Nr. 101
Der Weltraum-Tramp
Er bricht die Gesetze – aber er hilft den Schiffbrüchigen auf dem lebenden Planeten!
von CLARK DARLTON
Eine neue Menschheitsepoche ist angebrochen!
Seit dem im vorletzten Roman geschilderten Geschehen sind 57 Jahre vergangen – man schreibt also jetzt auf der Erde das Jahr 2102.
Viel hat sich in der Zwischenzeit ereignet!
Die Druuf-Gefahr besteht nicht mehr, da die Überlappungszone der beiden Universen längst zu unstabil geworden ist, um noch ein Durchdringen zu gestatten.
Dem Arkoniden Atlan ist es mit Unterstützung der Menschen gelungen, seine Stellung als Imperator zu festigen. Das Bündnis zwischen Arkon und dem Solaren Imperium hat Früchte getragen – speziell für die Terraner, von denen viele bereits wichtige Positionen auf Arkon selbst einnehmen. Atlan muss diese dulden, da er sich auf die meisten seiner Landsleute nicht verlassen kann.
Das Solare Imperium ist zur bedeutendsten Handelsmacht am Rande der Milchstraße geworden. Seit 22 Jahren gibt es geradezu einen Strom von Auswanderern zu geeigneten Siedlungswelten. Desgleichen existieren auf vielen von anderen Intelligenzen bewohnten Planeten terranische Gesandtschaften und Handelsniederlassungen.
Kurzum, für viele Menschen ist der Traum ihrer Vorväter – die Reise zu den Sternen – längst zur Realität geworden. So auch für den WELTRAUM-TRAMP ...
Die Hauptpersonen des Romans
Captain Samuel Graybound – Sein Raumschiff hat Teddybären geladen.
Rex Knatterbull – Erster Offizier der LIZARD.
Oberst Ludwig Rammbüggl – Er will dem Weltraumtramp eine »kosmonautische Umschulung« angedeihen lassen.
Torero – Keine Person, sondern ein vorlauter Papagei.
Henry Smith – Ein Funker, der Kummer gewöhnt ist.
Perry Rhodan – Der Solare Administrator muss sich einiges an den Kopf werfen lassen.
Gucky – Ein goldenes Herz unter einer rauen Schale bleibt dem Mausbiber nicht lange verborgen.
1.
Am Rand des riesigen Raumhafens von Terrania gab es einige flache Gebäude, in denen Firmen und Handelsgesellschaften ihr Hauptquartier aufgeschlagen hatten. Hier, im Zentrum des interstellaren Warenaustausches, saßen sie direkt an der Quelle.
Etwas vom Rand des Feldes abgerückt und ein wenig in den Hintergrund geraten stand ein kleines aber massives Steingebäude. Es sah aus wie eine Baracke, war aber keine. An der Frontseite hing ein längliches Schild. Wenn man nahe genug heranging, konnte man die Beschriftung lesen:
STARTRAMP & CO., LTD.
Raumfahrts-Gesellschaft
Besitzer:
Richard Flexner, Kapitän a. D.
Ging man aber an diesem Tage, genau am 16. März des Jahres 2102, noch näher heran, so vernahm man auch die polternde Stimme, die in allen Tonarten fluchte. Ein nicht Eingeweihter wäre sicherlich vor Schreck blass geworden und hätte sofort auf dem Absatz kehrt gemacht, aber die junge Dame, die eben aus dem Taxi gestiegen war und sich nun mit festen Schritten dem Gebäude näherte, schien den Betrieb zu kennen.
Sie trug ein leichtes Sommerkleid, einen breiten Hut, eine niedliche Handtasche und die zur Zeit modernen Sandaletten. Ihr Gesicht wäre sanft zu nennen gewesen, wenn in ihren Augen nicht ein unternehmungslustiges und auch zugleich warnendes Funkeln gestanden hätte.
Mit Ludmilla Graybound, geborene McBain, war nämlich nicht zu spaßen. Das wusste ihr angetrauter Ehemann am besten.
Dieser Ehemann nämlich war es auch, der hinter der Mauer der ›Startramp‹ so wüste Drohungen ausstieß und nichts von dem Nahen seiner Gattin ahnte.
Captain Samuel Graybound war aus dem Sessel hochgeschossen, als hätte er sich auf Reißnägel gesetzt.
»Das musst du mir noch einmal sagen, Rich! Dann glaube ich es dir vielleicht. Institut für kosmonautische Umschulung ...! Was ist denn das nur wieder für ein Unsinn? Was wollen die von mir? Diese Dummköpfe! Der Henker soll sie holen!«
Sein Gegenüber war die Ruhe selbst. Er saß in seinem Sessel hinter einem Tisch, der mit Sicherheit noch aus dem vorigen Jahrtausend stammte, weit zurückgelehnt und die Füße auf die Holzplatte gelegt.
»Mein lieber Sammy, Aufregung schadet dem Blutdruck«, sagte er wohlwollend. »Geh' hin, und du wirst erfahren, was sie von dir wollen. Ich kann es dir auch nicht sagen.«
»Kosmonautische Umschulung!« Samuel Graybound konnte sich nicht beruhigen. »Als ob es an mir noch etwas umzuschulen gäbe! Diese Narren! Zum Teufel mit ihnen ...!«
»Immer mit der Ruhe!«, warnte sein Gegenüber, niemand anderer als der Chef der Firma selbst, Kapitän a. D. Richard Flexner. »Man soll niemals übereilt handeln. Schließlich untersteht das Institut der Weltregierung. Wir müssen das berücksichtigen.«
»Berücksichtigen ... pah! Wir sind eine private Handelsgesellschaft mit sechs eigenen Frachtraumern. Was gibt es da umzuschulen? Sollen wir vielleicht künftig im Auftrag der Regierung handeln? Das hätte uns noch gerade gefehlt. Die würden sich wundern, was wir so manchmal in unseren Ladeluken versteckt haben ...«
»Sei vorsichtig!«, flüsterte Flexner erschrocken und sah sich um, als wolle er einen unsichtbaren Lauscher entdecken. »Nicht so laut! Du brüllst, dass man es bis Terrania hören kann.«
»Von mir aus sollen sie es bis China hören!«, tobte Captain Graybound unbeherrscht und strich sich durch den verfilzten Rotbart, der sein Gesicht nicht gerade verschönerte. Seine Knollennase vibrierte und wurde zum Gradmesser seiner Erregung. Die sonst schlaff herabhängenden Hamsterbacken wirkten plötzlich straff und angespannt. Ein sicheres Anzeichen dafür, dass die Wut ihres Besitzers auf dem Höhepunkt angelangt war. »Wer heutzutage nicht schmuggelt, ist selber schuld.«
Flexner war blass geworden.
»Du bist jetzt sofort ruhig, Sammy! Willst du uns alle in Gefahr bringen? Wir haben zwar nicht den besten, aber immerhin einen Namen zu verlieren. Du bist mein Teilhaber, wenigstens was die Aktien angeht, die im Besitz deines hochverehrten Schwiegerpapas sind. Also schädigst du auch ihn und dich, wenn du den Mund zu weit aufreißt.«
Graybound schnappte nach Luft, wollte etwas entgegnen, als er hinter sich Schritte auf dem Gang vernahm. Er schluckte erschrocken, drehte sich um und starrte fasziniert auf die altmodische Türklinke, die sich zu bewegen begann.
Auch Hexner war erschrocken. Ein Besucher? Hoffentlich hatte der nicht ein Wort zuviel gehört.
Aber dann atmete Flexner erleichtert auf, als er Ludmilla Graybounds zierliche Figur erkannte. Sie trat ins Zimmer, schloss die Tür hinter sich und stemmte die Hände in die Hüften.
»Was gibt's hier zu brüllen?«, wollte sie wissen und sah ihren Gatten herausfordernd an. »Los! Raus mit der Sprache!«
Samuel Graybound war zweiundfünfzig Jahre alt, Ludmilla offensichtlich erst zwanzig. Zwar hatte sie die biologische Jungerhaltung seit der Hochzeit aufgegeben, aber der Unterschied zwischen den beiden Partnern musste jedem Betrachter schon rein optisch auffallen. Vor nichts in der Welt hatte der alte Kapitän Respekt oder gar Angst. Keine Gefahr konnte ihn abschrecken, seinen Willen durchzusetzen. Er hätte dem Teufel persönlich einzeln die Haare ausgezogen, wenn man es von ihm verlangt hätte und wenn er gewusst hätte, wo er den Teufel finden konnte. Aber vor seiner kleinen Frau kapitulierte er bedingungslos.
»Aber Schätzchen«, flötete er liebevoll und zeigte auf einen Sessel. »Willst du nicht erst Platz nehmen? Wir halten gerade eine der routinemäßigen Besprechungen ab ...«
»Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du mich nicht anlügen sollst?«, fragte sie scharf und stieß seine Hand zurück. »Ich kann mich schon allein setzen, lass' nur!« Sie versank in dem Sessel. »Seit wann gehören mein Vater und Schmuggel zu den Routinebesprechungen?«
»Wir sollten schalldichte Wände einbauen«, murmelte Graybound erschüttert und zog sich einen Stuhl heran. Als er sich darauf niederließ und dem schwachen Holz sein Gewicht anvertraute, gab Flexner heimlich ein Stoßgebet von sich. Er bangte um seine Möbel. Graybound war nämlich untersetzt und kräftig gebaut und besaß einen beachtlichen Bauchansatz. Aber der Stuhl hielt.
»Wer schmuggelt?«, wollte Ludmilla wissen. Ihre Augen sprühten. Graybound duckte sich unwillkürlich.
»Wir sprachen nur allgemein darüber«, machte Flexner den Versuch, die Situation zu retten. »Was viel wichtiger ist, meine Liebe, Ihr Gatte hat eine Vorladung erhalten ...«
»Vor Gericht?« Ludmilla war zutiefst erschrocken.
»Nein, zum Institut für Kosmonautische Umschulung. Das Schriftstück wurde heute früh gebracht. Wie Sie sicherlich wissen, sollte Ihr Mann heute mit der LIZARD zum Tuglan-System starten.«
»Ja, ich weiß. Kinderspielzeug und Teddybären für die kleinen Tuglaner. Hat er mir erzählt.«
»Das stimmt auch, liebe Frau Graybound. Ganz besonders Teddybären. Die werden dort hoch geschätzt und gut bezahlt.« Flexner lächelte verbindlich. »Teddybären von Terra gehören zu den beliebtesten Exportartikeln.«
Ludmillas Gesichtsausdruck nach zu schließen stand sie dieser Behauptung äußerst skeptisch gegenüber. Nicht, dass sie etwas gegen Teddybären gehabt hätte, aber sie fragte sich sicherlich, warum man diese niedlichen Stofftiere nicht gleich auf Tuglan selbst herstellte.
»Und da kam dann diese Vorladung?«, vergewisserte sie sich. Sie sah Samuel Graybound an, der ihren Blick reichlich unsicher zurückgab. »Was wollen die von dir? Hast du etwas angestellt?«
Für einen Augenblick verlor er die Beherrschung.
»Wie soll ich wissen, was die Ochsen von mir wollen?«, brüllte er, wurde aber sofort wieder zahm und ruhig. »Verzeih', Liebling. Ich meine, ich weiß es nicht. Ich kann es mir auch nicht vorstellen.«
»Umschulung?«, dehnte sie nachdenklich. »In deinem Alter wollen die dich doch wohl nicht mehr umschulen, was ...?«
Graybound war zusammengezuckt. Anspielungen auf sein Alter konnte er nicht leiden, besonders dann nicht, wenn seine eigene Frau sie machte. Nur mühsam beherrschte er sich.
»Das Alter«, dozierte er streng, »spielt dabei keine Rolle. Man ist immer so alt oder jung, wie man sich fühlt.«
»Daran werde ich dich bei nächstbester Gelegenheit erinnern«, versprach Ludmilla und lächelte. Dann wurde sie wieder ernst. »Ja, wenn du es nicht weißt, dann geh' doch hin zu diesem Institut. Vielleicht erfährst du es dann. Wann sollst du kommen?«
»Heute Nachmittag. Gleich.«
Ludmilla machte es sich im Sessel bequem.
»Ich werde hier in Mister Flexners Büro auf dich warten.«
»Oh – sehr angenehm«, säuselte Flexner mit einem hämischen Seitenblick auf seinen Kompagnon und ersten Kapitän. »Wir werden uns die Zeit schon vertreiben.«
»Davon bin ich überzeugt«, knurrte Graybound und betrachtete den Chef der Firma abwägend. Flexner war genau so alt wie er, sah aber seiner schlanken Figur wegen wesentlich jünger aus. Er war unverheiratet, stand aber in dem Ruf eines gelegentlichen Don Juan. In den Bars von Terrania kannte man ihn als gutzahlenden Gast und zuvorkommenden Kavalier. Nicht sehr beruhigend für Graybound, der sich Ludmillas wegen jedoch keine Sorgen machte. Er ärgerte sich nur darüber, dass seine Frau wieder die erste sein musste, die eventuelle Neuigkeiten erfahren wollte. Dabei ging sie das doch gar nichts an. »Ich werde mich also auf die Socken machen. Umschulung ...! Die sind völlig verrückt geworden! Womöglich wollen sie mich zur Marine abkommandieren.«
Er entlastete den strapazierten Stuhl und schritt zur Tür.
»Beherrsche dich und mach' keine Dummheiten«, ermahnte ihn seine Frau. »Denke immer daran, dass es Leute gibt, die mächtiger und stärker sind als du!«
»Pah!«, machte Graybound und knallte die Tür hinter sich zu. Einmal auf dem Gang und dann im Freien tat er seinen Gefühlen keinen Zwang mehr an. Er sprach mit sich selbst und schalt sich einen Narren, der, Vorladung überhaupt Folge zu leisten. Als er hundert Meter von dem Büro entfernt war, wurde seine Stimme sogar wieder laut. Hier konnte ihn niemand hören. Nur er selbst. Und das tat ihm gut.
»Diese Hohlköpfe! Von der Theorie mögen sie einiges verstehen, aber was hat das mit der Praxis zu tun? Nichts! Überhaupt nichts! Narren der Verwaltung! Beamte! Pah!«
Mit gewichtigen Schritten eilte er zu dem Parkplatz am Rand des Feldes, wo sein Mietwagen stand. Er schloss ihn auf, beseitigte die Startsperre und warf sich in die ächzenden Polster. Bevor er jedoch anfuhr, sah er hinüber zu den Hangars.
Dort standen drei Schiffe der ›Startramp‹. Es waren alles alte Frachter, Kugelraumer mit achtzig Meter Durchmesser. Hypersprung-Prinzip. Ihr Inneres bestand nur aus Laderäumen, engen Kabinen und dem Antrieb. Platz für mehr Luxus blieb nicht. Lediglich die LIZARD unterschied sich in einigen Sächelchen von den anderen Schiffen, aber das ging schließlich außer Captain Graybound und seiner achtzehnköpfigen Besatzung niemand etwas an.
»Umschulen!«, knurrte er wütend und ein wenig besorgt. »Denen werde ich aber helfen!«
Dann raste der Wagen mit einem Satz davon und nahm den Captain Graybound mit nach Terrania.
*
Ein riesiges Hochhaus am Stadtrand, Tausend Büros. Rundherum Grünflächen und Bänke. Daneben das Institut mit seinen Labors und Versuchsstationen. Ein weiterer Komplex, eingezäunt und mit Wachtposten.
Das Institut für Kosmonautische Umschulung!
Chef-Inspekteur Oberst Ludwig Rammbüggl saß hinter seinem mächtigen Schreibtisch und wühlte in dem Stoß Papiere, die man ihm gebracht hatte. Sein Sekretär half ihm dabei.
»Einige neue Anträge des Positronengehirns – heute und gestern eingelaufen. Die Bewerber werden sich heute und in den nächsten Tagen vorstellen, Sir. Ich habe alles Notwendige veranlasst.«
»Schon gut, Pierre. Sind auch Eingezogene dabei?«
Unter ›Eingezogenen‹ verstand man solche Angehörige der Raumflotte und Handelsflotte, die sich nicht freiwillig zur Umschulung gemeldet hatten, sondern von dem Positronengehirn aufgrund der vorliegenden Daten als befähigt anerkannt worden waren.
»Ja, Sir. Einer. Ein gewisser Captain Samuel Graybound.« Der Sekretär blätterte hastig durch die Formulare und zog dann eines hervor, das er dem Oberst reichte. »Hier sind die Unterlagen.«
Oberst Rammbüggl studierte die Papiere. Seine Stirn, vorher glatt und sorglos, begann sich zu umwölken. Falten entstanden darauf und ließen nichts Gutes ahnen. Mit steigender Nervosität blätterte er die Unterlagen durch und sah dann schließlich ratlos auf.
»Das Gehirn muss sich geirrt haben«, stellte er dann fest. »Sicher eine Verwechslung!«
»Unmöglich, Sir. Sie wissen genau so gut wie ich, dass eine Verwechslung völlig ausgeschlossen ist.«
»Das ist es ja eben!«, nickte Oberst Ludwig Rammbüggl erschüttert. »Aber dieser ...«, er sah auf die Papiere, »... Captain Graybound ist doch niemals geeignet, eins der neuen Schiffe zu führen! Ich bin sogar überzeugt, er wird hier nicht erscheinen. So ein Charakter wie der ...«
Das Summen der Lautsprecheranlage unterbrach ihn.
Der Sekretär eilte diensteifrig herbei und schaltete ein.
»Büro Oberst Rammbüggl!«, meldete er sich.
»Ein Captain Graybound ist da. Er hat eine Vorladung ...«
»Schicken Sie ihn herein!«, mischte sich der Oberst ein und sank dann in seinen Sessel zurück. »Ist denn das zu fassen? Er ist der Vorladung gefolgt!«
»Vielleicht irren Sie sich, Sir, und der Mann ist doch brauchbarer, als Sie annehmen. Die Unterlagen sind nicht immer sehr ausführlich.«
»Vielleicht«, räumte der Oberst ein. »Wir werden ja sehen.«
Und dann sahen sie.
Die Tür wurde aufgerissen, und Captain Samuel Graybound stürmte in das Büro. Er sah zuerst den Sekretär Pierre an, dann Oberst Rammbüggl. Seine roten Haare standen wirr und ungepflegt vom Kopf ab. Auch der rote Vollbart hätte der Pflege bedurft. Die Hängebacken wabbelten auf und ab und verrieten höchste Erregung.
»Wer hat mir diesen blödsinnigen Wisch geschickt?«, brüllte er mit Stentorstimme und warf die Vorladung auf Rammbüggls Tisch. »Ich habe etwas anderes zu tun, als mich mit euch Bürokraten abzugeben.«
Der Oberst lief blutrot an. Er schnappte zweimal vergeblich nach Luft. Pierre war zurückgewichen und starrte Graybound wie ein Wundertier an. Er hatte noch nie erlebt, dass jemand seinen Chef so behandelte.
»Was ... was erlauben Sie sich ...?«
Graybound betrachtete interessiert das rote Gesicht seines Gegenübers, als handle es sich um ein wissenschaftliches Phänomen. Dann schüttelte er den Kopf und sah sich nach einem Stuhl um. Als er keinen entdecken konnte, blieb er notgedrungen stehen. Aber er beugte sich vor und stützte die Hände auf Rammbüggls Schreibtisch, dem das zusätzliche Gewicht nichts ausmachte.
»Graybound ist mein Name. Captain Samuel Graybound, Kommandant des Frachters LIZARD von der ›Startramp‹. Und wer sind Sie?«
Oberst Rammbüggl erholte sich allmählich. Das ›und wer sind Sie?‹ klang allerdings derart verächtlich und herablassend, dass er fast explodiert wäre. Das Rot seines Gesichtes verwandelte sich langsam in Violett.
»Oberst Ludwig Rammbüggl, Chef der Abteilung für Neuzugänge.«
Graybound beugte sich noch weiter vor und starrte seinem Gegenüber fassungslos ins Gesicht.
»Rammbüggl?«, machte er und begann dann hemmungslos zu lachen. »Bei allen Saturnringen! Was für ein Name!«
»Herr! Was erlauben Sie sich ...?«
»Ach ...?«, machte Graybound ungläubig. »Hat Ihnen das noch niemand gesagt? Und Ihnen selbst ist das auch noch nicht aufgefallen? Dann wurde es Zeit, dass Ihnen jemand sagt, wie komisch ...«
»Herr!«
Graybound nickte.
»Ja«, bestätigte er gelassen. »Das bin ich! Ich würde auch jedem die Knochen brechen, der das Gegenteil behauptete.« Er holte tief Luft. »Würden Sie endlich die Freundlichkeit besitzen, mir mitzuteilen, warum Sie mich herbestellt haben ...?«
Der Oberst sank in die Polster seines Sessels zurück. Mit fahrigen Fingern blätterte er durch die Papiere.
»Sie sind Captain Samuel Graybound?«
»Ich habe mich doch schon vorgestellt. Sie sind aber schwer von Begriff ...«
»Sie haben hier nur meine Fragen zu beantworten, mehr nicht. Also, sind Sie es oder nicht?«
Graybound seufzte und setzte eine Miene auf, als wolle er einem kleinen Kind das große Einmaleins beibringen.
»Ja, ich bin es.«
Der Oberst sah wieder auf die Papiere.
»Verheiratet mit Ludmilla, geborene McBain.«
»Leider«, brummte Graybound.
»Mitinhaber der ›Startramp‹ und Kommandant des Frachters LIZARD, achtzehn Mann Besatzung.« Oberst Rammbüggl ließ eindeutig erkennen, dass er nicht mehr unterbrochen zu werden wünschte. Auch nicht durch Bestätigung. »In Ihrer Jugend waren Sie Offizier der terranischen Raumflotte, wurden aber wegen Trunksucht und erwiesener Befehlsverweigerung entlassen und ...«