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Nr. 146

 

Hinter der Zeitmauer

 

Ein terranischer Spion auf heißer Fährte! – Das Geheimnis des grünen Sterns soll enträtselt werden!

 

von KURT MAHR

 

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Man schreibt das Jahr 2114 irdischer Zeitrechnung. Für die Erdmenschen sind somit seit der erfolgreichen Mondlandung einer Rakete mit chemischem Antrieb, dem Auftakt der echten Weltraumfahrt, noch nicht einmal anderthalb Jahrhunderte vergangen.

Trotz dieser nach kosmischen Zeitmaßen unglaublich kurzen Spanne hat es das von Perry Rhodan geschaffene und geleitete Solare Imperium fertiggebracht, zu einem Eckpfeiler galaktischer Macht zu werden.

Die meisten Völker der Milchstraße wissen bereits, dass es besser ist, Terraner zu Freunden zu haben anstatt zu Feinden. Nach den Springern und den Aras, den galaktischen Medizinern, sind auch die Akonen, die Bewohner des Blauen Systems, zu dieser Einsicht gelangt, und so besteht seit dem 10. September 2113 ein Bündnis zwischen Terranern, Arkoniden und Akonen.

Dieses Bündnis, Galaktische Allianz genannt, steht allerdings auf einem schwankenden Fundament, und auch die allgemeine Lage in der Milchstraße lässt sich keineswegs als rosig bezeichnen, auch wenn es den Terranern inzwischen gelungen ist, den meisten Geheimnissen der Posbis und Laurins, der Eindringlinge aus dem Interkosmos, auf die Spur zu kommen.

Im System eines namenlosen grünen Sterns wartet jedoch ein weiteres kosmisches Geheimnis auf seine Aufklärung – das Geheimnis liegt HINTER DER ZEITMAUER verborgen ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Jerry Blanchard – ein terranischer Spion auf der Hauptwelt der Akonen.

Ulloh – Nachtwächter im Stadthaus von Lareddin.

Nike Quinto – Der Oberst wartet auf seine längst fällige Beförderung.

Ron Landry, Larry Randall, Lofty Patterson und Meech Hannigan – Agenten der Abteilung III.

Haika – Ein Mädchen, das sich in einen Roboter verliebt.

Larchik – Er durchschaut die falschen Springer.

1.

 

20. Juni 2114

Wenn Jerry Blanchard die Hand ausstreckte, spürte er ein leises Kribbeln in den Fingern, und um die Fingerkuppen herum leuchteten fluoreszierende Kreise. Von da an konnte er den Druck gegen die Hand verstärken, soviel er wollte. Er kam nicht mehr weiter.

Um ihn herum war die Finsternis der Nacht auf Sphinx. Links gab es über dem Horizont einen blassen Fleck mit den schwachen Silhouetten einiger Türme darin. Das war die Stadt Lareddin, ein verhältnismäßig unbedeutendes Nest, wenn man nach dem Städtekatalog von Sphinx urteilte.

Dann gab es noch ein paar Lichter direkt vor ihm. Es waren Laternen, an hohen Metallmasten aufgehängt. Sie verbreiteten trübe Lichtkreise um sich herum und beleuchteten hier und dort Stücke mattschimmernden Materials, die zusammen zu einem großen Ganzen zu gehören schienen.

Zu einem Raumschiff, wie Jerry wusste, einem Typ, wie ihn die Rasse der Springer zu bauen pflegte. Das Raumschiff lag auf einem freien, weiten Platz. In weitem Kreis um den Platz herum standen leuchtende Warnschilder, auf denen zu lesen stand, dass der Zutritt Unbefugten verboten sei und dass die Stadtverwaltung für Schäden, die durch Missachtung der Warnung und Berührung des Energieschirms entstanden, nicht hafte.

Jerry Blanchard konnte nicht feststellen, dass die Berührung des unsichtbaren Schirms ihn schädige. Er drückte noch einmal seine Finger dagegen, fühlte das Kribbeln den Arm heraufsteigen und beobachtete nachdenklich die kleinen fluoreszierenden Kreise.

Warum das alles, überlegte er. Warum kaufen die Akonen, die sich sonst per Materietransmitter durch den Raum bewegen, auf einmal ein riesiges Raumschiff, geben Millionen von Währungseinheiten aus, um das Triebwerk auf den Stand ihrer eigenen Technik zu bringen und hüllen das Ganze obendrein in den Schleier eines undurchdringlichen Geheimnisses?

Jerry hatte durch einen seiner Gewährsleute davon erfahren. Der Gewährsmann war selbst ein Akone. Auch unter den Akonen gab es, ebenso wie anderswo, solche, die Geld so dringend brauchten, dass sie es notfalls auch gegen den Verrat von Geheimnissen einhandelten. Jerry hatte einen Stab von mehr als zwanzig »Helfern«, wie er sie nannte. Nach bewährtem Schema hatte er eine Organisation aufgezogen, in der keiner den anderen kannte, er sie aber alle. Sie wussten nicht einmal, dass er Terraner war. Er seinerseits hatte keine Ahnung davon, wie viele terranische Agenten es außer ihm auf Sphinx noch gab.

Der Gewährsmann hatte ihm mitgeteilt, dass die Arbeiten an dem merkwürdigen Raumschiff beendet seien und dass mit dem Start des Fahrzeugs jederzeit gerechnet werden müsse. Seitdem war Jerry Blanchard täglich wenigstens dreimal hier herausgekommen, um den richtigen Augenblick nicht zu versäumen. Er befürchtete nicht, dadurch Misstrauen zu erwecken. Denn in Lareddin gab es noch mehr Leute, die dem für akonische Begriffe völlig ungewohnten Raumschiff beachtliche Neugierde entgegenbrachten und draußen um den Kreis der Warnschilder herumlungerten. Nur in der Nacht wagte Jerry, die Schilder hinter sich zu lassen und bis an den Energieschirm selbst vorzudringen.

Sein Gewährsmann hatte ihm übrigens nicht berichten können, wohin das Schiff flog. Er wusste nur, dass der Flug vorprogrammiert und die Programmkopie zum Stadthaus gebracht worden war. Keiner seiner Leute hatte zum Stadthaus engere Verbindung. Jerry Blanchard hoffte also, dass, wenn er seinem Auftraggeber vom Start des Raumschiffes berichtet hatte, der nicht auf die Idee käme, er wollte auch das Fahrtziel wissen. Das nämlich hätte Jerry in arge Schwierigkeiten gestürzt.

Manchmal war er sich gar nicht darüber im klaren, ob er seine Beobachtung überhaupt berichten solle. Er war nämlich selbst dafür verantwortlich, dass das, wofür er seinen kleinen Richtstrahler in Betrieb setzte, um es nach Arkon III zu übermitteln, Hand und Fuß hatte und für die terranische Abwehr von Bedeutung war. Ob diese beiden Bedingungen hier zutrafen, darüber zerbrach er sich seit einigen Tagen den Kopf. Vielleicht hetzte er die Leute auf Arkon III auf eine Spur, die nirgendwohin führte. Vielleicht gehörte das Schiff irgendeinem reichen Akonen, der es von einem Springer gekauft und umgebaut hatte.

Natürlich war das eine Möglichkeit, die am Rande lag. Der Kauf eines so großen Raumschiffes übersteigt gewöhnlich die Finanzkräfte eines einzelnen. Da musste schon ein Konsortium beteiligt sein. Die Tatsache, dass die Programmkopie im Stadthaus aufbewahrt wurde, machte wahrscheinlich, dass es sich um ein offizielles Konsortium handelte, etwa um eine Regierungsdelegation.

Aber warum sollte sich eine Regierungsdelegation eines Raumschiffes bedienen, anstatt einen Materietransmitter zu benutzen, der viel rascher, risikoloser und vor allen Dingen billiger arbeitete?

Jerry bemerkte, dass seine Gedanken sich im Kreis bewegten. Er landete immer wieder bei derselben Frage: Warum nur ...?

Gerade, als er sich darüber klar wurde, begann das mächtige Raumschiff sich zu bewegen.

Aus dem Kranz der Triebwerke, der den zigarrenförmigen Leib wie eine Bauchbinde umgab, züngelten grelle, blauweiße Flämmchen. Helles Singen drang über den Energieschirm hinweg zu Jerry. Langsam, kaum merklich hob sich die Zigarre vom Boden. Das Leuchten des Triebwerks fiel auf den grauen Asphaltboden, auf dem der mächtige, metallene Leib eben noch gelegen hatte. Dann erloschen die Flammen. Im Innern des Schiffes hatten die Aggregate von Strahl- auf Feldantrieb umgeschaltet. Von einer unsichtbaren Kraft gepackt, hob sich der Koloss jetzt rascher in die Höhe. Dabei nahm er Vorwärtsfahrt auf. Er schoss über die höchsten Lampen hinaus und verschwand in der Finsternis. Das helle Singen war noch eine Weile zu hören, dann erstarb es auch.

Keine Spur war mehr davon zu sehen, dass da vor kurzem noch ein Raumschiff gelegen hatte. Wenn morgen früh die ersten Neugierigen kamen, würden sie den Platz leer finden. Und niemand würde ihnen erklären, was aus der Riesenzigarre geworden war. Sie würden die Köpfe schütteln oder die Hände drehen, wieder nach Hause fahren und die ganze Sache vergessen.

Jerry Blanchard drehte sich um und ging zu seinem Wagen zurück. Er stand jenseits der Warnschilder am Rand der Straße, die Lareddin mit der Nachbarstadt Kilban verband. Es war eine breite, schöne. Straße mit den grellgelben Linien des Funkleitsystems auf der glatten Oberfläche.

Jerrys Wagen war ein großer, protziger GM neuester Bauart. Er hatte ihn von der Erde mitgebracht. Nicht, weil ihm die akonischen Fahrzeuge nicht zusagten, sondern weil der Wagen zu seiner Rolle gehörte. Er war ein terranischer Einwanderer mit unheimlich viel Geld. Er war einer von jenen überreichen Narren, die auf jeder bekannten Welt der Galaxis ein paar Monate und Jahre zubringen, um dann später, wenn sie alt und tatterig nach Hause kommen, erzählen zu können, wo sie sich überall herumgetrieben hatten. Der Typ des reichen, terranischen Globetrotters war in der Galaxis bekannt. Ohne Misstrauen hatte man Jerry auf Sphinx erlaubt, sich niederzulassen und ein Bürger der Stadt Lareddin zu werden.

Es gab aber auch noch einen anderen Grund, warum Jerry einen terranischen Wagen brauchte. Als er jetzt durch die sich automatisch öffnende Tür gestiegen war und sich hinter das Steuer gesetzt hatte, öffnete er unter dem Armaturenbrett ein Fach. Heraus schob sich auf metallener Unterlage ein kleiner, schwarzer Plastikkasten mit einer Reihe von Knöpfen und einer Art Mikrophon, das durch eine flexible Schnur mit dem Kasten verbunden war. Jerry nahm das Mikrophon zur Hand und dachte ein paar Minuten nach. Dann drückte er ein paar von den Knöpfen, hob das Mikrophon in die Höhe und fing an, hineinzusprechen. Mit kurzen, knappen Worten berichtete er alles, was er über das merkwürdige Raumschiff wusste. Sein Bericht dauerte nicht länger als drei Minuten. Vom Kodesektor des kleinen Hypersenders wurden die Worte zerstückelt, falsch aneinandergereiht, verzerrt und die ganze Sendung auf eine Länge von wenigen Millionstelsekunden reduziert. Als ein kurzer Impulsstoß sprühte sie dann von der verborgenen Antenne und nahm geraden Weg auf Arkon III, auf einen unglaublich kleinen Öffnungswinkel beschränkt. Als sie auf Arkon III ankam, wenige Augenblicke, nachdem sie die Antenne ausgestrahlt hatte und Tausende von Lichtjahren entfernt, hatte der Konus, in dem sich die Impulsfolge bewegte, erst einen Durchmesser von zehntausend Kilometern. Auf einem der anderen Arkon-Planeten hätte man Jerrys Botschaft schon nicht mehr empfangen können.

 

*

 

Nike Quinto, Chef der Abteilung III in der Interkosmischen Sozialen Entwicklungshilfe, befand sich in miserabelster Stimmung, als Jerry Blanchards Bericht eintraf. Nike Quinto, seit Jahren im Range eines Obersten, wartete auf die Beförderung zum Brigadegeneral. Nike war der Ansicht, er hätte diese Beförderung schon lange verdient, und ein paar Leute auf der Erde glaubten offenbar dasselbe. Jedenfalls war ihm vor ein paar Tagen inoffiziell mitgeteilt worden, dass es nun soweit sei. Und seitdem wartete Nike Quinto auf ein offizielles Wort. Auch die heutige Nachrichtensendung von Terra war jedoch vorübergegangen, ohne dass jemand es für nötig gehalten hätte, Nike zu erklären, er könne sich jetzt die drei Silberstreifen von der Schulterklappe ab- und statt dessen einen Goldstreifen aufmontieren.

Daher rührte seine graue Stimmung. Die Stimmung hatte allerdings nichts damit zu tun, dass er Jerry Blanchard anwies, das Fahrtziel des mysteriösen Raumschiffes zu ermitteln. Das tat er, kaum dass er Jerrys Bericht durchgelesen hatte. Er hätte es auf jeden Fall und in jeder Gemütsverfassung getan. Ohne diese Angabe konnte die Abteilung III mit dem Bericht nämlich nichts anfangen. Man kann sich nicht um ein Raumschiff kümmern, von dem man nur weiß, wo es abgeflogen ist. Dazu sind die Entfernungen in der Galaxis zu groß.

Nike Quinto sprach seine Aufforderung in das Mikrophon des Kodesektors, und ein paar Augenblicke später wusste Jerry Blanchard auf Sphinx, dass ihm gerade die Aufgabe übertragen worden war, von der er so inständig gehofft hatte, sie möge doch nie an ihn herangetragen werden.

 

*

 

Der Befehl veranlasste Jerry allerdings nicht, den Kurs zu ändern. Er befand sich auf dem Heimweg und war nach wie vor davon überzeugt, dass er zuallererst ein paar Stunden Schlaf brauche. Morgen früh konnte er dann über die Anweisung nachdenken und sich den Kopf darüber zerbrechen, wie die Kopie eines Kursprogramms unauffällig aus einem Tresor des Stadthauses zu entwenden sei.

Vorläufig gab sich, ohne dass er sich durch Nike Quintos Befehl die Laune verderben ließ, Jerry Blanchard mit Genuss dem Steuern seines Wagens hin. Auf summenden Luftkissen glitt das Fahrzeug weich über die breiten, leeren Straßen. Es gab auf Sphinx ein planetenweites Programmiersystem, das den Autofahrern erlaubte, die Adresse ihres Ziels in die automatische Steuerung so einzuwählen, dass der Wagen das Fahren von selbst besorgte und ohne das Dazutun des Chauffeurs an der richtigen Stelle herauskam. In Jerrys terranischem Fahrzeug ließ sich das System jedoch nicht anwenden. Infolgedessen kam Jerry recht oft in den Genuss des berauschenden Gefühls, das das Lenken eines schweren, schnellen Wagens in ihm hervorrief.

An der östlichen Hauptkreuzung nahm er die kühne Kurve, die unter der Unterführung hindurchging, mit Höchstgeschwindigkeit. Danach fuhr er nordwärts, bis er die Mündung der Straße erreichte, an der sein Haus lag. Bis dahin war er keinem einzigen anderen Fahrzeug begegnet. Jetzt jedoch hielt sich plötzlich ein kleiner schwarzer Gleitwagen hinter ihm. Jerry erhöhte seine Geschwindigkeit und beobachtete befriedigt, wie der andere Wagen zurückfiel. Sobald er jedoch zu normalem Tempo zurückkehrte, schloss der Kleine auf. Jerry fing an, misstrauisch zu werden. Um diese Zeit lag die Stadt in tiefstem Schlaf. Ein Gleitwagen zu so später Stunde war eine ungewöhnliche Ausnahme, und dass er sich ausgerechnet hinter Jerry herbewegte, machte sie noch ungewöhnlicher.

Die Akonen hätten vielleicht eine Chance gehabt, Jerry Blanchard rechtzeitig zu fassen. Durch das Fahrzeug, das sie hinter ihm herschickten, um zu erfahren, ob er sich auch in der gewünschten Richtung bewege, verdarben sie sich alle Aussichten.

Als Jerry den Gleitwagen auf der Höhe seines komfortablen Appartementhauses von der Straße herunterlenkte, war er schon längst davon überzeugt, dass da etwas nicht stimmte. Sie waren hinter ihm her. Sie scheuten sich auch nicht, sich ihm zu zeigen. Sie mussten ihrer Sache sicher sein. Sie hätten ihn schon fest, glaubten sie offenbar. Mit einem einzigen Wagen, der hinter ihm herfuhr, war das unmöglich. Sie kannten den GM gut genug, um zu wissen, dass er jedem Wagen akonischer Bauart mit Leichtigkeit davonfuhr. Da musste also außerdem noch etwas vor ihm sein.

Wo? An der einzigen Stelle, an der sie ihn im Laufe der Nacht mit Gewissheit erwarten konnten, nämlich in seiner Wohnung.

Hinter dem Rundhaus, in dem Jerry sein Quartier aufgeschlagen hatte, gab es einen weiten, asphaltierten Hof. Im Hintergrund senkte er sich sanft zu den Garageneinfahrten hin. Die Garagen lagen unterirdisch. Es entsprach der Qualität der Wohngegend, dass jede Garage für sich eine Verbindung mit der Wohnung des Vermieters und eine andere mit dem Haupttreppenflur des Hauses hatte. Beide waren für die Überwindung vertikaler Entfernungen mit künstlichen Schwerefeldern ausgestattet. Es gab keine Unbequemlichkeit in einem teuren Mietshaus auf Sphinx.

Jerry wandte den Wagen und ließ ihn vor der Garage stehen, nachdem er sich vergewissert hatte, dass das kleine schwarze Fahrzeug ihm nicht auf den Hof gefolgt war. Dann betrat er die Garage und machte sich durch den zweiten Verbindungsgang auf den Weg zum Treppenhaus. Er erreichte es eine Minute, nachdem er die Garagentür so leicht hinter sich geschlossen hatte, dass er sie jederzeit und ohne Mühe wieder würde öffnen können. Im hellerleuchteten Treppenhaus blieb er ein paar Augenblicke stehen und überlegte, ob er zu seinem Appartement hinauf einen der Antigravlifts oder den Aufgang nehmen solle, und entschied sich schließlich für den Aufgang. Der lief in Form einer Spirale um die dicke Mittelsäule herum, die die Lifts enthielt. Es gab keine wirkliche Treppe, nur eine sanft geneigte Fläche, die in Dutzenden von schraubenförmigen Windungen die fünfzig Meter Haushöhe erklomm.

Jerry brauchte die Minuten, die er beim Aufstieg verbrachte, um nachzudenken. Irgend etwas erwartete ihn dort oben in seiner Wohnung. Was es war, kümmerte Jerry vorläufig nicht besonders. Er würde es beizeiten herausfinden. Er trug drei gute Waffen bei sich, mit einer davon würde er sich schon aus der Klemme befreien können. Aber wie es soweit gekommen war, das hätte er gern gewusst. Er war noch nicht lange auf Sphinx, etwa vier Wochen Erdzeit. Er hatte noch keinen Auftrag erledigt. Die ganze Zeit hatte er damit zugebracht, einen Stab von Unteragenten aufzubauen. Er war völlig sicher, dass er dabei mit der nötigen Vorsicht verfahren war. Von daher konnten sie also nicht wissen, dass er kein reicher Terraner war, sondern ein Agent der irdischen Spionageabwehr.

Blieb nur die Sache mit dem Raumschiff. Er war wenigstens dreimal am Tag hinausgefahren und hatte sich das Schiff angesehen. Tagsüber hatte er sich unter den Zuschauermengen sicher gefühlt, in der Nacht hatte er sich vergewissert, dass niemand ihm folgte, bevor er sich zum Startfeld hinauswagte. Dabei war anscheinend etwas schiefgegangen. Sie hatten ihn trotz aller Vorsicht beobachtet und Verdacht geschöpft. Und sie hatten etwas dagegen, dass er sich um das geheimnisvolle Raumschiff kümmerte. Deswegen waren sie hier.

Jerry gönnte sich eine kleine Verschnaufpause und seufzte. Sie hatten ihn also. Selbst wenn er ihnen heute Nacht entkam, würden sie ihn über kurz oder lang fassen. Das Polizeisystem von Sphinx war ausgefeilt. Das Netz hatte keine Lücken. Sie würden ihn vor Gericht stellen, und vor Gericht würde herauskommen, dass er in Wirklichkeit als terranischer Agent gearbeitet hatte. Aus der Zwickmühle des Verhörs gab es kein Entweichen. Das Gericht würde ihn zu langjähriger Zwangsarbeit verurteilen. Und wenn man auf Terra seine Mitarbeit einer diplomatischen Demarche nicht für wert hielt, dann musste er die Zwangsarbeit auch wirklich antreten.

Es waren keine rosigen Aussichten, die Jerry Blanchard da überdachte. Trotzdem stieg er weiter den Aufgang hinauf. An seinen Plänen hatte sich nichts geändert. Dagegen stellte er fest, dass durch die Entwicklung der Dinge wenigstens eine wichtige Frage beantwortet war.

Bei dem Start des Raumschiffes musste es sich um den Beginn eines wichtigen Unternehmens handeln. Wenn es nicht wichtig wäre, hätten die Akonen sich nicht die Mühe gemacht, einen terranischen Agenten nur deswegen einzufangen, weil er zu neugierig gewesen war. Jerry hatte also richtig gehandelt, als er Nike Quinto auf Arkon III benachrichtigte.

Das zu wissen, war schon eine kleine Erleichterung.

 

*

 

Eine Weile später stand Jerry Blanchard vor der Tür seines Appartements. Zögernd blickte er nach rechts und links und betrachtete die Türen der beiden Nachbarwohnungen, die eine weiter oben, die andere weiter unten im Aufgang. Über beiden leuchteten die roten Warnlampen, die für jeden gebildeten Akonen besagten, dass der Bewohner nicht gestört werden wolle. Über Jerrys Tür strahlte zur Zeit ein blaues »Bin-nicht-daheim«-Zeichen.

Der Aufgang war totenstill. Das Haus schien leer zu sein. Jerry trat näher an seine Tür heran, zog den Kodeschlüssel aus der Tasche und führte ihn in den Schlitz der elektronischen Verriegelung. Das Gerät fing an zu summen. Ein Relais klickte, dann schwang die Tür nach innen zurück.