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Viele Menschen, große und kleine, kennen die Geschichte der Heiligen Drei Könige. Eines Tages brachen diese Männer auf. Der eine lebte im fernen Asien, der andere war ein schwarzer König mitten in Afrika und der dritte hatte eine weiße Haut und mag in Rom, in Byzanz oder auch ganz nahebei zu Hause gewesen sein. Ihre Namen sind wohl bekannt. Sie heißen Kaspar, Melchior und Balthasar. Sie hatten einen neuen Stern gesehen und folgten seinem Lauf.

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Der Stern führte sie in das Land Juda bis vor eine Stadt mit Namen Bethlehem. Dort fanden sie den, den sie suchten. Er wohnte jedoch nicht in einem Königspalast. Der Stern brachte die Heiligen Drei Könige zu einem Stall. Bei Ochs und Esel war der neue König geboren worden. Kaspar, Melchior und Balthasar beugten ihre Knie und schenkten dem Kind ihre Gaben: Gold, Weihrauch und Myrrhe.

Wie gesagt, viele Menschen, große und kleine, kennen diese Geschichte. Was aber von dem Indianerhäuptling Silbermond zu erzählen ist, das ist weit weniger bekannt.

Häuptling Silbermond und sein Stamm lebten am Rande eines Berglandes im weiten Amerika. Eines Morgens war Silbermond schon sehr früh aufgestanden und stieg auf einen nahe gelegenen Hügel. Gerade war der Tag aufgewacht und begann die Nacht zu verjagen. Der Häuptling schaute zum Himmel empor. Allmählich verblassten die Sterne. Er wartete auf den ersten heißen Atem der Sonne, der jeden Morgen die Berggipfel fern am Horizont aufglühen ließ. Aber stattdessen erblickte er einen funkelnden Stern über den Bergen, ganz weiß und gleißend. Der Stern zog einen leuchtenden Goldschweif hinter sich her.

Der Häuptling hatte schon manche Nacht auf dem Hügel über der Siedlung zugebracht. Er kannte sich gut aus mit den Sternen, doch etwas Ähnliches hatte er zuvor nie gesehen. Er schaute und schaute, bis sich der Stern endlich hinter den Bergen niedersenkte.

Die Sonne stieg empor und der neue Tag nahm seinen Lauf. Dem Häuptling aber ging der Stern nicht mehr aus dem Sinn. Auch in der folgenden Nacht verließ Silbermond schon früh sein Haus und begab sich auf den Hügel. Er richtete den Blick zum Himmel. Und wieder zog der Stern seine weite Bahn.

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Genauso geschah es in den folgenden Nächten. Da erfasste den Häuptling eine große Sehnsucht. Silbermond rief sein Volk zusammen und sagte:

»Ihr wisst es alle wohl, der, der die Sterne lenkt, hat jedem Menschen einen Stern am Himmel gegeben. Aber es ist ein neuer, ein ganz besonderer Stern aufgegangen. Er überstrahlt alle anderen Gestirne. Es muss der Stern eines mächtigen Königs sein. Ich will mich aufmachen, seinem Laufe folgen und den König der Könige suchen.«

»Wie lange wirst du fortbleiben?«, fragten ihn die Ältesten seines Stammes.

»Ich weiß es nicht«, antwortete Silbermond.

Da warnten sie den Häuptling und sagten: »In der Fremde, da lauern viele Gefahren. Du solltest deinen Entschluss noch einmal überdenken!«

Silbermond antwortete: »Ich habe es mir lange überlegt. Aber eine Stimme in mir spricht: ›Folge dem Stern.‹ Ich werde dieser Stimme gehorchen. Morgen mit dem ersten Licht breche ich auf.«

»Und was wird aus uns? Was wird aus unserem Stamm?«, fragten sie ihn.

»Solange ich fort bin, wird mein Bruder Schneller Hirsch euer Häuptling sein«, bestimmte Silbermond.

Die Ältesten wiegten nachdenklich die Köpfe, doch schließlich sagte einer: »Niemand kann die Vögel halten, wenn sie im Herbst nach den wärmeren Ländern fliegen. Lassen wir Silbermond also ziehen. Wir werden mit unseren Gedanken bei ihm sein.«

Der Stamm wollte den Häuptling nicht ohne Geschenke in die Fremde gehen lassen. Auch sollte er während der Reise an Speise und Trank keinen Mangel leiden. Es wurden Maisbrot, Trockenfleisch und drei Krüge bereitgestellt, je ein Krug mit Öl, mit Wasser und mit wildem Honig.

Zu den Geschenken für den neuen König gehörten ein Armreif aus purem Gold, ein bunt gewebter Umhang, eine Brosche aus Jade, ein weiches Bärenfell, eine Halskette aus grün schimmernden Türkisen, kunstvoll bestickte Schuhe aus Hirschkalbleder, eine warme Mütze, ganz mit Eiderdaunen ausgepolstert, und ein Beutel mit Goldkörnern. Das alles wurde drei kräftigen Lamas auf den Rücken geladen. Schließlich blieb nichts mehr zu tun.

Schneller Hirsch legte dem Bruder seine Hände auf die Schultern und sagte: »Schau nicht links, schau nicht rechts. Geh deinen Weg und scher dich nicht drum, was um dich herum geschieht. Machst du es anders, so wirst du dein Ziel verfehlen.«

Silbermond nahm Abschied. Als er zu seiner alten Mutter kam, da legte sie ihm ihren eigenen kostbaren Halsschmuck um. Sie hatte ihn viele Jahre zuvor als Brautschmuck von ihrer Mutter bekommen. Es war eine dünne goldene Kette, an der eine kostbare Perle befestigt war.

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»Hüte den Schmuck wie deinen Augapfel«, sagte die Mutter. »Wenn du einmal mutlos und traurig bist, so taste nach der Perle und sogleich wird es dir besser gehen.« Dann fügte sie leise hinzu: »Schau nach links, schau nach rechts und geh deinen Weg. Aber vergiss niemals den Menschen, der deine Hilfe nötig hat. Sonst wirst du dein Ziel nicht erreichen.«

Endlich brach Silbermond auf. Die Frauen, Männer und Kinder winkten ihm noch lange nach.

Elf Tage war Silbermond schon unterwegs. Er zog durch eine weite Ebene. Jeden Morgen sah er den weißen Stern und richtete seine Schritte nach dem Lauf dieses Gestirns. Wenn der Stern schließlich fern hinter dem Gebirge verschwand, merkte Silbermond sich genau die Richtung, in die er tagsüber gehen musste.

Er dachte: Bin ich erst auf den Berghöhen, dann werde ich sehen, wo der weiße Stern sich zur Ruhe niederlegt.

Am zwölften Tag wurde die Gegend hügelig. Das Felsengebirge war näher gerückt und erhob sich wie eine düstere Wolkenwand am Horizont. Silbermond schaute sich wie jeden Abend nach einem Nachtlager um. Da sah er plötzlich aus dem Eingang einer Höhle Rauch hervorquellen. Er führte seine Lamas vorsichtig näher, aber es zeigte sich kein Mensch.

Schau nicht links, schau nicht rechts, hatte sein Bruder gesagt, aber seine Mutter hatte ihm anders geraten. Silbermond zögerte eine Weile, dann schritt er in die Höhle hinein. Im Schein des Feuers erkannte er eine Frau und drei Mädchen. Sie duckten sich ängstlich in eine Ecke. Silbermond sprach sie freundlich an und bald wusste er, dass er zur rechten Zeit gekommen war.

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Die Frau berichtete ihm, dass ihr Mann vierzehn Tage zuvor zur Jagd aufgebrochen war. Er war nicht zurückgekehrt. Sie und ihre Töchter hatten vergebens nach ihm geforscht.

»Alles, was wir an Vorräten besaßen, ist seit Tagen aufgezehrt. Wir leiden großen Hunger«, klagte die Frau.

Silbermond packte das Brot und das Fleisch aus und gab von allem, auch vom Honig aus dem Krug, und er versprach der Frau: »Ich werde gleich morgen nach deinem Mann suchen.«

Er durchstreifte tagelang die Gegend in weitem Umkreis, aber auch er fand den Jäger nicht. Das Brot und das Fleisch, das er mitgebracht hatte, gingen bald zur Neige. Da nahm Silbermond Pfeil und Bogen und begab sich auf die Jagd. Die beiden ältesten Töchter des Jägers, zwölf und vierzehn Jahre alt, nahm er mit. Er erbeutete ein Hirschkalb. Sie brieten das Fleisch und es war ein köstliches Mahl.

Jeden Tag in der Morgendämmerung hielt Silbermond Ausschau nach dem weißen Stern. Gern wäre er ihm nachgezogen. Er wusste jedoch, dass er noch nicht aufbrechen konnte. Ohne ihn war die Familie des Todes.

In den folgenden Wochen brachte er den Mädchen das Fischen und Jagen bei. Eines Tages machten sie sich auf und gingen allein zur Jagd. Sie brachten zwei Hasen und einen Truthahn als Beute nach Hause.

In der Frühe des nächsten Tages machte Silbermond sich auf und wanderte weiter, dem weißen Stern nach.