Nr. 187
Soldaten für Kahalo
Der Großadministrator als Soldat – und Bully als Saboteur ...
von KURT MAHR
Seit dem 2. November 2328 kursiert die Nachricht vom Tode Perry Rhodans, Atlans und Reginald Bulls in der Galaxis. Die Unbekannten, die diese Meldung verbreiten, können auch mit Bildern von der völlig zerstörten CREST, des ehemals stolzen Flaggschiffs der Solaren Flotte aufwarten. In Terrania weiß man, dass sich die drei wichtigsten Persönlichkeiten des Vereinten Imperiums zum fraglichen Zeitpunkt tatsächlich auf der CREST aufhielten. Die Todesnachricht lässt sich nicht dementieren, denn die Verschollenen können kein Lebenszeichen übermitteln. Sie können auch nicht verhindern, dass die Galaktische Allianz sich langsam, aber unaufhaltsam aufzulösen beginnt und die Mitglieder dieses Bundes in zunehmendem Maße ihre eigenen Interessen verfolgen.
Die Verschollenen ahnen, was inzwischen in der Galaxis geschieht, können aber nicht aktiv in das Geschehen eingreifen, da sie keine Möglichkeit besitzen, die Solare Flotte oder die USO zu verständigen. Seit dem Tage, da Perry Rhodan, Atlan, Reginald Bull, André Noir und Melbar Kasom in die Gewalt des Obmanns von Plophos gerieten, sind die wichtigsten Männer der Milchstraße nahezu hilflos einem seltsamen Schicksal ausgeliefert, das sie von Planet zu Planet verschlägt.
Das mysteriöse Raumschiff, das sie vor Tagen auf dem Planeten »Lovely« abgesetzt hatte, damit sie dem Treiben der Hypno-Kugel ein Ende bereiten, erscheint wieder, um sie abzuholen.
Die Verschollenen erhalten eine neue Aufgabe – sie werden rekrutiert als SOLDATEN FÜR KAHALO!
Die Hauptpersonen des Romans
Perry Rhodan – Großadministrator des Solaren Imperiums – und Soldat für Kahalo.
Mory Abro – Eine schöne Frau, die Angst hat.
Melbar Kasom – Der Ertruser benimmt sich wie ein Elefant im Porzellanladen.
Atlan – Er konstatiert, dass die Terraner verwirrt sind.
André Noir – Der Mutant geht auf die Suche nach Unsichtbaren.
Reginald Bull – Er betätigt sich als Saboteur im All.
Okra, Karr und Perk – Seltsame Wesen des Planeten Kahalo.
Zu Beginn des 24. Jahrhunderts gehörten zur Galaktischen Allianz rund hunderttausend Welten. In dieser Zahl sind eingeschlossen bewohnte Planeten, unbewohnbare Stützpunktplaneten und, soweit ihr mittlerer Durchmesser dreihundert Kilometer übersteigt, auch die Satelliten von Planeten, also Monde.
Die Gesamtzahl der Himmelskörper in der Galaxis, wobei wiederum solche von Fixsterncharakter oder mit einem mittleren Durchmesser geringer als dreihundert Kilometer nicht berücksichtigt werden, beträgt nach den statistischen Ermittlungen des Astrophysikalischen Instituts der Universität Terrania, mit Ausfertigungsdatum vom 2. April 2312, etwa dreißig Milliarden.
So gewaltig die Galaktische Allianz auch sein mochte – sie umfasste nur den dreihunderttausendsten Teil des Planetenvolumens unserer Milchstraße. In den dreißigtausend Jahren, seitdem die Akonen den Anfang galaktischer Kolonisation gemacht hatten, war ihnen und ihren Nachfolgern nicht mehr als ein lächerlich winziger Bruchteil der Galaxis bekannt geworden.
Wer zu Beginn des 24. Jahrhunderts behauptete, er habe die Milchstraße gründlich bereist, der glich dem großsprecherischen Weltreisenden des ausgehenden 19. Jahrhunderts, der das Amazonastiefland erforscht zu haben glaubte, nachdem er zwei Palmen am Stadtrand von Belem gesehen hatte.
»Bei der ungeheuren Aktivität, die die Raumflotte entfaltet«, äußerte der Direktor des Instituts für Astrophysik kurz nach der Veröffentlichung des statistischen Berichts voller Nachdenklichkeit, »wundert es einen, dass uns nicht täglich eine neue Sensation aufgetischt wird.«
1.
Die Finsternis schien endlos. Blass und konturlos wanderte der Lichtfinger der Lampe durch die staubfreie Luft, rastete verwirrt, wanderte weiter und verschwand in der Tiefe des Raums.
Minuten vergingen schweigend.
Plötzlich tauchte der Lichtfleck aus der Dunkelheit, weit im Hintergrund, eine winzige ovale Fläche. Der Strahl hielt inne. Die Fläche enthüllte Einzelheiten, zwei große, weit aufgerissene Augen, den dünnen Strich der zusammengekniffenen Lippen.
Ein Schrei stieg auf, hilflos und dünn in der Weite des Raums. Die Lampe erlosch.
»Verdammter Narr! Ich hätte sie beinahe gehabt!«
*
André Noir hatte sich noch immer nicht beruhigt, als Melbar Kasom das Schott öffnete, das aus dem finsteren Raum auf den Zentralgang des Mitteldecks hinausführte, und den Mutanten vorbeitreten ließ. Die Szene wirkte grotesk. Zweieinhalb Meter hoch stand der Gigant von Ertrus, mit den riesig breiten Schultern wirkte er gegen den zierlichen André wie ein Wesen aus einer anderen Dimension. Der Mutant musste den Kopf in den Nacken legen, wenn er Melbar ins Gesicht sehen wollte.
Schweigend schritten sie den leeren Gang entlang, und Melbars Schritte ließen den Boden erzittern. Schattenlos erfüllten die Lampen an der Decke und zu beiden Seiten den Tunnel mit gelbem Licht.
»Sie hätten sie also beinahe gehabt, wie?«, fragte Melbar nach einer Weile.
»Ja, natürlich«, knurrte André gereizt. »Ich brauchte zwei Stunden, um einen Platz zu finden, an dem ich mich ungestört konzentrieren konnte. Und gerade war ich auf dem besten Wege, da kamen Sie hereingestapft und machten alles kaputt.«
Melbar strich sich verlegen über die schmale Bahn gelbroten Haares, die sich wie ein Hahnenkamm über den sonst kahlgeschorenen Schädel zog.
»Tut mir leid«, dröhnte er. »Beim nächsten Mal hängen Sie besser ein Schild ans Schott ... Betreten verboten.«
André winkte ärgerlich ab.
»Was suchen Sie überhaupt hier? Sie haben Freiwache und sollten im Bett liegen, nicht wahr?«
Melbar Kasom zuckte mit den Schultern.
»Was man so ein Bett nennt. Nein, ich konnte nicht schlafen. Die Vorstellung, dass ... dass sie überall um uns sind, macht mich nervös.« Er sah sich hastig um, als könnte er einen von ihnen entdecken, wenn er nur schnell genug den Kopf drehte. »Sie nicht?«, wollte er wissen.
André schüttelte den Kopf. Das wuchtige Schott zu dem Raum, in dem sie sich seit dem Start von Lovely aufgehalten hatten, wuchs am Ende des Ganges auf.
»Nein. Ich weiß, dass sie da sind. Wie sie es fertigbringen, sich vor uns zu verbergen, ist weiter nichts als eine Frage der Technik.« Er sah zu Melbar auf und lächelte zum ersten Mal. »Und wie wir sie festnageln, ist wiederum nur eine Frage unserer Fähigkeiten.«
»Hm«, brummte Melbar. »Ich wollte, ich könnte Ihnen helfen.«
Selbst wenn er nachdenklich war, klang seine Stimme immer noch wie dröhnender Donner.
Das Schott öffnete sich automatisch, als sie ihm bis auf zwei Schritte nahekamen. Geräuschlos rollte es zur Seite. Dahinter lag ein kreisrunder Raum von etwa fünf Metern Durchmesser. Gegenüber gab es ein zweites Schott, das in bislang noch unbekannte Teile des fremden Schiffes führte. Der Raum selbst war völlig leer bis auf die überall angebrachten gelben Leuchtplatten und ein paar hoch unter der Decke verankerter Kasten, die keinerlei Deutung ihrer Funktion erlaubten. Ringsum verteilt, auf dem Boden hockend und den Rücken gegen die kahle Wand gelehnt, saßen vier Menschen. Drei von ihnen trugen die Dienstuniform der terranischen Raumflotte, schwere Automatwaffen in den Gürteln. Der vierte war eine Frau, ebenfalls bewaffnet, jedoch mit der enganliegenden Hose-Bluse-Kombination gegen die Bekleidungsvorschriften der Flotte grob verstoßend.
André überflog die Szene mit einem kurzen Blick als er durch das Schott trat. Einen halben Atemzug lang kam ihm die Lage so absurd und lächerlich vor, dass er ein Grinsen unterdrücken musste. Hier waren sie – allesamt illustre Persönlichkeiten der galaktischen Politik, mit Ausnahme des Mädchens vielleicht, eingeschlossen in ein fremdes Raumschiff einer fremden Rasse ... und wussten sich nicht zu helfen.
Der Mutant ging auf den Mann mit den kühlen, grauen Augen zu, der ihn aufmerksam musterte und die langen Beine dabei so lässig von sich streckte, als gäbe es nichts in der Welt, was ihn aus seiner Behaglichkeit aufrütteln könne. André blieb vor ihm stehen. Ohne, dass er es wusste, straffte er sich.
»Fehlschlag, Sir«, meldete er. »Ich war auf dem besten Wege. Da kam dieser ...«, er deutete über die Schulter auf Melbar Kasom, »... Riese mir nachgestiegen und störte meine Konzentration.«
Der Mann mit den grauen Augen stand auf. Am offenen Kragen seines Uniformhemdes glänzte matt das Rangabzeichen, von dem es in der Galaxis nur ein Exemplar gab: Das Abzeichen des Großadministrators.
Perry Rhodan sah den Riesen von Ertrus nachdenklich an.
»So ist das, wie?«, fragte er halblaut. »Sie werden ins Bett geschickt, damit Sie kein Unheil anstiften können. Statt dessen wandern Sie im Schiff herum!«
Melbar erwiderte den Blick ruhig.
»Es ist meine Schuld, Sir«, gab er zu. »Aber ich konnte nicht wissen, dass André ...«
Perry Rhodan winkte ab.
»Nicht wichtig, Melbar. So groß ist die Schuld auch wieder nicht. Ich weiß, was uns fehlt, und ich weiß auch, dass ich für den Mangel allein verantwortlich bin, den Mangel an Koordination nämlich.«
Jemand lachte leise. Ein anderer Mann erhob sich von seinem Sitzplatz auf dem glatten Boden des Rundraums. Schlank und mit nicht allzu breiten Schultern wuchs er, während er aufstand, zu überraschender Größe auf. Das Auffallendste an ihm jedoch war die ungewöhnlich hohe Stirn, die im geraden Ansatz schneeweißer Haare endete.
»Edelmütig wie immer gibt sich der Terraner«, spottete der Weißhaarige. »Und nicht ganz uneigennützig, muss ich sagen. Wie leicht lassen sich alle möglichen hohen und niedrigen Beweggründe verdecken, wenn man nur eine Schuld auf sich nimmt, eine Verantwortung.«
Er trat auf den Großadministrator zu. Die beiden Männer waren nahezu gleichgroß, und wer sie so beobachtete wie sie einander gegenüberstanden, der konnte sich kaum der Aura der Gewichtigkeit und Bedeutsamkeit entziehen, die von beiden ausging.
»Ich habe dich schon deutlicher verstanden«, brummte Rhodan. »Worauf möchtest du eigentlich hinaus?«
Der Weißhaarige lächelte ihn an.
»Wir sind verwirrt, nicht wahr?«
»Schön, wir sind verwirrt.«
»Wir befinden uns in einem Raumschiff, von dem wir nicht wissen, wem es gehört. Dieses Raumschiff hat uns von Badun nach Lovely gebracht, auf Lovely haben wir einige höchst rätselhafte Abenteuer bestanden, und jetzt bringt uns dasselbe Schiff von Lovely nach irgendwohin. Wir haben nicht den geringsten Einfluss auf den Kurs. Wir sind zwar nahezu freiwillig eingestiegen, aber alles andere überlassen wir den unheimlichen Fremden.«
»Du drückst dich sehr klar aus«, gab Rhodan zu. Ein bisschen Spott schwang in seiner Stimme.
»Na also«, rief der Weißhaarige und warf ein wenig theatralisch die Arme in die Höhe. »Wir sind verwirrt. Du willst nicht zugeben, dass du verwirrt bist und dir deswegen bislang noch keine Mühe gegeben hast, unsere Unternehmungen zu koordinieren. Deswegen hast du Melbars Schuld auf dich genommen. Du brauchst dich nicht zu genieren. Wir sind alle durcheinander. Keiner hat bis jetzt Zeit gefunden, über etwas Vernünftiges nachzudenken. Niemand ...«
Perry Rhodan legte ihm die Hand auf die Schulter, das brachte ihn zum Schweigen.
»Du spinnst, Atlan«, sagte Perry mit Nachdruck. »Auch das ist vermutlich auf die allgemeine Verwirrung zurückzuführen.«
Ächzend und mit ein paar leisen Flüchen erhob sich schließlich der letzte Uniformierte vom Fußboden. Dicklich, nicht allzu groß und mit widerspenstigen, sandfarbenen Haarstoppeln auf dem Schädel, blieb er neben Perry Rhodan und dem Arkoniden fast unscheinbar. Ihm selbst schien jedoch die Unscheinbarkeit nicht aufzufallen. Er bewegte sich auch im Kreis der Größten mit polternder Burschikosität, die ihm in den langen Jahren seines Daseins zum Charakterzug geworden war.
»Ein offenes Wort wird stets begrüßt«, stieß er hervor, scheinbar atemlos von der Mühe, die ihn das Aufstehen gekostet hatte. Er schlug dem Arkoniden freundschaftlich auf die Schulter und fügte hinzu: »Wird endlich Zeit, dass dir einer die Wahrheit sagt.«
Atlan lachte.
»Na schön. Wichtig ist nur, dass ich Widerspruch ausgelöst habe. Widerspruch bewegt die Geister. Und solche Bewegung haben wir nötig.«
Rhodan wandte sich an den Mutanten.
»André, wie weit sind Sie vorgestoßen?«
»Nur den Zentralgang entlang bis zum nächsten Schott, Sir, und natürlich durch das Schott hindurch. Dahinter liegt ein weiter, unbeleuchteter Raum. Er ist leer ... wie alle anderen Räume in diesem Schiff. Ich fand, die Dunkelheit ist günstig und blieb mittendrin stehen, um mich zu konzentrieren. Dann kam ...« Er zuckte mit den Schultern und schwieg.
»Ich halte das für bedeutsam«, erklärte Perry Rhodan, zu den andern gewandt. »Seitdem wir uns in diesem Schiff aufhalten, sind uns alle Räume außer diesem hier und dem tunnelartigen Hauptgang versperrt. André ist der erste, der sich zu einer anderen Räumlichkeit Zutritt verschaffen konnte. Vielleicht sind die Fremden dabei, ihre misstrauische Vorsicht aufzugeben und uns weiteren Spielraum zu lassen!«
»Ach was, Fremde«, knurrte der Dickliche abfällig. »Erst muss mir bewiesen werden, dass es Fremde an Bord dieses Schiffes gibt, dann werde ich mir überlegen, ob ich an sie glaube oder nicht.«
André meldete sich zu Wort.
»Aber Sie haben ihre Stimmen gehört, Sir!«, wandte er ein.
»Na und? Jeder Narr kann ein Lautsprechersystem an ein Bandgerät kuppeln.«
André schüttelte nachdrücklich den Kopf.
»Sie irren sich, Sir«, erklärte er sachlich. »Ich nehme, obwohl ich kein Telepath bin, die gedanklichen Ausstrahlungen der Fremden wahr. Es gibt keinen Zweifel an ihrer Existenz.«
Der Stämmige kniff die Lippen zusammen und schob das Kinn streitlustig nach vorn.
»Doch gibt es das. Meinen Zweifel nämlich!«
Perry Rhodan lachte auf.
»Reginald Bull, du bist ein verstocktes, altmodisches, ungläubiges ...«
Bull wirbelte herum und unterbrach ihn mit hastig emporgerissenen Armen.
»Das langt!«, schrie er in gespieltem Zorn. »Ich will den Rest nicht mehr hören.«
»Psychologische Fehllenkung«, spöttelte Atlan. »Vor allem, was er nicht mag, verschließt er Augen, Ohren und was er sonst noch an Sinnesorganen hat.«
Reginald Bull ging nicht darauf ein. Zu seiner Verteidigung erhob sich statt dessen die Stimme der einzigen Frau im Raum, die den Vorgängen bisher schweigend gefolgt war.
»Damit beweist er nicht mehr und nicht weniger als seine Menschlichkeit«, sagte die dunkle Stimme. Geschmeidig stand Mory Abro vom Boden auf. Kein einziges Mal gebrauchte sie die Hände, um sich aufzurichten. »Und das«, fuhr sie fort und bedachte Atlan, den Arkoniden, dabei mit einem feindseligen Blick, »macht ihn mir sympathischer, als Sie es mir jemals werden können.«
Atlan seufzte in komischer Verzweiflung.
»Großadministrator, wir haben es mit Narren zu tun. Sie sind nicht fähig, sich an eine neue Lage ...«
Er unterbrach sich, als er bemerkte, dass Perry Rhodan ihm nicht zuhörte. Perry hatte seine ganze Aufmerksamkeit dem Mädchen zugewandt.
»Im Grunde genommen einverstanden, Mory«, gestand er ein. »Aber in einer Lage wie dieser sind wir auf unkonventionelles Denken angewiesen.«
Atlan folgte seinem Blick. Nicht zum ersten Mal gestand er sich ein, dass Mory Abro Anlass genug war, jedes Gespräch zwischen ihm und Perry Rhodan oder irgendeinem anderen Mann rasch zu unterbrechen. Mory war groß, fast zu groß für eine Frau, und doch wiederum gerade richtig gewachsen für diese Versammlung von großen Männern. Niemand hatte sie je etwas anderes als eng anliegende Kleidung tragen sehen. Sie wusste, dass ihre Formen sehenswert waren, und scheute sich nicht, sie zur Geltung zu bringen. Mory Abro war der Typ von Frau, von dem sich mancher Mann nach dem ersten bewundernden Blick mit einem Seufzen abwandte, weil er niemals hoffen konnte, genug Eindruck zu machen, um Morys Aufmerksamkeit zu erregen.
»In einer Lage wie dieser!«, spottete das Mädchen. »Wenn wir uns mit Menschlichkeit nicht weiterhelfen können, dann sind wir ohnehin schon verloren.«
Perry sah sie verblüfft an, dann fing er an zu lächeln.
»Sehen Sie mal, Mädchen«, sagte er sanft. »Grundsätze sind schön und gut, aber manchmal braucht man ein bisschen mehr. Zum Beispiel ... hier!« Er tippte sich gegen die Stirn.
Mory hob die Arme und ballte die Fäuste. Eine Sekunde lang sah es so aus, als wollte sie sich auf den Administrator stürzen. Perry lächelte immer noch. Mory ließ die Fäuste wieder sinken und stieß zischend die Luft zwischen den Zähnen hindurch. Ohne noch ein Wort zu verlieren, kehrte sie zu ihrem Sitzplatz zurück.
»Wir definieren also als bewiesen«, nahm der Großadministrator den Faden wieder auf, »dass sich außer uns an Bord dieses Schiffes fremde Wesen befinden, die hin und wieder zu uns sprechen, im übrigen aber nicht mit uns in Kontakt treten. Es ist müßig darüber nachzudenken, welche Pläne sie haben. Unsere Flucht von Badun, die Kämpfe auf Lovely, unsere Abreise von Lovely, all das sind Dinge, die so wenig Logik zu besitzen scheinen, dass wir gar nicht erst zu versuchen brauchen, ihnen auf den Grund zu kommen. Halten wir uns also an das, was wir tun können. André hat festgestellt, dass mittlerweile weitere Teile des Schiffs betretbar sind. Nichts hindert uns daran, so weit vorzustoßen, wie wir vorstoßen können, und uns Klarheit wenigstens über Bauart und Einrichtung des Schiffs zu verschaffen. Vielleicht sind die Fremden nicht in Wirklichkeit unsichtbar. Vielleicht halten sie sich in einem der bisher verschlossenen Räume verborgen. Wir könnten Kontakt mit ihnen aufnehmen und endlich das ganze Rätsel lösen.«
André Noir hob die Hand. Perry nickte ihm zu.
»Soweit ich die Lage beurteilen kann, Sir«, erklärte der Mutant, »sind die Fremden unsichtbar. Beim Empfang fremder Gedanken konnte ich bisher in allen Fällen beurteilen, aus welcher Distanz sie etwa kamen. Ich bin sicher, dass ich verschiedene Male Kontakt mit Fremden an Bord dieses Schiffes hatte, die nicht weiter als drei oder vier Meter von mir entfernt waren. Ich hätte sie sehen müssen, aber ...«
Er zuckte mit den Schultern.
»Wo war: das?«, fragte Reginald Bull hastig.
André deutete auf das Schott.
»Draußen im Gang.«
»Niemals hier drinnen?«
»Nein, Sir.«
Der Arkonide sah auf.
»Besagt das etwas?«
Bully lachte ärgerlich.
»Natürlich besagt es etwas. Wenn André dieselbe Beobachtung hier in diesem Raum gemacht hätte, dann bedeutete das, dass die Fremden hier hereinkommen können, ohne das Schott zu öffnen. Schließlich könnten sie immaterielle Gebilde sein, nicht wahr?«
»Die, obwohl sie sich durch solide Wände bewegen können, Türen und Schotts und ähnliche Dinge angelegt haben«, vollendete Atlan den Satz. »Zum Spaß sozusagen.«
Bully spreizte die Arme.
»Gut, wir nehmen also an, dass es sich bei den Fremden um materielle Gebilde handelt, die die Fähigkeit besitzen, sich unsichtbar zu machen.«
Atlan nickte ihm lächelnd zu.
»Das zwingt uns zu dem Schluss«, fuhr Perry fort, »dass sie sich uns einfach nicht zeigen wollen. Ihr Motiv ist unbekannt. Anscheinend aber sind sie eben dabei, uns weitere Geheimnisse ihres Schiffs zu enthüllen. Vielleicht werden eines Tages auch sie selbst vor uns erscheinen.«
Er ging gesenkten Kopfes auf das Schott zu, blieb ein paar Augenblicke lang stehen und kehrte dann zurück.
»Es hat keinen Zweck, einen ausführlichen Plan aufzustellen«, erklärte er. »Wir machen uns einfach auf die Beine, und zwar in Gruppen zu zweien, Ziel ist die Erforschung des Schiffs. Wir müssen wissen, was außer den drei leeren Räumen und dem Tunnelgang, die wir bis jetzt kennen, es hier sonst noch gibt. Bully und André, Mory und Melbar, Atlan und ich – das sind die Gruppen. Wir sehen uns gemeinsam die dunkle Halle an, die André als erster betrat. Von dort aus versuchen wir, weiter vorzustoßen. Alle einverstanden?«