Nr. 462
Der Wissende
Er überlistet seine Entführer – und fliegt zur grünen Sonne
von CLARK DARLTON
Auf Terra schreibt man Mitte Dezember des Jahres 3437. Perry Rhodan, Regierungschef und Begründer des Solaren Imperiums der Menschheit, hält sich mit der MARCO POLO, dem neuesten und mächtigsten Fernraumschiff der Solaren Flotte, seit geraumer Zeit in NGC 4594, der Heimatgalaxis der Cappin-Völker, auf.
Perry Rhodan, von achttausend Terranern und Bewohnern anderer Welten der Milchstraße begleitet, will sich Gewissheit darüber verschaffen, was in »Gruelfin«, wie NGC 4594 von den Cappins genannt wird, wirklich vorgeht – und ob die Takerer tatsächlich eine Invasion der Milchstraße planen. Ovaron hingegen, dem die MARCO POLO zu einer Rückkehr in seine Heimatgalaxis verholfen hat, interessiert sich vor allem dafür, was aus dem vor 200 Jahrtausenden von ihm regierten Volk der Ganjasen geworden ist.
Der Archivplanet der Moritatoren, auf dem ein Spezialistenteam der MARCO POLO landen und die seit Jahrtausenden gespeicherten Informationen durchforschen durfte, hätte eigentlich all die Komplexe zur Klärung bringen können, an denen Perry Rhodan und Ovaron interessiert sind. Aber es kam nicht dazu, denn das Kontrollkommando der Takerer beendete abrupt die Untersuchungen der Terraner, indem es den Archivplaneten vernichtete.
Nur dank Perry Rhodans und seiner Leute schnellem Eingreifen konnten die Bewohner des Archivplaneten dem Untergang ihrer Welt entgehen und auf dem Planeten Haygasch Zuflucht finden.
Was aber ist inzwischen mit Schekonu geschehen? Der verschollene Moritator ist für die Terraner und die Takerer gleichermaßen eine Schlüsselfigur. Schekonu ist in der Lage, den rechtmäßigen Ganjo zu identifizieren – denn Schekonu ist DER WISSENDE ...
Die Hauptpersonen des Romans
Perry Rhodan – Der Großadministrator wird ungeduldig.
Schekonu – Der Wissende überlistet seine Entführer.
Abschena – Ein vorbildlicher Gastgeber.
Farenda – Kommandant eines Entführerschiffs der Takerer.
Trotter – Bewohner eines zerstörten Planeten.
Grummel und Brummel – Trotters jüngere Brüder.
Gucky – Der Mausbiber stoppt einen Riesenbären.
1.
Die Sterneninsel NGC 4594, auch »Sombrero-Nebel« genannt, war elf Parsek von der Erde entfernt, etwa sechsunddreißig Millionen Lichtjahre.
Einhundertzwanzig Milliarden Sonnen!
Und eine davon war die rote Sonne Arnsot, die von drei Planeten umkreist wurde. Sie stand abseits der üblichen Verkehrslinien einsam und scheinbar vergessen in der Unendlichkeit. Auf vielen Sternkarten der Takerer war sie nicht einmal verzeichnet.
Der zweite Planet der roten Sonne Arnsot hieß Haygasch. Er war bewohnt, wenn auch nur von dreitausend Technikern der Moritatoren.
Denn Haygasch war eine Reparaturwelt. Moritatoren, deren Schiffe einer Reparatur oder der Überholung bedurften, kamen nach Haygasch. Riesige Werftanlagen auf und unter der Oberfläche waren in der Lage, selbst komplizierteste Arbeiten durchzuführen. In der Nähe der Wohnsiedlung der Techniker lag ein Raumflughafen, auf dem nur wenige Schiffe zu sehen waren, meist die kleinen pyramidenförmigen Raumfahrzeuge der Techniker und Moritatoren.
Seit mehr als einer Woche jedoch stand auf diesem Raumflughafen ein gigantisches Gebilde, das nicht hierher zu passen schien. Es war eine riesige Kugel mit zweieinhalb Kilometern Durchmesser, der terranische Kugelraumer MARCO POLO.
Rhodan hatte beschlossen, auf der friedlichen Welt der Moritatoren abzuwarten, ob die Nachforschungen nach dem Verbleib des von den Takerern entführten »Wissenden« erfolgreich waren oder nicht. Es war Atlan mit der MARCO POLO nicht gelungen, die vier Schiffe der Takerer zu stellen. Sie hatten sich getrennt und waren ihm entkommen.
Und an Bord eines der Schiffe befand sich der Entführte.
Ein »Wissender«, ein Moritator von besonderer Art.
Einer, der Ovaron als den lange erwarteten Ganjo identifizieren konnte.
Er konnte somit genau das, was die Takerer unter allen Umständen verhindern mussten, wenn sie ihren Herrschaftsanspruch auf NGC 4594 aufrechterhalten wollten.
Der Chef der Techniker auf Haygasch, der Moritator Abschena, gab sich alle Mühe, seinen Gästen den Aufenthalt auf seiner Welt so angenehm wie möglich zu machen. Fast täglich veranstaltete er in seinem geräumigen Wohnhaus gesellige Abende, oft sogar richtige Gartenparties unter dem mit Sternen übersäten Himmel. Bei diesen Gelegenheiten lernten Rhodan und seine Freunde die führenden Techniker kennen, und besonders Abschenas Sohn, Schewaba, hielt sich meist bei den Terranern auf. Er behauptete sogar, die MARCO POLO inzwischen besser zu kennen als die Werften auf Haygasch.
Rhodan hatte sechstausend Moritatoren mitgebracht, die er – im wahrsten Sinne des Wortes – aus der Hölle geholt hatte. Die Takerer waren skrupellos genug gewesen, die wertvolle Archivwelt Molakesch durch einen Atombrand zu vernichten. Die Rettung der sechstausend Cappins hätte Rhodan und seinen Leuten fast das Leben gekostet, aber die Tat überzeugte die Moritatoren davon, in den Terranern wahre Freunde zu besitzen, auf die man sich verlassen konnte.
Und sie zeigten sich dankbar, indem sie alles taten, um ihnen zu helfen. Durch die fremde Galaxis eilten mit milliardenfacher Lichtgeschwindigkeit die geheimnisvollen Funksignale der Dakkarkome und baten um Auskunft.
Rhodan war in die Heimatgalaxis der Cappins gekommen, um herauszufinden, ob eine Invasion der Milchstraße geplant wurde. Der zweite Grund hieß Ovaron. Er, den Rhodan mit dem Nullzeitdeformator aus fernster Erdvergangenheit geholt hatte, wollte in seine Heimat zurückkehren, um sein von den Takerern gestohlenes Erbe zurückzuholen.
Am 10. Dezember des Jahres 3437 Erdzeit suchte Rhodan Abschena allein auf, um sich nach dem Stand der Dinge zu erkundigen.
Der alte Moritator bat seinen Gast, Platz zu nehmen. Sie saßen im Garten und wurden von Robotern bedient, die Abschena eigens zu diesem Zweck hatte konstruieren lassen.
»Es kamen erst sehr wenig Informationen herein, mein Freund. Sie dürfen niemals die Geduld verlieren.«
»Ich darf aber auch keine Zeit verschwenden, Abschena.«
»Sie würden nicht mehr erfahren, wenn Sie planlos suchten. Glauben Sie mir, meine Anfragen werden durch die ganze Galaxis verbreitet. Die Moritatoren, die sie empfangen, leiten sie weiter, wenn sie keine Antwort haben. Einmal müssen wir auf einen stoßen, der mehr weiß. Und er wird seine Informationen sofort an uns zurücksenden. Sicher, auch wieder auf Umwegen und über zahlreiche Relaisstationen, aber ihr Ziel wird immer Haygasch sein, unser kleiner, unbedeutender, und darum auch unbekannter Planet. Nur das Warten bringt Sie weiter, Rhodan.«
»Ich weiß, dass Sie recht haben, aber das untätige Herumsitzen bringt mich fast zur Verzweiflung. Sie müssen das verstehen, Abschena. Sie sind gastfreundlich zu uns, Sie tun alles, uns das Leben hier angenehm zu machen, sie verzeihen sogar unserem kleinen Gucky seine oft nicht gerade taktvollen Späße. Aber ...«
Abschena unterbrach ihn lächelnd.
»Ist er mit seinem von mir überreichten Orden zufrieden, oder hat er schon bemerkt, dass nicht nur er Späße machen kann?«
»Er trägt es voller Stolz, das Kontrollrädchen für den Dakkarkom. Und wenn ich ehrlich sein darf – es sieht in der Tat wie ein Orden aus. Besonders die eingravierten Runen verstärken diesen Eindruck.«
»Wichtig ist, dass er sich darüber freut. Nun aber zurück zu unserem Thema, Perry Rhodan. Ich fühle mit Ihnen und verstehe Ihre Ungeduld. Aber Sie müssen warten. Es hätte wenig Sinn, die Takerer selbst zu fragen.«
Rhodan winkte einem der Roboter, der sofort gehorchte und ihm Wein einschenkte. Die Techniker verstanden es, einen vorzüglichen Wein herzustellen.
»Seien Sie ehrlich, Abschena, glauben Sie noch immer nicht, dass Ovaron jener Ganjo ist, dessen Wiederkehr die Moritatoren seit Jahrtausenden verkünden? Haben Sie immer noch Zweifel, obwohl wir uns doch ehrlich darum bemühen, einen ›Wissenden‹ herbeizuschaffen, einen Moritator also, der den Ganjo identifizieren kann?«
Abschena sah Rhodan prüfend an, dann nickte er: »Ja, ich habe noch Zweifel. Bitte, nicht an Ihrer Ehrlichkeit, Rhodan, aber könnte nicht Ovaron ein Betrüger sein, oder einfach jemand, der von etwas fest überzeugt ist, was nicht stimmt? Ich will damit sagen, es könnte doch sein, dass Ovaron selbst von guten Absichten beseelt ist, vielleicht selbst überzeugt ist, der Ganjo zu sein – und trotzdem könnte es nicht stimmen, und er lügt, ohne es zu wissen.«
»Ich halte das für ausgeschlossen, Abschena. Es gibt Beweise für seine Echtheit. Sie wurden von den Takerern gefälscht – allein das ist schon Beweis genug, dass sie Ovaron ernst nehmen. Würden sie das tun, wenn Ovaron ein Betrüger wäre?«
Abschena zögerte die Antwort hinaus, indem er sich Wein nachschenken ließ. Erst als der Roboter wieder abwartend am Kopfende des Tisches stand, erwiderte er: »Gerade die Reaktion der Takerer ist es, die mir zu denken gibt. Sie sind Taktiker, kluge Taktiker. Sie wissen, dass der echte Ganjo ihr Gewaltregime stürzen könnte. Gerade indem Sie sich nun so sehr um ihn kümmern, könnten sie den Einfluss eines falschen Ganjos hochspielen, zu ihrem eigenen Nutzen. Wenn sie ihn später entlarven, wäre der Sturz um so tiefer. Einen echten Ganjo würden sie vielleicht total ignorieren, um seine Bedeutung zu verringern. Ich sage Ihnen, Rhodan, ich kenne keine verschlageneren Intelligenzen als die Takerer.«
»Ihre Brutalität jedenfalls haben auch wir zu spüren bekommen. Sie haben einen ganzen Planeten vernichtet, um wichtige Unterlagen zu beseitigen. Das Leben von Tausenden von Moritatoren, die doch als unantastbar gelten, war ihnen gleichgültig.«
»Die Takerer haben uns für ihre Zwecke missbraucht, das dürfte nun feststehen. Ich frage mich nur, ob es etwas mit ihren Plänen zu tun hat, Ihre Galaxis zu überfallen. Das ist es, was Sie wissen müssen, und Sie werden es erfahren – wenn Sie genügend Geduld aufbringen und warten.«
Rhodan seufzte und trank. Der Wein war wirklich vorzüglich. Er begann zu verstehen, warum Gucky in den letzten Tagen mehrmals einen über den Durst getrunken hatte.
»Wir warten«, versprach er. »Wir werden warten.«
*
Zwei Tage später trafen die ersten Informationen ein, die den entführten »Wissenden« betrafen.
Abschena landete mit seinem Gleiter unmittelbar neben der MARCO POLO und stieg aus. Sein Sohn begleitete ihn. Rhodan und Atlan wurden unterrichtet. Sie befanden sich gerade mit Professor Waringer auf einem Rundgang durch die Konverterräume, ließen aber alles liegen und stehen, als sie über Interkom von dem Besuch unterrichtet wurden.
Ovaron und Merceile ließen es sich nicht nehmen, Abschena und Schewaba ebenfalls zu begrüßen. Sie wollten sich wieder entfernen, als der Chef der Techniker den Grund seines Besuches angab, aber Abschena hielt sie zurück.
»Bitte, bleiben Sie, Ovaron. Die Informationen werden auch Sie interessieren, Sie sogar ganz besonders. Wir haben ja alle ein Interesse daran, dass Ihre Identität geklärt wird. Und das kann nur ein Wissender. Wir wissen nun, wer er ist.«
»Haben die Takerer ihn freigelassen?«, fragte Rhodan ungläubig.
»Natürlich nicht, wir haben nur seinen Namen erfahren, das ist alles. Mehr als zweihundert Schiffe der Moritatoren haben sich auf die Suche nach ihm gemacht. Er ist bekannt und beliebt, und sein Name lautet Schekonu.«
»Was nützt uns ein Name?«
»Viel, sehr viel. Ich kann mich entsinnen, Schekonu bereits begegnet zu sein. Es muss hier auf Haygasch gewesen sein. Vielleicht landete er hier, um sein Schiff überholen zu lassen. Ich weiß es nicht mehr, denn es muss schon lange her sein. Schon damals besaß er einen guten Ruf. Man sagt ihm sogar suggestive Kräfte nach, obwohl er noch relativ jung ist.«
»Ein Mutant?«
»Nein, nicht in dem Sinne wie Ihr Teleporter Ras Tschubai oder der Telepath Fellmer Lloyd. So nicht, Rhodan. Aber ich bin überzeugt, seine Persönlichkeit wird ihren Eindruck auf Sie nicht verfehlen, falls Sie ihm jemals begegnen sollten.«
»Wenn er nicht gefunden wird, muss eben ein anderer Wissender Ovaron identifizieren.«
»Schekonus Entführung wurde bekannt. Die anderen Wissenden werden sich hüten, Ihnen ihre Hilfe anzubieten. Sie brächten sich nur in Gefahr.«
»Dann würde aber auch bekannt, dass die Takerer eine Identifizierung Ovarons verhindern wollen. Und jeder würde wissen, dass sie ihre guten Gründe dafür haben. Glauben Sie nicht auch, dass ein solcher Gedankengang gerade die Wissenden neugierig machen könnte?«
Abschena nickte nachdenklich.
»Da haben Sie wieder recht, ich muss Ihnen zustimmen. Jedenfalls bin ich nun in der glücklichen Lage, eine reguläre Suchmeldung über unser Nachrichtennetz ausstrahlen zu lassen. Aus vagen Verdachtsmomenten wurde Gewissheit. Wir wissen, wen wir suchen.«
»Befürchten Sie nicht selbst, Schwierigkeiten mit den Takerern zu bekommen, Abschena?«
»Wie denn? Die Takerer fangen zwar unsere Dakkarsendungen auf, aber sie können nichts damit anfangen, und noch niemals hat es unter den Moritatoren einen Verräter gegeben. Diese Vorsicht macht sich heute bezahlt. Denn ich muss Ihnen noch etwas mitteilen. Ich hatte in den vergangenen Tagen Gelegenheit, mit einigen der von Ihnen geretteten Moritatoren des Archivplaneten zu sprechen. Ihre Aussagen haben mich sehr nachdenklich gestimmt. Sie erinnern sich doch sicherlich noch unseres Gespräches, vorgestern im Garten?«
Rhodan bejahte das. Und ob er sich erinnerte!
»Ich kann, wie Sie verstehen werden, mit einer bloßen Vermutung nichts anfangen, auch nicht mit dem bloßen Glauben daran, dass Ovaron der lang erwartete Retter unserer Galaxis, der Ganjo, ist. Wir brauchen die Gewissheit, den Beweis! Vielleicht lag er auf Molakesch, der Archivwelt. Vielleicht wurde sie wirklich nur deshalb von den Takerern vernichtet. Die Moritatoren, die Sie von dort mitbrachten, glauben es wenigstens.«
»Zumindest streiten Sie nun nicht mehr ab, dass die Möglichkeit besteht, Ovaron ...«
»Ich habe es niemals abgestritten, Rhodan, ich habe nur Beweise verlangt. Niemand wäre glücklicher als ich, wenn diese Beweise erbracht werden könnten.«
»Sie helfen mir dabei«, sagte Rhodan in versöhnlichem Ton. »Ich bin oft ein wenig ungehalten – verzeihen Sie mir meine Ungeduld.«
Abschena winkte ab und sah Ovaron an.
»Eigentlich wäre es an mir, Ovaron um Verzeihung zu bitten – meiner Zweifel wegen. Aber ich trage Verantwortung, eine Menge Verantwortung, und kann mich nicht auf Dinge einlassen, die ein Sternenreich erschüttern können. Die Rache der Takerer wäre furchtbar, und die Folgen für uns nicht abzusehen. Erst wenn der echte Ganjo auftaucht, können wir sicher sein, alle Völker dieser Galaxis hinter uns zu haben, und dann: wehe den Takerern!«
»Mit unserer Unterstützung können Sie rechnen«, sagte Rhodan einfach.
Abschena horchte auf, als er ein feines Klingeln vernahm. Die anderen hatten es auch gehört, achteten aber nicht darauf.
»Was war das? Es kommt näher ...«
Atlan zuckte die Schultern.
»Nicht darauf achten, Abschena, und denken Sie nur jetzt nicht an Orden oder Kontrollrädchen, sondern an ganz andere Dinge. Zum Beispiel an heute Abend, oder was immer Sie wollen ...«
Es war Gucky, der Mausbiber.
Er kam hinter Abschenas Gleiter hervorspaziert, mit geschwellter Brust und baumelnden Orden. Das Prachtstück hing in der Mitte, ein rundes Metallplättchen mit Eingravierungen.
Abschenas Auszeichnung für besondere Verdienste.
Gucky genoss die allgemeine Bewunderung, nickte Terranern und Moritatoren gnädig zu – und ging weiter. Er hoffte immer wieder, dass er jemand begegnete, der den neuen Orden noch nicht gesehen hatte.
»Ich fürchte«, flüsterte Atlan, »er hat die Uniform seit einer Woche bald nicht mehr ausgezogen. Er schläft sicher damit.«
Ovaron flüsterte zurück: »Sie sind leichtsinnig, Atlan! Wenn er espert ...«
»Der hat jetzt zum Glück andere Sorgen«, meinte Atlan beruhigend. »Sehen Sie nur – er marschiert auf die Gruppe Männer zu, die es sich im Schatten der Teleskopstützen bequem gemacht haben. Er lässt sich feiern, wie ich ihn kenne. Keine Zeit zum Gedankenlesen.«
»Nun ja«, sagte Abschena belustigt. »So hat eben jeder seine Sorgen. Aber um Atlans Bemerkung aufzugreifen – Sie sind heute Abend doch wieder meine Gäste?«
Rhodan schüttelte den Kopf.
»Sie irren, Abschena. Heute Abend werden Sie unser Gast sein, und zwar an Bord der MARCO POLO. Wir haben vor, Ihnen einige unserer Filme vorzuführen. Sie sollen unsere Heimat, den Planeten Erde, kennenlernen. Wir sind gespannt, was Sie dazu sagen werden.«
»Ich komme gern«, versprach Abschena.
»Sie, Ihr Sohn und jeder, den Sie mitbringen möchten.«
Rhodan wartete, bis der Gleiter mit den beiden Technikern gestartet war, dann sagte er zu Atlan und Ovaron: »Wie lange bleiben wir noch? Diese Untätigkeit geht mir auf die Nerven. Unseren Leuten auch. Die CMP-1 ist wieder einsatzbereit und steht im Hangar. Nichts hält uns hier.«
»Uns hält sehr viel hier fest«, widersprach Atlan und erntete einen beifälligen Blick von Merceile, die sich auf Haygasch richtig heimisch zu fühlen begann. »Vor allen Dingen die Verpflichtung Abschena gegenüber. Er hat alle Hebel in Bewegung gesetzt, um Informationen zu erhalten. Wir können ihn jetzt nicht allein lassen.«
Rhodan nickte ihm zu.
»Du hast natürlich recht, alter Freund. Wir müssen warten.«
Und sie blieben weiterhin auf Haygasch, einer Welt, die von den Takerern vergessen worden war.
2.
Er war schon seit zwei Wochen ihr Gefangener.
Über schlechte Behandlung konnte er sich nicht beklagen, wenn es ihm auch an Bewegungsfreiheit fehlte. Die Takerer hatten ihn in eine Zelle gesperrt, die recht wohnlich eingerichtet war. Eine kleine Mikrobücherei stand zu seiner Verfügung, und über den Interkom konnte er jederzeit mit dem Kommandanten sprechen. Der Bildschirm allerdings galt weniger seinem Vergnügen, als dem Zweck, ihn leichter überwachen zu können.