Nr. 479
Ganjo-Alarm
Guckys großes Abenteuer auf der Wasserwelt – ein Fischmensch startet den künstlichen Mond
von CLARK DARLTON
Auf Terra und den anderen Welten des Solaren Imperiums schreibt man Ende März des Jahres 3438. Somit sind seit dem Start der MARCO POLO in die Heimatgalaxis der Cappins mehr als acht Monate vergangen. Acht Monate, die der Expedition der achttausend eine Fülle von Abenteuern und gefahrvollen Situationen bescherten.
Doch auch im Bereich der Menschheitsgalaxis ist es in der Zwischenzeit nicht ruhig und friedlich geblieben. Auf dem Planeten der Freihändler, dem für die Wirtschaft des Solaren Imperiums eminent wichtigen Umschlagplatz, begann die »Invasion der Schatten«, aus der sich eine wahre Schlacht gegen einen Gegner entwickelte, der überall blitzartig zuschlug und sich nirgends zum Kampf stellen ließ.
Inzwischen ist dank Ribald Corellos Einsatz gegen den Pedopeiler der Cappin-Spuk beseitigt und die »Schlacht um Olymp« zugunsten der Terraner entschieden worden.
Dies geschah in den Märztagen des Jahres 3438 in der Galaxis. Was aber geschieht inzwischen in NGC 4594 und an Bord der MARCO POLO? – Wir blenden um nach Gruelfin.
Das riesige Schiff der Terraner umkreist Punkt Davis, eine kleine rote Sonne, die nur 62 Lichtjahre vom Zentralsystem des Taschkars entfernt ist. Die Terraner machen Erkundungsvorstöße und warten.
Und dann, urplötzlich, ist die Wartezeit zu Ende. Die Dinge beginnen sich zu überschlagen, und die MARCO POLO nimmt Fahrt auf, denn eine Welt gibt GANJO-ALARM ...
Die Hauptpersonen des Romans
Perry Rhodan – Der Großadministrator wartet auf neue Impulse.
Atlan, Ovaron und Ras Tschubai – Perry Rhodans Begleiter beim Flug zur Wasserwelt.
Gucky – Der Mausbiber rettet einen Fischmenschen.
Scharam – Ein guter Jäger.
Hamart, Guyl und Dronal – Drei ungleiche Freunde.
PRX-64 – Ein Kontrollroboter.
1.
Immer noch galt Punkt Davis, die kleine rote Sonne, als sicherer Orterschutz und Stützpunkt der Terraner in der Galaxis NGC 4594, mehr als zweiunddreißig Millionen Lichtjahre von der heimatlichen Milchstraße entfernt.
Punkt Davis!
Die rote Sonne stand zweiundsechzig Lichtjahre von dem Deep-Purple-System, der Heimat der Takerer. Für interstellare Raumschiffe keine nennenswerte Entfernung, aber es kam ja nicht immer auf Entfernung an. Es kam darauf an, sein Ziel zu kennen. Und es gab keinen Takerer, der die kleine rote Sonne verdächtigt hätte, den Terranern als Orterschutz zu dienen.
So konnte es geschehen, dass die MARCO POLO, Rhodans Flaggschiff, unbemerkt und unbehelligt um den namenlosen Stern kreiste, der seinen provisorischen Titel »Punkt Davis« lediglich von den Terranern erhalten hatte.
Nach dem Tod des Taschkars und der Machtübernahme durch Ginkorasch, dem ehemaligen Chef der takerischen Geheimpolizei, hatte sich die Situation auf dem Hauptplaneten Takera grundlegend geändert. Wie jeder Diktator räumte auch Ginkorasch mit seinen alten Gegnern auf und ließ sie erbarmungslos verfolgen und töten. Er ging kein Risiko ein.
Es konnte jedoch jeden Augenblick geschehen, dass der neue Taschkar mit seinen Sorgen fertig wurde und sich jenem Problem zuwandte, dem er seine Machtergreifung zu verdanken hatte. Denn Rhodan war es gewesen, der den alten Taschkar im Kampf getötet hatte. So war es Ginkorasch möglich gewesen, das Erbe des Verstorbenen zu übernehmen. Und damit übernahm er auch die Aufgabe, die Milchstraße zu erobern.
Das war der Grund, warum Rhodan noch wartete und den Rückflug zur Milchstraße immer wieder verschob, ganz abgesehen von der Tatsache, dass Ovaron sein Ziel – das Auffinden der verschollenen Ganjasen – noch nicht erreicht hatte.
Die internen Wirren im Deep-Purple-System gingen Rhodan nichts an. Er hatte nicht die Absicht, sich in die Angelegenheit fremder Völker zu mischen, solange er von ihnen in Ruhe gelassen wurde. Das allerdings war nicht der Fall. Die Takerer hatten heimlich Pedostationen in der Milchstraße installiert und versucht, maßgebende Persönlichkeiten durch Pedopeilung zu übernehmen, entsprechend zu beeinflussen und damit die Macht zu ergreifen. Die Invasion hatte bereits begonnen, war jedoch von Reginald Bull und dem stets wachsamen Chef der Solaren Abwehr, Galbraith Deighton, in ihren Anfängen vereitelt worden.
Rhodan hatte somit jeden Grund, die weitere Entwicklung im Sombrero-Nebel abzuwarten.
Obwohl er von den Ereignissen in der Milchstraße nichts wusste, ahnte er zumindest, dass die Takerer auf keinen Fall versäumen würden, ein zweihunderttausend Jahre altes Versäumnis nachzuholen.
Immerhin gab es einen Umstand, der seine Lage erleichterte. Das Raumschiff der Moritatoren war inzwischen in der Unendlichkeit zwischen den Sternen verschwunden. Lavascha, der »Dröhnende«, hatte es vorgezogen, das Deep-Purple-System zu verlassen und zu seinem geheimen Stützpunkt zurückzukehren. Er hatte den Terranern geholfen, aber er war nicht gewillt, weitere Risiken auf sich zu nehmen.
Rhodan war sich nicht im klaren, worauf er eigentlich in diesem Stadium der Entwicklung wartete. Zwar war es ihm möglich, die Situationen auf Takera mit Fernaufklärern ständig zu beobachten, aber ihm fehlte jede Möglichkeit, in die Geschehnisse einzugreifen. Er konnte nur zusehen und abwarten.
Warten ... worauf?
Ovaron wusste es auch nicht. Er, der in seine Heimatgalaxis zurückgekehrt war, um das verschollene Volk der Ganjasen zu finden, war seinem Ziel um keinen Schritt nähergekommen. Er hatte nur erfahren, dass die Takerer mit unvorstellbarer Grausamkeit die Herrschaft über eine einst friedliche Galaxis übernommen und im Verlauf von zwei Jahrhunderttausenden gefestigt hatten. Die Ganjasen waren verschwunden. Es schien sie nicht mehr zu geben. Oder sollte man die Moritatoren, die auf die Rückkehr des Ganjos warteten, zu ihnen zählen?
Niemand wusste es, auch Ovaron nicht.
*
Rhodan hatte gerade einige Stunden geschlafen und kehrte erfrischt in die Kommandozentrale zurück, wo Atlan ihn mit einem Kopfnicken begrüßte. Er deutete auf den nicht besetzten Kontursessel des Kommandanten.
»Du kommst gerade richtig, um die Berichte der Fernaufklärer entgegenzunehmen, Perry. Eine neue Staffel ist unterwegs und hat die vorherige abgelöst. Der Kommandant der Space-Jet, der das Unternehmen leitete, wird sich in Kürze zum Rapport melden.«
Rhodan nahm Platz.
»Fein, Atlan. Dann bin ich ja wieder auf dem laufenden. Sonst nichts Neues?«
»Das Übliche. Auf Takera herrscht das Chaos, und Ginkorasch lebt sich ein. Seine neue Rolle scheint ihm Spaß zu machen, und eigentlich müsste er uns ja dankbar sein. Ich beginne mich zu wundern, warum er nicht schon früher etwas unternommen hat, um den alten Taschkar zu beseitigen.«
»Das wäre wohl zu gefährlich gewesen, und außerdem lässt sich die Schaltautomatik nicht so leicht betrügen. Die Anlagen hätten Ginkorasch entlarvt und ihm den Gehorsam verweigert. Heute liegt die Sache anders. Ginkorasch wurde anerkannt, und nun ist er der absolute Herrscher.«
»Die Takerer bekommen es zu spüren.« Atlan gähnte. »Entschuldige, Perry, ich bin müde. Bis später.«
Rhodan studierte die Bildschirme der Fernortung, aber die Entfernung zum Deep-Purple-System war zu groß, um Einzelheiten erkennen zu lassen. Die Echos verrieten immerhin gewaltige Flottenansammlungen außerhalb des Systems. Der neue Taschkar schien sich seiner Kommandeure und Offiziere noch immer nicht ganz sicher zu sein, obwohl die Säuberungsaktion bereits beendet war. Die Schiffe erhielten noch keine Landeerlaubnis und mussten draußen im Raum die Entwicklung abwarten.
Rhodans Vermutungen wurden bestätigt, als der junge Major der Aufklärerstaffel Bericht erstattete: »Wir näherten uns Deep Purple mit der angebrachten Vorsicht, um nicht geortet zu werden, Sir. Vielleicht hätte man uns entdeckt, aber es sieht so aus, als hätten die Takerer im Augenblick genug mit sich selbst zu tun. Ohne jede ersichtliche Ordnung und in aufgelöster Formation umkreisen ihre Schiffe das System, Lichtstunden von Takera entfernt. Einem unserer Jäger gelang es, diesen Ring unbemerkt zu durchbrechen und bis in die Nähe des Hauptplaneten vorzustoßen. Seine Beobachtungen wurden aufgezeichnet. Der Film steht Ihnen in wenigen Minuten zur Verfügung. Wünschen Sie einen Vorbericht?«
»Waren Einzelheiten zu erkennen?«
»Ja, Sir. In der Hauptsache konnte unser Aufklärer Bildsendungen empfangen, die von den takerischen Sendern ausgestrahlt wurden. Sie bestätigte das, was wir bereits wissen. Es ist noch kein Ende der chaotischen Zustände abzusehen.«
»Wir können mit der Entwicklung zufrieden sein«, sagte Rhodan und nickte dem Offizier zu. »Danke, Major. Ich warte dann auf den Film.«
Er lehnte sich zurück und betrachtete wieder den großen Panoramaschirm. Etwas seitlich erkannte er die rote Riesensonne Deep Purple, die von dreiunddreißig jetzt unsichtbaren Planeten umkreist wurde.
Fast wäre er erschrocken, als plötzlich ohne jede Vorankündigung Gucky dicht neben ihm aus dem Nichts materialisierte. Der Mausbiber schien wieder einmal in seinen Gedanken herumgeschnüffelt zu haben und war zu ihm teleportiert.
»Vielen Dank, dass du nicht auf meinen Füßen gelandet bist.«
Gucky grinste und rutschte auf den Nachbarsessel, in dem er sich bequem breitmachte. Eine Weile betrachtete er schweigsam den Bildschirm, dann schüttelte er den Kopf.
»Was gibt es darauf eigentlich zu sehen? Wenn du genau wissen willst, was auf Takera geschieht, musst du mich hinschicken. Die ganzen Vorstöße mit den Aufklärern sind sinnlos. Ja, ich weiß schon, was du mir sagen willst. Der Film, der mitgebracht wurde! Na und? Es handelt sich doch nur um aufgezeichnete Berichte, die durch die Zensur des Taschkars gingen. Wir sehen also nur das, was wir sehen sollen und was auch die Takerer sehen sollen.«
»Das genügt uns, Kleiner. Und wenn du meinst, ich würde dich nach Takera schicken, dann irrst du dich. Was im einzelnen dort vor sich geht, ist ohne Interesse für uns, und du würdest umsonst dein Leben riskieren. Auch du könntest nicht herausfinden, ob der Taschkar neue Maßnahmen zur Eroberung unserer Milchstraße einleitet oder nicht. Das wären zum Beispiel Informationen, die wichtig sind.«
»Dann bringe ich sie dir.«
Rhodan schüttelte den Kopf.
»Nicht jetzt, Gucky. Und nun versuche nicht, mich überreden zu wollen. Mein Entschluss steht fest: Du bleibst hier!«
Gucky grinste schon lange nicht mehr. Er wusste, dass er Rhodans Meinung nicht ändern konnte. Also tat er so, als sei ihm das völlig gleichgültig. Er rollte sich zusammen und schloss die Augen.
»War nur ein Vorschlag, Perry, und ich bin froh, dass du ihn abgelehnt hast. So ein Blödsinn, nach Takera gehen zu wollen! Ich wusste ja, dass du vernünftig genug sein würdest, mir nicht so einen verrückten Auftrag zu geben.«
»Warum hast du dann überhaupt gefragt?«
»Ein Test«, log der Mausbiber kaltschnäuzig. »Du hast ihn bestanden.«
»Danke«, sagte Rhodan und bemühte sich, nicht mehr daran zu denken. Einem Telepathen gegenüber würde er immer im Nachteil sein. »Wir können uns ja gleich zusammen den Film der Aufklärer ansehen.«
»War immer schon gern im Kino«, sagte Gucky gelangweilt und gab somit seine Zustimmung zu Rhodans Vorschlag.
Etwas später kamen Atlan und Ovaron in die Kommandozentrale.
Der Film lief ab, und er brachte in der Tat keine Besonderheiten.
Gucky fasste seinen Kommentar ungewohnt knapp ab. Er sagte: »Alter Schinken! Gute Nacht!«
Und damit verschwand er.
Atlan deutete auf den leeren Sessel.
»Ist er vielleicht böse? Ich kenne den Kleinen doch! Hat ihm der Film denn nicht gefallen?«
Rhodan lächelte.
»Zu wenig Aktion, nehme ich an. Er machte mir den Vorschlag, ein Aufklärer sollte ihn nach Takera bringen.«
»Sieht ihm ähnlich. Du hast natürlich abgelehnt?«
»Selbstverständlich. Ich bin froh, dass wir alle geborgen in der MARCO POLO sitzen und in Ruhe die weitere Entwicklung abwarten können. Wenn Gucky etwas passieren würde, müsste ich mir den Rest meines Lebens Vorwürfe machen.«
»Und das könnte unter Umständen sehr lange sein«, sagte Ovaron mit einem feinen Lächeln und berührte fast unbewusst seinen Zellaktivator, der an einer Kette auf seiner Brust hing. Er gab ihm das ewige Leben, und niemals würde er vergessen, dass es Gucky gewesen war, der ihn ihm umgehängt hatte.
Atlan sagte: »Wir können nur warten, und das tun wir jetzt bereits seit zehn Tagen.« Er sah hinüber zur Datumsuhr, die Erdzeit anzeigte. »Der 24. März ist heute, 3438! Ich möchte wissen, wie es auf der Erde jetzt aussieht. Was wird unser guter Bully machen? Oder Julian, Galbraith?«
Ovaron beugte sich vor und sah auf den Panoramaschirm.
Dann deutete er mitten hinein in das Gewimmel der Sterne.
»Die Antwort liegt dort, meine Freunde. Auch die Menschen haben geahnt, dass alle Antworten in den Sternen liegen. Sie machten daraus die Astrologie – eine Mischung aus Wahrheit und Lüge. Nur der Ursprung der Astrologie ist echt, nicht das, was daraus wurde.« Er lächelte. »Was ich damit sagen wollte: die Entscheidung liegt dort, irgendwo. Sie ist schon zu uns unterwegs. Wir brauchen nur zu warten.«
Rhodans Gesicht blieb ausdruckslos.
»Vielleicht haben Sie recht, Ovaron. Nur dürfen Sie nicht vergessen, dass wir zwei Entscheidungen und Antworten brauchen. Eine für Sie, die andere für uns. Sie suchen Ihr Volk, und ich suche Frieden und Sicherheit für unsere Galaxis. Beides können wir hier finden.«
»Ja, finden! Aber nicht erobern!«
Atlan sagte ruhig: »Ich verstehe nicht, warum ihr euch soviel Sorgen macht. Ein Urlaub tut nur gut – und Warten bedeutet schließlich so etwas wie Urlaub.«
»Dann haben wir noch genau einen Tag Urlaub«, eröffnete ihm Rhodan genauso ruhig.
»Was hast du vor?«
Rhodan deutete auf den Panoramaschirm.
»Wie Ovaron schon sagte: die Antwort liegt in den Sternen.«
Und Rhodan ahnte nicht, wie recht er hatte.
Denn die Antwort, was zu tun sei, war schon unterwegs zu ihnen.
Doch auch eine Antwort benötigt Zeit, wenn sie Lichtjahre zu überwinden hat ...
2.
Scharam schwamm langsam und vorsichtig durch das glasklare Wasser und näherte sich den Fischgründen. Er wusste, dass hier das Meer nicht sehr tief war und die Fische laichten. Natürlich würde es unvernünftig sein, die Muttertiere zu jagen, das wusste er als erfahrener Jäger. Aber Beute gab es immer.
Er gewann etwas an Höhe und blickte nach oben.
Hier war die Eisdecke zwei oder drei Meter dick und ließ etwas Tageslicht durch. Scharam besaß jedoch gute Augen, die sich an die unter Wasser herrschende Dunkelheit gewöhnt hatten. Außerdem war er ein Makrator und konnte bis zu einer Stunde unter Wasser bleiben, ohne einatmen zu müssen. Alle anderen Chamyros schafften höchstens zwanzig Minuten, dann würden sie ersticken.
Jeder Stamm der Chamyros hatte seine Makratoren, und jeder von ihnen tauchte dreimal so lang wie ein gewöhnlicher Chamyro. Das war der Grund, warum ein Makrator wie Scharam nichts anderes zu tun hatte, als Nahrung für den Stamm herbeizuschaffen.
Er sah die steil aufragenden Klippen schon von weitem. In der Nähe der Küste waren solche Klippen keine Seltenheit. Es gab sie aber auch draußen im Meer, weit von der Küste der Insel entfernt. Um von dem Einstiegloch in der Bucht bis hierher zu gelangen, hatte er fünfzehn Minuten benötigt. Das bedeutete, dass ihm eine halbe Stunde zur eigentlichen Jagd blieb.
Behutsam näherte er sich den Klippen. Er vermied jede hastige Bewegung, um die Fische nicht zu erschrecken, die in dichten Schwärmen die Felsen umkreisten. Sein geübtes Auge entdeckte einige besonders große Exemplare, starke Männchen und Weibchen, die bereits gelaicht hatten.
Er löste das Netz von seinem glatten, nackten Körper und ließ es los. Langsam sank es in die Tiefe und blieb, wie er vorausberechnet hatte, an einem Felsvorsprung hängen. Er würde es später hier wiederfinden. Dann nahm er den scharfen Zweizack und pirschte sich an seine ahnungslosen Opfer heran.
Zehn Minuten später war sein Netz gefüllt, und er konnte den Rückzug antreten. Er hatte schnell arbeiten müssen, denn die Fische waren in panischem Entsetzen geflohen, als sie den Jäger entdeckten. Sie kannten die Gefahr, aber ihnen fehlte die Intelligenz, aus Erfahrungen klug zu werden. Und nur das war ihr Pech.
Scharam zog das schwere Netz hinter sich her und hatte einige Mühe, nicht an Höhe zu verlieren. Über ihm war die Eisdecke, hart und undurchdringlich, wenn keine Hilfsmittel zur Verfügung standen. Nur die von oben geschlagenen Löcher gestatteten die Rückkehr an die Oberfläche, an der man wieder atmen konnte.
Wieder ließ Scharam ein wenig Luft aus den Lungen und fühlte sich erleichtert. Der Vorrat reichte für weitere zwanzig Minuten. In zehn Minuten erreichte er die Bucht mit den Einstieglöchern. Die anderen Gayszatus würden ihn dort bereits erwarten.
Er musste an seine Gefährten denken, die nicht so lange tauchen konnten wie er. Sicher erwischten auch sie ihre Beute, denn zwanzig Minuten waren eine lange Zeit. Es wäre weniger gefährlich gewesen, wenn sie jederzeit auftauchen konnten, aber daran wurden sie durch die Eisdecke gehindert, die das ganze Meer bedeckte. Es gab nur die wenigen Einstieglöcher und einige Notausstiege, die man jedoch erst finden musste. Außerdem wurden diese Löcher jeden Tag neu geschlagen, denn die Nacht über froren sie wieder zu.
Er aber war ein Makrator und konnte eine Stunde ununterbrochen tauchen, darum war er auch ein Jäger geworden wie alle anderen Makratoren auch. Sie hatten ein gutes Leben, denn die Chamyros vom Stamme der Gayszatus sorgten für sie. Sie hatten ihnen auch das prächtige Eishaus errichtet, in dem sie gemeinsam wohnten. Um die Zubereitung des Fisches, der ihre einzige Nahrung darstellte, brauchten sie sich nicht zu kümmern. Das taten die Frauen des Stammes für sie.
Scharam löste das Netz und schwamm nur mit einer Hand weiter, als er schräg über sich das Eisloch schimmern sah. Er hatte den Ausstieg auf Anhieb wiedergefunden.
Mit einem kräftigen Schwung schwang er sich auf die Eisfläche hinauf und überreichte Feral, dem Stammeshäuptling, das Seil, an dem das beladene Netz befestigt war.
»Es ist genug für heute, Feral. Die Sonne steht schon dicht über dem Horizont.«
Feral sah nach Westen. Er nickte.
»Ja, die gelbe Sonne.« Es klang so, als habe er Angst vor der gelben Sonne, die keine zwei Männerfäuste Durchmesser besaß. »Sie wird bald untergehen und im Eismeer versinken. Ich werde niemals verstehen, wie sie den harten Panzer durchdringt.«
Das war ein Problem, das für Scharam ohne Bedeutung und Interesse blieb.
»Morgen werde ich wieder fischen gehen«, sagte er und ging davon, ohne eine Antwort abzuwarten.
Feral sah ihm nach, dann gab er den wartenden Gayszatus einen Wink.
»Los, an die Arbeit! Holt die Frauen!«