Nr. 194
Die heimliche Invasion
Der falsche Patriarch kommt nach Plophos – und das »Unternehmen Maulwurf« läuft an ...
von KURT MAHR
Nach monatelanger Irrfahrt im Kosmos sind Perry Rhodan und seine Gefährten wieder zur Erde zurückgekehrt, obwohl oftmals ihre Lage so hoffnungslos war, dass ihnen niemand mehr eine Chance gegeben hätte.
Inzwischen schreibt man auf der Erde Ende März des Jahres 2329. Die Pläne der Terrorgruppe Schwarzer Stern, deren fanatische Agenten um ein Haar die Hauptwelten des Solsystems vernichtet hätten, konnten wirksam durchkreuzt werden. Perry Rhodans Stellung als Großadministrator des Solaren Imperiums ist unumstritten, und auch die meisten Administratoren der terranischen Siedlungswelten haben erkannt, dass es bei den gegenwärtigen machtpolitischen Verhältnissen in der Galaxis sicherer ist, im Schutz des Solaren Imperiums zu bleiben, als eigensüchtige Ziele zu verfolgen.
Nicht so Iratio Hondro, Obmann von Plophos! Er, der seine Herrschaft auf Unterdrückung und Terror aufgebaut hat, ist nicht gewillt, aufzugeben, obwohl er bereits eine entscheidende Schlappe erlitten hat. Er hält sich für stark genug, der Macht des Solaren Imperiums zu trotzen.
Seine Herrschaft zu brechen – das ist das Ziel der Männer und Frauen von der Galaktischen Abwehr, die bereit sind, DIE HEIMLICHE INVASION durchzuführen ...
Die Hauptpersonen des Romans
Guri Tetrona – Der »Patriarch« hat 61 Männer und Frauen in seiner Obhut – und 50 Leichen.
Terry Simmons – Eine Frau mit künstlichen Erinnerungen.
Porro Mallin – Anführer der zweiten Welle der heimlichen Invasion.
Kazmer Tureck – Das alte Nummernschild an seinem Gleiter erscheint einem Polizisten verdächtig.
Isit Huran – Chef des plophosischen Geheimdienstes.
Kelso Jasper – Ein misstrauischer Arzt, der die »Springer« nicht für echt hält.
1.
Ihre Gesichter waren ein wenig blass, fand Guri, aber sonst sahen sie aus, als lebten sie noch.
Fröstelnd zog er den schweren togaähnlichen Umhang höher um den Hals und verbarg die Hände, die in der unfreundlichen Temperatur des Kühlraums blau anzulaufen begannen. Vor ihm auf dem glatten Boden lagen dicht nebeneinander die leblosen Körper von fünfzig Männern und Frauen im grellen Licht der weißblauen Gasleuchten. Sie waren Gefallene aus den jüngsten Kämpfen der Raumflotte des Solaren Imperiums. Guri Tetrona hatte den Gedanken, mit fünfzig Leichen an Bord eine ausgedehnte Reise zu unternehmen, zunächst als abstoßend empfunden. Die Argumente, die für die leblose Begleitmannschaft sprachen, waren jedoch überzeugend, und nachdem Guri einmal alle zwei Stunden, insgesamt also dreißigmal, den Kühlraum inspiziert hatte, bedeutete ihm der Anblick der Toten nicht mehr als eine unwesentliche Einzelheit in seinem von Aufregungen keineswegs freien Alltag.
Er ging an der Reihe der starren Füße entlang und kontrollierte die Verriegelung des bugseitigen Schotts. Er verfuhr dabei mit großer Sorgfalt, denn er brauchte die Toten, wenn er am Bestimmungsort ankam, und konnte es sich nicht leisten, sie in den Wirren, die noch bevorstanden, durch Nachlässigkeit zu verlieren.
Nachdenklich kehrte er schließlich zum heckseitigen Schott zurück. In Gedanken versunken, strich er mit der klammen Hand über den zu Zöpfen geflochtenen Bart, der ihm auf die Brust hing. Die gefrorene Luftfeuchtigkeit hatte ihn zu einem steifen Brett verwandelt. Verwundert sah Guri auf, als das Gebilde unter seinen Fingern zu knistern und zu bröckeln begann. Rasch entschlossen öffnete er das Schott und schritt, ohne noch einen Blick rückwärts zu werfen, hinaus in den Zentralgang.
Das Chronometer über dem jenseitigen Gangende zeigte 20:45 Bordzeit.
*
Guri wartete geduldig, bis das halbmeterdicke Schott aus verdichtetem Stahl sich hinter ihm geschlossen hatte. Er beobachtete es dabei und konstatierte befriedigt, dass es reibungslos arbeitete. Zu schwer, als dass es ein normalgewachsener Mann hätte bewegen können, passte der Schließmechanismus es so genau in die Wand, dass die Fuge kaum mehr zu sehen war.
Das war wichtig für die Ereignisse, die in naher Zukunft zu erwarten waren.
Guri drehte sich um und überflog den Raum, den er soeben betreten hatte, mit einem raschen Blick. Er hatte noch nie von einer so merkwürdigen Kommandostation aus ein Schiff gesteuert, und selbst jetzt, nach 60 Stunden Flug, kam er sich hier noch ein wenig fehl am Platze vor. Der Raum war schmal und lang, wie die Zentrale eines U-Boots. Rechts und links, an den Wänden entlang, standen die Pulte der Astrogationsoffiziere, des Funkers und des Feuerleitoffiziers. Am Stirnende, neben dem heckseitigen Schott in die Ecke gequetscht, erhob sich auf einer Art Podest das Pult des Kommandanten. Das heckseitige Schott führte zu den Aufenthaltsräumen der Freiwache, der Messe und den Vorratslagern.
Guri schritt zwischen den Pulten hindurch. Ein hochgewachsener, bärtiger Mann mit einer schweren Toga anstelle einer Uniform der Raumflotte, wandte sich nach ihm um und zwinkerte ihm zu.
»Alles in Ordnung, erhabener Maltzo!«, lachte er.
Guri nickte geistesabwesend. Der 2. Astrogator schwang seinen Sessel herum und streckte die Beine aus, so dass Guri um ein Haar darüber gestolpert wäre. Ein Paar sehr gut aussehender Beine übrigens, und die Toga, die sie bis zum Knie bedeckte, war so schreiend bunt, dass Guri unwillkürlich zurückzuckte.
»Wie lange noch bis zum letzten Zapfenstreich, erhabener Maltzo?«, fragte eine helle Stimme.
»Du kannst mir mal«, brummte Guri und kletterte über die Beine hinweg. »Da vorne ist die Uhr.«
Die Frau lachte hell auf und wandte sich wieder ihrem Pult zu.
»Miserable Laune heute Abend«, sagte sie zu dem Offizier neben ihr.
»Mhm«, war die Antwort. »Immer, wenn er von da vorne kommt.«
Jemand lachte. Guri hatte inzwischen seinen Sessel erreicht und ließ sich ächzend hineinfallen. Selbst in seiner merkwürdigen Aufmachung war er noch eine beeindruckende Gestalt. Er war im Sitzen noch so groß wie mancher nicht im Stehen, und seine Schultern wirkten unter der Toga so massiv und kräftig, als könnte er damit steinerne Wände einrennen. Seine Haut hatte den roten Schimmer, den der Mangel an Pigment unter heftiger Sonnenbestrahlung hervorruft, die lange Haarmähne hing, zu kurzen, widerspenstigen Zöpfen geflochten, bis auf den Nacken hinab und fand ihr Gegenstück in dem ebenfalls geflochtenen, langen Bart, der inzwischen wieder aufgetaut war.
»Nun hört mal alle her!«, dröhnte Guris Stimme durch den langgestreckten Raum, und die Köpfe seiner Offiziere – fünf Männer und drei Frauen – ruckten herum.
Guri sah auf die Uhr.
20:54 Bordzeit.
*
»Die Instruktionen brauchen nicht mehr besprochen zu werden«, begann Guri. »Die Leute zu Hause haben uns so präpariert, dass wir gar keine andere Möglichkeit haben, als auf jede Situation richtig zu reagieren. Worum ich euch bitten wollte, ist etwas anderes.« Er räusperte sich und zog sich den Handrücken zweimal über den Mund, wie es als Geste der Erregung zu den Gewohnheiten des Patriarchen Maltzo gehörte. »Behaltet den Kopf oben, Kinder. Es kann nichts schiefgehen, auch wenn es noch so schlimm aussieht. Wir sind hier sicher. Die Innenzelle besteht aus hochverdichtetem Stahl und trägt außerdem einen zusätzlichen Schutzschirm. Womit auch immer sie auf uns eindreschen, uns hier drinnen passiert nichts. Behaltet also die Ruhe! Das allein ist wichtig, denn allzu kräftige Erregung kann die Psychoblocks umwerfen, mit denen ihr ausgerüstet seid. Und was einem passiert, der seine Blocks verloren hat ... darüber brauche ich wohl kein Wort mehr zu sagen.«
Noch während er sprach, hatte sich die Anzeige der großen Bildschirme über den Pulten der Astrogatoren lautlos verändert. Wo zuvor aus einer Art dünnen Nebels nur die Lichtpunkte einiger weniger Sterne hervorgeschaut hatten, da leuchtete jetzt das unübersehbare Sternenmeer der inneren Milchstraße. Der Nebel war verschwunden.
Die MALTZO-XXI hatte den Linearflug beendet und war aus dem Kalup'schen Halbraum in das Einstein-Universum eingetreten. Die Astrogatoren begannen, den Standort des walzenförmigen Schiffes zu bestimmen. Guri kannte das Ergebnis im voraus. Die MALTZO-XXI stand elf Lichtstunden vor Eugaul, einem F8-Stern, dessen zweiter Planet das eigentliche Ziel der merkwürdigen Reise war.
»Eugaul erkannt!«, rief Terry Simmons, die Astrogatorin, die vorhin Guri die Beine in den Weg gestreckt hatte. Die Kontrolllampen der kleinen Rechenmaschine auf ihrem Pult begannen zu blinken. Klickend wurde auf einem Plastikstreifen das Resultat ausgeworfen. »Abstand ... eins-Komma-eins-neun ...«
Sie kam nicht mehr weiter. Das helle Pfeifen der Alarmanlage riss ihr das Wort vom Mund. Der Alarm schwieg ein paar Sekunden später, als der Orter den richtigen Schalter gefunden hatte. Aufgeregt verkündete er: »Ortung, Chef! Drei Einheiten in ...«
Guri hörte nicht mehr zu. Die MALTZO-XXI war fahrplanmäßig. Die drei Einheiten waren die Eugaul-Patrouille, Kreuzer der terranischen Raumflotte.
Zum dritten Mal zog das Chronometer seinen Blick an.
21:09.
Noch einundzwanzig Minuten bis zum Punkt Null.
Guri sah auf.
»Feuerleit ... fertig!«, befahl er trocken.
*
Um 21:17 erging vom Leitschiff der Eugaul-Patrouille per Hyperspruch an die MALTZO-XXI die Aufforderung, die Fahrt zu bremsen und »aus Sicherheitsgründen« beizudrehen. »Die Regierung Eugaul«, lautete die Begründung, »hat über ihren Amtsbereich eine generelle Einreisesperre verhängt. Wir möchten nicht, dass Sie sich unnötigerweise in Gefahr begeben.«
Die Patrouillenkreuzer mussten die MALTZO-XXI schon seit geraumer Zeit beobachtet haben, denn dem Hyperspruch waren genaue Anweisungen über Bremsbeschleunigung und Rendezvous-Koordinaten hinzugefügt, Daten also, die nur anhand der genauen Kursunterlagen der MALTZO-XXI ermittelt werden konnten.
Guri Tetrona hatte für solch präzise Ausführlichkeit nur ein schwaches Lächeln übrig.
»Sag ihnen, sie sollen uns den Buckel herunterrutschen«, empfahl er Curd Djanikadze, dem kleinen Funker.
Curd sah ihn verwundert an.
»Soll ich das wirklich, Chef?«, fragte er verdutzt.
Guri winkte ab.
Um 21:20 erging der zweite Funkspruch, dieser schon ein wenig schärfer als zuvor. Der Abstand zwischen der MALTZO-XXI und der Patrouille betrug noch zwei Millionen Kilometer. Das Walzenschiff hatte bis jetzt noch keine Anstalten gemacht, die Fahrt zu verringern. Nach wie vor bewegte es sich mit relativistischer Geschwindigkeit auf Eugaul zu.
Guri ließ auch den zweiten Spruch unbeantwortet. Statt dessen erhöhte er die Geschwindigkeit des Schiffes, so dass die MALTZO-XXI nun fast mit Lichtgeschwindigkeit auf den weißgelben Stern zuraste.
Die Reaktion von Seiten der Patrouille war ein dritter Funkspruch, kurz und prägnant: »Dreht bei, oder wir eröffnen das Feuer!«
Guri stieß sich mit dem rechten Fuß ab und gab seinem Sessel eine leichte Drehung.
»Das können wir auch«, knurrte er zornig. »Feuerleit ... alle Rohre auf!«
21:22 Bordzeit. Die MALTZO-XXI eröffnete ihr letztes Gefecht.
*
Rund eine astronomische Einheit vom augenblicklichen Ort des Geschehens entfernt beobachtete der Ortungsoffizier eines plophosischen Vorpostenschiffes merkwürdige Dinge, die sich auf seinem Orterschirm abspielten. Die Geräte registrierten impulsartige Energieausbrüche, die Höchstwerte von mehreren Millionen Megawattstunden erreichten. Aus der Höhe der Energiewerte und der statistischen Reihenfolge der Impulse war leicht abzulesen, dass dort draußen irgendwo ein Gefecht stattfand. Der Ortungsoffizier gab Alarm.
Von der Funkstation waren inzwischen drei kurze Hyperfunksprüche aufgenommen und abgelesen worden. Eine Kreuzerpatrouille des Solaren Imperiums forderte ein vorerst unidentifiziertes Raumschiff auf zu stoppen und beizudrehen. Der dritte Spruch enthielt die unverhüllte Drohung, die Patrouille werde das Feuer eröffnen, wollte man ihre Aufforderung nicht befolgen.
Soweit waren die Dinge klar. Sekunden nach dem letzten Funkspruch war das Feuer eröffnet worden. Lediglich eine Ungewissheit plagte den Kommandanten des plophosischen Vorpostenschiffes. Die ersten Energieimpulse waren schwach gewesen, der Höchstwert hatte unter einer Million Megawattstunden gelegen. Terranische Patrouillenkreuzer pflegten derart schwache Waffen nicht einzusetzen. In der Tat waren auch wenige Augenblicke später weitaus kräftigere Impulse registriert worden, die weitaus eher der Energieentfaltung entsprachen, die man von einem Kriegsschiff des Imperiums erwartete.
Das Problem hatte nur eine Lösung: Es waren nicht die Patrouillenkreuzer, sondern der Fremde, der das Feuer eröffnet hatte.
»Da brennt's einem unter den Nägeln!«, bemerkte daraufhin Erik Layette, Kommandant des Vorpostenschiffes und Mitglied der Blauen Garde von Plophos. »Wir geben Alarm zum Hauptquartier.«
Um 21:43 MALTZO-Bordzeit erfuhr das Hauptquartier der plophosischen Heimatflotte von den Vorgängen, die sich an den Grenzen des Systems abspielten, und alarmierte seinerseits alle jenseits der sechsten Planetenbahn stationierten Einheiten.
*
Zehn Minuten zuvor hatte der erste schwere Treffer den langgestreckten Leib der MALTZO-XXI erschüttert. Der kontinuierliche Beschuss aus den schweren Waffen der drei Kreuzer hatte das äußere Schirmfeld durchschlagen und zum Zusammenbruch gebracht. Um diese Zeit war das Schiff an den Kreuzern schon vorbeigerast und entfernte sich von ihnen, die im Vertrauen auf die ungeheure Reichweite ihrer Waffen nur gemächlich folgten, mit unglaublicher Geschwindigkeit.
Um 21:38 schleuderte der donnernde Krach eines konzentrierten Treffers Guri Tetrona mitsamt den Sicherheitsgurten aus seinem Sessel und schmetterte ihn vornüber gegen eine Schaltwand, an der Guri stöhnend und fluchend entlangrutschte, um sich erst drei Minuten später schwankend wieder zu erheben.
Die zentrale Energieversorgung war ausgefallen. Das Schiff lebte von der Reserveanlage. Der Antigrav vermochte nicht mehr, die Rucke der Treffer völlig zu neutralisieren. Jedes Mal, wenn die schweren Strahlgeschütze der Kreuzer die MALTZO-XXI packten, vollführte das Schiff einen wilden Tanz. Die Detektoren meldeten acht großflächige und mehr als zweihundert geringfügige Lecks in der Außenhülle. Die Zielgeräte waren ausgefallen, was den Feuerleitoffizier jedoch nicht daran hinderte, mit allem, was er noch hatte, wild in den Weltraum hinauszufeuern.
Um 21:47 waren fünf von den acht Offizieren im Kommandostand verletzt und bewusstlos. Guri, selbst noch benommen und mit einer riesigen Beule am Schädel, zog den Feuerleitoffizier ab und gab ihm den Auftrag, sich um die Lenkung des Schiffes zu kümmern. Von da an schwiegen die Geschütze der MALTZO-XXI.
Zehn Minuten später schließlich fiel auch von Seiten der Patrouillenkreuzer der letzte Schuss. Die MALTZO-XXI war nur noch ein Wrack, und der Patrouillenkommandant konnte sicher sein, dass, was an kriegswichtigen Gütern sich auch immer an Bord des Walzenschiffes befunden haben mochte, nicht in verwendungsfähigem Zustand in die Hände der Plophoser geraten würde. Das war, worauf er zu achten hatte. Weder ihm, noch der Regierung des Imperiums lag daran, auch die Besatzung des fremden Schiffes zu liquidieren.
In der Außenhülle der MALTZO-XXI wütete der Atombrand. Sobald der Beschuss endete, zog die Freiwache auf. Unter den vierundfünfzig Leuten befanden sich acht Ärzte. Mit der Sicherheit und Zielstrebigkeit, die langes Training vermittelt, gingen sie an die Arbeit. Die fünf Bewusstlosen waren rasch wiederhergestellt. Lediglich Curd Djanikadze, der Funker, hatte sich bei einem Sturz den linken Arm gebrochen und bedurfte der Ruhe.
Guri Tetrona war überall, wo das Gewühl am schlimmsten war. Wie der Gott der Rache selbst, mit funkelnden Augen, donnernder Stimme und wirbelnden Bartzöpfen trieb er seine Leute an, Männer wie Frauen. Im Laufe einer halben Stunde wurden die Triebwerksschäden soweit repariert, dass die MALTZO-XXI eine Notlandung auf einem Planeten mit nicht allzu hoher Gravitation wenigstens versuchen konnte. Die Ärzte legten die schweren Strahlschutzanzüge an und verließen den gepanzerten Kern des Schiffes, um draußen im Toben des Kernbrands ihre Arbeit fortzusetzen. Eine Viertelstunde später kehrten sie zurück. Unter den Schutzhelmen kamen ihre schwitzenden Gesichter zum Vorschein. Einer von ihnen drängte sich durch die Menge, die Guri umgab, zum Kommandanten durch und schrie ihn an: »Alles präpariert! Sie sehen so aus, als hätten sie zehn Tage in schwerstem Feuer gelegen!«
Guri grinste ihn an und nickte. Der Arzt drehte sich um und wankte beiseite. Niemand bemerkte, wie übel ihm war.
Der Ortungsoffizier, der als einziger seinen Posten nie verlassen hatte, beobachtete auf den zwei noch intakten Schirmen mit Sorgfalt die Schiffsbewegungen in der Umgebung der MALTZO-XXI. In weitem Umkreis um Eugaul bewegten sich insgesamt zweihundert Einheiten der plophosischen Heimatflotte, nach unerwünschten Eindringlingen Ausschau haltend. Um 22:00 durchbrach die MALTZO-XXI den Ring der Vorpostenboote. Der Hyperempfänger zeigte an, dass man das Schiff anzurufen versuchte. Der Impulstransformer war jedoch längst ausgefallen. Der Spruch war nicht zu entziffern. Die Plophoser unternahmen noch zwei weitere Versuche, dann gaben sie auf. Die Vorpostenboote verließen ihre Standorte und folgten der MALTZO-XXI langsam.
Guri Tetrona atmete auf. Die Frage, ob die plophosischen Vorposteneinheiten das schwer angeschlagene Schiff angreifen würden oder nicht, war eine der schwerwiegendsten Unsicherheiten in seinem Plan gewesen.
Eine zweite Kette plophosischer Schiffe wurde ungehindert durchstoßen. Außerhalb des gepanzerten Schiffskerns hatte die vom schleichenden Kernbrand der äußeren Schiffshülle ausgehende Strahlung mittlerweile zehntausend Röntgen pro Stunde überschritten. Jedem, der sich ohne Strahlschutz durch eines der gepanzerten Schotts hinauswagte, war binnen weniger Minuten der Tod gewiss.
Um Viertel nach zweiundzwanzig Uhr begannen die Triebwerke ein letztes Mal zu arbeiten. Stotternd und ruckend bremsten sie die gewaltige Fahrt des Schiffes. Sicos, der sechste Planet des Eugaul-Systems, war noch zwei Astronomische Einheiten entfernt. Die Frage, ob die Triebwerke noch imstande sein würden, auf einer vergleichsweise so kurzen Strecke die MALTZO-XXI bis auf Landegeschwindigkeit abzubremsen, war eine weitere Ungewissheit in Guris Planung.
Minutenlang kehrte Ruhe im Innern des Schiffes ein. Gespannt verfolgten zweiundsechzig Leute, auf engstem Raum zusammengedrängt, die Ablesungen des Astrogationsoffiziers. Gemurmel brandete auf, wenn aus den Daten hervorging, dass die Geschwindigkeit gesunken war. Betretenes Schweigen umfing den kleinen Kommandoraum, wenn die Triebwerke den Dienst versagten.
In fünfzigtausend Kilometern Abstand von Sicos betrug die Fahrt des Schiffes immer noch mehr als einhundert Kilometer pro Sekunde. Guri Tetrona, der die Zeit damit zugebracht hatte, seinen Leuten Mut zuzusprechen, gestand sich ein, dass die Lage kritisch war.
»Macht Platz!«, schrie er. »Alle, die hier nicht gebraucht werden, in die Quartiere!«