Nr. 109
Der Blockadering um Lepso
Die Flotte kommt – und die Frachter des Todes erhalten Startverbot ...
von KURT BRAND
Das Blaue System, Arkons alter und Terras neuer Gegner, hat bedingungslos kapitulieren müssen, nachdem die Raumstationen zerstört wurden, die die Energien zur Aufrechterhaltung des gewaltigen Schutzschirms lieferten.
Ihres Schutzes beraubt, werden die Akonen schon um der reinen Selbsterhaltung willen in Zukunft Frieden halten – das ist gewiss!
Ebenso gewiss ist aber auch, dass Perry Rhodan und seine Leute – ebenso wie Atlan – auf Grund des turbulenten Geschehens der letzten Zeit den »Antis« zu wenig Beachtung schenkten.
Und so erhielten die Antis, die Diener des in der Galaxis fast überall verbreiteten Báalol-Kultes, die Chance, ungestört ihren Zehnjahresplan anlaufen zu lassen – einen Zehnjahresplan des Schreckens!
Welche furchtbaren Folgen dieser Plan für die Menschheit und andere galaktische Intelligenzen haben soll, das zeigten bereits eindringlich die von den Agenten der Abteilung III auf dem Planeten Lepso angestellten Ermittlungen.
Wieder ist der Schmugglerplanet Lepso der Schauplatz der Aktionen – doch diesmal handelt es sich nicht um kleine Agenteneinsätze, sondern um einen Großeinsatz der Solaren Raumflotte, die den BLOCKADERING UM LEPSO bildet ...
Die Hauptpersonen des Romans
Dr. Edmond Hugher – Der Träumer erwacht.
Perry Rhodan – Administrator des Solaren Imperiums.
Jefe Claudrin – Kommandant der IRONDUKE.
Gucky – Wenn die Antis sich abschirmen, ist auch der beste Mutant hilflos.
Gal-Tan – Ministerpräsident von Lepso.
Tu-poä – Ein Fanatiker.
1.
Doktor Edmond Hugher hatte es sich in seiner Wohnung bequem gemacht. Gemütlich im Gliedersessel ausgestreckt, die Füße auf dem ovalen niedrigen Tisch, hielt er die Wochenendausgabe der Terrania Post aufgeschlagen im Schoß. An dieser umfangreichen Zeitung interessierte ihn nur immer wieder die Samstagausgabe und darin die Kreuzworträtsel.
Sie zu lösen, das war Doktor Hughers Hobby; darüber konnte der stille, stets freundliche Mann sogar manchmal seine wissenschaftliche Arbeit vergessen, besonders dann aber, wenn er ein Kreuzworträtsel von Qualität vor sich hatte. Nach seiner Meinung erschienen in der Terrania Post die besten Rätselfragen dieses Genres.
Doch bis auf zwei Positionen hatte er inzwischen nun auch dieses Kreuzworträtsel erledigt:
Waagerecht, Position 45: Verzierte Einfassung von Wappen, neun Buchstaben. Dritter und vierter Buchstabe bekannt: r und t.
Senkrecht, Position 109: Isländischer Ringkampf, fünf Buchstaben. Nur der dritte Buchstabe bekannt, ein i.
Doktor Hugher stöhnte unbewusst auf. Mit den Kreuzworträtseln in der Terrania Post war es immer so; ein paar Fragen waren stets so ausgefallen, dass es fast unmöglich war, sie zu beantworten, es sei denn, man griff auf die positronische Lexikaauskunft zurück. Aber gerade das tat Hugher nie. Aus sich heraus wollte er das Rätsel vollständig lösen.
»Bei den Göttern Arkons«, sagte er nun, »was ist eine verzierte Einfassung von Wappen?« Ihm kam nicht zu Bewusstsein, den ersten Teil seiner Frage in Intergalaktisch gesprochen zu haben und den Rest in Terranisch. »Wie heißt dieser isländische Ringkampf?«
Er sah von der Zeitung auf und starrte zur Decke. Seine Gedanken schweiften ab. Flüchtig dachte er an die Arbeit, die er heute noch unbedingt erledigen musste.
»Ach, du meine Güte, ja! Kartusche!« Ein frohes Lachen zog über sein Gesicht. Er nahm die Finger zu Hilfe und zählte an dem Wort Kartusche die Anzahl der Buchstaben durch. Neun Buchstaben, und im nächsten Moment trug er unter Position 45, waagerecht, das Wort ein. Mitten im Schreiben erinnerte er sich, welchen Namen dieser isländische Ringkampf führt: Glima.
»Glima«, sagte er laut. »Woher kenne ich dieses Wort? Woher habe ich nur diese außerordentliche Beherrschung der terranischen Sprache?«
Er legte die Zeitung zur Seite. Seine Gedanken begannen sich mit seiner Vergangenheit zu beschäftigen.
Er war krank gewesen; aber welche Krankheit er gehabt hatte, war ihm nie von den Ärzten auf Arkon gesagt worden.
»Es ist ein Wunder, dass Sie noch einmal gesund geworden sind, Hugher«, hatte man ihm gesagt, »aber wir können nicht garantieren, ob sich mit der Zeit nicht doch Gehirnschäden herausstellen.«
Damals war er darüber hinweggegangen; damals war vor achtundfünfzig Jahren gewesen. Er hieß Edmond Hugher, aber war er auch tatsächlich dieser Edmond Hugher? Manchmal glaubte er sich seiner Eltern und Geschwister zu erinnern, aber er hatte nie vermocht, sich Vater oder Mutter bildhaft vorzustellen. Immer waren ihre Gesichter verschwommen geblieben. Hatte er nicht drei Brüder gehabt? Aber er war ja nicht einmal in der Lage, anzugeben, auf welchem Planeten er geboren war, noch weniger konnte er sicher sein, drei Brüder gehabt zu haben.
Alles, was hinter jenem achtundfünfzigsten Jahr lag, wurde von einem Nebelschleier eingehüllt.
Wo bin ich geboren? Ich bin doch weder Arkonide, Ekhonide, Springer noch Ara, aber von dieser vielfältigen Rasse habe ich viel mitbekommen. Woher aber stammt der andere Teil in mir?
Doktor Edmond Hugher nahm die Beine vom Tisch. Automatisch passte sich der Gliedersessel seiner neuen Haltung an.
Im gleichen Moment hatten die bohrenden Gedanken, die seiner Vergangenheit galten, ein Ende gefunden. Ihm wurde nicht bewusst, dass sich wieder ein unsichtbares Netz über jene Lücke gelegt hatte, die durch den Begriff Glima aufgebrochen worden war.
Doktor Edmond Hughers Gedanken kreisten zwar noch in der Vergangenheit, aber sie bewegten sich innerhalb der letzten achtundfünfzig Jahre.
Er sah sich auf Zalit arbeiten. Zuerst als Gehilfe. Dann übertrug man ihm verantwortungsvolle Aufgaben, aber er blieb trotzdem Gehilfe. Er kam nicht vorwärts. Immer wieder wurden ihm schlafmützige Arkoniden vor die Nase gesetzt. Seine Proteste nutzten nichts. Gegen den Klüngel der Arkoniden kam er nicht an. Als er das einsah, suchte er Kontakte mit Nicht-Arkoniden zu finden und nahm freudig das Angebot einer Springersippe an, für sie als kaufmännischer Chef auf einer Planetenniederlassung zu arbeiten.
Arkon legte sein Veto ein und zerstörte alles. Man verwies auf den Vertrag, in dem stand, dass er, Doktor Hugher, sich freiwillig bereit erklärt hatte, seine ganze Arbeitskraft für Arkon auf dem Planeten Zalit einzusetzen.
Er hatte damals schon über das Lächeln verfügt, das ihm auch heute noch zu eigen war. Mit beunruhigender Freundlichkeit hatte er erklärt, sich nicht mehr an den Vertrag erinnert zu haben, und fleißig wie bisher war er danach weiter seiner Tätigkeit auf Zalit nachgegangen.
Und dann hatte er eines Tages in seiner Wohnung fassungslos seinem lächelnden Ebenbild gegenübergestanden. Zunächst wollte er seinen Augen nicht trauen, und in natürlicher Reaktion hatte er sein zweites Ich angefasst, von allen Seiten überprüft und zugeben müssen, dass die robotische Nachbildung vollkommen war.
Ihm gegenüber saß Loó-o, der nun schon über zwanzig Jahre tot war. Loó-o, ein Diener des Báalol-Kultes, hatte sich gewaltsam mit dem Roboter Zugang zu Hughers Wohnung verschafft und lockte ihn nun mit dem Angebot, auf Kosten des Kultes auf Aralon, einer der wichtigsten Arawelten, Medizin zu studieren. »Hugher, Ihre Abwesenheit kann nicht bemerkt werden. Durch Ihr Ebenbild verhindern wir, dass man Sie vermisst. Es ist selbstverständlich, dass wir nicht aus reiner Menschenliebe handeln, sondern von Ihnen nach Beendigung Ihre Studiums erwarten, für den Báalol-Kult zu arbeiten. Wir haben Sie über zwei Jahre auf Zalit beobachtet und unauffällig Ihre Arbeit kontrolliert. Edmond Hugher, Sie sind auf dem falschen Platz eingesetzt worden. Wir, die Gottpriester, wollen Sie jenem Aufgabenbereich zuführen, der Ihren natürlichen Fähigkeiten entspricht.«
Doktor Hugher hatte diese Szene nie vergessen können. Das strenge Gesicht Loó-os erschien ihm manchmal noch im Traum. Und dann, nach langem Hin und Her, war er mit Hilfe der Gottpriester nach Aralon verschwunden, während auf Zalit sein robotisches Ebenbild seinen Platz eingenommen hatte.
Mit dem verträumten Lächeln eines Kindes hatte er auf Aralon sein Studium begonnen. Monatelang von der Unsicherheit verfolgt, ein Versager zu werden, hatte er sich unmerklich in die Medizin hineingelebt, um schon im zweiten Jahr seines Studiums von dem berühmten Hämatologen Ur-gif öffentlich gelobt zu werden.
Hugher erinnerte sich jetzt wieder, wie er von allen Seiten von seinen araischen Kommilitonen angestarrt worden war. Bisher hatten sie den ewig freundlichen, lächelnden Träumer nicht für voll genommen. Stets hatte er sich im Hintergrund bewegt und nie den Versuch gemacht, auch nur ein einziges Mal in irgendeiner Form aufzufallen. Nun aber hatte ihn der Ara-Professor Ur-gif wegen seiner kleinen Arbeit: Haematophobie; krankhafte Blutscheu der Ekhoniden, vor allen gelobt und Edmond Hugher als ein vielversprechendes Talent hingestellt.
In seiner Bescheidenheit war ihm dieses Lob zuwider gewesen. Mehr denn je hatten ihn danach seine Kommilitonen gehänselt, die mit dem stillen, ewig freundlichen Mann kaum Kontakt finden konnten. Und Edmond Hugher zog sich immer mehr zurück und kannte nur noch sein Studium.
Der Kontakt zu den Gottpriestern riss nie ab. Fast immer besuchte ihn Loó-o; es war selten, dass an seiner Stelle Tu-poä, ein fanatischer, blutjunger Diener des Báalol-Kultes, kam.
Neun Jahre hatte Edmond Hugher auf Aralon studiert; ein normales Studium dauerte drei bis vier Jahre. Als Hugher zum letzten Spezialexamen antreten wollte, stand er vor mehr als zwanzig berühmten araischen Professoren, die ihm zu seinem Examen gratulierten, für das er keine Prüfung abgelegt hatte. Und der letzte, der ihm die Hand schüttelte, war Loó-o.
Seitdem war er, Hugher, hier, auf Lepso, schon seit vielen Jahren, und niemals hatte er es bereut, für den Báalol-Kult tätig zu sein.
Hugher kam aus seinem Träumen, das ihn in die Vergangenheit geführt hatte, wieder in die Gegenwart zurück. Er lächelte über sich selbst, bis sein Blick auf das Kreuzworträtsel der Terrania Post fiel. Das Wort Glima hatte er noch einzutragen.
»So«, sagte er, während der Stift die Buchstaben niederschrieb, »das hätten wir wieder einmal, aber ich möchte doch wissen, welchem Zufall ich es zu verdanken habe, so gut Terranisch zu beherrschen. Es gibt doch nur eine Lösung: ich muss auf Aralon in der Hypnoschulung Bekanntschaft mit der umfangreichen Sprachschule gemacht haben, die sämtliche terranischen Ausdrücke und Redewendungen enthalten hat. Glima? Unwahrscheinlich, dass ich dieses Wort wissen konnte, aber ich habe es gewusst, und das macht Spaß!«
Doktor Edmond Hugher reckte die Arme und gähnte herzhaft. In Gedanken freute er sich schon auf das nächste Rätsel der Terrania Post.
*
Das Werbefernsehen lief. Seitdem es Fernsehen gab, gab es auch das Werbefernsehen. Es spielte keine Rolle, ob die Sender innerhalb des Solaren Imperiums standen oder im Arkon-Sternenreich. Auf allen bewohnten Welten wurden die Intelligenzen von der Suggestivwerbung erfasst, die sie nie wieder losließ.
Doch es war überraschend, dass Perry Rhodan, Reginald Bull, Solarmarschall Allan D. Mercant und Nike Quinto vom Gehirntrust sich heute zusammengefunden hatten, um das Werbefernsehen über sich ergehen zu lassen.
Cocan wurde gerade angepriesen; Cocan, ein Wunderdünger mit unwahrscheinlicher Wirkung. Sogar die Arbeit der Regenwürmer sollte er ersetzen können, wie die Sprecherin soeben behauptete.
Nike Quinto analysierte in Gedanken: Wer so schön aussieht wie diese junge Dame – wer so treue Augen hat wie sie – und wer so sparsam in seinen Gesten ist, der kann gar nicht lügen! Donnerwetter, dieser Schwindel ist geschickt aufgezogen; er wirkt.
Bully war ganz auf Abwehr eingestellt. Er gab sich nicht mit Analysen ab. Er sagte laut: »Verdammter Unsinn!«
Aber es kam noch besser.
Yttigitt erschien auf dem Schirm. Yttigitt durfte in keinem Haushalt fehlen.
»Bedenken Sie, was Sie zu tun haben, wenn Ihr Sohn mit seinem Spielzeugblaster die Tür Ihrer Eisbox aufgeschweißt hat und ...«
»Den Hosenboden strammziehen«, brauste Bully verärgert auf. »Große Milchstraße, Perry! Und so etwas wird uns seit hundertfünfzig Jahren vorgesetzt?«
Aber der Sprecher auf dem Bildschirm ließ sich durch Reginald Bulls erregten Einwurf in seinem Vortrag nicht stören.
»Sie tragen Yttigitt mit unserem Spezialschaber auf. Sie wissen doch, dass Yttigitt ein denkender Stoff ist? Danach nehmen Sie unsere Spritzpistole, stellen die Farbe ein, sprühen den Film auf, und schon ist der Schaden behoben. Sie brauchen Ihren Sohn nicht einmal zu schelten! Yttigitt verhindert, dass Ihr Sohn Gefahr läuft, durch zu heftige Schelte einen Schock zu bekommen. Und Sie sind doch darauf bedacht, gesunde Kinder zu haben! Darum gehört Yttigitt auch in Ihren Haushalt!«
»Die sind ja gemeingefährlich«, tobte Bully nun. »Das ist doch keine Reklame mehr! Mit diesen Mätzchen machen sie ja die halbe Menschheit verrückt.«
»Warte ab, Dicker«, riet Rhodan. »Jetzt muss es kommen.«
Das Gesicht einer verblühten Frau erschien. Der Ton schien bei diesem Teil der Werbesendung ausgefallen zu sein, doch als im Untertitel der volle Name der Frau auftauchte und weiterhin zu lesen war, wo und wann sie geboren war und wo sie jetzt lebte, wurde offenkundig, dass man bewusst auf Tonuntermalung verzichtet hatte.
Das Bild wechselte. Eine junge Frau zeigte sich Abermillionen Fernsehern. Wieder erschien der Untertitel, und er sagte aus, was ein jeder schon vermutet hatte: es war dieselbe Frau, nur herrlich verjüngt, faltenlos, sprühend vor Gesundheit.
Dann wurde der Satz gesprochen: »Trinken auch Sie Liquitiv!«
Aus dem Hintergrund des Bildschirmes kommend, das Gesicht der jungen Frau überblendend und dann fast den Rahmen der Scheibe sprengend, zeigte sich eine kleine Flasche in geschmackvoller Aufmachung. Sie trug kein Etikett, nur den leicht fluoreszierenden Namenszug Liquitiv.
Darauf folgte die Überblendung, und ein weiteres Präparat wurde angeboten.
Mercant schaltete den Fernsehapparat aus. »Nun, Mister Bull, war Ihnen diese Art der Werbung dezent genug?«
Der temperamentvolle, untersetzte Mann funkelte Solarmarschall Mercant an. Gegen jede Erwartung verhielt er sich schweigsam.
Rhodan nahm einige Unterlagen vom Tisch und reichte sie dem Freund. »Für dich, Bully. Zu deiner Information.«
Der erste Bericht stammte aus der Zentrale der General Cosmic Company. Er enthielt nur einige Textzeilen, dafür um so mehr Zahlenkolonnen. Eindeutig und nüchtern war darin aufgeführt, wieviel Liquitiv-Likör seit den letzten Jahren ins Solare Imperium eingeführt wurde.
Bullys Hand zitterte leicht, als er das Blatt zur Seite legte.
Der zweite Bericht war ein Protokoll und enthielt in gekürzter Form noch einmal die wichtigsten Aussagen der auf Lepso befreiten achtundvierzig Menschen. Hinter einem großen Teil der Namen stand ein Kreuz. Tot.
Bully fühlte, dass er sowohl von Perry Rhodan als auch von Mercant und Nike Quinto beobachtet wurde.
Ich habe erstmalig gegen Ende des Jahres 2090 oder zu Anfang 2091 den Likör getrunken. Als ich nach dreimaliger Einnahme selbst feststellen konnte, dass ich nicht nur ein jugendliches Aussehen erhielt, sondern mich auch psychisch wie physisch verjüngt fühlte, nahm ich das Liquitiv regelmäßig im zweitägigen Abstand ein. Als Mediziner beobachtete ich mich über einen Zeitraum von sechzehn Monaten. Als ich nach Ablaut dieser Zeit bei mir nicht die geringsten Nebenerscheinungen bemerkte, habe ich den Likör allen meinen Bekannten und Freunden wärmstens als völlig harmloses, aber äußerst wirksames Zellauffrischungs- und Aktivierungsmittel empfohlen.
Zum Teil kannte Bully diese Aussagen schon, aber in dieser gekürzten, gedrängten Form wirkten sie plötzlich wie eine unsichtbare Drohung. Jedes der Opfer hatte besonders vermerkt: Völlig harmlos, keine Nebenwirkungen. Verblüffende Verjüngungserscheinungen!
Auf dem dritten und vierten Blatt waren die Untersuchungsergebnisse von mehr als zwanzig Kliniken festgehalten worden. Bully stutzte einmal, als er das Datum las, an dem der Bericht die Klinik verlassen hatte, doch dann versäumte er, dieses Datum mit dem der übrigen Berichte zu vergleichen. So entging es ihm, dass alle Berichte schon etliche Jahre alt waren.
Er hatte sich bis zur Hälfte durchgearbeitet, als er die Unterlagen sinken ließ und fast hilflos sagte: »Ich verstehe jetzt gar nichts mehr! Wieso können alle Kliniken behaupten, der Likör wäre ein herrliches Verjüngungsmittel und völlig harmlos, während wir auf Lepso achtundvierzig menschliche Ruinen, die durch das Liquitiv höchstgradig süchtig geworden waren, aufgelesen haben? Dieser Widerspruch will mir nicht einleuchten! Kommt denn im Solaren Imperium ein anderes Liquitiv auf den Markt als auf den übrigen Welten?«
Nike Quinto erwiderte: »Das haben wir nachgeprüft, Mister Bull. Wir sind noch weitergegangen und haben Vergleichsuntersuchungen angestellt, indem wir das Testmaterial nochmals einer scharfen chemischen Kontrolle unterzogen. Ich meine damit jenes Liquitiv, das erst im zweijährigen Turnus in den Kliniken erprobt wurde. Anschließend entnahmen wir der letzten Sendung zweihundert Flaschen von je zwei Kubikzentimeter Likörinhalt und testeten ihn auch. Hier, auf der letzten Seite, finden Sie das Resultat: Seit Jahr und Tag kommt ein und dasselbe Liquitiv zur Erde! Die chemische Zusammensetzung ist gleich.«
»Hm«, brummte Bully und machte ein unzufriedenes Gesicht. »Wenn uns der größte Teil der achtundvierzig Süchtigen nicht unter den Händen gestorben wäre, dann würde ich sagen, dass dieses Zeug es gar nicht wert ist, sich darüber zu unterhalten. Aber angenommen, die Aussagen sind richtig? Warum hat man noch keinen Versuch an Menschen gemacht, die seit Jahren den Likör trinken, indem man ihnen das Getränk entzieht und sie einige Monate beobachtet? Wenn sich dann keine Suchterscheinungen zeigen, wären wir doch schon einen Schritt weiter.«
Perry Rhodan lächelte bitter. »Dicker, das ist ja längst versucht worden, aber dieser Beipackzettel liegt jeder Likörflasche bei. Lies ihn, und du wirst wissen, warum sich bisher kein einziger Freiwilliger für Testversuche zur Verfügung gestellt hat. Bitte!«
Und Bully las unter anderem: Wir machen ausdrücklich darauf aufmerksam, dass eine Unterbrechung der Kur den gesamten Verjüngungsprozess in Frage stellen kann. Ob dadurch auch noch gesundheitliche Schäden auftreten können, hängt von der Konstitution eines jeden einzelnen ab.
»Und auf Grund dieses Hinweises hat sich bisher kein Freiwilliger gemeldet?«, fragte Bully.
Quinto nickte.
Die Hyperfunkstation meldete sich. Sie gab ein eindringliches Signal durch. Es war das Ankündigungszeichen dafür, dass Atlan – Imperator Gonozal VIII. – nach einem Gespräch mit Perry Rhodan verlangte. Das Zeichen kam nicht überraschend, denn vor ungefähr zehn Stunden hatte Rhodan den Arkoniden erstmalig auf das mysteriöse Liquitiv aufmerksam gemacht.
Der markante Kopf des energischen Arkoniden erschien auf dem leichtgewölbten Bildschirm der Telekomanlage. Mit einem einzigen Blick hatte Atlan erkannt, wer sich bei dem Ersten Administrator des Solaren Imperiums aufhielt. Nach kurzer Begrüßung kam er zur Sache.