Nr. 389
Mond der Rebellen
Sie suchen Kontakt mit den Baramos – Die Nova ist der Treffpunkt
von HANS KNEIFEL
Auf den Welten des Solaren Imperiums schreibt man Ende Mai des Jahres 2437. Gegenwärtig herrscht, von vereinzelten Dolan-Angriffen abgesehen, Friede in der Galaxis. Nur ein Krisenherd beschäftigt Perry Rhodan und die Führungskräfte des Solaren Imperiums: Die Kleine Magellansche Wolke – kurz KMW genannt.
Mehr als ein Raumschiff der Terraner, das in die KMW eindrang, ist bereits verlorengegangen. Auch die FRANCIS DRAKE, Roi Dantons Flaggschiff, wurde zum Wrack, als sie der Spur der verschollenen Schiffe folgte. Trotz größter Vorsicht gelang es den Freihändlern nicht, der Falle zu entrinnen, die die Unbekannten ihnen gestellt hatten.
Durch Kuroharas Botschaft über das Schicksal seines Sohnes Roi informiert, erscheint Perry Rhodan mit der CREST V, dem neuen Solaren Flaggschiff, gerade noch rechtzeitig über der Gefängniswelt, um die letzten Überlebenden der FRANCIS DRAKE zu retten.
Als Perry Rhodan von den schrecklichen Erlebnissen der Männer erfährt, ist er nicht länger gewillt, in der Passivität zu verharren und darauf zu warten, was die unheimlichen Beherrscher der KMW weiter gegen die Menschheit unternehmen werden. Der Großadministrator ergreift die Initiative.
Starke Flottenverbände, mit den neuen Kontrafeldstrahlern ausgerüstet, beziehen ihre Positionen vor der benachbarten Kleingalaxis, schnelle Kreuzer fliegen Aufklärung, und Funkbrücken zur Heimatgalaxis werden errichtet.
Nur ein kühner Vorstoß ins Zentrum der KMW und Kontakt mit den Gegnern der mysteriösen Ersten Schwingungsmacht können neue Erkenntnisse bringen. Die CREST folgt weiter der »Spur zwischen den Sternen« und erreicht den MOND DER REBELLEN ...
Die Hauptpersonen des Romans
Perry Rhodan – Gründer und Großadministrator des Solaren Imperiums der Menschheit.
Bangk Thorens – Perry Rhodans geheimer Leibwächter.
Allan D. Mercant – Der Chef der Solaren Abwehr besucht die KMW.
Atlan – Der Lordadmiral verliert eine Wette.
MAX-1 und MAX-7 – Zwei Raumfahrer aus dem Volk der Baramos.
Paladin, Melbar Kasom, Tako Kakuta und Gucky – Der Roboter, der Ertruser und die Mutanten spezialisieren sich auf Schwergewichte.
Merlin Akran – Kommandant der CREST V.
1.
Ich heiße Bangk Thorens.
Ich bin vermutlich der einzige Mann an Bord dieses Schiffes, der erstens seit dem Tage der Indienststellung zwischen den stählernen Wänden der CREST V lebte und der zweitens ein kleines Geheimnis mit sich herumtrug. Ich bin – hoffentlich unerkannt und unbemerkt – der Mann, der die Person des Großadministrators schützen soll. Nicht einmal Perry Rhodan weiß das. Ich bin knapp vierunddreißig Jahre alt, einhundertneunzig Zentimeter groß und dreifacher Sieger im Zielschießen mit Handwaffen aller Systeme.
Ich bin ein Mann der Solaren Abwehr – aber dies wissen nur wenige. Niemand an Bord der CREST V weiß es, außer mir natürlich. Ich werde versuchen, das Leben Perry Rhodans zu schützen, wann immer ich gebraucht werde. Meine Reflexe sind entsprechend schnell, meine sonstigen Kenntnisse und Erfahrungen habe ich mir in Einsätzen geholt, die ich nicht beschreiben will, an die ich nicht mehr denken will. Ich habe hier freien Zutritt zu sämtlichen Räumen, denn ich gehöre zum technischen Team, das für die CREST V verantwortlich ist.
Ich stehe im Augenblick hinter einer dicken Scheibe aus transparentem Panzerplast.
Diese durchsichtige Fläche gewährt mir den Blick in eine hell ausgeleuchtete, leere Schleusenkammer, groß genug, um mehrere Space-Jets aufnehmen zu können. Die Kommandanten der CREST V warten auf meinen Chef, Allan D. Mercant.
Ich trage die enganliegende, dennoch sehr bequeme Borduniform.
Ich bin schlank und sehnig, verfüge über ein gutes Maß an Körperbeherrschung und einen ziemlich starken Willen. Mein eigentlicher Beruf ist der des Fachmanns für auswechselbare positronische Kleinsysteme. Fast in jedem Raum dieses Schiffes gibt es diese Bausteine in genügend großer Menge, so dass ich ungehindert auch jeden Raum betreten kann.
Ich hoffe, dies nicht ständig tun zu müssen – es würde auffallen.
Perry Rhodan hat sich bereits an mich gewöhnt und scheint mich aus irgendeinem Grund zu schätzen. Vielleicht gefallen ihm meine braunen Augen ... oder die langen Haare, die auch unterhalb der Schläfen die Ohren fast verdecken. In einer Spezialtasche am Oberschenkel trage ich einen Satz von Spezialwerkzeugen, die zusammengesetzt einen schweren Strahler ergeben. Niemand wird daraufkommen, dass diese positronischen Werkzeuge nichts anderes als Tarnung sind. Ich kann binnen fünf Sekunden diese Waffe zusammensetzen. Ich stehe jetzt in der Schleusenkammer und warte auf die Space-Jet des Experimentalkreuzers ARIMAN.
In dieser Jet wird mein Chef dieses Schiff, die CREST V, betreten.
Ich warte ...
*
Die Lage war etwas ungewöhnlich.
Eigentlich hatte Perry Rhodan, ehe er sich mit dem Schiff zurückzog, mit einem großen Flottenaufgebot des Gegners gerechnet. Es erschienen aber nur ein einziges Mal dreitausend Dolans, die offensichtlich die Kampfstärke der terranischen Verbände testen wollten – anders konnte man sich diesen Versuch, diesen Angriff, nicht erklären. Abgesehen von einigen konusförmigen Raumschiffen, die hin und wieder gesichtet worden waren, erfolgte nicht ein einziger weiterer Angriff.
Das ergab ein Problem für Perry Rhodan.
Es war strategisch wichtig, zu welchem Zeitpunkt, an welcher Stelle und in welcher Art der Gegner reagieren würde. Niemand hatte die Kriegserklärung der Terraner beantwortet. Sie schien ungehört verhallt zu sein ... man wusste es nicht.
Perry Rhodan dachte lange nach und begann zu handeln. Diese Handlungsfreiheit war stark eingeschränkt, denn alles, was er vorläufig tun konnte, war, sich aus dem Zentrumsgebiet der Kleinen Magellanschen Wolke zurückzuziehen.
Verglichen mit den Entfernungen und Größenverhältnissen des Weltalls war jeder andere Punkt von mikroskopischer Winzigkeit. Sogar ein Raumschiff von der Größe des Flaggschiffs. Der kugelförmige Schiffsgigant stand über dem in den Karten als Nordpol bezeichneten Punkt der kleinen Galaxis, weit draußen im sternenlosen Raum.
Antriebslos, ohne die gewaltigen Energieemissionen der Düsensätze, war die CREST bestenfalls ein undeutliches Echo auf den besten und schärfsten Fernortungsschirmen. Die Unbeweglichkeit des Schiffes täuschte. Es war erfüllt vom Leben mehrerer Tausend Menschen.
Sie warteten.
Minuten später zeichnete sich auf den Ortungsschirmen des Flaggschiffs ein Punkt ab, der schnell größer wurde und dann rapide an Fahrt verlor. Die Vergrößerungen zeigten an, dass es ein terranisches Schiff war. Dann kam die schnelle Identifikation.
»Hier Experimentalkreuzer ARIMAN.«
»Tadelloses Manöver hat der Junge geflogen«, sagte der Mann in der Ortungszentrale.
»Schließlich hat Mercant keine Blinden an der Steuerung«, erwiderte der Mann am Nebenschirm. »Die Burschen von der Solaren Abwehr wissen, was sie zu tun haben. Schließlich wird der Anflug von ein paar hundert Leuten entsprechend kommentiert werden.«
Das andere Schiff blieb 100 Kilometer neben oder über der CREST stehen, verringerte den kinetischen Impuls bis auf den Nullwert, dann stand auch die Funkverbindung. Die Zentrale legte das Bild und den dazugehörigen Ton hinunter auf einen Spezialschirm vor dem Sessel des Großadministrators. Das Bild baute sich auf, und Rhodan und Allan D. Mercant blickten sich an.
»Sie sind verdammt pünktlich«, sagte Rhodan und grüßte nachlässig. »Kommen Sie zu mir ins Schiff?«
Mercant nickte.
»Eine Jet wird eben bemannt. Lassen Sie bitte eine Schleuse öffnen. Ich habe interessante Nachrichten.«
Rhodan lächelte knapp und nickte.
»Ich habe ebenfalls Informationen, die Sie – und darüber hinaus eine Menge anderer Leute – interessieren dürften. Alles andere mündlich. Bis gleich.«
Bei Männern, die sich Jahrhunderte lang kannten, konnte getrost auf übertriebene Förmlichkeiten verzichtet werden.
Die Beobachter sahen, wie sich in der glatten, silbernen Wandung der ARIMAN eine rechteckige Schleuse öffnete, daraus schoss der Diskus. Gleichzeitig gab die wachhabende Besatzung der Schleuse entsprechende Meldungen. Die Schleusentore glitten auf, und das strahlend helle Lichtrechteck war ein deutlicher Wegweiser. Der Pilot der Jet fegte durch das All, bremste mit Höchstwerten ab und bugsierte den Diskus vorsichtig und mit geringer Geschwindigkeit in den Hangar. Magnetblöcke fingen den Flugkörper auf und verankerten die Landestützen. Dann schloss sich der Hangar wieder. Luft wurde hineingepumpt.
Thorens verließ den Kontrollraum und blieb vor der Personenschleuse stehen. Allan D. verriet nicht einmal durch ein Zucken eines Muskels, dass er seinen Mann erkannt hatte. Hinter Mercant standen drei Männer, die Thorens flüchtig kannte.
»Ich darf Sie zum Großadministrator bringen, Sir?«
Thorens nahm Haltung an. Obwohl seine Organisation auf derartige Autoritätsbeweise getrost verzichten konnte, musste er sich der vorwiegend militärischen Atmosphäre dieses Schiffes angleichen.
»Ich bitte darum«, sagte Mercant.
Die Männer, die mit ihm kamen, hatten schwarze, viereckige Koffer bei sich. Die Koffer waren mit dünnen Ketten aus Terkonitstahlgliedern an den Handgelenken befestigt und schienen schwer zu sein.
Thorens kannte dieses Schiff wie kaum ein anderer.
Er benützte die kürzesten Verbindungen, die aus laufenden Bändern und Antigravschächten bestanden. Die Mitglieder der vielköpfigen Schiffsbesatzung, die den fünf Männern begegneten, wussten, wer Mercant war, und gleichzeitig erkannten sie, dass im Abenteuer des Fluges eine entscheidende Änderung bevorstand. Sie konnten natürlich nicht ahnen, was diese drei schweren Kurierkoffer enthielten. Die fünf Männer erregten, da Ort und Zeitraum des Zusammentreffens der beiden Schiffe ungewöhnlich waren, die entsprechende Aufmerksamkeit. Aus der Aufmerksamkeit wurde ein Gerücht, aus ihm eine Spannung, die immer größere Kreise zog und schließlich, irgendwann, das gesamte Schiff erfüllte.
»Hier sind wir, Sir«, sagte Thorens halblaut und ließ das Schott weiter aufgleiten. Perry Rhodan und Atlan standen bereits da und begrüßten Mercant und seine Männer.
»Bleiben wir hier?«, fragte Atlan verbindlich.
»Da es an anderen Stellen des Schiffes nicht viel bequemer ist, und da wir keine Geheimnisse haben, können wir hierbleiben. In der Kommandozentrale.«
Mercant blieb neben seinem Sessel stehen.
»Zuerst – wir hatten einen schnellen und guten Flug. Hier in diesen drei geschützten Behältern befinden sich die letzten Auswertungsergebnisse. Ich werde Ihnen kurz schildern, was sich in der Zwischenzeit ergeben hat; die Bänder, Lochstreifen und Dokumente können Sie ja später sichten und kontrollieren.«
Atlan nickte Mercant zu.
»Ausgezeichnet. Nehmen Sie bitte die Dinger ab?«
Atlan winkte einigen Offizieren. Bangk Thorens und zwei andere Männer ließen sich die Dokumente aushändigen.
»Wir können Ihnen zwei Männer mitgeben, die für uns keine Neuigkeiten mehr bieten können. Sie haben sich einen Urlaub mehr als verdient«, sagte Rhodan. »Bringen Sie Captain McNab und Sergeant Mashyane bitte nach unten, zur Jet der ARIMAN?«
Eine der Ordonnanzen salutierte und verließ mit schnellen Schritten den Raum. Die Bewegung breitete sich aus, nach einem Zeitraum der Ruhe und Ereignislosigkeit wirkte Mercants Kommen als Zündpunkt. So wertete es jedenfalls die Mannschaft.
»Was ist mit diesen beiden Männern?«, fragte Mercant.
Rhodan schilderte es dem Abwehrchef in einigen Sätzen. Wie und wo und unter welchen Umständen er diese beiden Männer aufgefunden hatte und welche Daten sie ihm übergeben hatten.
Mercant setzte sich endlich, warf einen langen, Blick auf die Schirme, die fast nur leeres Weltall und wenige Sterne zeigten, und sagte: »Ausgezeichnet, Sir! Diese beiden Männer scheinen interessant zu sein. Ich werde sie mit der ARIMAN nach Terrania City bringen und dort – oder schon unterwegs – ihre Aussagen aufnehmen und in die zentrale Planung mit einbeziehen.«
Er drehte sich nach seinen drei schweigenden Kurieren um.
»Nehmen Sie bitte die beiden Männer an Bord, bereiten Sie ihnen einen netten Empfang und bitten Sie, sich an alles zu erinnern. Wir bleiben nicht lange.«
»Selbstverständlich, Sir.«
Die Unterlagen waren inzwischen in den Raum der Bordpositronik gebracht worden, und Thorens kam zurück. Er lehnte sich vorsichtig gegen eine Wand, die hinter Stahlblenden voller positronischer Bauelemente war und ließ seinen Blick durch den gesamten Raum gehen. In einem Bezirk des runden Raumes, in einer kleinen Insel aus Licht, saßen um einen Tisch die drei Verantwortlichen.
Atlan, der Arkonide.
Perry Rhodan, Großadministrator und Allan D. Mercant, Chef der Solaren Abwehr.
Sie lehnten in hohen Sesseln, und der runde Tisch war an jedem Platz ausgeschnitten und trug die Knöpfe und Hebel der Servomechanismen und der Schaltungsmöglichkeiten.
»Kommen wir zum Kern der Sache«, forderte Atlan auf. »Möchten Sie etwas trinken?«
Mercant schüttelte dankend den Kopf und lächelte. Stets dann, wenn er lächelte, sah er wie ein schüchterner alternder Mann aus, mit einem spärlichen Kranz von Haaren. Er wie viele andere Persönlichkeiten lehnten es ab, durch kosmetische Operationen ihr Aussehen zu verbessern. Sie waren gut genug, um auch noch mit Glatze wirken und arbeiten zu können.
»Danke. Ich habe verstanden, was Sie meinten, Lordadmiral!«
»Mehrere Programme laufen gleichzeitig«, sagte Mercant. »Besonders die Forschungen auf Halut werden mit der gebotenen Eile vorangetrieben. Unter Waxo Khanas Leitung werden sämtliche Archive durchgesehen, außerdem hat NATHAN ja die Unterlagen, die Sie und Bontainer von Halut mitbrachten. Wo steckt eigentlich dieser Oberstleutnant mit seinem sarkastischen Ersten Offizier?«
Rhodan zog die Schultern hoch und breitete die Hände aus, als wolle er sich entschuldigen.
»Ich weiß es nicht, wirklich. Schließlich kann ich mir nicht die Besatzung eines jeden Schiffes merken. Ich kann nur noch hinzufügen, dass die beiden Männer an Bord Ihrer Jet die einzigen Überlebenden eines Explorerschiffes sind, der EX-3493. Bitte veranlassen Sie die nötigen Eintragungen.«
»Wird gemacht. Thema Halut: Man beschäftigt sich dort also intensiv mit der Vergangenheit – nicht nur mit dem Abschnitt, der mit der Erde als Planeten zusammenhängt – und erhofft sich weitere Anhaltspunkte. Wir können nichts anderes tun als warten. Ich bin jedoch ziemlich sicher, dass Waxo Khana einiges von Interesse finden wird.«
»Gut. Was sagt NATHAN?«
Lordadmiral Atlan hatte sich interessiert vorgebeugt und beide Unterarme auf den Tisch gelegt. Seine Finger waren ruhig ineinander verschränkt. Er sah Mercant ins Gesicht.
»NATHAN sagt nicht viel. Noch nicht. Er spricht von einer ›langfristigen Invasionsoffensive‹.«
Atlan schüttelte den Kopf und runzelte missbilligend die Stirn.
»Diese Barbaren«, sagte er leise, aber mit unüberhörbarem Spott. Mercant ließ sich nicht beirren und behielt sein halbes Lächeln bei. »Barbaren! Kaum können sie eine Rechenmaschine von dieser Größe bedienen, freuen sie sich schon wie Kinder über jedes Fremdwort, das sie zu diesem Thema erfinden dürfen.«
Ruhig erwiderte der Abwehrchef: »Soll ich Ihnen diesen Spezialausdruck genau interpretieren, Lordadmiral? Er bedeutet ...«
»Halt!«, sagte Rhodan. »Ich nehme an, dass Atlan mehr Fremdwörter kennt als ich. Lassen wir die Streitereien. Was sagt NATHAN noch?«
»Wie gesagt: Die ausgeschriebenen Ergebnisse finden Sie auf den Bändern. Das Rechengehirn auf dem irdischen Mond kommt zu folgenden Schlüssen, beziehungsweise Teillösungen:
Die unbekannten Machthaber der Kleinen Magellanschen Wolke haben es bisher verstanden – nach allen Unterlagen, die ausgewertet worden sind –, alle Rassen, die sich in dieser Minigalaxis seit Jahrtausenden oder seit noch wesentlich längerer Zeit angesiedelt haben und jene Rassen, die dort ihre eigentliche Heimat hatten und vielleicht noch haben, durch die Übernahme der wichtigen Persönlichkeiten der jeweiligen Völker oder Gruppen auszuschalten und kaltzustellen. Sie haben sich einen uneingeschränkten Herrschaftsbereich geschaffen.
Zweitens scheinen unsere unbekannten Freunde keinen Wert darauf zu legen, mit großen Flottenverbänden aufzutauchen. Die Fremden scheuen den offenen Kampf, und, damit verbunden, die notwendige Entscheidung. Entweder fürchten sie sich ganz einfach, oder sie haben eine Taktik, deren Grundzüge noch nicht ganz erkannt werden können. Jedenfalls, und das ist das Wichtige, scheuen sie eine Entscheidung.
Die Situation ist auch für diesen streng logisch urteilenden Mammutapparat NATHAN völlig undurchsichtig.
NATHAN sagt:
Der Gegner hat sich darauf verlassen, dass die Tätigkeit der Dolan-Streitkräfte ausreicht, um uns zu zermürben und genügend lange zu beschäftigen. Unsere Flotten werden dadurch auseinandergerissen, die einzelnen Teile an bestimmten Punkten gebunden. NATHAN vermutet allerdings, dass sich die militärische Stärke unserer Feinde damit praktisch erschöpft hat. Vermutlich haben sie andere Möglichkeiten, uns zu bekämpfen. Das dürften schon die Erlebnisse von Roi Danton gezeigt haben. Das war es. Die einzelnen Ziffern und die Höhe der jeweiligen Wahrscheinlichkeiten finden Sie auf den Bändern, meine Herren.«
Mercant lehnte sich zurück, schloss die Augen sekundenlang und faltete die Hände vor der Brust. Jetzt sah er aus wie ein alternder Mann, der fürchterlich müde ist und darauf wartet, von seinen lärmenden Enkeln gestört zu werden. Wer Mercant kannte, wusste, dass dies das Paradebeispiel einer Fehleinschätzung war.
»Nein.«
Rhodan stand unruhig auf, ging einige Male hinter dem Sessel hin und her, dann setzte er sich auf die Tischkante. Er streckte den linken Arm aus, mit dem rechten stützte er sich ab. Er deutete auf Mercant, dann auf Atlan.
»Die Berechnungen klingen absolut logisch«, sagte er. In seine Stimme war eine gewisse Schärfe gekommen, die Atlan und Mercant genau kannten.
»Wir werden von NATHAN kaum lyrische Gedichte oder Geistergeschichten zu hören bekommen«, erwiderte Atlan. »Diese Maschine ist integer.«
»Das meine ich nicht«, erwiderte der Großadministrator. »Diese Berechnungen klingen logisch, aber das bedeutet noch lange nicht, dass sie es auch sind. Meinem Gefühl nach erscheinen sie ein wenig unglaubwürdig.«
»Sir«, sagte Mercant, »das können Sie nicht ernst meinen!«
Rhodan lächelte sein berühmtes kurzes Lächeln, das alles oder nichts bedeuten konnte. Meistens bedeutete es Ärger. Ärger oder Abenteuer ... Kämpfe.