JRRT

J.R.R. TOLKIEN

Der
HOBBIT

oder Hin und zurück

Aus dem Englischen übersetzt
von Wolfgang Krege

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Impressum

Wolfgang Kreges Übersetzung der Lieder wurde von
Joachim Kalka durchgesehen und behutsam ergänzt.

Besuchen Sie uns im Internet: www.klett-cotta.de/hobbitpresse

Hobbit Presse

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel
»The Hobbit«

im Verlag George Allen & Unwin, London

© The J.R.R. Tolkien Estate Limited, 1937, 1965

Stempel und Tolkien® sind eingetragene Markenzeichen der

The J.R.R. Tolkien Estate Limited

Für die deutsche Ausgabe

© 1998 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung

Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart

Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten

Cover: HildenDesign, München, www.hildendesign.de

Unter Verwendung einer Illustration Max Meinzold/HildenDesign

Datenkonvertierung: Koch, Neff & Volckmar GmbH, KN digital – die digitale Verlagsauslieferung Stuttgart

Das E-Book basiert auf der 17. Auflage 2012 des Buches

mit der ISBN 978-3-608-93818-0

E-Book: ISBN 978-3-608-10138-6

001

Dies ist eine Geschichte aus alter Zeit. Die Sprachen und Schriftzeichen waren damals andere als unsere heutigen.* Die Runen schnitt oder ritzte man ursprünglich in Holz, Stein oder Metall; darum waren sie dünn und eckig. Zur Zeit dieser Erzählung wurden sie nur von den Zwergen benutzt, besonders in persönlichen oder geheimen Aufzeichnungen. Ihre Runen werden in diesem Buch durch altenglische Runen** wiedergegeben, die heute nur noch wenige Leute kennen. Anhand der Runen auf Thrors Karte und ihrer Transkription in modernes Englisch lässt sich das Alphabet bestimmen, so dass auch der Titel dieser Ausgabe entziffert werden kann. Alle gebräuchlichen Runen finden sich auf der Karte, ausgenommen Rune für X, I und U werden für J und V gebraucht. Eine Rune für Q gab es nicht (dafür kann man CW oder KW verwenden), auch nicht für Z (dafür gab es, wo erforderlich, die Zwergenrune Rune). Man wird ferner sehen, dass manchmal eine einzige Rune zwei moderne Buchstaben vertritt: th, ng, ee; auch andere Runen wurden manchmal in dieser Weise gebraucht (Rune ea und Rune st). Die geheime Tür war mit D(oor) Rune bezeichnet. Unter der Hand, die von der Seite auf sie hindeutete, stand geschrieben:

007

(»Five feet high the door and three may walk abreast«, vgl. S. 38: Türhöhe fünf Fuß, und drei können nebeneinander gehen.)

Die beiden letzten Runen sind Thrors und Thrains Initialen.

Die Mondrunen, die Elrond las, waren:

008

(»Stand by the grey stone when the thrush knocks and the setting sun with the last light of Durin’s Day will shine upon the key-hole«, vgl. S. 79: Stellt euch an den grauen Stein, wenn die Drossel schlägt und der letzte Sonnenstrahl am Durinstag auf das Schlüsselloch fällt.)

Die Himmelsrichtungen sind auf der Karte mit Runen bezeichnet, mit Ost zuoberst, wie auf Zwergenkarten üblich. Im Uhrzeigersinn: E(ast, Ost), S(üd), W(est), N(ord).

* In der Originalausgabe wurden diese Sprachen durch das Englische ausgedrückt, das hier ins Deutsche übersetzt wurde. Doch es muss darauf hingewiesen werden: Ork ist weder ein englisches noch ein deutsches Wort, sondern ein Ausdruck, den die Hobbits damals diesen Kreaturen gaben. Er ist keinesfalls mit dem Wort orca verwandt, das Walarten bezeichnet.

** Diese Runen stimmen nicht überein mit der im Herrn der Ringe (Anhang E) dargestellten Angerthas-Schrift oder den »Zwergenrunen«: Die Zeichen sind zwar zum großen Teil dieselben, doch sind sie anderen Lauten zugeordnet. [Anm. d. Übers.]

INHALT

Trenner

KAPITEL I
Ein unerwartetes Fest

KAPITEL II
Hammelbraten

KAPITEL III
Eine kurze Rast

KAPITEL IV
Drüber hin und unten durch

KAPITEL V
Rätsel im Dunkeln

KAPITEL VI
Aus der Pfanne ins Feuer

KAPITEL VII
Ein seltsames Quartier

KAPITEL VIII
Fliegen und Spinnen

KAPITEL IX
Fässer unverzollt

KAPITEL X
Ein begeisterter Empfang

KAPITEL XI
Auf der Türschwelle

KAPITEL XII
Aus gut unterrichteter Quelle

KAPITEL XIII
Nicht daheim

KAPITEL XIV
Feuer und Wasser

KAPITEL XV
Die Wolken sammeln sich

KAPITEL XVI
Ein Dieb in der Nacht

KAPITEL XVII
Die Wolken bersten

KAPITEL XVIII
Der Rückweg

KAPITEL XIX
Die letzte Etappe

KARTEN

KAPITEL I

Trenner

EIN UNERWARTETES FEST

In einem Loch im Boden, da lebte ein Hobbit. Nicht in einem feuchten, schmutzigen Loch, wo es nach Moder riecht und Wurmzipfel von den Wänden herabhängen, und auch nicht in einer trockenen, kahlen Sandgrube ohne Tische und Stühle, an die man sich zum Essen setzen kann: Nein, das Loch war eine Hobbithöhle, und das heißt, es war sehr komfortabel.

Die Tür war kreisrund wie ein Bullauge, grün gestrichen, mit einem blanken gelben Messingknopf genau in der Mitte. Sie führte in eine röhrenförmige Diele, eine Art Tunnel, aber einen sehr komfortablen, luftigen Tunnel mit holzgetäfelten Wänden, gekacheltem und mit Teppichen belegtem Fußboden, lackierten Stühlen und einer Unmenge Haken an der Wand für Hüte und Mäntel – der Hobbit hatte gern Besuch. Die Diele zog sich in Windungen ein ganzes Stück weit hin, aber nicht tief in den Bühl hinein – so wurde die kleine Anhöhe von den Nachbarn auf etliche Meilen im Umkreis genannt –, und viele kleine runde Türen gingen darauf hinaus, abwechselnd zu beiden Seiten. Treppen brauchte der Hobbit nicht zu steigen: Schlafzimmer, Bad, Keller, Speisekammern (deren er mehrere hatte), Garderoben (ganze Kammern voller Kleider), die Küche und die Speisezimmer, alles lag auf gleicher Höhe und grenzte an diesen Gang. Die besten Zimmer waren auf der linken Seite (wenn man hereinkam), denn nur hier gab es Fenster, tief über dem Boden angesetzte runde Fenster, aus denen der Hobbit auf seinen Garten und die zum Fluss abfallenden Wiesen dahinter hinaussah.

Dieser Hobbit war ein sehr wohlhabender Hobbit, und er hieß Beutlin. Die Beutlins wohnten schon seit unvordenklichen Zeiten in der Gegend um den Bühl und galten als sehr achtbare Leute, nicht nur, weil die meisten von ihnen reich waren, sondern auch, weil sie sich nie auf irgendwelche Abenteuer einließen oder etwas Unerwartetes taten: Was ein Beutlin auf irgendeine Frage sagen würde, wusste man immer schon, ohne die Frage erst stellen zu müssen. Unsere Geschichte nun handelt von einem Beutlin, der dennoch in ein Abenteuer hineingeriet und der sich dabei ertappen musste, wie er Dinge sagte und tat, die ihm niemand zugetraut hätte. Die Achtung seiner Nachbarn mag er dabei verloren haben, aber er gewann – na, ihr werdet ja sehen, ob er am Ende auch etwas gewann.

Die Mutter des Hobbits, von dem wir reden – aber was ist ein Hobbit? Ich glaube, ein paar Angaben sind nötig, denn die Hobbits sind heutzutage selten und gehen dem Großen Volk, wie sie uns nennen, scheu aus dem Weg. Sie sind (oder waren) kleine Leutchen, etwa halb so groß wie wir, kleiner noch als die langbärtigen Zwerge. Hobbits haben keine Bärte. Mit Zauberei haben sie wenig oder nichts zu tun, abgesehen von dem bisschen Alltagsmagie, das ihnen erlaubt, schnell und geräuschlos zu verschwinden, wenn große, täppische Leute wie du und ich dahergestapft kommen, mit einem Lärm wie eine Elefantenherde, den die Hobbits meilenweit hören. Sie werden oft ein wenig rund um die Leibesmitte und kleiden sich in helle Farben (vor allem Grün und Gelb). Schuhe tragen sie nicht, weil ihnen an den Füßen natürliche Ledersohlen und ein dichter brauner Pelz wachsen, ähnlich wie das Kraushaar auf ihren Köpfen. Sie haben lange und geschickte braune Finger, gutmütige Gesichter und ein tiefes, saftiges Lachen (besonders nach dem Mittagessen, das sie am liebsten zweimal täglich einnehmen). Damit wisst ihr über Hobbits fürs Erste genug. Wie schon gesagt, die Mutter dieses Hobbits – Bilbo Beutlins nämlich – war die fabelhafte Belladonna Tuk, eine der drei vortrefflichen Töchter des Alten Tuk. Der Alte Tuk war das Familienoberhaupt der Hobbits, die irgendwo jenseits der Wässer wohnten, des Flüsschens, das am Fuße des Bühls vorüberfloss. In den anderen Hobbitfamilien wurde gemunkelt, vor langer Zeit müsse ein Tuk einmal eine Elbin geheiratet haben. Das war natürlich Unsinn, aber immerhin war an dieser Sippe noch etwas nicht ganz Hobbitmäßiges, und dann und wann kam es vor, dass ein Tuk fortging und in Abenteuer verwickelt wurde. Meistens verschwand er dann unauffällig, und die Familie vertuschte die Angelegenheit; aber Tatsache blieb, dass die Tuks, obwohl zweifellos reicher als die Beutlins, doch keine ganz so ehrbaren Leute waren.

Nicht dass Belladonna Tuk je wieder ein Abenteuer erlebt hätte, nachdem sie einmal Bungo Beutlins Frau geworden war. Bungo, das war Bilbos Vater, baute für sie (und zum Teil mit ihrem Geld) die luxuriöseste Hobbithöhle, die es auf oder unter dem Bühl oder jenseits der Wässer zu sehen gab, und dort wohnten sie bis ans Ende ihrer Tage. Trotzdem ist es wahrscheinlich, dass Bilbo, ihr einziges Kind und in Aussehen und Benehmen ganz der behäbige Vater, etwas von einem Tuk mitbekommen hatte, eine absonderliche Ader, die bei passender Gelegenheit hervortreten konnte. Die Gelegenheit kam nie, bis Bilbo Beutlin erwachsen, das heißt, etwa fünfzig Jahre alt war, und noch immer wohnte er in der schönen Hobbithöhle, die sein Vater gebaut hatte und in der er nun so gut wie festgewachsen zu sein schien.

Es war ein merkwürdiger Zufall. Eines Morgens in der Frühe der Zeiten, als es noch mehr Grün und weniger Lärm auf der Welt gab, als die Hobbits noch zahlreich waren und es ihnen gutging, stand Bilbo Beutlin nach dem Frühstück vor seiner Tür und rauchte eine gewaltige lange Holzpfeife, die fast bis zu seinen pelzigen (und sauber gebürsteten) Zehen herabreichte, als Gandalf daherkam. Gandalf! Wenn ihr nur den vierten Teil von all dem gehört hättet, was ich über ihn gehört habe – und ich weiß selbst nur wenig von dem, was es da zu wissen gibt –, dann würdet ihr euch auf eine erstaunliche Geschichte gefasst machen. Abenteuer und Gerüchte außergewöhnlichster Art schienen ihm auf dem Fuße zu folgen, wohin er auch ging. Unter dem Bühl war er seit ewigen Zeiten nicht mehr vorbeigekommen, seit sein Freund, der Alte Tuk, gestorben war, und die Hobbits hatten fast vergessen, wie er aussah. Das letzte Mal war er da gewesen, als sie alle noch kleine Hobbitjungen und Hobbitmädchen waren, und seither hatte er anderswo zu tun gehabt, irgendwo in den Gegenden hinter dem Bühl und jenseits der Wässer.

Alles, was der ahnungslose Bilbo an diesem Morgen sehen konnte, war ein alter Mann mit einem Stab. Er trug einen spitzen blauen Hut, einen langen grauen Mantel, ein silberweißes Halstuch, über dem ein weißer Bart bis zum Gürtel herabhing, und große schwarze Stiefel.

»Einen schönen guten Morgen!«, sagte Bilbo, und genau so meinte er es auch. Die Sonne schien, und das Gras war grün. Aber Gandalf sah ihn, unter seinen buschigen Brauen, die weiter hervorstachen als die Krempe seines Hutes, scharf an.

»Wie meinen Sie das?«, sagte er. »Wünschen Sie mir einen guten Morgen, oder meinen Sie, dass es ein schöner Morgen ist, egal was wir wünschen, oder dass Sie an diesem Morgen alles schön und gut finden, oder dass man an diesem Morgen gut oder schön sein muss?«

»Alles zugleich«, sagte Bilbo. »Und außerdem genau die richtige Zeit, um vor der Tür eine Pfeife zu rauchen. Wenn Sie eine Pfeife dabeihaben, setzen Sie sich doch her und stopfen Sie sich eine mit meinem Tabak! Wir haben keine Eile, der ganze Tag liegt noch vor uns!« Dann setzte Bilbo sich auf die Bank vor seiner Tür, schlug die Beine übereinander und blies einen schönen grauen Rauchring, der in die Luft aufstieg, ohne zu zerreißen, und über den Bühl davonschwebte.

»Sehr nett!«, sagte Gandalf. »Aber heute Morgen habe ich keine Zeit, Rauchringe zu blasen. Ich stecke in den Vorbereitungen für ein Abenteuer und suche jemanden, der noch mitmacht. Es ist sehr schwer, jemanden zu finden.«

»Kann ich mir denken – hier in der Gegend. Wir sind alles einfache, ruhige Leute und haben für Abenteuer nichts übrig. Dabei hat man nur Ärger und Scherereien! Man kommt nicht mal mehr rechtzeitig zum Essen! Ich versteh nicht, was man daran finden kann«, sagte unser guter Bilbo Beutlin, klemmte einen Daumen hinter seinen Hosenträger und blies einen noch größeren Ring aus. Dann nahm er sich die Post vor, die am Morgen gekommen war, und fing an zu lesen, als ob der alte Mann nicht mehr da wäre. Er fand, das war kein Umgang für ihn; hoffentlich ginge der Kerl nun weiter. Aber der rührte sich nicht. Er stand da, auf seinen Stock gestützt, und schaute den Hobbit an, ohne etwas zu sagen, bis Bilbo ganz nervös und ein bisschen ungehalten wurde.

»Guten Morgen!«, sagte er schließlich. »Für Abenteuer haben wir hier keine Verwendung, nein danke! Versuchen Sie’s doch mal hinter dem Bühl oder drüben jenseits der Wässer.« Damit wollte er sagen, dass er das Gespräch für beendet hielt.

»Was Sie mit einem Guten Morgen alles sagen können!«, sagte Gandalf. »Jetzt bedeutet es, dass Sie mich loswerden wollen und dass der Morgen erst gut werden kann, wenn ich fort bin.«

»Aber nicht doch, keineswegs, mein werter Herr – ach, ich weiß gar nicht, wie war doch Ihr Name?«

»Ja, ja, mein werter Herr! – aber Ihren Namen weiß ich, Herr Bilbo Beutlin. Und Sie kennen meinen Namen auch, Sie wissen nur nicht, dass er zu mir gehört. Ich bin Gandalf, Gandalf bin ich! Dass ich das noch erleben muss: Belladonna Tuks Sohn will mich mit einem Guten Morgen abwimmeln wie einen Hausierer, der Knöpfe verkauft!«

»Gandalf, Gandalf! Du liebe Güte, doch nicht der Wanderzauberer, von dem der Alte Tuk die magischen Manschettenknöpfe aus Diamant bekommen hat, die sich von selbst einhakten und nur auf Befehl wieder aufgingen? Doch nicht der alte Knabe, der an den Festtagen immer so wundervolle Geschichten erzählt hat, von Drachen, Orks, Riesen, von geretteten Prinzessinnen und vom unverhofften Glück armer Witwensöhne? Und der immer so ein unglaubliches Feuerwerk gemacht hat! Das weiß ich noch! Der Alte Tuk ließ immer zur Sommersonnenwende eines abbrennen. Herrlich! Das stieg auf wie große Lilien von Feuer, wie Löwenmaul und Goldregen, und hing den ganzen Abend am Himmel.« Ihr werdet schon bemerkt haben, dass Herr Beutlin nicht ganz so prosaisch war, wie er selbst gern glaubte, und dass er ein Blumenfreund war. »Du lieber Himmel!«, fuhr er fort. »Doch nicht der Gandalf, der schuld war, dass so viele ganz vernünftige Jungen und Mädchen ins Blaue hinein auf verrückte Abenteuer auszogen, angefangen beim Herumklettern auf Bäumen bis hin zu Besuchen bei den Elben oder Seereisen zu fremden Küsten! Mein lieber Mann, das war schon ein ganz inter … ich meine, Sie haben dann und wann hier in der Gegend allerhand Staub aufgewirbelt. Ich bitte um Verzeihung, aber ich hatte keine Ahnung, dass Sie immer noch im Geschäft sind.«

»Wo sollte ich sonst sein?«, sagte der Zauberer. »Trotzdem, es freut mich, dass Sie mich noch nicht ganz vergessen haben. Meine Feuerwerke wenigstens scheinen Ihnen in guter Erinnerung geblieben zu sein, und das lässt ein wenig hoffen. Und um Ihres seligen Großvaters Tuk und der armen Belladonna willen gewähre ich Ihnen, was Sie erbeten haben.«

»Verzeihen Sie, ich habe doch nichts erbeten!«

»Doch, eben schon zum zweiten Mal! Meine Verzeihung. Die haben Sie. Ich will sogar noch weiter gehn und Sie auf dieses Abenteuer mitnehmen. Wird sehr lustig für mich und sehr gut für Sie – und einträglich auch, sehr wahrscheinlich, wenn Sie’s überleben.«

»Tut mir leid! Ich wünsche keine Abenteuer, nein danke! Heute nicht. Guten Morgen! Aber bitte kommen Sie doch mal zum Tee – jederzeit, wenn es Ihnen passt! Warum nicht morgen? Kommen Sie doch morgen! Wiedersehn.« Und damit drehte der Hobbit sich um, huschte hinter seine runde grüne Tür und machte sie so schnell zu, wie er es glaubte riskieren zu können, ohne unhöflich zu erscheinen. Bei Zauberern konnte man nie wissen.

»Warum in aller Welt habe ich ihn bloß zum Tee eingeladen?«, sagte er zu sich selbst, als er in die Speisekammer ging. Er hatte zwar eben erst gefrühstückt, fand aber, dass ein paar Kekse und etwas zu trinken ihm nach dem Schreck guttun würden.

Unterdessen stand Gandalf immer noch draußen vor der Tür und lachte lange still in sich hinein. Nach einer Weile trat er näher an die schöne grüne Tür des Hobbits heran und kratzte mit der Spitze seines Stabes ein sonderbares Zeichen hinein. Dann ging er fort, als Bilbo eben seinen zweiten Keks verzehrt hatte und sich allmählich bei dem Gedanken beruhigte, dass die Abenteuer noch mal an ihm vorübergegangen waren.

Am nächsten Tag hatte er Gandalf fast vergessen. Er behielt solche Dinge meistens nur, wenn er sie in seinen Terminkalender eintrug, etwa so: Gandalf Tee Mittwoch. Daran hatte er gestern in seiner Aufregung nicht gedacht.

Erst kurz vor der Teestunde, als es stürmisch an der Tür klingelte, fiel es ihm wieder ein! Er setzte rasch den Kessel auf, stellte eine zweite Tasse und Untertasse und ein paar Kekse mehr auf den Tisch und rannte zur Tür.

»Tut mir ja so leid, dass ich Sie warten lassen musste!«, wollte er gerade sagen, als er sah, dass es nicht Gandalf war, der vor ihm stand. Es war ein Zwerg mit blauem, unter einem goldenen Gürtel festgesteckten Bart und sehr hell leuchtenden Augen unter einer dunkelgrünen Kapuze. Sobald die Tür auf war, schob er sich herein, als glaubte er, erwartet zu werden.

Er hängte seinen Kapuzenmantel an den nächsten Haken. »Dwalin, zu Diensten!«, sagte er mit einer tiefen Verbeugung.

»Bilbo Beutlin, zu Diensten!«, sagte der Hobbit, zu verblüfft fürs Erste, um irgendwelche Fragen zu stellen. Als das Schweigen, das nun eintrat, drückend wurde, fügte er hinzu: »Ich bin grad beim Tee, bitte kommen Sie doch rein und nehmen Sie etwas zu sich!« Ein bisschen steif vielleicht, aber er meinte es freundlich. Und was würdet ihr tun, wenn ein uneingeladener Zwerg plötzlich vor eurer Tür stünde und ohne ein Wort der Erklärung seine Sachen in eurer Diele aufhängte?

Sie saßen noch nicht lange bei Tisch, waren kaum beim dritten Keks angelangt, als es schon wieder klingelte, lauter als das erste Mal.

»Entschuldigen Sie!«, sagte der Hobbit und ging zur Tür.

»Na, da sind Sie ja endlich!«, wollte er nun zu Gandalf sagen. Aber es war wieder nicht Gandalf. Sondern ein sehr alter Zwerg mit weißem Bart und scharlachroter Kapuze; und auch er kam gleich herein, als wäre er eingeladen.

»Aha, die andern kommen auch schon«, sagte er, als er Dwalins grüne Kapuze sah. Er hängte seine rote daneben. »Balin, zu Diensten!«, sagte er und legte die Hand auf die Brust.

»Danke!«, sagte Bilbo, nach Luft schnappend. Es war nicht die korrekte Antwort, aber das Die-andern-kommen-auch-schon hatte ihn sehr verwirrt. Er hatte gern Besuch, aber von Leuten, die er schon kannte, bevor sie kamen, und von solchen, die er eingeladen hatte. Der entsetzliche Gedanke kam ihm, dass die Kekse vielleicht nicht reichen würden, und dann müsste er – als Gastgeber kannte er seine Pflichten und erfüllte sie, so schwer es ihm fallen mochte – dann müsste er leer ausgehen.

»Kommen Sie doch rein auf eine Tasse Tee!«, brachte er schließlich heraus, nachdem er einmal tief durchgeatmet hatte.

»Ein kleines Bier wäre mir lieber, wenn es Ihnen nichts ausmacht, mein Bester«, sagte Balin mit dem weißen Bart. »Aber gegen ein Stück Kuchen hätte ich auch nichts – Kümmelkuchen, wenn Sie welchen haben.«

»Alles da!«, hörte Bilbo sich zu seiner eigenen Überraschung sagen; und schon hastete er los, zuerst in den Keller, um einen Bierkrug zu füllen, dann in die Speisekammer, um die zwei schönen runden Kümmelkuchen zu holen, die er sich erst am Nachmittag gebacken hatte, als Nachtisch zum Abendbrot.

Als er wiederkam, plauderten Balin und Dwalin am Tisch schon wie alte Freunde (tatsächlich waren sie sogar Brüder). Er stellte das Bier und den Kuchen vor sie hin, als es schon wieder laut an der Tür klingelte, einmal und dann noch einmal.

»Diesmal ist es aber sicher Gandalf«, dachte er, als er den Flur entlangkeuchte. Aber nein! Noch zwei Zwerge, beide mit blauen Kapuzen, silbernen Gürteln und gelben Bärten; und jeder von beiden trug einen Sack mit Werkzeugen und einen Spaten. Als die Tür aufging, drängten sie sich auch schon herein – was Bilbo nun kaum mehr überraschte.

»Was kann ich für Sie tun, meine Herren Zwerge?«, sagte er.

»Kili, zu Diensten!«, sagte der eine. »Und Fili!«, ergänzte der andere, und sie streiften beide ihre blauen Kapuzen ab und verbeugten sich.

»Und zu Ihren und Ihrer Familie Diensten!«, antwortete Bilbo, denn dieses Mal besann er sich auf seine guten Manieren.

»Dwalin und Balin sind schon da, wie ich sehe«, sagte Kili. »Na, dann gehn wir mal zu dem Haufen!«

»Haufen!«, dachte Bilbo. »Wie sich das schon anhört! Jetzt muss ich mich erst mal eine Minute hinsetzen und einen Schluck trinken, damit ich zur Besinnung komme.« Und zu mehr als einem Schluck kam er nicht, in einer Ecke, während die vier Zwerge um den Tisch saßen, über Bergwerke, Gold, Probleme mit den Orks und mit räuberischen Drachen redeten und über tausend andere Dinge, von denen er nichts verstand und nichts verstehen wollte, denn sie klangen ihm viel zu abenteuerlich – da, ding-dong-a-ling-dang, klingelte es schon wieder, so laut, als ob irgendein Hobbitlausbub den Griff abzureißen versuchte.

»Da ist wohl jemand an der Tür«, sagte er blinzelnd.

»Mindestens vier, würde ich sagen, so wie es sich anhört«, sagte Fili. »Wir haben sie übrigens auch in einigem Abstand hinter uns herkommen sehn.«

Der arme kleine Hobbit setzte sich in der Diele erst einmal hin, legte den Kopf in die Hände und fragte sich, was denn nur los sei, was noch alles passieren könnte und ob der ganze Klüngel wohl zum Abendessen dableiben würde. Dann klingelte es noch einmal, lauter denn je, und er musste sich beeilen, dass er zur Tür kam. Es waren nicht vier, es waren FÜNF. Einer war noch nachgekommen, während er in der Diele gegrübelt hatte. Kaum hatte er den Türknopf umgedreht, als sie auch schon drinnen waren, sich verbeugten und einer nach dem andern ihr »zu Diensten« aufsagten. Sie hießen Dori, Nori und Ori, Oin und Gloin; und schon hingen zwei purpurrote Kapuzenmäntel, ein grauer, ein brauner und ein weißer an den Kleiderhaken, und die Neuankömmlinge stapften hinein zu den anderen, die breiten Hände unter ihre goldenen und silbernen Gürtel geklemmt. Nun war es fast schon wirklich ein Haufen. Manche riefen nach Ale, manche nach Porter, einer nach Kaffee, und alle wollten Kuchen. Eine ganze Weile hatte der Hobbit alle Hände voll zu tun.

Gerade hatte er eine große Kanne Kaffee zum Warmhalten in den Kamin gestellt, die Kümmelkuchen waren verschwunden, und die Zwerge machten sich über gebutterte Hefewecken her, als – als es laut an die Tür pochte. Nicht klingelte, sondern pochte: ein hämmerndes Rattatatt an der schönen grünen Tür der Hobbithöhle. Jemand musste mit einem Stock dagegen stoßen!

Er stürmte die Diele entlang, in heller Wut, aufgeregt und verwirrt – dies war der schlimmste Mittwoch, den er je erlebt hatte. Mit einem Ruck riss er die Tür auf, und sie purzelten alle herein, einer über den andern. Wieder Zwerge, noch vier! Und hinter ihnen stand Gandalf, auf seinen Stab gestützt, und lachte. In die schöne Tür hatte er eine ansehnliche Delle geschlagen und dabei zugleich das geheime Zeichen getilgt, das er am Morgen des vorigen Tages hineingekratzt hatte.

»Sachte, sachte!«, sagte er. »Ist das eine Art, Bilbo Beutlin, Freunde auf der Matte warten zu lassen und dann knallbumms die Tür aufzureißen? Darf ich vorstellen: Bifur, Bofur und Bombur und vor allem Thorin.«

»Zu Diensten!«, sagten Bifur, Bofur und Bombur, die in einer Reihe standen. Dann hängten sie zwei gelbe Kapuzen und eine hellgrüne an die Wand, außerdem eine himmelblaue mit einer langen silbernen Quaste. Diese gehörte Thorin, einem ungemein prominenten Zwerg – ja, er war niemand anders als der große Thorin Eichenschild persönlich und fand es überhaupt nicht lustig, an Bilbos Tür auf die Nase zu fallen, und das auch noch zuunterst, denn Bifur, Bofur und Bombur fielen über ihn, und der dicke Bombur hatte allein schon ein beträchtliches Gewicht. Darum war Thorin nun sehr kurz angebunden und sagte nichts von wegen »zu Diensten«; aber der unglückliche Herr Beutlin entschuldigte sich so oft und so ausdauernd, dass Thorin schließlich knurrend versicherte, nun nichts mehr davon hören zu wollen, und etwas weniger grimmig dreinschaute.

»Jetzt sind wir alle beisammen«, sagte Gandalf und blickte auf die Reihe der dreizehn Kapuzen – die besten abknöpfbaren Ausgehkapuzen –, die neben seinem Hut an der Wand hingen. »Eine ganz muntere Versammlung! Hoffentlich ist auch für die später Gekommenen noch etwas zu essen und zu trinken übrig. Was ist das, Tee? Nein, danke! Ein Gläschen Rotwein für mich bitte!«

»Und für mich auch«, sagte Thorin.

»Himbeermarmelade und Apfeltorte«, sagte Bifur.

»Rosinentörtchen und Käse«, sagte Bofur.

»Schweinshaxe und Salat«, sagte Bombur.

»Und noch mehr Kuchen … noch mehr Ale … und noch Kaffee, wenn’s Ihnen nichts ausmacht!«, riefen die anderen Zwerge durch die Tür.

»Und setzen Sie ein paar Eier auf, seien Sie so lieb!«, rief Gandalf ihm nach, als der Hobbit zu seinen Kammern losstapfte. »Und das kalte Huhn und die sauren Gurken können Sie auch gleich mitbringen.«

»Der scheint meine Speisekammern besser zu kennen als ich«, dachte der Hobbit, der nun nicht mehr aus noch ein wusste und sich fragte, was für ein lästiges Abenteuer ihm da in seinen eigenen vier Wänden auf den Leib gerückt war. Bis er alle die Flaschen und Schüsseln, Messer und Gabeln, Gläser, Teller, Löffel und was nicht noch alles auf die großen Tabletts gestapelt hatte, war er ganz erhitzt, rot im Gesicht und wütend.

»Dass ihnen die Bärte verhageln, diesen Zwergen!«, sagte er laut. »Warum können sie nicht ein bisschen mit anfassen?« Und siehe da, schon standen Balin und Dwalin in der Küchentür, hinter ihnen Fili und Kili, und bevor er einen Mucks sagen konnte, hatten sie die Tabletts ins Wohnzimmer geschafft, ein paar Tischchen zusammengerückt und ordentlich gedeckt.

Gandalf saß am Kopfende der Tafel, die Zwerge ringsum. Bilbo, auf einem Hocker am Kamin, knabberte an einem Keks (der Appetit war ihm so ziemlich vergangen) und gab sich sehr Mühe, so dreinzuschauen, als fände er dies alles ganz normal und überhaupt nicht abenteuerlich. Die Zwerge aßen und aßen und redeten und redeten, und die Zeit verging. Endlich schoben sie ihre Stühle zurück, und Bilbo machte Anstalten, die Teller und Gläser abzuräumen.

»Ich denke, Sie bleiben doch alle zum Abendessen?«, fragte er allerhöflichst, so dass sich niemand gedrängt fühlte.

»Selbstverständlich«, sagte Thorin. »Und noch länger. Es wird spät werden, bis wir fertig sind, und jetzt brauchen wir erst mal ein bisschen Musik. Jetzt wird abgetragen!«

Sofort sprangen die zwölf Zwerge auf – nicht Thorin, der war zu wichtig und blieb da, um mit Gandalf zu plaudern – und türmten alles Geschirr zu hohen Stapeln auf. Schon gingen sie los, ohne sich mit den Tabletts aufzuhalten, balancierten Säulen von Tellern mit einer Flasche obendrauf in einer Hand, während der Hobbit ihnen, fast kreischend vor Entsetzen, nachrannte. »Bitte Vorsicht! Bitte, machen Sie sich doch nicht die Mühe! Ich schaff es schon selbst.« Aber da fingen die Zwerge nur an zu singen:

Werft die Gläser an die Wand,

Schlitzt das Tischtuch von Damast,

Kork und Gummi steckt in Brand,

Tut, was Bilbo Beutlin hasst!

Spritzt den Wein an jede Tür,

In den Boden stampft das Fett,

Tränkt die Chaiselongue mit Bier,

Schmeißt die Knochen unters Bett!

Wir zerkleinern mit dem Beil

Töpfe, Schüsseln, Porzellan.

Und ist dann noch etwas heil,

Fangen wir von vorne an.

Alle mal mit angefasst!

Tut, was Bilbo Beutlin hasst!

Aber natürlich verübten sie keine von diesen Schandtaten wirklich, sondern blitzschnell wurde alles abgewaschen und ordentlich wieder an seinen Platz gestellt, während sich der Hobbit in der Mitte der Küche im Kreis drehte, um sie im Auge zu behalten. Als sie wieder ins Besuchszimmer kamen, saß Thorin am Kamin, die Füße aufs Gitter gestützt, und rauchte eine Pfeife. Er blies gewaltige Rauchringe und konnte sie schicken, wohin er wollte – in den Rauchfang, hinter die Uhr auf dem Kaminsims, unter den Tisch oder in eine Kreisbahn unter der Decke; aber wohin sie auch flogen, sie waren nicht schnell und wendig genug, um Gandalf zu entkommen. Popp! schickte er einen kleineren Ring aus seiner kurzen Tonpfeife durch jeden einzelnen von Thorins Ringen. Dann wurde Gandalfs Ring grün, kehrte zu dem Zauberer zurück und blieb über seinem Kopf in der Schwebe. Er war schon von einer ganzen Wolke umgeben, und in dem trüben Licht sah er damit wie ein wahrer Hexenmeister aus. Bilbo stand regungslos da und schaute ihm zu – er liebte Rauchringe –, und er errötete bei dem Gedanken, wie stolz er gestern Morgen auf die Ringe gewesen war, die er mit dem Wind über den Bühl geschickt hatte.

»Und jetzt ein bisschen Musik!«, sagte Thorin. »Holt die Instrumente!«

Kili und Fili liefen hinaus zu ihren Säcken und kamen mit zwei kleinen Geigen zurück; Dori, Nori und Ori fischten aus ihren Mänteln jeder eine Flöte; Bombur brachte aus der Diele eine Trommel herein; Bifur und Bofur holten Klarinetten, die sie zwischen Bilbos Spazierstöcken abgestellt hatten. Dwalin und Balin sagten: »Entschuldigt bitte, ich habe meines draußen vor der Tür gelassen.« – »Dann bringt meines auch gleich mit!«, sagte Thorin. Zurück kamen sie mit zwei Bratschen, so groß wie sie selber, und mit Thorins Harfe, die in ein grünes Tuch eingewickelt war. Es war eine schöne goldene Harfe, und als Thorin sie anschlug, setzte die Musik mit einem Mal ein, so lieblich, dass Bilbo alles andere vergaß und davongetragen wurde in dunkle Lande unter fremden Monden, weit jenseits der Wässer und fern von seiner Hobbithöhle unter dem Bühl.

Durch das kleine Fenster im Hang des Bühls kroch die Dunkelheit ins Zimmer; das Feuer im Kamin warf ein flackerndes Licht – es war April –, und sie spielten und spielten, während der Schatten von Gandalfs Bart an der Wand tanzte.

Die Dunkelheit erfüllte den ganzen Raum, das Feuer brannte nieder, die Schatten verblassten, und sie spielten noch immer. Und plötzlich, erst einer, dann ein anderer, begannen sie, während sie spielten, auch zu singen; tiefkehliger Zwergengesang, wie aus den tiefen Kammern ihrer alten Wohnstätten erschallend; und dies ist vielleicht ein Stück aus ihrem Lied, soweit es ihrem Gesang nahekommen kann, ohne dass man die Musik hört.

Über die Nebelberge weit
Zu Höhlen tief aus alter Zeit,
Da ziehn wir hin, da lockt Gewinn
An Gold und Silber und Geschmeid.

Wo einst das Reich der Zwerge lag,
Wo glockengleich ihr Hammerschlag
Manch Wunder weckt, das still versteckt
Schlief in Gewölben unter Tag.

Das Gold und Silber dieser Erd
Geschürft, geschmiedet und vermehrt.
Sie fingen ein im edlen Stein
Das Licht als Zierrat für das Schwert.

An Silberkettchen Stern an Stern,
Des Sonn- und Mondlichts reiner Kern,
Von Drachenblut die letzte Glut
Schmolz ein in Kronen großer Herrn.

Über die Nebelberge weit
Zu Höhlen tief aus alter Zeit,
Dahin ich zieh in aller Früh
Durch Wind und Wetter, Not und Leid.

Aus goldnen Bechern, ganz für sich,
Da zechten sie allabendlich
Bei Harfenklang und Chorgesang,
Wo manche Stunde schnell verstrich.

Und knisternd im Gehölz erwacht
Ein Brand. Von Winden angefacht,
Zum Himmel rot die Flamme loht.
Bergwald befackelte die Nacht.

Die Glocken läuteten im Tal,
Die Menschen wurden stumm und fahl.
Der große Wurm im Feuersturm
Sengt ihre Länder schwarz und kahl.

Die Zwerge traf das Schicksal auch,
Im Mondschein stand der Berg in Rauch.
Durchs Tor entflohn, sanken sie schon
Dahin in seinem Feuerhauch.

Über die Nebelberge hin
Ins wilde Land lockt der Gewinn.
Dort liegt bereit seit alter Zeit,
Was unser war von Anbeginn.

Bei diesem Gesang spürte der Hobbit, wie die Liebe zu den schönen, von geschickter und zauberkräftiger Hand gefertigten Dingen auch ihn ergriff, eine grimmige, eifersüchtige Liebe, die Herzensbegierde der Zwerge. Da erwachte etwas in ihm, das er von den Tuks haben musste, und er wünschte sich, mit fortzuziehen und die hohen Berge zu sehen, die Kiefernwälder und die Wasserfälle rauschen zu hören, die Höhlen zu erkunden und statt des Spazierstocks ein Schwert bei sich zu tragen. Er blickte aus dem Fenster. Die Sterne standen am dunklen Himmel über den Bäumen. Er dachte an die schimmernden Edelsteine der Zwerge in ihren dunklen Höhlen. Plötzlich leuchtete im Wald am andern Flussufer eine Flamme auf – wahrscheinlich machte jemand ein Lagerfeuer –, und er dachte an raubgierige Drachen, die auf seinen kleinen Hügel herabstießen und alles in Brand steckten. Er erschauerte, und gleich darauf war er wieder der solide Herr Beutlin von Beutelsend unter dem Bühl.

Zitternd stand er auf. Er war sich nicht recht im Klaren, ob er eine Lampe holen sollte, aber überaus klar war ihm, dass er unter diesem Vorwand hinausgehen könnte, sich hinter den Bierfässern im Keller verstecken und erst wieder hervorkommen, wenn die Zwerge alle fort wären. Plötzlich merkte er, dass die Musik und der Gesang aufgehört hatten und dass sie alle ihn anblickten, mit im Dunkeln leuchtenden Augen.

»Wo wollen Sie hin?«, fragte Thorin in einem Ton, der anzuzeigen schien, dass er sowohl den Gedanken wie den Hintergedanken des Hobbits erraten hatte.

»Wie wär’s, wenn wir ein bisschen Licht machten?«, sagte Bilbo schuldbewusst.

»Wir sind für Dunkelheit«, sagten die Zwerge alle auf einmal. »Dunkelheit bei dunklen Geschäften! Bis es wieder hell wird, haben wir noch viele Stunden.«

»Natürlich«, sagte Bilbo und setzte sich schnell wieder hin. Er verfehlte den Hocker und setzte sich stattdessen aufs Kamingitter, wobei er mit Gepolter die Schaufel und den Schürhaken umwarf.

»Pssst!«, sagte Gandalf. »Lasst Thorin reden!« Und dann setzte Thorin zu einer Rede an.

»Verehrter Gandalf, liebe Mitzwerge, werter Herr Beutlin! Wir sind heute hier zusammengekommen im Hause unseres lieben Freundes und Mitverschworenen, dieses vortrefflichen und verwegenen Hobbits – mögen ihm die Haare auf den Zehen nie ausfallen! Und alle Achtung vor seinem Wein und Bier!« Er machte eine Pause, zum Atemholen und um dem Hobbit Gelegenheit zu einem höflichen Einwurf zu geben, aber er verschwendete seine Komplimente: Der arme Bilbo Beutlin machte den Mund auf und zu, aus Protest dagegen, dass man ihn als verwegen und, noch schlimmer, als Mitverschworenen bezeichnete, brachte aber keinen Ton heraus, so entgeistert war er. Darum fuhr Thorin fort:

»Wir sind zusammengekommen, um unsere Pläne zu erörtern, unsere Mittel und Vorgehensweisen, Strategie und Taktik. Bald, vor Tagesanbruch, werden wir zu unserer langen Reise aufbrechen, einer Reise, von der vielleicht manche von uns oder sogar alle (außer unserem Freund und Ratgeber, dem erfindungsreichen Zauberer Gandalf ) nie zurückkehren werden. Dies ist ein historischer Moment. Unser Ziel, wie ich wohl annehmen darf, ist uns allen bekannt. Für unseren werten Herrn Beutlin und vielleicht auch für den einen oder anderen jungen Mann unter uns Zwergen (ich glaube, ich gehe nicht fehl, wenn ich hier zum Beispiel an Kili und Fili denke) könnte aber der genaue Stand der Dinge im Augenblick einer kurzen Erläuterung bedürfen …«

Das war Thorins Stil. Er war eben ein sehr wichtiger Zwerg. Hätte man ihn gelassen, so hätte er vermutlich so weitergeredet, bis ihm die Luft ausging, und doch nichts gesagt, das man nicht schon wusste. Aber er wurde rücksichtslos unterbrochen. Der arme Bilbo hielt es nicht länger aus. Bei den Worten nie zurückkehren spürte er, wie sich ein Schrei in ihm ballte, und gleich darauf brach er aus ihm hervor wie der Pfiff einer Lokomotive aus einem Tunnel. Alle Zwerge sprangen auf und stießen dabei den Tisch um. Gandalf schlug ein blaues Licht aus der Spitze seines Zauberstabs, in dessen gleißendem Schein man den Hobbit auf dem Kaminvorleger knien sah, zitternd wie ein Wackelpudding. Dann fiel er platt zu Boden und rief »vom Blitz getroffen, vom Blitz getroffen!« – immer wieder; und das war für eine ganze Weile das Einzige, was sie aus ihm herausbekamen. Darum brachten sie ihn ins Nebenzimmer und legten ihn auf ein Sofa, stellten ihm ein Getränk in Reichweite und ließen ihn dann allein, um sich wieder ihren dunklen Geschäften zuzuwenden.

»Leicht erregbar, das Kerlchen«, sagte Gandalf, als sie sich gesetzt hatten. »Kriegt so komische Anfälle, ist aber einer der Besten, einer der Besten – rabiat wie ein Drache mit dem Rücken zur Wand.«

Wenn ihr je einen Drachen mit dem Rücken zur Wand gesehen habt, dann wird euch klar sein, dass man dies ohne poetische Übertreibung wohl von keinem Hobbit sagen konnte, nicht einmal von Bullenrassler Tuk, dem Urgroßonkel des Alten Tuk, der ein solcher Hüne war (für einen Hobbit), dass er auf einem Pferd reiten konnte. Der drang in der Schlacht bei Grünfeld in die Reihen der Orks vom Gramberg ein und schlug ihrem König Golfimbul mit einer Holzkeule glatt den Kopf ab, dass der hundert Schritte weit durch die Luft flog und in ein Kaninchenloch fiel. Auf diese Weise wurde die Schlacht gewonnen und das Golfspiel erfunden.

Bullenrasslers zahmerer Nachkomme jedoch musste sich im Wohnzimmer erst mal eine Weile von seinem Schreck erholen. Nachdem er etwas getrunken hatte, schlich er ängstlich an die Tür zum Besuchszimmer. Er hörte, wie Gloin gerade sagte: »Mhmh!« (Oder so ähnlich.) »Ob das wohl gehn wird, mit dem? Was meint ihr? Schön und gut, wenn Gandalf behauptet, das sei ein ganz rabiater Bursche, aber ein einziger Schrei wie dieser im falschen Augenblick, und er weckt den Drachen mit seiner ganzen Sippschaft. Das wäre das Ende für uns alle. Ich finde auch, es hörte sich mehr wie ein Angstschrei als wie ein Kampfruf an. Überhaupt, wäre das Zeichen nicht an der Tür gewesen, so wäre ich mir sicher, dass wir ins falsche Haus geraten sind. Als ich das Kerlchen auf der Türmatte herumhüpfen sah, kamen mir gleich Zweifel. Das soll ein Meisterdieb sein? Er sieht mir eher wie ein Krämer aus.«

Da drehte Herr Beutlin den Türknopf und trat ein. Der Tuk in ihm hatte gesiegt. Er fand plötzlich, um für einen rabiaten Burschen gehalten zu werden, könnte er sogar auf sein Bett und sein Frühstück verzichten, wenn es nötig sein sollte. Und bei dem Kerlchen, das auf der Türmatte herumhüpfte, wurde er beinahe wirklich rabiat. Seine beutlinsche Hälfte bedauerte später noch oft, was er jetzt tat: »Bilbo, du Trottel!«, sagte er sich dann. »Wie konntest du nur sehenden Auges in diese Geschichte hineintappen?«

»Verzeihen Sie«, sagte er, »wenn ich mitgehört habe, was Sie eben sagten. Ich behaupte nicht, verstanden zu haben, wovon Sie reden, oder was das mit dem Meisterdieb heißen soll, aber ich gehe wohl nicht fehl in der Annahme« (dies fand er sehr würdevoll ausgedrückt), »dass Sie mir nichts zutrauen. Sie sollen mich kennenlernen! Ich habe zwar keine Zeichen an der Tür – sie wurde vor einer Woche erst frisch gestrichen – und bin ganz sicher, dass Sie ins falsche Haus geraten sind. Als ich Ihre komischen Gesichter vor meiner Tür sah, kamen mir gleich Zweifel. Aber nehmen Sie es jetzt als das richtige. Sagen Sie mir, was ich für Sie tun kann, und ich werde es versuchen, und wenn ich von hier bis in den östlichsten Osten marschieren und es mit den rabiatesten Werwürmern in der letzten Wüste am Ende der Welt aufnehmen müsste! Ich hatte nämlich einst einen Ururgroßonkel namens Bullenrassler Tuk, und der …«

»Ja, ja, aber das ist lange her«, sagte Gloin. »Ich habe über Sie gesprochen. Und ich versichere Ihnen, das Zeichen steht an Ihrer Tür, das in diesem Beruf übliche, oder zumindest war es früher so üblich. Meisterdieb sucht lohnende Aufgaben – und einige Abenteuer bei angemessener Bezahlung, so wird das Zeichen gewöhnlich verstanden. Für Meisterdieb können Sie, wenn Sie wollen, auch Schatzsucher mit langjähriger Berufserfahrung sagen; manche hören das lieber. Uns ist es egal. Gandalf hat uns gesagt, hier in der Gegend soll es einen Mann dieses Schlages geben, der kurzfristig einen Auftrag übernehmen kann, und er hat hier für diesen Mittwoch zur Teestunde ein Treffen mit ihm verabredet.«

»Natürlich steht das Zeichen da«, sagte Gandalf. »Ich habe es selbst an die Tür gekratzt. Und das aus sehr guten Gründen. Ihr habt mich gebeten, den vierzehnten Mann für eure Expedition ausfindig zu machen, und ich habe mich für Herrn Beutlin entschieden. Soll nur einer sagen, ich hätte den Falschen oder das falsche Haus ausgesucht, dann könnt ihr von mir aus dreizehn bleiben und euer Unglück herausfordern, oder ihr geht wieder Kohle schürfen!«

Er funkelte Gloin so wütend an, dass der Zwerg auf seinem Stuhl ganz klein wurde; und als Bilbo den Mund aufmachte, um eine Frage zu stellen, da funkelte er ihn ebenso an und streckte seine buschigen Augenbrauen weit heraus, bis Bilbo den Mund wieder zuklappte. »So ist’s recht«, sagte Gandalf. »Schluss jetzt mit dem Streit! Ich habe Bilbo Beutlin ausgesucht, und das sollte euch genügen. Wenn ich sage, er ist ein Meisterdieb, dann ist er ein Meisterdieb, oder wird einer sein, wenn die Zeit gekommen ist. In ihm steckt mehr, als ihr erraten könnt, und sogar noch einiges mehr, als er selber ahnt. Ihr werdet es (möglicherweise) alle noch erleben und mir dankbar sein. Und jetzt, Bilbo, mein Junge, brauchen wir eine Lampe, damit wir das hier ein bisschen genauer ansehen können.«

Und im Schein einer großen Lampe mit rotem Schirm breitete er ein Blatt Pergament auf dem Tisch aus, das ganz wie eine Landkarte aussah.

»Die hat dein Großvater Thror gezeichnet, Thorin«, antwortete er auf die erregten Fragen der Zwerge. »Es ist eine Karte vom Einsamen Berg.«

»Ich glaube nicht, dass sie uns viel nützen wird«, sagte Thorin enttäuscht, nachdem er einen Blick darauf geworfen hatte. »An den Berg und die Länder ringsum erinnere ich mich noch gut. Und ich weiß auch, wo der Düsterwald ist und die Verdorrte Heide, wo die großen Drachen brüten.«

»Da ist ein Drache auf dem Berg rot eingezeichnet«, sagte Balin, »aber der wird auch ohne Karte unschwer zu finden sein, wenn wir je dort hinkommen.«

»Eines habt ihr nicht bemerkt«, sagte der Zauberer, »nämlich den geheimen Eingang. Seht ihr diese Rune auf der Westseite und die Hand, die von den anderen Runen her dort hinzeigt? Das ist das Zeichen für einen geheimen Durchgang zu den Unteren Hallen.«

»Er war vielleicht mal geheim«, sagte Thorin, »aber wie sollen wir wissen, ob er es immer noch ist? Der alte Smaug haust nun schon lange genug dort und könnte längst alles herausgefunden haben, was man über diese Höhlen nur wissen kann.«

»Mag sein – aber benutzt haben kann er den Zugang in all den Jahren nicht.«

»Warum?«

»Weil er zu eng ist. ›Türhöhe fünf Fuß, und drei können nebeneinander gehen‹, besagen die Runen, aber in ein so kleines Loch könnte Smaug nicht hineinkriechen, nicht mal, als er noch ein junger Drache war, und schon gar nicht, seit er so viele Zwerge und so viele Menschen von Thal gefressen hat.«

»Mir kommt das Loch ziemlich groß vor«, piepste Bilbo (er hatte eben noch keine Erfahrungen mit Drachen und kannte nur Hobbithöhlen). Er geriet schon wieder in gespannte Erregung und vergaß darum, dass er eigentlich den Mund halten sollte. Landkarten interessierten ihn mächtig, und bei ihm in der Diele hing eine große von der näheren Umgebung, auf der seine liebsten Fußwege mit roter Tinte eingezeichnet waren. »Wie könnte man eine so große Tür denn überhaupt vor irgendwem draußen geheimhalten, von dem Drachen ganz abgesehen?«, fragte er. Man darf nicht vergessen, er war eben nur ein kleiner Hobbit.

»Auf mancherlei Weise«, sagte Gandalf. »Aber wie nun diese Tür versteckt gehalten wurde, können wir nicht wissen, bevor wir nicht dort gewesen sind, um nachzusehen. Nach dem, was auf der Karte steht, würde ich vermuten, dass es eine verschlossene Tür ist, die man so angelegt hat, dass sie genauso aussieht wie alles Übrige an diesem Berghang. So machen es die Zwerge doch gewöhnlich, nicht wahr?«

»Sehr richtig«, sagte Thorin.

»Außerdem«, fuhr Gandalf fort, »habe ich vergessen zu sagen, dass zu der Karte noch ein Schlüssel gehört, ein kleiner, merkwürdiger Schlüssel. Hier ist er!« Er gab Thorin einen Schlüssel mit langem Schaft und fein gezacktem silbernem Bart. »Verwahre ihn gut!«

»Und ob!«, sagte Thorin und befestigte ihn an einem Kettchen, das er unter der Jacke um den Hals trug. »Nun werden unsere Aussichten schon etwas besser. Diese Neuigkeit gibt uns Hoffnung. Bisher hatten wir keine klare Vorstellung, was wir tun können. Wir hatten vor, so still und heimlich wie möglich nach Osten zu gehen, bis zum Langen See. Und da würden dann die Probleme anfangen …«

»Schon viel früher, nach allem, was ich über die Straßen nach Osten weiß«, unterbrach ihn Gandalf.

»Von da könnten wir den Eilend flussaufwärts bis zu den Ruinen von Thal fahren«, fuhr Thorin fort, ohne den Einwand zu beachten, »der alten Stadt, die dort zu Füßen des Berges liegt. Aber keiner von uns konnte sich mit dem Gedanken befreunden, dort durch das Haupttor zu gehen. Der Fluss kommt durch die große Klippe auf der Südseite des Berges direkt daraus hervor, und auch der Drache kommt da heraus – und zwar viel zu oft, wenn er seine Gewohnheiten nicht geändert hat.«

»Das ginge nicht«, sagte der Zauberer, »es sei denn, du hättest einen mächtigen Krieger oder sogar einen Helden. Ich habe versucht, einen zu finden, aber die Krieger bekämpfen sich lieber gegenseitig in fernen Ländern, und Helden sind hier in der Gegend rar oder schlicht unauffindbar. Die Schwerter sind in dieser Gegend meistens stumpf, die Äxte gebraucht man nur zum Bäumefällen, die Schilde als Wiegen für die kleinen Kinder oder als Topfdeckel; und die Drachen sind so angenehm weit weg, dass sie schon als Fabeltiere gelten. Darum habe ich mich für Diebstahl und Einbruch entschieden, besonders als ich mich an die Hintertür erinnerte. Und hier haben wir Bilbo Beutlin, den Meisterdieb, den berufenen und auserwählten Experten. Also lasst uns nun zur Sache kommen und Pläne machen.«

»Schön«, sagte Thorin, »unser Experte hat doch gewiss ein paar Ideen oder Vorschläge.« Er sah Bilbo spöttisch erwartungsvoll an.

»Zunächst mal wüsste ich gern etwas mehr über die Angelegenheit«, sagte Bilbo, innerlich ratlos und mit einem flauen Gefühl, aber immer noch mit der echt tukschen Entschlossenheit, die Sache, nachdem er sich einmal auf sie eingelassen hatte, voranzutreiben. »Ich meine, über das Gold und den Drachen und all das, wie ist es dort hingekommen, wem gehört es, und so weiter und so fort.«

»Meine Güte!«, sagte Thorin. »Haben Sie die Karte nicht gesehn? Haben Sie unser Lied nicht gehört? Und haben wir nicht eben stundenlang über all dies geredet?«

»Trotzdem, ich würde das alles gern noch mal klar und deutlich hören«, sagte er stur und setzte eine sachliche Miene auf (wie sonst nur gegenüber Leuten, die sich von ihm Geld zu leihen versuchten). Er gab sich Mühe, klug, bedächtig und professionell zu wirken, so wie ihn Gandalf empfohlen hatte. »Außerdem wüsste ich gern Näheres über Risiken, Kostenerstattung, Zeitaufwand und Honorar«, sagte er – und meinte damit: »Was habe ich davon? Und werde ich lebendig zurückkehren?«

»Meinetwegen«, sagte Thorin. »Vor vielen, vielen Jahren, zur Zeit meines Großvaters Thror, wurde unsere Familie aus dem hohen Norden vertrieben und kehrte mit all ihren Schätzen und Werkzeugen zu diesem Berg zurück, den man auf der Karte sieht. Schon mein Urahn Thrain der Alte hatte den Berg entdeckt, aber nun gruben sie viele Stollen und Schächte, erweiterten die Hallen und Werkstätten – und außerdem, glaube ich, fanden sie einiges an Gold und Edelsteinen. Jedenfalls, sie wurden unermesslich reich und berühmt, und mein Großvater war wieder König unter dem Berge und wurde von den sterblichen Menschen hoch in Ehren gehalten, die weiter im Süden lebten und sich allmählich den Eilend hinauf ausbreiteten, bis zu dem Tal, das im Schatten des Berges liegt. Dort bauten sie damals die Stadt Thal – eine Stadt voller Leben. Könige schickten nach unseren Schmieden, und sogar die Ungeschicktesten wurden noch reich belohnt. Väter baten uns händeringend, ihre Söhne in die Lehre zu nehmen – wofür wir sie tüchtig bezahlen ließen, besonders mit Nahrungsmitteln, so dass wir uns darum nicht mehr zu kümmern brauchten. Es waren herrliche Zeiten, und noch die Ärmsten von uns hatten so viel Geld, dass sie es verleihen konnten, und alle hatten Zeit für die schönen Dinge, die man rein zum Vergnügen macht, um von dem wundervollen Zauberspielzeug gar nicht zu reden, wie man es heutzutage auf der ganzen Welt nicht mehr findet. So füllten sich die Hallen meines Großvaters mit Juwelen, Rüstungen, Pokalen, Schnitz- und Steinmetzarbeiten, und der Spielzeugmarkt von Thal war das Wunder des Nordens.