büro-Outfit. Wenn ich will, kann ich mich ganz nett stylen. Ich bin nicht auf den Kopf gefallen und habe Sinn für Humor.“ Nach kurzem Zögern fuhr Kiley tonlos fort: „Es ist das erste Mal, dass ich so ein Gespräch führe. Keine Ahnung, worauf Sie Wert legen, wenn Sie eine Frau für Ihr …“
„… wenn ich eine Frau fürs Bett suche?“
Kiley wurde rot, hielt seinem Blick aber tapfer stand. „Ja, genau. Fürs Bett.“
Selbst Rafiq war bisher noch nie so deutlich zur Sache gekommen. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und überlegte: Welche Kriterien musste eine potenzielle Geliebte erfüllen?
„Hmm, natürlich sollte sie ansprechend aussehen“, sagte er mehr zu sich selbst als zu Kiley. „Aber kein hübsches Lärvchen ohne Intelligenz und Humor, das wäre mir zu langweilig. Und übellaunig sollte sie auch nicht sein.“
„Sie kennen mich jetzt seit Jahren“, erinnerte Kiley ihn mit mildem Tadel. „Sie wissen, dass ich nie schlechte Laune habe.“
„Stimmt.“ Nein, sie war immer liebenswürdig und erledigte ihre Arbeit effizient und mit viel Fingerspitzengefühl. Attraktiv ließe sich dieser Aufzählung noch hinzufügen, aber Letzteres hatte er immer als eine Art Bonus betrachtet. Sie zu seiner Geliebten zu machen war ihm nie in den Sinn gekommen. Hübsche Frauen gab es wie Sand am Meer, eine perfekte Assistentin würde er jedoch so schnell nicht wieder finden.
„Beachten Sie die Vorteile. Ich kenne Ihre Arbeit, wir könnten darüber diskutieren, wenn Sie möchten. Und ich mache keine Szene, wenn Sie mal bis spätabends im Büro bleiben.“
„Nein, denn Sie würden mir dabei ja Gesellschaft leisten“, warf er amüsiert ein. Was war bloß in seine stets so reservierte Assistentin gefahren? So unverblümt hatte ihn noch keine Frau angemacht – und jetzt ausgerechnet Kiley? Sie war nicht der Typ für eine Affäre. „Wieso wollen Sie das tun?“, fragte er geradeheraus.
Ihre blauen Augen funkelten. „Rache.“
„Aha. Es geht wohl um Ihren Verlobten?“
Während sie ganz offensichtlich nach den richtigen Worten suchte, betrachtete er sie – und zwar die Frau, nicht die tüchtige Sekretärin. Sie war hochgewachsen, zartgliedrig und schlank. Ihr schulterlanger goldblonder Bob unterstrich die elegante Erscheinung. Und in ihren großen blauen Augen konnte er lesen wie in einem Buch – stets verriet ein Aufblitzen ihre Gefühle. Ihre Hüften waren sanft geschwungen, und sie hatte feste, hohe Brüste. Alles in allem war sie eine schöne Frau. Aber wollte er sie auch in seinem Bett?
„Eric hat mich betrogen“, brachte sie endlich mit tränenerstickter Stimme hervor. „Das haben Sie sich sicher schon gedacht. Aber das Ausmaß können Sie sich gar nicht vorstellen. Ich glaube, er hat mit allem geschlafen, was einen Rock trägt. Bei zwei von meinen Freundinnen hat er es auch versucht, aber ich habe nicht zugehört, als sie es mir vorsichtig beibringen wollten. Wie dumm kann man nur sein …“
„Sie wollten ihnen nicht glauben?“, meinte er mitfühlend.
„Nein. Ich habe die Wahrheit verdrängt, bis ich ihn letzten Freitag auf frischer Tat mit einer Studentin erwischt habe.“ Kiley blinzelte die Tränen weg. „Aber das Schlimmste war, als er behauptete, die Sache hätte nichts zu bedeuten. Nun ja, er war nie besonders geistreich. Aber dann setzte er noch eins drauf: Er tue das alles nur für mich, respektiere mich so sehr, dass er mir diese Seite an sich ersparen wolle.“
„Also ist die Hochzeit ins Wasser gefallen.“
„Eric konnte es nicht fassen, hat mich bestürmt, meine Meinung zu ändern, doch ich blieb fest. Eine Ehe auf dieser Basis wäre doch die reinste Farce.“ Sie atmete tief durch. „So kurzfristig konnten wir nicht allen Gästen absagen. Ich musste vor versammelter Festgemeinde in der Kirche alles erklären. Es war furchtbar.“ Kiley schauderte.
„Sie taten das und nicht er?“ Was für ein erbärmlicher Feigling.
„Eric schnappte sich die Tickets für unsere Flitterwochen auf Hawaii und nahm die Gespielin der Woche mit. Ich hoffe, die Quallen fressen sie auf.“
Rafiq empfand Hochachtung für sie. Kiley hatte sich tapfer geschlagen. „Warum ich?“, fragte er schließlich.
Ein verschmitztes Lächeln zuckte um ihre Lippen. „Sie sind ein Prinz, das ist nicht zu toppen.“
„Ah, ich verstehe. Und da Ihr Ex bei der Anwaltskanzlei arbeitet, die für mich tätig ist, werden sich unsere Wege unweigerlich kreuzen.“
„Genau. Er konnte Sie ohnehin noch nie leiden, wollte mich sogar dazu bringen, zu kündigen. Das alles natürlich nur, weil er neidisch ist. Er gönnt keinem anderen auch nur die Butter auf dem Brot.“
„Möchten Sie ihn vernichten?“ Rafiq musterte sie eindringlich.
„O ja“, brachte sie voller Inbrunst hervor. „Und anschließend will ich vergessen, dass es ihn je gegeben hat.“ Sie suchte seinen Blick. „Meine Wahl fiel noch aus einem anderen Grund auf Sie. Ich halte Sie für einen guten Menschen, einen Ehrenmann, wenn Sie so wollen. Okay, Sie haben Affären, aber Sie schaffen immer klare Verhältnisse, ohne jemanden zu hintergehen.“
Interessant, wie sie ihn beurteilte. Es gab eine Menge Leute, die diese Einschätzung sicher nicht teilten. Andererseits hatte sie recht: Lügen und Ausreden waren ihm verhasst.
„Nun, falls wir Ihren Vorschlag ernstlich in Erwägung ziehen, gibt es einige logistische Probleme zu bedenken.“
Plötzlich überkam Kiley ein seltsames Gefühl von Unwirklichkeit. Nie hätte sie sich träumen lassen, dass diese Unterhaltung derart nüchtern ablaufen würde. „Sie sind der Experte“, sagte sie. „Sagen Sie mir, was wir beachten müssen.“
Er lächelte süffisant. „Selbstverständlich. Also, zunächst einmal müssen wir definieren, was genau diese Beziehung beinhaltet.“
Oh, aber das war doch klar, oder? „Na ja, Sex natürlich“, erwiderte sie, und wünschte, sie hätte den Mund gehalten, als er kaum merklich die Brauen hob.
„Sexuelle Verfügbarkeit setze ich voraus“, informierte er sie. „Sie sind jederzeit bereit für mich und umgekehrt.“
Umgekehrt auch? Ein verlockender Gedanke, wenn sie sich auch nicht vorstellen konnte, nach dem Telefon zu greifen und ihn herbeizuzitieren, um …
„Absolute Treue ist ebenfalls Voraussetzung. Für uns beide“, fuhr er fort.
„Oh, kein Problem“, winkte sie ab. „Ich bin nicht der flatterhafte Typ.“
„Vorsicht“, meinte Rafiq warnend. „Das menschliche Herz ist ziemlich unberechenbar. Sie beabsichtigen, Eric zu verletzen und ihn eifersüchtig zu machen. Im Gegenzug könnte er versuchen, Sie zurückzugewinnen. Darauf dürften Sie sich allerdings nicht einlassen, solange unsere Abmachung gilt.“
„Keine Sorge. Dieser erbärmliche Wurm ist für mich erledigt.“ Noch jetzt spürte sie den Schock, den sie empfunden hatte, als sie ihn mit der anderen Frau zusammen im Bett ertappt hatte.
„Stellt sich noch die Frage unserer weiteren Zusammenarbeit“, fuhr Rafiq nachdenklich fort. „Sie sind mir zu wertvoll, um Sie gehen zu lassen.“
„Das trifft sich gut. Ich möchte meinen Job nämlich nicht aufgeben. Meine Eltern haben eine Menge Geld für diese unselige Hochzeit hingeblättert, und ich kann sie unmöglich darauf sitzen lassen. Einen Teil habe ich ihnen schon zurückerstattet, aber alles wollten sie nicht akzeptieren. Sie bestehen darauf, dass ich mir von meinen Ersparnissen eine Eigentumswohnung kaufe, wissen Sie …“ Kiley hielt abrupt inne, als ihr bewusst wurde, dass sie vom Thema abkam. „Kurz gesagt, ich brauche das Geld.“
Rafiq sah sie ungläubig an. „Sie wollen Ihren Eltern tatsächlich das Geld zurückgeben?“
„Schließlich bin ich für den ganzen Schlamassel verantwortlich. Ich habe Eric ausgesucht, nicht sie.“ O nein, um nichts auf der Welt würde sie zulassen, dass ihre Eltern für ihre Dummheit draufzahlten. „Wo wir gerade beim Thema sind: Mir ist es wichtig, Arbeit und Privatleben strikt zu trennen. Keinesfalls möchte ich, dass unser Arbeitsverhältnis in irgendeiner Weise getrübt wird.“
„Ganz in meinem Sinn“, stimmte er zu.
„Und wenn es vorbei ist, dürfen Sie mich nicht einfach feuern.“
„Das werde ich nicht, ich verspreche es. Sollte eine weitere Zusammenarbeit einem von uns unangenehm sein, werde ich dafür sorgen, dass Sie eine andere angemessene Stelle finden. Falls Sie bleiben, erwähnen wir unser kleines … Intermezzo mit keinem Wort.“
Ein faires Angebot. „Oh, mir wird es nicht unangenehm sein, da bin ich zuversichtlich“, gab sie leichthin zurück. Ihr ging es schließlich um Rache und nicht darum, eine neue Beziehung anzufangen. „Ich komme schon klar.“
„Wie liebenswürdig“, murmelte er.
„Bitte?“
„Nichts, nichts. Selbstverständlich erwarte ich auch, dass Sie mich zu Galaveranstaltungen und dergleichen begleiten.“
„Darauf freue ich mich am meisten.“ Ihre Augen blitzten. „Ich brenne darauf, mit Ihnen gesehen zu werden.“ Hatte sie etwas Falsches gesagt? Rafiqs Miene wirkte plötzlich so eingefroren. Nun ja, wahrscheinlich hatten ihre Worte nicht besonders schmeichelhaft geklungen.
„Natürlich bin ich auch ganz heiß darauf, mit Ihnen zu schlafen.“ Uups, auch nicht gerade der Bringer, was? Verflixt, ihr fehlte ganz einfach die nötige Erfahrung als Geliebte eines Prinzen.
„Ich verstehe schon.“
„Habe ich es jetzt vermasselt?“ Sie sah ihn abwägend an.
„Nein, schon okay. Ist doch in Ordnung, klare Verhältnisse zu schaffen. Dann ist nachher keiner enttäuscht. Wir bekommen beide, was wir wollen, ohne falsche Gefühle heucheln zu müssen.“
„Und Sie sind damit einverstanden?“
„Aber ja. Ich schlage vor, dass ein Zeitraum von drei Monaten reichen sollte, uns beide zufriedenzustellen.“
„Klingt akzeptabel.“ Das gab ihr genug Zeit, um Eric so zu treffen, wie er sie getroffen hatte.
„Gut.“ Rafiq stand auf. „Dann bleibt nur noch eins.“
„Soll das heißen, Sie ziehen meinen Vorschlag ernsthaft in Erwägung?“ Jetzt, da sie ihr Ziel erreicht hatte, fühlte sie sich plötzlich fast ein wenig schwindlig.
„Ja.“ Er kam um den Schreibtisch herum und streckte ihr die Hand entgegen.
„Warum ausgerechnet ich?“ Kiley zögerte, seine Hand zu ergreifen, mit einem Mal scheute sie die körperliche Berührung. „Ich bin doch eigentlich gar nicht Ihr Typ.“
„Das ist ja gerade der Reiz an der Sache. Sie sind sehr attraktiv, und ich bin davon überzeugt, Sie werden Ihre Rolle als meine Geliebte mit der gleichen Effizienz ausfüllen wie die meiner Assistentin. Wie gesagt, bleibt nur noch eins zu klären.“
Kiley legte ihre Hand in seine, und er zog sie auf die Füße. Sein frischer männlicher Duft streifte sie, eine Mischung aus einem exquisiten Aftershave und seinem ganz eigenen Geruch.
„Was denn?“, wollte sie atemlos wissen.
„Das.“ Er neigte den Kopf. Seine Lippen berührten ihre, sanft, verführerisch.
Ein heißer Schauer durchfuhr Kiley. Dass er sie küssen würde, damit hatte sie nicht gerechnet. Dabei war es nur logisch. Schließlich hatte sie sich ihm soeben als Geliebte angeboten, da wollte er natürlich wissen, was ihn erwartete. Sie musste mit angemessener Leidenschaft auf diesen Kuss reagieren, das war ihr klar. Aber wie sollte sie das anstellen? Plötzlich fühlte sie sich wie gelähmt, wusste nicht, wohin mit ihren Händen.
Rafiq hob den Kopf. „Sie denken ziemlich laut, wissen Sie das?“
„Wie?“ Kiley zuckte erschrocken zusammen.
„In übertragenem Sinn. Ich kann regelrecht spüren, wie es in Ihnen rumort. Es steht Ihnen frei, Ihre Meinung zu ändern.“
„Nein, das möchte ich nicht.“ Jetzt war sie schon so weit gegangen, da gab es kein Zurück mehr. Sie brauchte nur ein bisschen Zeit, sich an die neue Situation zu gewöhnen, das war alles. So hoffte sie jedenfalls …
„Passen Sie auf, ich habe eine Idee. Wir machen es anders herum. Vielleicht möchten Sie mich küssen? Dann fühlen Sie sich nicht gleich so bedrängt und können testen, ob es zwischen uns überhaupt funkt.“ Er setzte sich in seinen Schreibtischsessel.
„Okay, warum nicht?“, versuchte sie in leichtem Ton ihre Unsicherheit zu überspielen. Los jetzt, Kiley, er ist schließlich nicht der Glöckner von Notre-Dame. Tatsächlich konnte sie sich keinen attraktiveren Partner vorstellen als Rafiq: gut gebaut, braun gebrannt, dunkel, geheimnisvoll … Entschlossen machte sie einen Schritt auf ihn zu und schob sich zwischen seine leicht geöffneten Schenkel. Sie legte die Hände auf seine Arme, spürte unter dem weichen, kühlen Stoff seines Hemdes die Wärme und Stärke seines Körpers.
Als er ihr aufmunternd zulächelte, schloss sie aufseufzend die Augen, beugte sich vor und drückte ihren Mund auf seinen. Es war ein sanfter, tastender Kuss. Kiley strich behutsam über seine Lippen und hauchte zarte Küsse auf seine Wange. Sie rieb ihre Wange an seiner, suchte sein Ohrläppchen und knabberte sanft daran.
Allmählich spürte sie, wie ihre innere Anspannung nachließ. Tatsächlich überlief sie sogar ein leichtes Prickeln. Mit neu erwachtem Enthusiasmus widmete sie sich wieder seinem Mund.
Rafiq legte die Hand auf ihren Rücken und zog sie leicht an sich. Ermutigt von seiner Reaktion, schlang sie ihm die Arme um den Hals und fuhr mit der Zungenspitze die Kontur seiner Unterlippe nach. Dann wagte sie sich weiter vor, nahm seine leicht geöffneten Lippen als Aufforderung und vertiefte ihren Kuss.
Er schmeckte leicht nach Kaffee und irgendwie süß. Noch immer ließ er nahezu passiv alles geschehen. Das erstaunte sie. Und erregte sie gleichzeitig. Er überließ ihr die Führung. Sie war es, die das zarte Innere seines Mundes erkundete, die mit seiner Zunge spielte.
Dann war es vorbei. Plötzlich verunsichert durch seine passive Haltung, löste Kiley sich von seinen Lippen und zog die Hände weg.
Rafiqs Gesichtsausdruck verriet nicht die geringste Regung. Kiley hingegen hatte das absurde Gefühl, die Welt sei ein Stückchen aus den Fugen geraten. Irgendetwas war passiert …
Bevor sie weiter darüber nachdenken konnte, fragte Rafiq: „Und, passen wir zusammen?“
„O ja, ich glaube schon …“ Ihre Stimme klang in ihren eigenen Ohren seltsam belegt.
„Fein, dann sind wir uns ja einig. Ich schlage vor, wir treffen uns heute Abend zum Dinner bei mir, um die weiteren Modalitäten zu klären.“ Er warf einen Blick auf seine Uhr, ein nobles Designer-Stück. „In einer Viertelstunde ist eine Konferenz angesetzt. Wenn Sie mir bitte die Unterlagen bringen?“
Was war das perfekte Outfit für die Geliebte eines Scheichs? Kileys Stimmung schwankte bedenklich zwischen Panik, Erregung und dem Bedürfnis, laut zu schreien. Sie, die mondäne Gespielin eines mächtigen Mannes? Ha! Sie kam sich ja schon verwegen vor, wenn sie zur Maniküre ging, anstatt ihre Nägel selbst zu feilen.
Unvorstellbar, in äußerst absehbarer Zeit würde sie mit Rafiq Sex haben! Eine Erfahrung, die ihr bis jetzt nicht vergönnt gewesen war, nicht einmal mit Eric. Damit rechnete Rafiq ganz sicher nicht – eine jungfräuliche Geliebte.
Schluss jetzt, ermahnte sie sich, konzentrier dich auf dein Outfit, du willst vor Rafiq doch nicht als komplettes Dummchen dastehen. Nach langem Hin und Her entschied sie sich schließlich für ein schlichtes hellblaues Leinenkleid mit kurzen Ärmeln und hochhackige Sandaletten. Elegante Ohrringe und ein leichtes Make-up vervollständigten das Bild.
Wenige Minuten später wurde sie von Rafiqs Chauffeur Arnold in einer schwarzen Stretchlimousine abgeholt und in eine völlig andere Welt katapultiert: die Welt der Reichen und Schönen, der Luxusvillen und Privatjets. Definitiv nicht ihre Welt, aber jetzt war es zu spät für einen Rückzieher.
Rafiqs Anwesen war beeindruckend wie erwartet. Eine moderne, einstöckige Villa mit viel Glas und strengen Konturen auf einem parkähnlichen Grundstück, das von einer hohen Mauer umgrenzt wurde. Langsam fuhr die Limousine die breite, von Palmen gesäumte Auffahrt entlang und hielt vor der Treppenflucht, die zum Eingang führte. Diensteifrig öffnete Arnold Kiley die Wagentür und wünschte ihr einen angenehmen Abend.
Wie in Trance stieg Kiley die Mamortreppen hinauf, als die Doppelflügeltür geöffnet wurde und Rafiq heraustrat. Er trug eine maßgeschneiderte Freizeithose und ein Polohemd … und sah einfach umwerfend aus. Viel zu umwerfend für sie, die Durchschnittsfrau.
Kiley widerstand nur schwer dem Drang, sich bei ihm für sein freundliches Entgegenkommen zu bedanken und auf dem Absatz kehrtzumachen.
Als ahnte er ihre Gedanken, fragte er mit einem leisen Lächeln: „Alles in Ordnung?“
„Nicht so ganz, aber das wird schon“, erwiderte sie wahrheitsgemäß.
„Ein Glas Champagner wirkt Wunder. Kommen Sie.“ Er ging voraus durch das großzügige Foyer in das imposante Wohnzimmer, das zwei Stufen tiefer lag. Kileys Blick fiel durch die breite Glasfront auf eine große Holzterrasse und den Strand, der sich daran anschloss. Dahinter breitete sich der Pazifik in seiner ganzen wilden Schönheit vor ihr aus.
„Einfach atemberaubend“, brachte sie staunend hervor.
„Die Aussicht erinnert mich ein wenig an Lucia-Serrat. An meine Strandvilla mit Blick auf den Indischen Ozean.“
„Ist es ähnlich wie hier?“
„Der Geruch ist anders. Wenn ich die Augen schließe und tief einatme, weiß ich genau, dass ich zu Hause bin. Es riecht irgendwie exotischer, salziger. Während hier der Geruch von …“ Er suchte nach den richtigen Worten.
„… von Hollywood dominiert?“, schlug sie vor.
„Ja.“ Rafiq lächelte anerkennend. „Das trifft es genau.“ Er trat zum Couchtisch aus geschliffenem Kristallglas, auf dem in einem silbernen Sektkühler eine Flasche Champagner stand. Daneben waren zwei Porzellanteller mit Appetithäppchen angerichtet. „Möchten Sie etwas essen?“, bot er an, während er zwei exquisit ziselierte Champagnerflöten füllte und Kiley eine reichte.
„Nein, danke.“ Sie würde keinen Bissen herunterkriegen, das wusste sie. Verzweifelt durchforstete sie ihr Hirn nach einem Gesprächsthema. Die neuesten Aktienkurse schienen ihr irgendwie nicht passend. Was sagte man als zukünftige Geliebte eines Ölscheichs? Gab es darüber einen internationalen Konsens, der ihr nicht geläufig war? Himmel, sie wünschte, die Erde würde sich auftun und sie verschlingen.
Ein amüsiertes Lächeln spielte um seine Lippen. „Sie tun es schon wieder. Sie denken laut.“
„Oh …“
„Sie sind nervös, nicht wahr?“
„Wären Sie das denn nicht?“, gab sie zurück.
„An Ihrer Stelle? Ja, vermutlich schon. Vielleicht hilft es Ihnen, wenn wir uns zunächst mit der Logistik befassen. Es gibt da eine Reihe gesellschaftlicher Events, auf die Sie mich bitte begleiten. Ich lasse Ihnen eine Liste mit den entsprechenden Daten zukommen. Falls Sie irgendwohin möchten, stehe ich Ihnen natürlich ebenfalls zur Verfügung.“
Ihre Schwester würde in Kürze ein Kind bekommen, anschließend war eine große Familienfeier geplant. Wohl kaum das richtige Event für den verwöhnten Ölscheich …
„Warum lächeln Sie?“
„Tue ich das? Nun, ich kann Sie mir nicht inmitten meiner zwar herzlichen, aber durch und durch mittelständischen Familie vorstellen, sorry. Kein Tropfen blaues Blut in den Adern, fürchte ich.“
„Ist das so wichtig?“
„Für mich nicht, aber Sie …“
„Keine Bange, ich bin ziemlich anpassungsfähig.“ Rafiq hob amüsiert die Brauen.
„Ich habe zwei Schwestern“, erzählte sie. „Mein Vater ist Feuerwehrmann, meine Mutter arbeitet in einem Geschenkeladen. Sie sind seit 31 Jahren verheiratet und leben seit zwanzig Jahren im selben Haus.“
„Was ist falsch daran?“
„Nichts, aber Sie sehen, dass wir total verschiedenen Welten entstammen.“
„Ihre Welt klingt sehr nett“, sagte er leise, und ein Schatten huschte über sein Gesicht.
„Und in Ihrer gibt es die schöneren Juwelen“, konterte sie spöttisch.
„Das stimmt.“ Er lachte leise und beobachtete, wie Kiley nach ihrem Glas griff und daran nippte. Ihm entging nicht, wie ihre Nervosität zurückkehrte.
„Kiley, wir werden heute Nacht nicht zusammen schlafen“, sagte er sanft.
Erleichterung durchflutete sie, und sie sank entspannt gegen die Sofalehne. „Nicht?“
„Wir müssen uns erst besser kennenlernen, finden Sie nicht auch?“ Der größte Reiz lag ja gerade in der Spannung. Darin, Kileys Stimme zu lauschen und sich vorzustellen, wie es wohl war, wenn sie ihn anflehte, sie zu nehmen …
„Guter Plan“, pflichtete sie ihm etwas zu eilig bei. „Wissen Sie, ich bin mehr der Kumpeltyp und nicht die verführerische Sirene“, fügte sie erklärend hinzu.
„Sie sind Eric auf dem College begegnet?“, fragte Rafiq.
„Ja, in meinem letzten Jahr. Erst waren wir nur Freunde, dann wurde mehr daraus. Davor hatte ich eigentlich keine wirkliche Beziehung.“
Das bedeutete, sie war relativ unschuldig. Mal eine ganz neue Erfahrung. Ein erwartungsvolles Prickeln überlief ihn. „Ich nehme an, Eric war Ihr einziger Liebhaber?“
„Nun … äh …“ Sie leerte ihr Glas in einem Zug und sah ihn wortlos an.
Rafiq begriff. Kiley war Jungfrau. Mehr noch als diese Neuigkeit brachte ihn das plötzliche heiße Verlangen, sie zu besitzen, aus dem Gleichgewicht.
„Ich weiß, ein bisschen altmodisch, aber es hat sich eben so ergeben. Wer dafür verantwortlich ist? Hm, vermutlich meine Mom, die uns Mädchen immer eingeimpft hat, auf die große Liebe zu warten.“ Sie lachte bitter. „Und für wen habe ich mich nun aufgespart? Für Eric, diesen Schuft.“
Am liebsten wäre Rafiq diesem Kerl an die Gurgel gegangen, der das kostbare Geschenk, das Kiley ihm machen wollte, nicht zu schätzen wusste. „Es ist besser, dass Sie ihn nicht geheiratet haben“, sagte er grimmig.
„Sicher, trotzdem komme ich mir irgendwie dumm vor.“
Rafiq fand sie ganz und gar nicht dumm. Im Gegenteil, sie stieg noch höher in seiner Achtung. Allerdings warf die Tatsache, dass sie noch Jungfrau war, ein ganz neues Licht auf ihr Arrangement. Natürlich reizte es ihn über alle Maßen, sie in die Wonnen der körperlichen Liebe einzuführen. Andererseits überkamen ihn auch Skrupel.
„Überlegen Sie sich Ihr Angebot lieber noch mal“, hörte er sich sagen. „Jetzt haben Sie so lange gewartet, da sollten Sie nichts überstürzen.“
„Aber das tue ich nicht, ehrlich“, widersprach sie. „Ich will nicht länger warten, das blockiert mich nur. Glauben Sie mir, sonst hätte ich Ihnen das Angebot nicht gemacht.“
„Okay, einverstanden.“ Rafiq zögerte. „Lassen wir es langsam angehen, ja?“
„Wenn Sie meinen …“
„Ich werde Ihnen die vielen Möglichkeiten zeigen, einander Vergnügen zu bereiten. Das hat nicht unbedingt mit Sex zu tun.“
Seine Worte ließen sie wohlig erschauern. Sie bekam eine Ahnung davon, dass ihr kleines Arrangement mehr Spaß versprach als erwartet.
„Haben Sie Lust auf einen kleinen Rundgang?“ Rafiq stand auf. „Ich habe ein paar exquisite Stücke aus Lucia-Serrat mitgebracht.“
Während er Kiley durch sein Haus führte und ihr die kostbaren Antiquitäten zeigte, ließ er wie zufällig seine Hand auf ihrem Unterarm ruhen und strich ganz zart über ihre Haut. Kiley spürte, wie die Spannung allmählich von ihr abfiel.
In der Küche empfing sie das Aroma von exotischen Gewürzen. Rafiq deutete auf den Backofen. „Sana, meine Haushälterin, hat etwas zum Dinner für uns vorbereitet. Sind Sie hungrig?“
Er legte die Hand leicht auf ihre Hüfte, und Kiley ertappte sich dabei, wie sie seine Nähe genoss. Seltsam … die Vorstellung, dass sie ihm die Erlaubnis erteilt hatte, sie jederzeit zu berühren, erregte sie. „Hungrig? Nein, im Moment noch nicht.“ An Essen konnte sie jetzt wirklich nicht denken. Stattdessen wandte sie sich zu ihm um und legte die Hand an seine Wange. „Sie haben sich rasiert.“
„Aber ja, ich wollte dich nicht kratzen.“ Rafiq fand es plötzlich absurd, das formale Sie noch länger aufrechtzuerhalten.
Aha, er hatte also vorausgedacht. Kiley fragte sich, ob er sie begehrte, ob er es womöglich kaum abwarten konnte, mit ihr zu schlafen. Auf einmal schien es ihr unermesslich wichtig, begehrt zu werden.
Sie ließ die Hand sinken und berührte zögernd seine Brust. Er fühlte sich stark an unter ihren tastenden Fingern, und sein Körper strahlte eine berauschende Hitze aus. Kiley stellte sich vor, wie sie seine nackte Haut liebkoste, und seufzte sehnsüchtig.
Rasch trat sie einen Schritt zurück. „Der Rundgang“, erinnerte sie ihn. „Was steht als Nächstes auf dem Programm?“
„Das Schlafzimmer.“
Ach herrje, hätte sie bloß den Mund gehalten.
Sie passierten ein mit allen technischen Finessen ausgestattetes Büro, einen Fitnessraum, und dann öffnete Rafiq die Tür zum Master-Schlafzimmer.
Ein breites Bett dominierte den luftigen, hellen Raum, der sparsam in dunklem Holz möbliert war. Der Blick durch die Fensterfront ging aufs Meer hinaus. In einer Ecke neben dem Fenster stand ein behaglich wirkender Lehnsessel, und direkt gegenüber der Tür hing ein großer Spiegel in einem reich verzierten Messingrahmen an der Wand.
Kiley betrachte ihr Spiegelbild: ihre hochgewachsene, schlanke Gestalt vor dem großen, gut gebauten dunklen Mann. Sie gaben ein attraktives Paar ab, das ließ sich nicht leugnen.
Ihre Blicke trafen sich im Spiegel.
Rafiq legte ihr die Hände auf die Schultern und küsste sanft ihren Nacken. Ein heißes Prickeln überlief ihren Körper. Die Liebkosung zu spüren und gleichzeitig im Spiegel zu sehen empfand sie als unermesslich erotisch. Seine Lippen streiften ihre Haut nur ganz zart, und sie hielt erwartungsvoll die Luft an.
Zu Kileys Enttäuschung hob Rafiq im nächsten Moment den Kopf und fragte: „Na, wie wär’s jetzt mit Dinner?“
„Du hast zwei College-Abschlüsse, stimmt das?“ Rafiq schenkte Kiley Wein nach.
„Ja, in Betriebswirtschaft und Erziehungswissenschaften.“ Sie schob ein Stück Hühnchen auf ihrem Teller hin und her. „Seltsame Kombination, ich weiß.“
„Nicht, wenn du beispielsweise einen Kinderhort betreiben willst.“
„Stimmt, darauf bin ich noch gar nicht gekommen. Weißt du, ich liebe Kinder. Im Grunde wollte ich nie etwas anderes als Hausfrau und Mutter werden. Jetzt bist du bestimmt enttäuscht, was?“
„Enttäuscht? Wieso?“ Im Gegenteil. Er war angenehm überrascht, dass sie nicht nur intelligent und tüchtig war, sondern auch eine charmante und schlagfertige Gesprächspartnerin. Es machte ihm Spaß, sich mit ihr zu unterhalten.
„Na ja, über meinen mangelnden beruflichen Ehrgeiz. Viele meiner Freundinnen missbilligen meine Einstellung. Eine moderne Frau sollte Familie und einen anspruchsvollen Job anstreben. Und ein luxuriöses Leben. Aber das will ich gar nicht. Ich träume von einem kleinen Häuschen mit Garten, Kindern und einem Mann, der uns genauso liebt wie wir ihn.“
Wieder wurde ihm bewusst, aus welch verschiedenen Welten sie stammten. Auch er wollte zwar eines Tages heiraten und Kinder in die Welt setzen, aber nicht aus romantischen Erwägungen heraus, sondern um seinem Land einen Erben zu schenken.
Sie legte die Gabel ab und sah ihn ernst an. „Ich weiß ja, es sollte mir eigentlich egal sein, was die Leute denken. Nicht jeder muss der gesellschaftlichen Norm entsprechen, aber manchmal ist es nicht leicht, sich dem zu verweigern.“
„Zerbrichst du dir oft den Kopf darüber?“
„Nein, nur manchmal überkommt es mich eben. Du kannst das vermutlich gar nicht nachempfinden. Dein Leben ist klar vorgezeichnet. Empfindest du das als positiv oder negativ?“
Er überlegte kurz. „Weder noch. Ich nehme es einfach als Tatsache hin. Warum auch nicht? Ich habe keinen Grund, mich zu beklagen.“
„Tja, dein vieles Geld ermöglicht dir zumindest eine gewisse Unabhängigkeit. Das muss schön sein. Du kannst doch im Grunde tun und lassen, was du willst.“
„Ja, das ist ganz sicher ein Vorteil.“
Kiley sah ihn forschend an. „Aber verheiratet bist du nicht, oder? Mir fällt gerade auf, dass ich dich nicht gefragt habe, ob eine Mrs. Rafiq sehnsüchtig in deiner Heimat nach dir schmachtet.“
„Nein, ich habe keine Frau. Sonst säße ich heute Abend auch nicht hier mit dir.“
„Wirklich?“ Sie klang überrascht. „Du hast dir vorgenommen, ein treuer Ehemann zu sein?“
„Ich bin auch jetzt treu.“
„In sehr befristeten Beziehungen. Eine Ehe dauert ein Leben lang. Zumindest sollte sie das.“
„Das ist mir bewusst, und ich habe fest vor, meiner zukünftigen Frau die Treue zu halten. Dasselbe erwarte ich natürlich von ihr.“
„Dann musst du achtgeben, dass du sie auch wirklich liebst.“
Liebe? Mit Liebe hat das nichts zu tun … „Nun, meine Wahl wird eher von Vernunftgründen geprägt sein. Schließlich geht es um die Mutter meiner Kinder.“
„Aber wenn du sie nicht liebst …“
Nach allem, was sie durchgemacht hatte, hielt sie weiterhin an ihrem Glauben an die romantische Liebe fest? Wie erstaunlich … „Respekt und gemeinsame Ziele überdauern ein flüchtiges Gefühl wie die Liebe bei Weitem.“
Kiley wirkte nicht überzeugt. „Und wie läuft das ab? Ich meine, wie wählst du deine Frau aus?“
„Das wird sich finden, wenn die Zeit reif ist. Man wird mir passende junge Damen vorstellen, und ich treffe meine Entscheidung.“
„Warte bloß nicht zu lange, schließlich bist du schon über dreißig“, gab sie zu bedenken.
„Nun ja, knapp über dreißig … ich fühle mich noch ziemlich jung“, konterte er amüsiert.
„Trotzdem. Du wirkst schon ein bisschen eingerostet.“
„Oh, danke für das Kompliment.“ In Wirklichkeit gefiel es ihm, dass sie sich wohl genug in seiner Gesellschaft fühlte, um ihn aufzuziehen. „Wie viele Kinder möchtest du?“
„Drei oder vier. Da hat man immer jemanden zum Spielen und Streiten“, lachte sie.
Er sah sie direkt vor sich in ihrem kuscheligen Häuschen. Sie würde Plätzchen backen, Halloween-Kostüme nähen – die perfekte Mutter eben. Verschwenderisch in ihrer Liebe und bescheiden in ihren Ansprüchen.
Rafiq betrachtete den schlichten Schmuck, den sie für den heutigen Anlass gewählt hatte. Juwelen würden ihr gut zu Gesicht stehen, erkannte er. Saphire vorzugsweise. Sie würden das Blau ihrer Augen unterstreichen. Und Diamanten. Diamanten und weiter nichts … Heißes Verlangen durchfuhr ihn. Ein Verlangen, das in absehbarer Zeit nicht gestillt würde. Aber das war okay. Je länger die Vorfreude, desto berauschender die Erfüllung.
„Freitagabend bin ich zu einer Spendengala eingeladen. Ich möchte gern, dass du mich begleitest“, sagte er.
„Gern, doch da gibt es ein kleines Problem. Ich fürchte, ich habe nicht die richtige Garderobe für solche Anlässe. Aber ich werde mir ein entsprechendes Outfit besorgen, wenn du mir einen Tipp gibst, was dir so vorschwebt: das kleine Schwarze oder eine glamouröse Robe.“
„Darüber sprechen wir noch. Einverstanden?“ Er schob seinen Stuhl zurück. „Fertig? Hat es dir geschmeckt?“
„Es war himmlisch, danke.“ Sie wunderte sich selbst, mit welchem Appetit sie gegessen hatte. Während ihrer Unterhaltung war ihre Nervosität vollkommen verflogen.
Rafiq stand auf und führte Kiley hinaus auf die Terrasse. Die Sonne war bereits vor einiger Zeit untergegangen, und das Meer lag im Dunkeln. Vereinzelt blitzten weiße Schaumkronen auf, wenn die Wellen tosend ans Ufer rollten. In der Ferne waren ganz schwach die Lichter eines anderen Hauses sichtbar.
Rafiq trat dicht hinter Kiley, legte die Arme um ihre Taille und zog sie an sich. Die Nacht war kühl, und Kiley genoss die Wärme, die sein Körper ausstrahlte. Und die Art, wie er sie umschlungen hielt. „Es macht Spaß mit dir“, gestand sie. „Man kann sich so gut mit dir unterhalten.“
„Bist du überrascht?“
„Ja, schon. Ich hatte erwartet, dass es schrecklich verkrampft werden würde, zumindest am Anfang.“
„Nun, zum Teil liegt es wohl daran, dass du intelligent bist und andere Gesprächsthemen hast als Schuhe und Kleidung.“
Sie lachte leise. „Erlebst du das oft?“
„Öfter, als du dir vorstellen kannst.“
„Dann verspreche ich dir, dich damit zu verschonen. Ist sowieso ein langweiliges Thema.“
„Nicht, wenn du deine Kleider ausziehst.“ Seine Stimme klang plötzlich dunkel und verführerisch.
Die abrupte Wendung ließ ihr Herz schneller schlagen. Auf einmal war sie sich des Mannes hinter sich mit jeder Faser ihres Körpers bewusst. Einerseits schockierten sie seine Worte, doch sie empfand auch Neugier und Erregung.
„Keine Angst, Kiley. Heute wird nichts passieren. Aber irgendwann bist du bereit für mich.“ Damit neigte er den Kopf und drückte ihr einen sanften Kuss auf den Hals. Sie erschauerte, während er sich behutsam bis zu der empfindsamen Stelle hinter ihrem Ohr vortastete.
„Woran denkst du?“ Sein Atem kitzelte ihre Haut.
„Dass sich deine Küsse gut anfühlen“, brachte sie atemlos hervor.
Rafiq richtete sich auf und drehte sie zu sich herum. Im Licht, das aus dem Wohnzimmer nach draußen fiel, glühten seine dunklen Augen vor Verlangen. Um seine Lippen lag ein zärtliches Lächeln. Es vermittelte ihr, dass sie ihm vertrauen konnte. Er würde Wort halten und sie nicht anrühren. Ganz sachte zeichnete er mit den Fingern die Konturen ihres Gesichts nach, strich über ihren Hals und ihre Arme, bis seine Hände ihre fanden.
„Du bist wunderschön“, brachte er rau hervor. „Besonders deine großen, ausdrucksvollen Augen. Ihre Farbe wechselt je nach Stimmungslage, wusstest du das? Manchmal werden sie ganz dunkel, manchmal klar und hell, dann wieder scheint ein Sturm in ihnen zu tosen. Du hast samtig zarte Haut, und dein Mund lädt zum Küssen ein.“
Rafiq hob ihre Hand an seine Lippen und hauchte einen Kuss darauf. „Alles an dir ist schön.“
Okay, solche Komplimente gehörten wahrscheinlich zum Verführungsprogramm, trotzdem ließen sie sie nicht kalt. Ganz im Gegenteil.
Er wickelte sich eine seidige Haarsträhne um den Finger.
„Findest du mein Haar zu kurz?“, meinte Kiley zweifelnd. „Die meisten Männer fahren auf eine lange Mähne ab, aber mir gefällt es so, wie es ist.“
„Mir auch.“ Er zog sie ein bisschen dichter zu sich heran, und sie ließ es willig geschehen. Kiley legte ihm die Hände auf die Schultern und schmiegte sich an seine breite, harte Brust. Ihre Schenkel streiften seine. Plötzlich wünschte sie sehnlichst, endlich das nächste Level zu erreichen. Das Kuss-Level.
Rafiq lächelte wissend. „Ich spüre eine gewisse Ungeduld.“
„Haben wir nicht genug geredet und sollten endlich Taten folgen lassen?“
„Erst heute Morgen konntest du es kaum ertragen, von mir berührt zu werden“, erinnerte er sie. „Ich möchte dich nicht drängen.“
„Jetzt ist es okay für mich, glaub mir.“
„Beweise es.“
Kiley zögerte nur eine Sekunde. Dann schlang sie ihm die Arme um den Hals, reckte sich auf die Zehenspitzen und drückte ihren Mund auf seinen. Diesmal ließ er es nicht passiv geschehen, sondern erwiderte ihren Kuss. Sanft saugte er an ihrer Unterlippe und schob die Zungenspitze durch ihre leicht geöffneten Lippen. Seine Liebkosungen wurden rasch fordernder, und Kiley kam ihm nur zu gern entgegen, ja, sie schmolz förmlich dahin vor Vergnügen.
In diesem Moment hätte er alles von ihr haben können – Hauptsache, er hörte nicht auf, sie zu küssen. Voller Verlangen presste sie sich an ihn, rieb sich an seinen Hüften, wünschte, er würde seine Hände über ihren Körper gleiten lassen … Natürlich hatte sie schon zuvor Leidenschaft empfunden, aber nicht dieses jähe heiße Begehren, das keinen Aufschub duldete.
Irritiert und verunsichert löste sie sich von Rafiq und trat einen Schritt zurück. „Rafiq, ich …“
„Schsch.“ Er legte ihr sanft den Finger auf den Mund. „Es ist schon spät. Ich sage Arnold Bescheid, dass er dich nach Hause bringen soll.“
„Aber …“
Er schüttelte leicht den Kopf und hauchte ihr einen zärtlichen Kuss auf die Wange. „Wir sehen uns dann morgen im Büro. Abends habe ich leider keine Zeit, aber am Mittwoch würde ich gern mit dir ausgehen.“
„Gern, ich freue mich schon darauf.“ Und das entsprach der Wahrheit. Kiley musste sich eingestehen, dass sie seine Gesellschaft schätzte, und zwar in jeder Hinsicht? Wieso erkannte sie erst jetzt, was für einen faszinierenden Chef sie hatte?
Doch mit dem nächsten Morgen kehrte auch Kileys Befangenheit zurück. Wie sollte sie nach dem, was gestern zwischen ihnen passiert war, jetzt noch mit Rafiq zusammenarbeiten?
Aber auch in dieser Hinsicht erwies sich Rafiq als Mann von Welt. Es gelang ihm, Kiley ihre Verlegenheit zu nehmen und eine nüchterne Arbeitsatmosphäre zu schaffen. Er informierte sie, dass er am kommenden Tag mit ihr shoppen gehen würde, um sie mit einer angemessenen Garderobe auszustatten. Ihren Protest ließ er nicht gelten, also fügte Kiley sich seufzend in ihr Schicksal. In gewisser Weise sah sie dem Ereignis sogar recht amüsiert entgegen. Ein Mann und bummeln? Unmöglich … das würde er bestimmt nicht lange durchhalten, und dann wäre die leidige Kleiderfrage erledigt.
Doch da täuschte sie sich in Rafiq – und das ja nicht zum ersten Mal.
Als sie am Mittwochnachmittag in seine Limousine stiegen, spürte er sofort ihr Unbehagen.
„Was ist los?“, wollte er besorgt wissen.
„Ach, nichts Besonderes. Diese Limousine macht mir nur wieder mal bewusst, dass du ein Prinz bist und ich bloß eine normale Sterbliche.“
Er lachte verhalten. „Das haben wir doch bereits zur Genüge diskutiert.“
„Stimmt, und früher hat es mir auch nichts ausgemacht, doch jetzt … jetzt ist alles anders. Das Privatleben von Prinzen kenne ich nur aus Filmen wie ‚Plötzlich Prinzessin‘, du weißt schon. Aber selbst darin mitzuspielen, wenn auch nur in einer Nebenrolle, hätte ich mir nie träumen lassen.“
„Genieß es einfach, okay?“ Rafiq spürte, dass sie ihn nicht wie die meisten anderen Frauen als Trophäe betrachtete, sondern sich wirklich für ihn als Menschen interessierte. Eine angenehme Abwechslung … solange er aufpasste, dass nicht mehr daraus wurde.
Er nahm ihre Hand und führte sie an die Lippen. Neckend zeichnete er mit der Zungenspitze kleine Kreise auf ihre Handfläche. „Du machst dir zu viele Sorgen, freu dich aufs Einkaufen und vergiss alles andere, ja?“ Rafiq verflocht die Finger mit ihren.
„Na gut, also shoppen.“ Sie atmete tief ein. „Wie läuft das in deinen Kreisen ab?“
„Ähnlich wie in deinen, vermute ich, nur dass wir sehr exquisite Läden aufsuchen werden, wo du sonst wahrscheinlich nicht verkehrst. Die Events, zu denen ich dich mitnehmen möchte, erfordern eine exklusive Garderobe, die du dir von deinem Gehalt nicht leisten kannst, wenn ich dich natürlich auch mehr als großzügig entlohne.“
Sie richtete sich kerzengerade auf und sah ihn aus schmalen Augen an. „Wie bitte? Ich bin jeden einzelnen Cent wert, und das weißt du genau!“
„Ach ja?“ Ein belustigtes Lächeln zuckte um seine Mundwinkel.
„Aaahh, du machst dich über mich lustig, gib’s zu!“ Sie knuffte ihn leicht in den Oberarm.
„Au, schon gut, ich bekenne mich schuldig“, lachte er.
„Okay, du spendierst mir also ein sündhaft teures neues Outfit. Können wir den Kram später zurückgeben?“
„Natürlich wirst du die Sachen behalten. Betrachte sie als Mätressen-Bonus.“
„Außer meinem Vater hat mir noch kein Mann Kleidung geschenkt, Rafiq. Dir ist doch klar, dass ich mich nicht an dir bereichern möchte, oder?“
„Aber ja, dich treiben weitaus noblere Motive“, beruhigte er sie.
Sie überlegte kurz. „Hältst du Rache wirklich für nobel?“
„In meiner Heimat gehört Blutrache zum Kulturgut, also habe ich vollstes Verständnis für dich.“
„Trotzdem möchte ich die Kleider nicht behalten“, beharrte sie.
„Warte es doch ab, vielleicht gefallen sie dir so gut, dass du dich nicht mehr davon trennen willst. Wie gesagt, betrachte die Angelegenheit als Bonus.“
„Worin besteht eigentlich dein Bonus?“ Sie sah ihn neugierig von der Seite an.
„Mein Bonus bist du.“
Ihr Herz machte einen freudigen Satz. „Oh, wirklich schmeichelhaft, aber so hoch schätze ich mich nicht ein. Okay, ich bin verlässlich und ehrlich. Aber nicht sehr geheimnisvoll, leider … und erfahren auch nicht, das weißt du ja. Ich könnte mich im Bett als komplette Niete erweisen.“
„Unwahrscheinlich.“
„Ich beneide dich um deine Zuversicht“, seufzte sie.
„Bist du nervös?“
„Sicher doch.“ Kiley wich seinem forschenden Blick aus. „Wenn ich mir vorstelle, dass wir es tatsächlich tun … du weißt schon, was ich meine.“
Ein belustigtes Lächeln umspielte seine Lippen. „Nun, wir werden es nicht nur einfach tun. Ein bisschen mehr steckt schon dahinter.“
„Oh, natürlich.“ Ernst fügte sie hinzu: „Du verfügst über reichlich Erfahrung auf diesem Gebiet, oder? Wird das nicht irgendwann langweilig? Wünschst du dir nicht mehr als eine endlose Parade schöner, williger Frauen?“
„Die Abwechslung ist sehr reizvoll.“
„Na gut, aber ich meine etwas anderes: Sehnst du dich nicht nach Geborgenheit, dem Gefühl von Zugehörigkeit? Dem Abenteuer, einen anderen Menschen richtig kennenzulernen?“
„Geborgenheit und das Gefühl von Zugehörigkeit findet man nicht nur in einer Beziehung, im Idealfall trägt man beides tief in sich. Und alles andere?“ Er zuckte die Achseln. „Im Moment bin ich zufrieden, wie es ist. Ich bestimme, wie lange es dauert, wann es vorbei ist.“
„Und keiner wird verletzt.“
„Das hoffe ich zumindest, deshalb bemühe ich mich, die Regeln so klar wie möglich zu formulieren. Wenn sich dann doch eine in mich verliebt, tut es mir sehr leid.“
„Was ist mit dir? Hattest du noch nie Liebeskummer?“
„Nein. Ich bin ziemlich immun gegen weiblichen Charme.“
„Wirklich?“
Er lächelte herausfordernd. „Wollen wir wetten?“
„Lieber nicht, da habe ich keine Chance. Aber irgendwann hängst auch du am Haken, da bin ich sicher.“
„Möchtest du diesen Triumph gern miterleben?“
„Nein, ich bin nicht wild darauf, dich besiegt zu sehen. Was hältst du bloß von mir?“
Er blickte forschend in ihre blauen Augen, die dunkel waren vor Empörung. „Entschuldige bitte, das war unfair. Du bist nicht der Typ, der sich am Unglück anderer weidet.“
„Abgesehen von Eric“, erinnerte sie ihn düster.
„Bist du immer noch traurig?“
„Manchmal. Aber ich hätte es mir schlimmer vorgestellt. Das macht mir fast Angst, und ich rede mir ein, dass der richtige Schmerz erst noch kommt.“
„Wer weiß … vielleicht hast du ihn nicht so sehr geliebt, wie du dachtest.“
„Hm, ein schwacher Trost. Immerhin wollte ich den Mann heiraten.“
„Das funktioniert auch ohne Liebe.“
„In meiner Welt nicht. Schlimm genug, dass er eine komplette Närrin aus mir gemacht hat. Wenn ich jetzt noch erkennen muss, dass ich ihn nicht mal geliebt habe, dann brauche ich dringend eine Therapie.“
Rafiq konnte nicht anders, er musste lachen. Kileys selbstironische Art gefiel ihm, ja die ganze Frau gefiel ihm. Er fühlte sich wohl in ihrer Gesellschaft. Er nahm sich vor, etwas Nettes für sie zu tun, wenn ihre Affäre beendet war. Vielleicht würde er ihr das Haus kaufen, das sie sich wünschte, und ihre restlichen Hochzeitsschulden bezahlen.