Nr. 188
Die lebenden Toten
Sie entdecken Leben im Todeskreis der Gammastrahlung – Ein neues Atlan-Abenteuer
von K. H. SCHEER
Seit dem 2. November 2328 kursiert die Nachricht vom Tode Perry Rhodans, Atlans und Reginald Bulls in der Galaxis. Die Unbekannten, die diese Meldung verbreiten, können auch mit Bildern von der völlig zerstörten CREST, des ehemals stolzen Flaggschiffs der Solaren Flotte, aufwarten. In Terrania weiß man, dass sich die drei wichtigsten Persönlichkeiten des Vereinten Imperiums zum fraglichen Zeitpunkt tatsächlich auf der CREST aufhielten. Die Todesnachricht lässt sich nicht dementieren, denn die Verschollenen können kein Lebenszeichen übermitteln. Sie können auch nicht verhindern, dass die Galaktische Allianz sich langsam aber unaufhaltsam aufzulösen beginnt und die Mitglieder dieses Bundes in zunehmendem Maße ihre eigenen Interessen verfolgen.
Die Verschollenen ahnen, was inzwischen in der Galaxis geschieht, können aber nicht aktiv in das Geschehen eingreifen, da sie keine Möglichkeit besitzen, die Solare Flotte oder die USO zu verständigen. Seit dem Tage, da Perry Rhodan, Atlan, Reginald Bull, André Noir und Melbar Kasom in die Gewalt des Obmanns von Plophos gerieten, sind die wichtigsten Männer der Milchstraße nahezu hilflos einem seltsamen Schicksal ausgeliefert, das sie von Planet zu Planet verschlägt.
Von Greendoor, der Dschungelwelt, über Badun, die Welt der Rebellen, und Lovely, eine paradiesische Welt, in der eine Ausgeburt der Hölle lauerte, führte sie ihr Schicksal zu den Bigheads, die sie für sich kämpfen ließen.
Nun aber steht den Verschollenen eine neue Begegnung bevor: das Treffen mit den LEBENDEN TOTEN!
Die Hauptpersonen des Romans
Atlan – Der älteste Mann der Milchstraße interessiert sich für ein junges Mädchen.
Perry Rhodan – Ein Herrscher ohne Macht.
Reginald Bull – Der Vizeadministrator ist ruhebedürftig.
Mory Abro – Eine Frau, die sich für befähigt hält, ein Sternenreich zu regieren.
Melbar Kasom – USO-Spezialist.
André Noir – Hypnomutant.
Otrin, Travera und Gognul – Springerabkömmlinge, die das Erbe ihrer Väter vergessen haben.
1.
Er hätte wissen sollen, wie degeneriert die Bigheads von Kahalo waren. Auch Perk, der Betreuer von sechs Verzweifelten, die mehr oder weniger offen zugaben, wie demoralisiert sie waren, bildeten darin keine Ausnahme.
Rhodan hätte wirklich wissen sollen, dass auf einen Bighead kein Verlass war, wenn es sich um technische Angelegenheiten oder um Probleme der logischen Überlegung handelte.
Rhodans Gefühlsausbruch war also zwecklos. Es wäre sicher vermessen gewesen, anzunehmen, das eigenartige Walzenraumschiff würde uns direkt zur Erde bringen. Die kleinen Männer von Kahalo waren unfähig, einen dementsprechenden Kurs zu bestimmen und die geeigneten Programmierungen vorzunehmen. Sie hatten uns abfliegen lassen in dem kindlichen Glauben, sie hätten damit ihre Schuldigkeit getan.
»Das fünfte Eintauchmanöver!«, sagte der hochgewachsene Terraner. Mit geballten Händen, die Schultern nach vorn gebeugt, stand er vor den leuchtenden Bildschirmen.
Sie zeigten nicht viel, es sei denn, wir hätten die sternarme Zone dieses galaktischen Sektors als bemerkenswert eingestuft.
Ich bemühte mich, den Übergangsschmerz vom Linearraum zum Einsteinuniversum zu ignorieren. Jeder bemühte sich darum!
Die Ausgleichsabsorber des Raumschiffes schienen entweder nicht auf unsere physischen Bedürfnisse abgestimmt zu sein, oder wir waren im Verlauf der letzten Ereignisse körperlich zu schwach geworden, um die normalerweise kaum bemerkbaren Zerrungserscheinungen noch als vernachlässigbar einstufen zu können.
Jetzt, nach diesem fünften Manöver, das fraglos zur Orientierung der vollendeten Robotautomatik erforderlich war, bemerkte ich deutlich, dass sich mein Organismus gegen die ununterbrochene Belastung wehrte.
Der Zellaktivator auf meiner Brust pochte heftig. Die prickelnde Begleiterscheinung der Zellregenerierung war stärker als gewohnt.
Perry Rhodan drehte sich um. Sein Gesicht war verkniffen. Unwillig blickte er über uns hinweg. Ich rührte mich nicht. Das Ruhelager war recht bequem. Ich konnte von meinem Platz aus durch das geöffnete Schott in die Zentrale hineinsehen. Sie war menschenleer. Die verkleideten Steuerpulte und sonstigen Kommandoeinheiten sagten mir nichts. Sie waren zu fremdartig, um richtig gedeutet zu werden.
Neben mir lag Mory Abro, die Tochter des Neutralistenführers Lord Kositch Abro. Morys rotblonde Haarpracht verdeckte einen Teil ihres schmalen Gesichtes.
Rhodans Uniformjacke, die er ihr nach der Entführung durch die nichtmenschlichen Flooths zur Verfügung gestellt hatte, lag neben ihr auf der Liege. Mory trug die Kunstfaserkombination, die man ihr auf Kahalo nach dem Vorbild ihrer ehemaligen Kleidungsstücke angefertigt hatte. Das Material war farbenprächtig, aber an den Nähten offenbar etwas rau. Mory kratzte sich öfters.
In solchen Augenblicken wirkte die rotblonde Schönheit gar nicht mehr kühl und arrogant. Ich musste meine Heiterkeit unterdrücken, wenn sich bei einem erneuten Juckreiz ihre Lippen verzogen und trotziger Zorn ihre Züge prägte. Auch Mory Abro war nur ein Mensch – natürlich! Allerdings ein Mensch, der selbst hier, in diesem Raumschiff, die Aufmerksamkeit auf sich lenkte.
Reginald Bull, Rhodans Stellvertreter und Phlegmatiker von Natur aus, schlief mit offenem Mund. Er hatte beim letzten Manöver eindeutig erklärt, der »Fall Heimflug« würde ihn erst dann wieder interessieren, wenn wir irgendwo gelandet wären.
Der Mutant André Noir und der USO-Spezialist Melbar Kasom saßen auf ihren Liegen. Sie sahen stumm zu Rhodan hinüber, der offenkundig um seine Beherrschung rang.
Wir waren mit unserer Nervenkraft am Ende angelangt. Die seelischen Belastungen durch die Giftinjektion, die sich erst nach vier Wochen als harmlos herausgestellt hatte – obwohl ich noch nicht davon überzeugt war, dass sie wirklich harmlos war! – hatte unseren Widerstandswillen aufgezehrt. Wir waren von einer Welt zur anderen gebracht worden, bis wir schließlich auf dem seltsamsten Planeten angekommen waren, den ich je gesehen hatte.
Das kindliche Gebaren der Bigheads hatte mich mehr zermürbt, als die Invasionsbemühungen der insektenhaften Flooths, denen es durch unser Eingreifen nicht gelungen war, die vollmechanisierte Welt Kahalo zu erobern.
Es war nur eine Episode auf unserem Leidensweg gewesen. Unsere wesentlichste Entdeckung auf Kahalo war das Große Kahal gewesen, eine technische Großanlage in der Form von sechs gewaltigen Pyramiden, deren Funktion wir nicht einwandfrei zu deuten wussten.
Melbar Kasom, der Gigant vom Schwereplaneten Ertrus, räusperte sich. Verlegen sah er sich um. Der USO-Spezialist, einer der zuverlässigsten Offiziere meiner Truppe, schien sich neuerdings an unserem Schicksal schuldig zu fühlen. Mir war bekannt, dass er mit sich selbst haderte.
Ein Mann von seiner Stärke konnte die Niederlagen der letzten Monate anscheinend nicht so leicht überwinden wie wir, die wesentlich Schwächeren. Kasom redete sich ein, er hätte einige Dinge besser erledigen müssen. Seine letzte Theorie war die verwegenste von allen. Er behauptete, wir könnten uns längst wieder in Sicherheit befinden, wenn er sich auf der Dschungelwelt Greendoor und sofort nach unserer Entführung gescheiter verhalten hätte.
Möglicherweise hatte er damit sogar recht; aber das spielte jetzt keine Rolle mehr.
Perry Rhodan pochte mit den Knöcheln gegen die glatten Kunststoffverkleidungen der Zentraleschaltungen. Er war in den relativ kleinen Raum hineingegangen, nachdem niemand von uns das lastende Schweigen gebrochen hatte. Kasoms Räuspern hatte nichts zur Entspannung der Lage beitragen können. Außerdem war es zu laut gewesen. Der 2,51 Meter große Riese war nur bei sorgfältigster Selbstkontrolle in der Lage, seine Stimme zu dämpfen.
Ich drehte mich auf die Seite und schaute zu Mory hinüber. Sie hatte die langen Beine angezogen und die Hände um die Knie gefaltet. Wahrscheinlich wegen des ständigen Juckreizes, sagte ich mir.
Als sie meinen Blick spürte, blies sie eine Haarsträhne aus der Stirn, musterte mich von oben bis unten und drehte mir den Rücken zu.
Seufzend richtete ich mich auf. Melbar Kasom erhob sich sofort. Sein Körper füllte plötzlich den runden Raum aus, den die Bigheads mit einigen Möbelstücken ausgestattet hatten.
»Bleiben Sie nur sitzen, Melbar«, wies ich ihn an. »Wenn mich nicht alles täuscht, werden Sie Ihre Kräfte demnächst gebrauchen.«
Der Ertruser sah unglücklich an seiner riesigen Tonnenbrust hinab und nahm wieder Platz.
Ich reckte mich. Mein gelangweiltes Gähnen wurde von dem Mutanten als unecht durchschaut. André Noir, der Hypno des terranischen Geheimkorps, lachte mich an. André war ein korpulenter Mann, der ein Fluidum von Gemütlichkeit ausstrahlte. Seit einiger Zeit hatte er noch eine zweite Fähigkeit entwickelt, die er als »Gefühlsortung« bezeichnete. Es war keine direkte Telepathie, sondern mehr ein Aufnehmen von emotionellen Strahlungen, aus denen er durch fleißiges Training aufschlussreiche Werte ableiten konnte. Wenn er nicht bei uns gewesen wäre, hätte Mory Abro unter dem Seziermesser eines nichtmenschlichen Chirurgen ihr Leben ausgehaucht. Ich ahnte, dass die Tochter des Lord Kositch Abro nach einem Weg suchte, dem Mutanten ihre Dankbarkeit zu beweisen – natürlich in einer Form, die weder ihren Stolz noch ihr ständiges Bestreben nach Distanzierung verletzte.
»Der große Arkonide schreitet zur Tat. Wem gehört das Universum?«, vernahm ich ihre dunkle Stimme.
Ich schloss den Mund. Kasom fühlte sich indirekt angesprochen. Er verehrte das Mädchen in einer besonderen Art, die sich jetzt in den Worten äußerte: »Ich werde Ihnen doch noch das Hinterteil versohlen, Mähnenlöwe!«
Sie betrachtete den Riesen interessiert.
»Huch, der einzige Mann an Bord hat gesprochen. Meinen Sie nicht auch, Melbar, Sie sollten mir vorher die Krallen stutzen?«
Sie klopfte an ihre Strahlwaffe, mit der sie meisterhaft umzugehen verstand.
Kasom grinste. Ehe er etwas entgegnen konnte, wurde ich von einem jähen Schwindelgefühl überwältigt. Ich ließ mich auf mein Lager zurückfallen und zog soweit wie möglich die Beine an. Das half etwas gegen die entstehenden Magenschmerzen.
Das Raumschiff war erneut in den Linearraum vorgestoßen. Die Bildschirme der Normalortung verblassten. Das Singen und Raunen des Überlichttriebwerks klang in meinen Ohren wie das Läuten großer Glocken. Diesmal dauerte es noch länger, bis der Schmerz nachließ.
Als ich mich entspannte, taumelte Rhodan in den Aufenthaltsraum. Schweratmend ließ er sich auf seine Liege sinken.
»Hallo«, rief ich ihn an. »Sind wir noch munter, Großadministrator?«
Mory kicherte.
»Großadministrator? Wovon? Vom Vereinten Imperium? Sie sollten den Traum von der Macht aufgeben, Perry. Und Sie auch, Atlan. Bisher bin ich von den Herren der Schöpfung noch nicht gefragt worden, was ich von der Lage halte.«
Rhodan massierte seinen Magen. Gepresst meinte er: »Ach – seit wann sind Sie zu einem klaren Denkprozess fähig?«
Sie fuhr auf wie eine gereizte Katze. Sie war schöner denn je.
Perry schmunzelte. Ächzend wälzte er sich auf die Seite.
»Verschwenden Sie nicht soviel Energie, Mory. Also, was halten Sie von der Lage?«
Sie schleuderte ihre Mähne in den Nacken zurück, kratzte sich unbewusst am Bein und sagte dabei etwas so Treffendes über die stumpfsinnigen Bigheads, dass André Noir einen anerkennenden Pfiff ausstieß.
»Der Ausdruck ist neu«, stellte er fest.
»Reden Sie kein dummes Zeug«, schalt Mory. »Was ich von der Lage halte? Schön, Sie sollen es in aller Offenheit hören.«
»Wenn Sie mir mitteilen wollen, ich wäre kein galaktischer Politiker sondern eine Marionette, so sparen Sie sich Ihren Atem. Das wissen wir bereits«, fiel Perry ein.
Sie lächelte boshaft.
»Wie gut Sie das behalten haben, Mann ohne Macht! Das sind Sie doch, oder? Seit Ihrer Entführung durch den Obmann von Plophos sind nun etwa drei Monate vergangen. Was denken Sie wohl, was unterdessen in der Galaxis geschehen ist? Mord und Totschlag, behaupte ich!«
»Wenn die Kolonistennachkommen von Plophos ihre menschliche Intelligenz und Entschlusskraft dazu einsetzen, um Ruhe und Ordnung zu brechen, könnte es allmählich dazu kommen«, gab ich zu. »Trotzdem sollten Sie die Terraner nicht unterschätzen! Da gibt es Männer wie Solarmarschall Julian Tifflor und den Chef der Galaktischen Abwehr, Allan D. Mercant. Mein Stellvertreter, Generaladmiral Tere Astrur, wird auch nicht schlafen. Sie kennen die USO nicht, meine Liebe! So einfach ist das nicht mit dem Mord und Totschlag. Wenn die führenden Männer des Solaren Imperiums klug waren, haben sie ihre Flottenstreitkräfte aus der Galaxis zurückgezogen und einen Abwehrgürtel um die solaren Interessengebiete gebildet. Ich würde Ihrem Obmann von Plophos nicht raten, noch unvorsichtiger als bisher vorzugehen.«
»Iratio Hondro ist nicht mein Obmann!«, fuhr sie mich zornrot an. »Sie wissen genau, dass wir diesen Unmenschen mit allen Mitteln bekämpfen. Eines Tages werden wir Neutralisten die Macht auf Plophos erringen, und ich werde an der Spitze der Widerstandskämpfer in New Taylor einmarschieren.«
»Haben Sie nicht vor einigen Stunden behauptet, wir würden nie mehr nach Hause kommen? Sie widersprechen sich.«
Sie winkte heftig ab und kratzte sich wieder am Bein.
»Sie – haben Sie etwa Flöhe?«, erkundigte sich Melbar in seiner offenen, aber wenig charmanten Art. Sein breites Gesicht war argwöhnisch verzogen.
Rhodan lachte in sich hinein. Ich hielt die Hand vor den Mund. Der armen Mory wurde wirklich übel mitgespielt.
»Halten Sie den Mund, Sie Flegel«, herrschte sie Kasom an. »Selbst wenn ich Flöhe hätte, müsste es Ihnen der Anstand verbieten, eine Dame dahingehend anzusprechen.«
»Terranische Unsitte«, knurrte der Gigant. Es grollte in dem Raum, als zöge in der Ferne ein Gewitter auf. »Auf Ertrus, meiner Heimatwelt, nennt man die Dinge beim Namen.«
»Kommen wir auf das Thema zurück«, lenkte ich ein. »Lassen wir es dahingestellt sein, ob wir aus dieser fliegenden Mausefalle nochmals entweichen können oder nicht. Je nachdem, wie dieses Abenteuer endet, wird es sich auch entscheiden, ob Sie jemals die Macht der Neutralisten stärken und die Regierungsgewalt im Eugaul-System übernehmen werden.«
»Zweifeln Sie etwa an meinen Fähigkeiten?«
Unsere Blicke trafen sich. Ihre Augen schimmerten wie ein grüner, unergründlicher Bergsee. Sie strahlten eine plötzliche Kälte aus.
»Nein, ich zweifle nicht daran!«, gestand ich. »Ich traue Ihnen durchaus zu, das System zu beherrschen. Wenn Sie bis dahin Ihren explosiven Charakter etwas bändigen könnten, wären Sie unter Umständen sogar eine gute Verbündete.«
»Ihre Verbündete, Arkonide?«
Ich lächelte sie an.
»Versuchen Sie nicht, einen zehntausendjährigen Mann aus seiner Reserve zu locken. Das gelingt Ihnen nicht, mein Kind.«
Ihre Lippen zuckten. Dann lachte sie. Ihr gespanntes Gesicht lockerte sich; die Kälte verlor sich aus ihren Augen.
»Also Perrys Verbündete«, fuhr sie fort. »Wir können darüber reden. Besondere Vergünstigungen sind mir natürlich einzuräumen.«
»Sie verteilt wieder das Fell des Bären, ehe sie ihn erlegt hat«, murmelte Reginald Bull im Halbschlaf. »Nicht so laut bitte! Ich bedarf der Ruhe.«
»Wie Sie Schlafmütze jemals Staatsmarschall und Chef der arkonidischen Flotte werden konnten, ist mir immer noch rätselhaft«, sprach Mory den untersetzten Rothaarigen an.
Bullys Gesicht verzog sich.
»Vizeadministrator bin ich auch noch«, stellte er fest. Dann schnarchte er schon wieder.
»Sie werden sein Geheimnis nie ergründen«, behauptete Rhodan in wesentlich besserer Laune. Ich atmete auf. Der Terraner schien sich wieder gefangen zu haben.
»Zum Thema«, mahnte ich. »Was halten Sie von der Lage? Sie verlieren sich in fruchtlosen Diskussionen.«
Sie wurde jählings sachlich und damit überzeugend. Diese junge Frau besaß einen scharfen Verstand. Wir wussten, dass sie die treibende Kraft in den Reihen der plophosischen Rebellen gewesen war.
»Das letzte Eintauchmanöver des Raumschiffes bewies, dass wir uns mehr und mehr vom galaktischen Zentrum entfernen. Wir nähern uns den sternarmen Gebieten der Eastside. Wahrscheinlich stehen wir jetzt schon etwa sechzig- bis siebzigtausend Lichtjahre vom menschlichen oder arkonidischen Einflussbereich entfernt.«
»Diese Tatsache haben wir ebenfalls klar erkannt.«
Sie nickte mir zu.
»Das ist erfreulich, Herr Lordadmiral! Ich habe Ihre galaktonautischen Kenntnisse noch nie angezweifelt.«
»Biest!«, murmelte Kasom.
»Kusch, Pluto, kein Ton mehr!«, entgegnete Mory mit ihrem sanftesten Lächeln.
Melbar Kasom, fähiger Spezialist der USO, Meister aller Klassen von Ertrus, staunte sie mit weit geöffneten Lippen an. Anschließend ertönte ein Knall. Kasom hatte den Mund geschlossen. Fassungslos sah er sich um.
Ich nickte ihm bekümmert zu.
»Sie sollten wenigstens einmal bellen, Herr Oberleutnant.«
»Ruhe«, ordnete Mory an. Ihre Wangen hatten sich gerötet. Rhodan beobachtete sie fasziniert. Ich wusste längst, dass dieser großartige, kluge und beherrschte Terraner sein Herz an Mory verloren hatte. Natürlich versuchte er in altbekannter Art, seine Gefühle hinter der Maske der Gleichgültigkeit und Grobheit zu verbergen. Sein beißender Spott war jedoch fehl am Platze. Ich war davon überzeugt, dass Mory instinktiv fühlte, wie es in Perry Rhodan aussah.
Was sich, liebt, das neckt sich, sagte mein Logiksektor mit einem plötzlichen Impuls, der mich erschreckte. Ich räusperte mich unwillig.
»Wir haben eine winzige Chance«, erklärte die Tochter des Neutralistenführers. »Die so genannte Ostseite der Galaxis wird größtenteils von den Bluesvölkern beherrscht. Wir wissen, dass sich die Tellerköpfe seit der Beseitigung der gatasischen Vorherrschaft in den Haaren liegen.«
»Sie haben gar keine«, meldete sich Bully erneut. Mory ging darüber hinweg.
»Außerdem wird eine echte Dame einen solchen Vergleich niemals benutzen«, murmelte der Dicke weiter.
»Ich bin daran gewöhnt, das Krächzen einer fetten Krähe zu überhören«, sagte Mory. Bully streckte sich, als wäre er von einem Strahlschuss getroffen worden. Er antwortete nicht mehr.
Sie schleuderte erneut ihre widerspenstige Mähne in den Nacken zurück. Die Geste war voll fraulicher Anmut und verhaltener Leidenschaft.
»Wo sich Bluesflotten gegenseitig bekämpfen, sind auch terranische Wachkreuzer anzutreffen.«
»Aha!«
Rhodan richtete sich etwas auf. Sein stoppelbärtiges Gesicht hatte sich gespannt. »Mir scheint, Sie kommen endlich auf den Gedanken, mit dem ich mich schon seit dem Start beschäftige. Ich erinnere mich nämlich lebhaft an einen meiner letzten Befehle. Er lautet dahingehend, die Flottenoperationen der Blues so exakt wie möglich zu überwachen. Bitte sehr, fahren Sie fort.«
Sie betrachtete den Terraner wie ein Weltwunder. Mory war bestürzt.