Nr. 164
Im Banne des Riesenplaneten
Bomben auf die Sonne von Herkules – das ist die letzte Chance für die Galaxis
von KURT BRAND
Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt
Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1.
2.
3.
4.
5.
Impressum
PERRY RHODAN – die Serie
Wie wenig die Weiten der Galaxis mit ihren Myriaden Sonnen und Planeten im Grunde genommen erforscht sind, obwohl sich Tausende von Explorerschiffen seit Jahren der Forschungsaufgabe widmen, zeigen die Ereignisse der Jahre 2326 und 2327 besonders deutlich.
Obwohl die Terraner unter Perry Rhodan nunmehr seit Jahrhunderten die Sternfahrt praktizieren – zuerst mit den Transitionsraumern, dann mit den Kalup-Schiffen –, wurde erst im Jahre 2326 durch einen reinen Zufall die Existenz der Hornschrecken und Schreckwürmer entdeckt. Besonders die Schreckwürmer stellen eine große Bedrohung für die gesamte Milchstraße dar, da die monströsen Wesen schreckliche Waffen besitzen und zudem noch so gut wie unverwundbar sind.
Terranische Sonderkommandos – Wissenschaftler, Soldaten, Spezialisten und Mutanten – haben bei dem Versuch, die Geheimnisse der Schreckwürmer zu enträtseln, bereits schwere Schlappen hinnehmen müssen, bis es schließlich vier Männern der USO, der von Lordadmiral Atlan geleiteten »galaktischen Feuerwehr«, gelingt, Kontakt mit dem jungen Schreckwurm vom Planeten Euhja herzustellen.
Dieser Schreckwurm gibt das Geheimnis seiner Spezies preis und schließt mit den Terranern ein Bündnis gegen seine Herren, die »Huldvollen«, die Herrscher über »das 2. Imperium« im Ostteil der Milchstraße.
Man weiß inzwischen, warum die »Huldvollen« mit den Schreckwürmern, die keinerlei technische Zivilisation besitzen, im gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis stehen, doch die großen Zusammenhänge sind noch zu enträtseln.
Das tut der geniale Tyll Leyden mit seinem wissenschaftlichen Team auf dem dritten Mond des Riesenplaneten Herkules!
Menschen stehen IM BANNE DES RIESENPLANETEN ...
Tyll Leyden – Ein terranischer Astronom und Physiker, dem die Frühstückspause heilig ist.
Gaston Robet – Der Astrophysiker meint, dass es auf dem Riesenplaneten Herkules spuke.
Sascha Populos – Gravitationsexperte und Schnüffler.
Mungs, Players und Mussol – Tyll Leydens Mitarbeiter.
Perry Rhodan – Der Großadministrator erhält 17 Beschwerden, die er nicht zur Kenntnis nimmt.
Reginald Bull – Als impulsiver Mensch kann Bully mit mundfaulen Leuten nichts anfangen.
Die EXPLORER-777 setzte im Sonnensystem EX-2115-485 über dem dritten Mond des einzigen Planeten zur Landung an.
Der Planet trug den Namen Herkules; einen treffenderen Namen gab es nicht. Herkules war der größte aller bekannten Planeten; sein Durchmesser betrug 2.213.000 Kilometer. Mit siebzehn Monden umlief er die normale gelbe Sonne; alle Monde waren Sauerstoffwelten in der Größenordnung der Erde, und sie schienen darauf zu warten, von Menschen besiedelt zu werden.
In der EXPLORER-777 starrte die Besatzung des Kommandoraumes auf den großen Panoramaschirm. Das Planetenungeheuer Herkules nahm einen großen Teil der Schirmfläche ein.
»Tag und Nacht schwebt dieser Gigant drohend über Impos?« Der 1. Offizier erwartete auf seine Frage keine Antwort. »Auf die Dauer hält das kein Mensch aus. Man muss ja ständig Angst haben, das Ding könnte einem auf den Kopf fallen!«
Der Erste hatte das ausgesprochen, was alle anderen ebenfalls empfanden.
Der Explorer setzte auf. Dem Kugelraumer war nicht anzusehen, dass er soeben 52.419 Lichtjahre zurückgelegt hatte. Die große Rampe fuhr zwischen den Teleskopstützen aus, die Schleuse öffnete sich, und auf Antigravplatten geladen, schwebten gewaltige Lasten nach draußen. Roboter steuerten sie. Die Maschinenmenschen beachteten die hundert Mann starke Gruppe nicht, die sich dem Schiff näherte.
Es war das Forschungskommando, das die EXPLORER-2115 auf dem dritten Mond dieses Systems zurückgelassen hatte. Impos hatte man den Trabanten getauft; so stand er seit kurzem auch in allen Sternenkatalogen verzeichnet.
Die Experten mussten eine gute halbe Stunde warten, bis sie der Kommandant des Forschungsschiffes begrüßte. Oberst Guara wusste, dass die Wissenschaftler keine großen Reden hören wollten. Sie wollten vielmehr erfahren, was die EXPLORER-777 nach Impos gebracht hatte.
Guara rief die einzelnen Teamchefs auf und überreichte ihnen ein Doppel des Materialverzeichnisses.
»Mister Leyden!« Oberst Guara stand auf der Plattform einer Teleskopstütze und konnte über die Köpfe der Menschenmenge sehen. Sein Aufruf blieb unbeantwortet. Er wiederholte den Namen noch einmal. Mister Leyden meldete sich nicht.
»Leyden ist kein Teamchef!«, wurde ihm zugerufen.
Guara gab sich nicht damit zufrieden. »Ich muss den Mann sprechen. Wo kann ich ihn erreichen?«
Aus der Menge rief ein Experte: »Um diese Zeit findet man Leyden beim Frühstück. Aber es hat keinen Sinn, ihn zu rufen. Er lässt sich dabei nie stören.«
Aus eigener Erfahrung als Explorerkommandant wusste Guara, dass Wissenschaftler eine besondere Sorte Menschen waren, aber jetzt nahm er keine Rücksicht darauf.
»Wo frühstückt er?«, verlangte er zu wissen.
Acht Plastikhäuser standen am Rand der kleinen Hochfläche, kaum einen halben Kilometer vom Schiff entfernt. Darin lebten die hundert Wissenschaftler seit drei Wochen in bedrückender Enge.
Mit Mister Mungs, einem Mann aus dem Forschungskommando, ging Oberst Guara auf das zweite Haus zu. Sein Begleiter führte ihn bis an die Tür, hinter der Tyll Leyden, Physiker und Astronom, gemütlich beim Frühstück sitzen sollte.
»Kommen Sie mit«, bat Guara, und betrat ohne anzuklopfen den Raum.
Tyll Leyden frühstückte tatsächlich. Die Landung der EXPLORER-777 hatte ihn nicht abhalten können, die erste Tagesmahlzeit in aller Ruhe zu sich zu nehmen. Er blickte kurz auf, nickte, als er den Gruß hörte, und zerteilte dann eine Scheibe Mayara-Toast, die er dick mit Saginkäse belegt hatte.
»Oberst Guara!«, stellte sich der Kommandant des Forschungsschiffes vor. »Ich habe Ihnen eine Botschaft zu überbringen, Mister Leyden!«
Der deutete mit der Linken auf einen leeren Sessel, während er sich gleichzeitig mit der Rechten einen Happen Mayara-Toast in den Mund schob.
Guara stutzte. Jeder andere hätte gefragt: Welche Botschaft haben Sie mir zu überbringen? Tyll Leyden aber sagte kein Wort. Guara nahm Platz.
»Haben Sie schon gefrühstückt, Oberst?« Leyden aß mit sichtlichem Wohlbehagen.
»Danke, ja!«, schnarrte der Oberst. Seine Augen begannen zu funkeln. Er war so etwas nicht gewöhnt.
»Auch keinen Kaffee? Ist wirklich gut.«
Guara warf dem Wissenschaftler, der ihn zu Leyden geführt hatte, einen hilfesuchenden Blick zu. Aber Mungs reagierte nicht.
So, und nie anders, war Tyll Leyden.
»Mister Leyden, ich komme von Terra!« Jedes Wort betonte der Oberst.
Tyll Leyden verdoppelte die Portion Sagin auf dem Mayara-Toast und tat dies mit einer unnachahmlichen Sorgfalt.
Oberst Guara kochte innerlich vor Wut, aber er beherrschte sich und fragte nur: »Mister Leyden, interessiert es Sie vielleicht zu hören, dass ich Ihnen eine Botschaft des Chefs zu übermitteln habe?«
Es interessierte Leyden ganz bestimmt, denn er nickte. Sprechen konnte und wollte er nicht; man spricht nicht mit vollem Mund. Seine hellen Augen zeigten jedoch keine Erregung. Er blickte auf die Uhr. »In acht Minuten bin ich wieder im Dienst, Oberst. Wirklich keinen Kaffee?«
Was Oberst Guara über Zivilisten und Wissenschaftler speziell dachte, war nicht mit anständigen Worten auszudrücken.
»Da!«, rief er mit Kommandoton und warf Perry Rhodans Botschaft auf den Tisch. »In acht Minuten habe ich keine Zeit mehr, mich mit Ihnen zu unterhalten! Sie müssten zu meiner Besatzung gehören ...!«
Leyden ließ sich nicht stören. Er speiste in Gemütsruhe weiter und sah dem hinausstürmenden Oberst gelassen nach, der die Tür donnernd ins Schloss fallen ließ.
Mungs, der Oberst Guara zu Tyll Leyden geführt hatte, war geblieben. Auf Impos hatten er und Leyden sich bei gemeinsamen Aufgaben näher kennengelernt, und Mungs schätzte den Astronauten und Physiker. Aber jetzt war er der Ansicht, Leyden hätte sich dem Oberst gegenüber etwas anders benehmen sollen. Allein schon aus dem Grund, weil er eine Botschaft vom Chef zu überbringen hatte!
Das Schreiben lag da, wo Guara es hingeworfen hatte. Tyll Leyden trank seinen Kaffee aus und blickte dann auf seine Uhr.
Die Frühstückszeit war zu Ende. Er griff nach dem Schreiben, öffnete es, nahm den foliendünnen Plastikbogen heraus, faltete ihn auseinander und las.
»Na, so was!«, sagte er, nachdem er den Inhalt zur Kenntnis genommen hatte. »Wer mag mir diesen Streich gespielt haben?«
Mungs dachte an das Allerschlimmste, was Leyden passieren konnte. »Sie müssen mit der 777 nach Terra zurück?«, fragte er aufgeregt.
»Nein, aber Perry Rhodan hat mich zum Chef der Forschungsgruppe auf Impos ernannt! Das hat mir bestimmt Oberstleutnant Herzog von der EXPLORER-2115 eingebrockt.«
Mungs starrte seinen Kollegen an.
Tyll Leyden, neunundzwanzig Jahre alt, war zum Chef über hundert Wissenschaftler ernannt worden und freute sich nicht einmal über diesen wunderbaren, verantwortungsvollen Auftrag?
Nein, er freute sich tatsächlich nicht. Er sagte voller Abwehr: »Mit dem Papierkrieg will ich nichts zu tun haben.«
»Ich gratuliere Ihnen«, sagte Mungs ehrlich. »Aber was wird das Triumvirat dazu sagen?«
Leyden wusste es auch nicht. Bisher war das Kommando auf Impos von einer dreiköpfigen Gruppe geführt worden.
»Da, Mungs, lesen Sie!«
Dieser überflog neugierig die wenigen Zeilen. Sie waren unmissverständlich. Rhodan hatte Tyll Leyden alle Vollmachten erteilt.
Mit diesem Schreiben suchte der junge Mann das Triumvirat auf.
Die drei Kollegen befanden sich in der Kabine von Oberst Guara und diskutierten mit dem Kommandanten. Der verlor beinahe die Beherrschung, als er Leyden erblickte. »Was wollen Sie hier?«, fuhr er ihn an.
»Bitte!«, sagte Leyden und überreichte dem Nächststehenden seine Vollmacht. Obwohl alle drei Mann damit gerechnet hatten, über kurz oder lang durch einen von Terrania aus ernannten Chef auf Impos abgelöst zu werden, so war ihnen nie in den Sinn gekommen, Tyll Leyden könnte auf diesen Posten gesetzt werden.
»Jetzt habe ich nur mit Ihnen zu tun?«, stöhnte Guara.
»Ja«, entgegnete Leyden. »Darf ich wissen, ob die Sternenkarten geliefert worden sind, die ich über Oberstleutnant Herzog bestellt habe?«
»Fragen Sie Ihren Teamchef!«, erwiderte Guara unfreundlich.
»Wie Sie wollen.« Damit machte Tyll Leyden kehrt und ging. Es war nicht seine Art, die Autoritätsperson herauszustreichen. Trotzdem verstand er es immer wieder großartig, das durchzusetzen, was er sich vorgenommen hatte.
Genau einen Impostag später spannte er sogar die Archäologen für seine neuen Aufgaben ein. Er traf seine Dispositionen so unauffällig, dass erst nach geraumer Zeit einige Experten verblüfft feststellten, dass sie mit ihrer Arbeit in eine neue Zielrichtung gedrängt worden waren.
Der Forschungsraumer 777 hatte das System gestern Nacht noch verlassen; Guara und Leyden hatten kein Wort mehr miteinander gewechselt. Der neuernannte Chef war auch gar nicht mehr dazu gekommen, denn er musste sich plötzlich doch mit dem Papierkrieg auseinandersetzen. Bis nach Mitternacht hatte er sich damit abgeplagt, dann aber mit der Bemerkung: »So, damit ist vorläufig mal Schluss!«, die Akten weggeschlossen.
Mit der 777 waren 42 neue Wissenschaftler eingetroffen. Daraus ersah man, welche Bedeutung Perry Rhodan dem entdeckten Planetarium im Singenden Berg auf Impos beimaß.
Im Gleiter flog Leyden seinem Ziel entgegen. Hinter einem kreisbogenförmigen Tal stieg ein Gebirgsmassiv bis zu achttausend Meter in den Himmel hinein.
Der Gleiter überflog in hundert Meter Höhe das Tal. Leyden blickte in die Tiefe. Unter ihm befanden sich die Ruinen einer untergegangenen Stadt. Ein rund fünfzig Meter hoher Turm, der auch schon zum Teil verfallen war, ragte als einziges sichtbares Monument aus den Trümmern heraus. Große Gruben innerhalb des Gebietes wiesen darauf hin, dass die Archäologen sich in die tieferen Bodenschichten hineingegraben hatten, um festzustellen, vor wieviel Jahrhunderttausenden hier die ersten Bauten errichtet worden waren.
Nur noch hin und wieder wurde auf Impos von dem Gemeinschaftswesen gesprochen, dass seine Kunstwelt Wanderer zerstört hatte und vor einer unvorstellbaren Gefahr geflohen war. ES hatte die Terraner nach Impos geführt. Im Singenden Berg hatte ES einen der verstreuten fünfundzwanzig Zellaktivatoren versteckt gehabt. Bei der Suche nach dem lebensverlängernden Gerät war dann von Tyll Leyden das Planetarium in dem ausgehöhlten Gebirgsstock entdeckt worden. Es verdiente die Bezeichnung Wunder. Als man daranging, Altersmessungen vorzunehmen, trauten die Terraner ihren Instrumenten nicht mehr. Die Geräte behaupteten, dass die Technik im Singenden Berg bis zu 1,3 Millionen Jahre alt wäre!
Immer wieder war mit dem Argument Keine Maschine kann so lange laufen versucht worden, an der Richtigkeit der Altersmesswerte zu zweifeln. Die EXPLORER-2115 war längst zur Erde zurückgekehrt und zu neuen Forschungsaufgaben unterwegs, doch der Streit unter den Experten war immer noch nicht beigelegt.
Unverändert ruhig, leise singend, liefen im Berg die Maschinen; unverändert in seiner grandiosen Pracht stand im sechstausend Meter hohen Felsdom das maßstabgerechte, millionenfach verkleinerte Spiralgebilde, die Galaxis.
Während ihres kurzen Aufenthaltes auf Impos waren die Archäologen immer tiefer in die Ruinenschichten der großen Stadt hinabgestoßen. Mit den modernsten Grabungsgeräten kamen sie schnell weiter. Aber immer noch nicht waren sie auf die erste und älteste Schicht gestoßen.
Die Ruinenstadt nannten sie Äona.
Es widersprach allen wissenschaftlichen Erkenntnissen, dass es jemals eine intelligente Rasse gegeben haben sollte, die über Jahrhunderttausende Bestand gehabt hatte. Die Wissenschaftler konnten den höllischen Spuk nicht vergessen, den er über sie hatte kommen lassen, als sie mit ihrer EXPLORER-2115 gerade auf Impos gelandet waren. Durch ES waren sie in vierzigtausendjährige Vergangenheit versetzt worden und hatten die Kugelbauchwesen kennengelernt – eine primitive, kriegerische, humanoide Rasse – die niemals die Nachkommen jenes großartigen Volkes gewesen sein konnten, das im Innern eines Achttausenders das Planetarium mit seinem Maschinenpark errichtet hatte.
Die Kugelbauchwesen hatten keine Ähnlichkeit mit jenem hochstehenden Volk aus grauer Vorzeit. Von den letzteren gab es nämlich eine Abbildung!
Im Felsdom, innerhalb der Randzone der kreisförmigen Bodenfläche, die achttausend Meter Durchmesser hatte, war hinter hundert Meter langen und in Höhe und Breite dreißig Meter starken Maschinensätzen eine Plastik entdeckt worden. Sie stand auf einem Sockel, der sich langsam drehte.
Die Plastik stellte eine schlanke Figur ohne Arme und Beine dar. Ein weich fallender Überhang ließ anatomische Merkmale nicht erkennen. Der stilisierte Kopf war nicht menschlich. Mund und Nase fehlten, aber das Augenpaar, das von innen heraus leuchtete, war humanoid.
Doch unter den Milliarden Menschen der heutigen Galaxis gab es keinen, aus dessen Augen diese Abgeklärtheit, Güte und Weisheit sprachen.
Man zweifelte nicht daran, dass das Aussehen jener längst untergegangenen Rasse in dieser Plastik verkörpert war.
Man hatte auch an der Statue Altersmessungen vorgenommen. Man hatte erneut Grund zum Staunen bekommen: Die Plastik war etwas jünger als alles andere an technischen Geräten im Singenden Berg!
War sie die Krönung eines genialen Schöpfungsaktes? Hatte man sie auf den schwebenden, sich drehenden Sockel gestellt, als das Planetarium zum ersten Mal in diesem Dom aufgeleuchtet war und sein weiches Licht nach allen Seiten verstrahlt hatte?
Alles war ein Rätsel. Zu diesem Rätsel hatte ES die Terraner geführt. ES hatte sie das kosmische Planetarium entdecken lassen, und die terranischen Experten hatten den Atem angehalten, als sie erkannten, dass die Stellung der Sterne zueinander mit der Wirklichkeit draußen übereinstimmte. Über einen unvorstellbaren Zeitabschnitt hatten sie sich gedreht und bewegt wie die Sonnen der Milchstraße.
ES hatte von diesem Wunder gewusst; und ES war vor einer Gefahr geflohen! ES tat nie etwas ohne Hintergedanken. Bestand zwischen der Gefahr und dem Planetarium ein Zusammenhang?
Nur einer hatte sich all diese Fragen gestellt, seine Vermutungen aber nicht ausgesprochen: Tyll Leyden.
War dieses Erbe aus grauer Vorzeit das Bindeglied zum Heute? Verband es 1,3 Millionen Jahre?
Leyden vergaß die Warnung des Geistwesens von Wanderer nicht: Manchmal ist es praktisch, diese Spielereien zu betreiben, besonders dann, wenn man eine gefährliche Gegend zu meiden hat. Ihr werdet noch erleben, was euch blüht.
Was verbarg sich hinter dieser Anspielung? Wieso war dieses System eine gefährliche Gegend?
Tyll Leyden hatte bei seiner ersten Lagebesprechung heute früh darauf Bezug genommen. Über die erstaunten Blicke seiner Kollegen war er kommentarlos hinweggegangen. Es war ihm gleichgültig, ob sie ihn für einen ängstlichen Mann hielten.
»Punkt 3: tägliche Kontrolle des Systems ... des ganzen Systems, angefangen von der Sonne über Herkules bis zum letzten Mond. Jeden Tag, um zwölf Uhr Imposzeit, möchte ich die Berichte vorliegen haben.«
In einem anderen Punkt untersagte er, die Aggregate im Berg zu demontieren. Den Protesten der Robotiker begegnete er mit der Frage: »Können Sie garantieren, dass die Funktionen des Planetariums dadurch nicht gestört werden?«
Man konnte ihm diese Garantie nicht geben! Er war zum nächsten Punkt übergegangen. In knapp fünfzehn Minuten hatte er den einzelnen Teamchefs sein Programm mitgeteilt.
Es schien, als hätte er vieles beim alten belassen, aber wer das glaubte, kannte den jungen Astronomen und Physiker nicht.
Mit seinem Gleiter war Leyden bis vor das innere Großtor geflogen. Den letzten Teil des Weges bis zum Planetarium legte er zu Fuß zurück, um neben einem langgestreckten Aggregat, das kaum merklich summte, in einen deutlich gekennzeichneten Kreis zu treten. Im gleichen Moment trug ihn ein Feld zum Loch in der Decke des Maschinensaales empor. Als Leyden durch die optische Sperre verschwand, befand er sich im Planetarium.
Er konnte nicht mehr sagen, wie viele Stunden er inzwischen hier verbracht hatte; er wusste nur, dass ihn etwas Unerklärliches mit aller Gewalt immer wieder hierher zwang.
Ebenso musste er auch jetzt wieder hinaufsehen zu der künstlich erstellten Galaxis mit ihren Milliarden Sonnen. Unzählige Energiebahnen hielten die Sonnen mit ihren Welten fest, ließen sie kreisen und sich bewegen, drehten die Kunstgalaxis, wie sich im Universum die Milchstraße drehte.
Er brauchte nur intensiv zu verlangen, in das Sternenmeer hineingetragen zu werden, und schon schwebte er hinauf – jener Stelle zu, die er erreichen wollte.
Seine Kollegen hatten sich an diesem Phänomen die Zähne ausgebissen. Nacheinander hatten sie mutlos die Arbeit aufgegeben. Sie konnten keine Erklärung finden. Bis zum Tag war auch unbekannt, welches Aggregat das Planetarium unter der Kuppel des Felsdomes in Bewegung hielt.
Viele Experten glaubten nicht mehr daran, den Tag zu erleben, an dem sie verstehen lernten, welchen Zweck einer dieser gigantischen Aggregatsätze erfüllte.