Impressum
Als Ravensburger E-Book erschienen 2011
Die Print-Ausgabe erschien 2011 im Ravensburger Buchverlag Otto Maier GmbH
© der deutschsprachigen Ausgabe 2011
Ravensburger Buchverlag Otto Maier GmbH
Die Originalausgabe erschien 2008 unter dem Titel Finnikin of the Rock
bei VIKING, Penguin Group (Australia)
Aus dem australischen Englisch von Petra Koob-Pawis und Franziska Jaekel
Das Gedicht auf S.4 ist folgendem Werk entnommen: Primo Levi, Zu ungewisser Stunde. Gedichte
Mit einem Nachwort von Jorge Semprun. Aus dem Italienischen von Moshe Kahn
© 1998 Carl Hanser Verlag München
Alle Rechte dieses E-Books vorbehalten durch Ravensburger Buchverlag Otto Maier GmbH
ISBN 978-3-473-38428-0
www.ravensburger.de
Für Marisa und Daniela,
weil ich es über alles liebe,
eine der Marchetta-Schwestern zu sein.
Gedicht
Ihr, die ihr sicher wohnt
In euren gewärmten Häusern,
Ihr, die ihr bei der Heimkehr am Abend
Warmes Essen findet und Freundesgesichter:
Fragt, ob das ein Mann ist:
Der arbeitet im Schlamm
Der kennt keinen Frieden
Der kämpft um ein Stück Brot
Der stirbt auf ein Ja, auf ein Nein hin.
Fragt, ob das eine Frau ist:
Kahlgeschoren und ohne Namen.
Ohne Kraft der Erinnerung mehr
Leer die Augen und kalt der Schoß
Wie eine Kröte im Winter.
Denkt, daß dieses gewesen:
Diese Worte gebiete ich euch.
Ins Herz schärft sie euch ein,
Wenn ihr im Haus seid und hinausgeht,
Wenn ihr euch niederlegt oder erhebt:
Sprecht sie wieder und wieder zu euren Söhnen.
Sonst sollen eure Häuser zerbersten,
Krankheiten über euch kommen,
Eure Nachgeborenen das Gesicht von euch wenden.
Primo Levi, Sch’ma
Prolog
Vor langer Zeit im Frühling, kurz vor den Fünf Tagen des Unsagbaren, träumte Finnikin von den Felsen, dass er ein Pfund seines Fleisches opfern müsste, um das Königshaus von Lumatere zu retten.
Die Götter sandten ihm diesen Traum am Vorabend des Erntemondfestes, als alle Bewohner des Königreichs beieinander versammelt waren und unter freiem Himmel auf der Festwiese schliefen. Für Finnikin war es die schönste Nacht des Jahres, denn da tanzten seine Landsleute ausgelassen und sagten Dank für ein Leben in Frieden und Wohlstand. Als der Morgen dämmerte und der Priesterkönig das Lied von Lumatere anstimmte, ließ die Freude in den Herzen der Menschen die ganze Welt erstrahlen. Und was war das für eine schöne Welt, bewohnt von den Völkern des Tieflands, des Waldes, der Felsen, der Berge und der Flüsse! Sie alle wussten sich wohl beschützt von ihrem geliebten König, seiner Königin und ihren fünf Kindern, deren Stammbaum bis zu den Göttern zurückreichte.
Am nächsten Morgen erzählte Finnikin seinen beiden Freunden, Prinz Balthasar und Lucian aus den Bergen, seinen seltsamen Traum. Die drei Jungen vertrieben sich die Zeit damit, Olivenkerne in den Fluss zu spucken. Sie liebten es, den Morgen am Wasser zu verbringen und Finnikins Vater, dem Hauptmann der Königlichen Garde, dabei zuzusehen, wie er und seine Männer die Handelsware auf den Lastkähnen überprüften. Sie waren zutiefst beeindruckt von der Ernsthaftigkeit, mit der Hauptmann Trevanion seine Aufgabe erfüllte: das Königreich und seine Bewohner zu schützen. Man erzählte sich viel über seine Liebe zur sanften Lady Beatriss, die noch in diesem Jahr einem Kind das Leben schenken würde und ihren Stiefsohn Finnikin vergötterte, als wäre er ihr eigen Fleisch und Blut.
Als Balthasar von dem Traum hörte, versicherte er seinen Freunden, dass Lumatere keinerlei Unheil widerfahren könne, solange sein Vater König sei. Lucian erklärte indessen, dass die Götter besser daran getan hätten, ihn zum Schutz der Königsfamilie zu bestimmen, da er ja immerhin schon neun Jahre alt sei und überdies einen ganzen Kopf größer als seine beiden Freunde. Und danach geriet der Traum für eine Weile in Vergessenheit.
Die Nachmittage verbrachten Finnikin, Balthasar und Lucian im Wald von Lumatere. Sie malten sich aus, dass sie eines Tages den Silberwolf fangen würden. Der Sage nach konnte nur ein echter Krieger diese Bestie zur Strecke bringen, und sie waren davon überzeugt, dass Balthasar als Thronerbe von Lumatere diese Aufgabe zu meistern vermochte. Die drei Freunde brauchten den ganzen Sommer, um eine Falle zu graben, und als sie endlich fertig war, schleppten sie Balthasars jüngste Schwester Isaboe als Köder dorthin. Aber der Wolf ließ sich nie blicken.
Als der Sommer in den Herbst überging und die Tage kürzer wurden, begann Finnikin sich Sorgen zu machen. Immer wenn er an seinen Traum dachte, zitterte er vor Angst. Nachts betete er zu Lagrami, der Göttin des Lichts, damit sie sein noch ungeborenes Geschwisterchen beschützte und auch Balthasar und seine vier Schwestern, ja sogar die Waldbewohner, obwohl diese eine andere Göttin verehrten und außerhalb der Mauern von Lumatere lebten. Eines Tages beschloss er, seine Gefährten zu einem feierlichen Eid zu bewegen.
So kam es, dass sie den Felsen der drei Wunder am Rande von Finnikins Heimatdorf erklommen, sich ein Stück Fleisch aus dem Leib schnitten und der weinenden Isaboe eine Haarsträhne ausrissen, um vor der Göttin einen Schwur zu tun.
Balthasar gelobte, das Königshaus von Lumatere mit seinem Leben zu verteidigen. Finnikin verpflichtete sich, ihrer aller Beschützer und Führer zu sein, solange er lebte. Lucian schwor, der Leuchtturm zu sein, bei dem sie in Zeiten der Not Schutz finden würden.
An diesem Abend zogen sich Finnikin und Balthasar auf das flache Dach einer Dorfkate zurück und redeten wie immer über den Silberwolf und den mächtigen Kriegerkönig. Sie malten sich eine Zukunft aus, in der Balthasar König sein würde und Finnikin seine Leibwache befehligte. Finnikin blickte auf Isaboe hinunter, die zwischen ihnen beiden lag und schlief. Und obwohl sein Schenkel von der Gelöbniswunde schmerzte, war Ruhe in sein Herz eingekehrt, denn er wusste, er hatte das Richtige getan. Ja, Lumatere war gesegnet wie kein anderes Reich dieser Welt.
Bis zu den Fünf Tagen des Unsagbaren.
Jenen Tagen, in denen der König, die Königin und ihre drei ältesten Töchter im Palast niedergemetzelt wurden und die jüngste, Prinzessin Isaboe, im Wald von Lumatere den Tod fand. Jenen Tagen, in denen Balthasars blutiger Handabdruck an einer Außenmauer des Königreichs entdeckt wurde und die Menschen von Lumatere sich auf der Suche nach einem Schuldigen gegenseitig bekriegten. Jenen Tagen, in denen der von allen verachtete Neffe des toten Königs das Reich mit sechshundert Mann besetzte und anfing, die Häuser der Waldbewohner niederzubrennen. Jenen Tagen, in denen Hauptmann Trevanion des Hochverrats beschuldigt und in ein weit entferntes Gefängnis verschleppt wurde. Jenen Tagen, in denen seine geliebte Lady Beatriss, nachdem ihr Kind tot zur Welt gekommen war, in den Kerkern des Palastes starb. Jenen Tagen, in denen Seranonna, die Matriarchin der Waldbewohner, noch auf dem Scheiterhaufen einen Blutfluch aussprach– einen Fluch, der das ganze Land erzittern und die Erde bersten ließ, sodass jeder, der sich nicht rechtzeitig in Sicherheit bringen konnte, in den gähnenden Schlund stürzte. Dieser Fluch brachte Dorfhütten zum Einsturz und ließ die Fundamente des Palastes erbeben. Die Menschen trampelten übereinander hinweg, und diejenigen, denen die Flucht gelang, zogen sich in das Tal der Stille vor den Toren des Reichs zurück. Dann errichteten dunkle Mächte eine unsichtbare Mauer um das Königreich und der Fluch riss das Volk auseinander.
Dies ist die Geschichte, wie sie denen überliefert wurde, die in jenen Tagen noch nicht geboren waren, niedergeschrieben im Buch von Lumatere, damit sie der Nachwelt für immer erhalten bleibe.
Es ist die Geschichte derer, die im Königreich gefangen waren und von denen man nie wieder etwas hörte, und die Geschichte all jener Flüchtlinge, die fortan ein elendes Leben allein in der Fremde führten.
Bis zu dem Augenblick, zehn Jahre später, als Finnikin von den Felsen sich aufmachte, wieder einen Felsen zu erklimmen…
Erster Teil
Die Novizin
Kapitel 1
Als es endlich in der Ferne auftauchte, kam es Finnikin im ersten Augenblick wie ein Trugbild vor, hier in diesem entseelten Königreich am Ende der Welt.
Immer wieder hatte er die Leute sagen hören, dieses Land sei von den Göttern verlassen. Doch da lag es, wie um das Gegenteil zu beweisen, hoch oben auf felsigem Grund, eingehüllt in blaugrauen Nebel: das Kloster der Göttin Lagrami.
Von Finnikins Platz aus wirkte die Oberfläche der weiten Ebene, die zu dem befestigten Zugang führte, weich wie Wüstensand. Er sah eine lange Reihe von Pilgern mit gebeugten Häuptern, die einen Sack über der Schulter und einen Wanderstab in der Hand trugen. Wie Ameisen zogen sie in einer endlosen Linie über die Ebene, der unbarmherzigen Weite schutzlos ausgeliefert.
„Wir müssen uns beeilen“, sagte der Oberste Ratgeber des Königs in der Sprache von Sarnak. Nachdem sie die Grenze zu Sendecane überschritten hatten, hatte Sir Topher darauf bestanden, dass sie von jetzt an nur noch in der Sprache des Nachbarkönigreichs redeten. Zwei Nächte zuvor, als sie in einer Herberge übernachtet hatten, hatte er laut verkündet, dass sie Pilger seien: fromme Männer, die ans Ende der Welt gereist waren, um der hohen Göttin Lagrami in ihrem prächtigen Tempel zu huldigen. Alles andere hätte in diesem Teil des Landes Argwohn und Furcht erregt, und Finnikin hatte schon erfahren müssen, dass Angst die Menschen gefährlich machte.
Nach einiger Zeit veränderte sich der Untergrund. Was Finnikin für Sand gehalten hatte, stellte sich als dicke Lehmschicht heraus, die seinen Gleichgewichtssinn auf eine harte Probe stellte. Sie überquerten den Meeresboden; bei Einbruch der Dunkelheit würde das Wasser zurückkehren, dann konnte man diesen Ort erst wieder bei der nächsten Ebbe verlassen.
Vom unteren Eingang der Tempelanlage wanden sich breite Steinstufen hinauf bis zum Gipfel. Finnikin und sein Begleiter machten sich an den Aufstieg und überholten dabei die Pilger, die vor dem Willkommensschrein verharrten. Finnikins lederne Stiefel boten kaum Schutz auf dem kalten, harten Untergrund, und er blickte unwillkürlich zurück zu den Pilgern, von denen, wie er wusste, einige den steilen Weg auf Knien zurücklegen würden, als Zeichen der Demut gegenüber ihrer Göttin. In den vergangenen Jahren hatte er schon mehrfach erlebt, wozu blinder Glaubenseifer führen konnte, und er fragte sich, wie viele von diesen Pilgern Flüchtlinge aus Lumatere waren, die hier Erlösung suchten.
Etwas weiter oben gab es keine richtigen Stufen mehr, sondern lediglich unbehauene Steine. Früher oder später, so fürchtete Finnikin, würden sie wohl auf allen vieren hinaufkriechen müssen, um zum Boten der Hohepriesterin zu gelangen, der oben auf sie wartete. Sie hatten noch nicht einmal die Hälfte der Wegstrecke zurückgelegt, als vor ihnen nurmehr der blanke Fels aufragte, in den in Abständen Metallhaken geschlagen worden waren. Verwirrt blieb Finnikin stehen. Er blickte auf seine großen Füße und fragte sich, wie um alles in der Welt er auf so schmalen Tritten Halt finden sollte.
„Die Haken sind nicht für die Füße, mein Junge“, sagte Sir Topher seufzend und fuchtelte mit der Hand vor Finnikins Nase herum.
Gütiger Himmel.
„Sieh nicht nach unten“, warnte er Finnikin. Dann fing Sir Topher an zu klettern. Kleine Gesteinsbrocken rieselten auf Finnikin herab, jedes Mal wenn Sir Topher sein Gewicht verlagerte. Feiner Staub setzte sich in Finnikins Augenwinkeln fest, aber er widerstand der Versuchung, ihn wegzuwischen; lieber eine getrübte Sicht, als den Halt zu verlieren.
„Ich hab doch gesagt, du sollst nicht nach unten schauen!“, ächzte Sir Topher.
„Ja, aber wenn ich hinaufschaue, kommt mir das Essen hoch“, keuchte Finnikin.
„Das wäre allerdings schade. Diese Unmengen an köstlichem Gänseklein und Kaninchenpastete, die du trotz meiner Warnungen in dich hineingeschlungen hast. Was für eine Verschwendung.“
Finnikin hielt inne, ihm schwindelte und er hatte einen widerlichen Geschmack auf der Zunge. Der Gestank von Taubendreck stieg ihm in die Nase und sofort drehte sich ihm der Magen um. Seine Hände taten weh von den scharfkantigen Metallhaken, und er sehnte sich danach, festen Boden unter den Füßen zu haben. Er konnte nur hoffen, dass sie oben etwas erwartete, was den mühevollen Aufstieg rechtfertigte.
Irgendwie war es der Hohepriesterin gelungen, Finnikin und Sir Topher in Belegonia ausfindig zu machen. Ein schweres Unterfangen, denn die beiden hatten sich geschickt verborgen.
Schon seit zehn Jahren versuchten Sir Topher und Finnikin die Lebensbedingungen der Flüchtlinge aus Lumatere zu verbessern. Die Exilanten hatten in hoffnungslos überbelegten Lagern gegen Fieberseuchen, Angst und Verzweiflung zu kämpfen. Jene Herzöge von Lumatere, die sich an fremden Höfen verdingten, hatten die beiden immer wieder zu sich gerufen, um ihnen ihre Unterstützung zuzusichern.
Weniger edelmütig hingegen waren Hilfsangebote benachbarter Könige und Königinnen, die zumeist eine Gegenleistung erwarteten. Oft mussten die Flüchtlinge erst einmal genau darüber Auskunft geben, was in den angrenzenden Reichen vor sich ging, bevor ihnen die Landesherren Schutz gewährten und sie an Flussufern und in Tälern ihr Lager aufschlagen ließen. Das höfische Protokoll verschaffte dem Obersten Ratgeber und seinem Gehilfen zwar Zugang zu den Palästen, aber Sir Topher war mit der Zeit vorsichtig geworden.
Mit der Einladung in den Tempel der Lagrami verhielt es sich jedoch anders. Alles hatte angefangen mit einem Namen, der Finnikin mitten in der Nacht zugeflüstert wurde, als er in Belegonia zwischen den anderen Flüchtlingen lag.
Balthasar.
Finnikin hatte sofort Sir Topher aufgeweckt. Er konnte nicht mehr genau sagen, wie der Bote ausgesehen hatte, im Grunde erinnerte er sich nur an die Stimme, die an sein Ohr gedrungen war, und an die Umrisse einer Gestalt, die ihn aufgefordert hatte, in ein abgelegenes Kloster in Sendecane zu gehen. Kaum hatte Finnikin zu Ende gesprochen, war Sir Topher aufgestanden und hatte schweigend sein Bündel geschnürt.
Finnikin erreichte als Erster den Gipfel. Er verharrte einen Augenblick vornübergebeugt, um Atem zu schöpfen, ehe er dem keuchenden Sir Topher zu Hilfe kam. Ein Geräusch ließ beide herumfahren: Vor einem Mauerdurchgang stand eine weißhaarige Ordensfrau. Ohne ein Wort drehte sie sich um und verschwand im Inneren des Klosters. Die beiden betrachteten dies als Aufforderung, ihr zu folgen.
Aufgrund seiner Körpergröße musste Finnikin in gebückter Haltung den Tunnel durchqueren, der zu einer schmalen Wendeltreppe führte. Oben angekommen, folgten sie der Frau durch einen Gang, vorbei an Kammern, in denen Novizen im Gebet versunken auf dem Boden knieten. Schließlich gelangten sie in einen großen Raum mit hohen Fenstern, die viel Licht hereinließen. Hier waren Tische aufgereiht, an denen Novizen arbeiteten. Einige saßen über Manuskripte gebeugt und kopierten sie, andere lasen. Finnikin hatte so etwas schon einmal gesehen, und zwar im Palast von Osteria. Dort gab es Schriften über die Geschichte der Königreiche: Sie erzählten von Göttern und Göttinnen, von Kriegen, von der Herkunft einzelner Völker, der Geografie, der Kunst, dem Essen und der Lebensweise der Menschen.
Als Kind vertrieben, fürchtete Finnikin, dass man in seiner Heimat diese Art von Aufzeichnungen nicht mehr weiterführte. Daher hatte er selbst begonnen, das Buch von Lumatere fortzuschreiben. Er fragte sich, ob es diesen Gelehrten genauso erging wie ihm, wenn ihm der Geruch des Pergaments in die Nase stieg und er die Feder in die Hand nahm. Ihre Mienen verrieten jedoch kaum eine Regung. Die alte Ordensfrau beschleunigte ihren Schritt und führte die Besucher in eine schwach erleuchtete Säulenhalle, in deren Mitte die Hohepriesterin wartete.
„Ehrenwerte Kiria.“ Sir Topher verbeugte sich und küsste ihre Hand.
„Ihr habt einen langen Weg auf Euch genommen, Sir Topher.“
Finnikin hörte Überraschung in ihrer Stimme, ja sogar Verwunderung. Wie alle Priesterinnen der Lagrami trug sie die Haare lang, fast bis zu den Knien, ein Hinweis auf die Anzahl der Jahre, die sie schon der Göttin diente. Nach ihrem Tod würde man ihr die Haare abschneiden, um sie als Opfer darzubringen, während irgendwo im Land eine Novizin mit geschorenem Haupt ihren Dienst für die Göttin antrat.
„Die Pilger aus Lumatere, die in den vergangenen Jahren den Weg zu uns gefunden haben, haben ihr ganzes Vertrauen in den Obersten Ratgeber und seinen jungen Gehilfen gesetzt“, sagte die Priesterin und musterte beide prüfend.
„Es ist gut, dass Ihr unserem fluchbeladenen Volk helfen wollt, ehrenwerte Kiria“, sagte Sir Topher.
Sie lächelte freundlich. „Wir sind Nachbarn, trotz der großen Entfernung. Ich teile den Gram Eures hochverehrten Priesterkönigs, der seine Schützlinge auf eine so grausame Weise verloren hat, und ich fühle mich für Eure Leute genauso verantwortlich wie für meine. So will es die Göttin.“
„Wisst Ihr etwas über den Verbleib unseres Priesterkönigs?“, fragte Sir Topher.
Die Hohepriesterin schüttelte bekümmert den Kopf. Doch gleich darauf veränderte sich ihre Miene und sie machte ein paar Schritte durch die Halle. Mit einer Geste bedeutete sie den Besuchern, ihr zu folgen. „Ihr seid wegen des Mädchens gekommen?“, fragte sie.
Mädchen. Finnikin ließ enttäuscht die Schultern sinken. Also hatte er sich nur einer trügerischen Hoffnung hingegeben. Zorn über seine Leichtgläubigkeit ergriff ihn.
„Wir haben nur wenig Zeit bis zur Flut, deshalb werde ich mich kurzfassen“, sagte die Hohepriesterin mit gedämpfter Stimme. „Vor zwei Jahren kam im Frühling ein Mädchen zu uns. Ihr Name war Evanjalin. Im Gegensatz zu den meisten Novizinnen aus Lumatere war sie nicht während der Fünf Tage des Unsagbaren Waise geworden, sondern gehörte zu den Flüchtlingen, die in Sarnak Zuflucht gefunden hatten.“
Finnikin zuckte zusammen und schloss die Augen. Als er sie wieder öffnete, sah er, dass Sir Topher ganz blass geworden war. Die Hohepriesterin nickte. „Wie ich sehe, wisst Ihr Bescheid.“
„Wir haben den König von Sarnak dazu aufgefordert, diejenigen zu bestrafen, die das Massaker verübt haben“, sagte Sir Topher.
Finnikin fragte sich im Nachhinein, warum sie sich überhaupt die Mühe gemacht hatten. Was kümmerte es einen teilnahmslosen König, ob vor zwei Jahren Flüchtlinge aus Lumatere abgeschlachtet worden waren?
Die Hohepriesterin beugte sich vor und flüsterte: „Die Novizin Evanjalin hat eine außerordentliche Gabe. Ich bin schon vielen begegnet, die von sich behaupteten, eine Gabe zu besitzen, aber ich versichere Euch, dieses Mädchen sagt die Wahrheit. Sie sagt, dass sie nicht nur in den Träumen unseres geliebten Thronerben gewandelt sei, sondern auch in jenen der Unterdrückten in Lumatere.“
So etwas Verrücktes hatte Finnikin noch nie gehört und nur mit größter Mühe konnte er sich eine verächtliche Bemerkung verkneifen.
„Es überrascht mich nicht, dass sie behauptet, Prinz Balthasar sei am Leben“, sagte Sir Topher. Er räusperte sich, ein Zeichen, das Finnikin zur Zurückhaltung mahnte. „Wir haben nie die Hoffnung aufgegeben, dass diese Gerüchte stimmen. In den vergangenen zehn Jahren sind immer wieder Männer aufgetaucht, die Anspruch auf den Thron von Lumatere erhoben haben. Aber jedes Mal haben sich diese vermeintlichen Prinzen als falsch herausgestellt. Ihr wisst bestimmt, dass die Regenten der Königreiche von Skuldenore genau aus diesem Grund solche Forderungen unter Strafe gestellt haben.“
„Und dennoch erkennen die Lumaterer den neuen König hinter seinen hohen Mauern nicht als ihren Herrscher an“, sagte die Hohepriesterin. „Nennt man ihn nicht den Thronräuber?“
„Obwohl wir glauben, dass der jetzige Herrscher von Lumatere in die Tragödie um unsere geliebte Königsfamilie verwickelt war, halten die Landesherren von Skuldenore seine Regentschaft für rechtmäßig.“
Aus Angst glaubten sie, sie müssten sich in anderer Leute Angelegenheit einmischen und den Thronräuber anerkennen, dachte Finnikin bitter.
„Wie sehr Ihr auch zweifelt, eines könnt Ihr mir glauben“, sagte die Hohepriesterin mit Nachdruck. „Der rechtmäßige Thronerbe von Lumatere und Überlebende jener Schreckensnacht hat zu unserer Novizin Evanjalin gesprochen.“
„Hat er ihr eine Botschaft für uns gegeben?“, fragte Sir Topher.
„Nur einen Namen“, sagte die Hohepriesterin. „Den Namen eines Gefährten aus Kindertagen, eines treuen Freundes.“
Bei diesen Worten begann das Blut in Finnikins Adern schneller zu fließen. Er spürte die Augen der beiden anderen auf sich ruhen. Die Hohepriesterin trat zu ihm.
„Warst du ihm das, Finnikin von den Felsen?“, fragte sie sanft. „Gefährte und Freund? Denn ich bin sicher, unser König ruft uns. Zehn Jahre sind eine viel zu lange Zeit, und Balthasar hat durch dieses Mädchen kundgetan, dass du sein verbanntes Volk heimführen sollst.“
„Wer ist sie, dass sie es wagen darf, mit unserem Erben in Verbindung zu treten?“, fragte Finnikin förmlich und wich einen Schritt zurück. „Behauptet sie, dass sie ihn getroffen hat?“
„Sie ist ein schlichtes, einfaches Ding. Sie hat das Schweigegelübde abgelegt und es nur einmal gebrochen, um mir von ihren Traumwanderungen zu erzählen und davon, dass du, Finnikin, kommen würdest, um sie zu holen. Ich vermute, sie ist in irgendeiner Weise für den Thronerben bestimmt.“
„Wie kommt Ihr darauf, ehrenwerte Kiria?“, fragte Sir Topher.
„Nachts im Schlaf flüstert sie seinen Namen mit großer Vertrautheit und Zuneigung. So als wäre ihre Verbindung von den Göttern gesegnet.“
Finnikin schnaubte verächtlich.
Die Hohepriesterin lächelte traurig. „Du hast den Glauben an die Götter verloren.“
Er hielt ihrem Blick stand, wohl wissend, dass sie in seinen Augen die Antwort lesen konnte.
„Glaubst du an Magie?“, fragte sie hartnäckig.
„Mein Zuhause ist seit zehn Jahren von der Welt abgeschottet, ohne dass es dafür eine vernünftige Erklärung gibt. Also bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als diese Frage mit Ja zu beantworten“, gab er verlegen zu.
„Es ist wahr: Die Matriarchin der Waldbewohner wirkte einen schrecklichen Zauber, der sich aus Hass und Trauer speiste, denn sie hatte hilflos mit ansehen müssen, was ihren Schutzbefohlenen nach dem Tod des Königs angetan wurde. Und doch scheint das Gute überlebt zu haben. Die Novizin Evanjalin ist der Schlüssel dazu. Gewiss kennt ihr inzwischen die Bedeutung der uralten Worte, die Seranonna an jenem Tag ausgesprochen hat.“
Seit seiner Kindheit hatte Finnikin den Namen Seranonna nicht mehr gehört. Für ihn war sie nur die Hexe, die Lumatere verflucht hatte.
„Wir waren damals auf dem Platz dabei“, sagte Sir Topher. „Seither haben wir zehn Jahre lang versucht, den Fluch zu entziffern. Trotzdem kennen wir noch immer nicht die Bedeutung jeden Wortes. Seranonna hat Wörter aus verschiedenen alten Sprachen benutzt.“
„Und was habt ihr bis jetzt entziffert?“, fragte die Hohepriesterin und sah Finnikin erwartungsvoll an.
„Das Dunkle wird dem Hellen vorangehen und unser Resurdus wird wiederauferstehen. Das Wort ,Resurdus‘ bedeutet König, nicht wahr?“
Die Hohepriesterin nickte. „Der Fluch hat die Lumaterer getroffen, weil sie das Morden nicht verhindert haben. Aber Seranonna wollte damit auch denjenigen schützen, den sie in der Nacht in den Wald fliehen sah: den Resurdus, den Erben. Das Dunkle und das Helle werden euch zu ihm führen.“
„Aber wohin sollen wir gehen mit diesem… Kind, dieser Evanjalin?“, fragte Finnikin.
Die Hohepriesterin lachte traurig. „Hältst du dich selbst für ein Kind, Finnikin?“
„Natürlich nicht.“
„Die Novizin Evanjalin ist ungefähr in deinem Alter und hat ihre Kindheit viel zu früh hinter sich lassen müssen.“
„Wohin sollen wir sie bringen, ehrenwerte Kiria?“, mischte sich Sir Topher beschwichtigend ein.
Die Hohepriesterin zögerte. „Sie sagt, die Antwort auf unsere Fragen warte im Königreich Sorel.“
Gütiger Himmel. Finnikin hätte Sarnak oder Yutlind vorgezogen oder seinetwegen noch das barbarische Charyn, ja sogar die Hölle. Alles wäre weniger gefährlich gewesen als Sorel.
„Und Ihr glaubt, Balthasar wird dort irgendwie in Erscheinung treten?“, fragte Sir Topher.
„Ich weiß nicht, was ich glauben soll. Die Göttin hat mich nicht mit der Sehergabe beschenkt. Alles was ich für Euch habe, ist dieses Mädchen und der Name, den es genannt hat.“ Wieder wanderte ihr Blick zu Finnikin. „Vielleicht sind sie und der junge Mann dazu erwählt, den verschollenen Prinzen seiner Bestimmung zuzuführen.“
An der Tür war ein Geräusch zu hören. Die Hohepriesterin streckte die Hand aus und eine Gestalt trat aus dem Schatten.
Das Mädchen hatte den Teint der Bergmenschen von Lumatere, eine golden schimmernde Haut, viel dunkler als der hellhäutige Finnikin. Ihr Kopf war kahl geschoren, aber Finnikin vermutete, dass ihre Haarfarbe ihren dunklen Augen entsprach. Sie trug ein graues Gewand aus derbem Stoff; auf diese Weise würde sie auf der Reise bei Fremden wenigstens keine unerwünschte Aufmerksamkeit erregen.
„Sir Topher, Finnikin, ich darf Euch die Novizin Evanjalin vorstellen.“
Das Mädchen hatte die Augen niedergeschlagen. Finnikin fiel auf, dass ihre Hände zitterten; als sie selbst es bemerkte, ballte sie sie schnell zu Fäusten.
„Wovor hast du Angst?“, fragte er in der Sprache von Lumatere.
„Die meiste Zeit hat sie in Sarnak zugebracht“, erklärte die Hohepriesterin. „Sie hat sarnakisch gesprochen, als sie für kurze Zeit ihr Schweigen brach.“
Finnikin konnte seine Enttäuschung nicht länger verbergen. Er zog Sir Topher beiseite. „Wir wissen nichts über sie“, sagte er auf Belegonisch, damit die Novizin und die Hohepriesterin ihn nicht verstanden. „Die Sache kommt mir doch recht seltsam vor.“
„Genug davon, Finnikin“, mahnte Sir Topher energisch. Zur Hohepriesterin gewandt sagte er: „Hat sie seitdem noch einmal gesprochen?“
Die Hohepriesterin schüttelte den Kopf. „Sie hat ein Schweigegelübde abgelegt. Evanjalin hat viel durchgemacht, aber ihr Glaube ist stark. Wenigstens den sollten wir ihr lassen.“
Sir Topher nickte. „Wenn wir den Rückweg noch bei Ebbe schaffen wollen, müssen wir gleich aufbrechen.“
Finnikin wunderte sich darüber, dass Sir Topher sich so rasch entschieden hatte. Aber ein Blick in die Augen des alten Mannes warnte ihn davor aufzubegehren. Mit verkniffenem Gesicht sah Finnikin zu, wie die Hohepriesterin den Kopf des Mädchens in ihre Hände nahm und es zärtlich auf die Stirn küsste. Evanjalin schloss die Augen. Ihre Mundwinkel zuckten, doch gleich darauf war ihre Miene wieder so ausdruckslos wie zuvor. Sie ging hinaus, ohne sich noch einmal umzudrehen.
Der Abstieg war ebenso schwindelerregend wie der Aufstieg und wurde noch erschwert durch die Last in Finnikins Herzen. Dieses Mädchen quer durchs Land zu eskortieren, passte überhaupt nicht zu dem Plan, den Sir Topher und er in den ersten Tagen des Winters geschmiedet hatten. Die Unwägbarkeiten des neuen Auftrags behagten ihm ganz und gar nicht.
Als sie den Fuß des Hügels erreicht hatten, kamen sie an einer Gruppe von Pilgern vorbei, die auf der Erde knieten. Einer von ihnen streckte die Hand aus, um das Gewand der Novizin zu berühren.
„Deine Füße“, sagte Finnikin, dem erst jetzt auffiel, dass sie barfuß ging. „Wir können es uns nicht leisten, im Schneckentempo zu reisen, nur weil du keine Schuhe hast.“
Das Mädchen gab keine Antwort und ging einfach weiter. Erst als sie schon ein gutes Stück zurückgelegt hatten, drehte sie sich noch einmal um und warf einen letzten Blick auf das Kloster. Und da sah Finnikin Not und Verlassenheit in ihrem Blick.
Inzwischen umspülte das Wasser schon ihre Knie, und Finnikin fürchtete, dass sie nicht mehr rechtzeitig der Flut entrinnen würden. An diesem Ort sei der Wechsel der Gezeiten schnell und heftig, hatte man ihm eingeschärft, schon mancher Pilger sei ertrunken.
Er packte Evanjalin am Arm und zog sie mit sich. Auf einmal schien sie ihm gar nicht mehr verletzlich, in ihren Augen sah er sogar etwas wie Triumph aufblitzen– als hätte die Novizin nun endlich ihren Willen durchgesetzt.
Kapitel 2
In den darauffolgenden Tagen wehten kalte Winde, die durch Mark und Bein gingen. Es war ein Winter, der nicht enden wollte, er verkürzte die Tage und machte die Dunkelheit zum ständigen Begleiter der Reisenden. Sir Topher hatte entschieden, dass der beste Weg nach Sorel über Sarnak führte, von dort aus wollte er der Straße durch Charyn folgen. Obwohl es schneller gewesen wäre, durch Belegonia zu reisen, hatte er auf dieser Route beharrt, denn sie würden danach für mindestens ein Jahr nicht mehr nach Sarnak zurückkehren, und es war möglich, dass sie auf Überlebende des Gemetzels trafen. Die Chance wollte er sich nicht entgehen lassen. Was das anging, war Finnikin einer Meinung mit ihm; es war nur das Reiseziel, das ihm nicht behagen wollte.
„Wir begehen einen Fehler“, sagte er am dritten Morgen, als er sich hinter einem Baum ankleidete. Er schlüpfte in seine hirschlederne Hose, dann in seine Stiefel; in den Stiefelschaft steckte er einen kleinen Dolch.
„Das sagst du nun schon zum zehnten Mal, Finnikin!“, rief Sir Topher mit einer Gelassenheit, die Finnikin rasend machte.
Finnikin hatte die Geduld Sir Tophers über die Jahre hin schätzen gelernt, seit er von Perri dem Wilden, dem Stellvertreter seines Vaters, in dessen Obhut übergeben worden war. Heute jedoch ärgerte er sich über diese Geduld.
„Sorel“, murrte er unzufrieden und trat hinter dem Baum hervor. „Niemand will nach Sorel. Kein Vertriebener würde sein Lager in Sorel aufschlagen. Nicht einmal die Bewohner von Sorel mögen ihr Land.“
„Wir wollen uns nicht über den Weg streiten und uns stattdessen wie die Novizin in Zurückhaltung üben“, gab ihm Sir Topher zur Antwort.
Evanjalin trug wenig dazu bei, Finnikins Enttäuschung abzumildern. Nachts wälzte sie sich auf ihrem Lager hin und her, als sei sie von Dämonen besessen; sie knirschte mit den Zähnen, schrie voller Verzweiflung. Während sie über die baumlose Ebene zogen, sackte sie manchmal in sich zusammen, als drückte die Last ihrer Träume sie nieder. Dann wieder war ihr Gang leicht und beschwingt, und ein verträumtes Lächeln lag auf ihren Lippen, als dächte sie an einen so glückseligen Moment, dass schon die bloße Erinnerung daran sie durch dieses kalte, öde Land trug.
Tief in seinem Inneren wusste Finnikin, dass nicht nur dieses fremdartige Mädchen an seinem Unbehagen schuld war. Der Thronerbe, von dem die Rede gewesen war, hatte Erinnerungen wachgerufen, die ihn mit Unruhe und Hoffnungslosigkeit erfüllten. In den vergangenen zehn Jahren war die Liste der Toten im Buch von Lumatere immer länger geworden. Manche waren in Sarnak erschlagen worden, manche waren in einem Dorf in Charyn an der Pest gestorben und ein Teil war in den Fluten umgekommen, als ihre Lagerplätze in Belegonia überschwemmt worden waren. Die Flüchtlinge hatten keine Heiler und deshalb auch keine Mittel gegen die Leiden, die andere überlebten.
Auch als sie in Sarnak ankamen, hatten sie noch unter der Witterung zu leiden, aber es gab jetzt öfter eine warme Mahlzeit, und Finnikin war glücklich, nicht mehr auf das trockene Brot und den schimmeligen Käse angewiesen zu sein, der mehr als eine Woche lang ihre Hauptnahrung gewesen war. Gelegentlich tauchten auch Bäume und Sträucher neben der Straße auf, und als sie weiter nach Osten wanderten, gelangten sie in ein üppiges Waldland, wo sie beschlossen, ihr Lager aufzuschlagen.
An diesem Abend, als Sir Topher über die Landkarte gebeugt saß, bemerkte Finnikin, wie das Mädchen das Schwert betrachtete, das neben seiner Satteltasche lag.
„Das hat meinem Vater gehört“, sagte er schroff. Er zog es aus der Scheide. Der Griff war schmucklos, nur ein Edelstein prangte darauf, ein Rubin, prächtig funkelnd. Als Kind hatte sich Finnikin immer vorgestellt, der Stein müsste Wunderkräfte haben. Er hatte geglaubt, dass alles, was Trevanion anfasste, Wunderkräfte besaß. Die Novizin streckte die Hand aus und berührte den Stein.
„Der Rubin ist der Stein der Herrscher von Lumatere. Wusstet Ihr das?“, fragte Sir Topher und blickte von seiner Karte auf.
Darauf griff die Novizin tief in ihre Tasche und zog einen Rubinring hervor. Liebevoll fuhr sie mit dem Finger darüber, dann hielt sie ihn Finnikin auffordernd hin. Als er keine Anstalten machte, ihn zu berühren, nahm ihn Sir Topher und betrachtete ihn. Finnikin sah ihre Augen strahlen und wusste sofort, dass der Ring ihr so viel bedeutete wie ihm das Schwert seines Vaters. Als er an seinen Vater dachte, schlug ein Meer aus Kummer über ihm zusammen. Unvermittelt stand er auf, nahm seinen Bogen und verschwand im Wald.
Einige Zeit später kam Finnikin mit zwei wohlgenährten Hasen zurück. Wie selbstverständlich nahm die Novizin einen der Hasen, setzte sich ans Feuer, machte einen Schnitt und zog dem toten Tier geschickt das Fell über die Ohren. Sie fuhr sich mit der Hand über die Stirn und schmierte sich dabei Blut ins Gesicht. Als sie spürte, dass Finnikin sie beobachtete, blickte sie auf, und im flackernden Feuerschein sah er eine Wildheit in ihren Augen, die weder schlichte Kleidung noch eine fromme Haltung überdecken konnten.
Sir Topher war schwermütig an diesem Abend, und der Met, den sie sich an der Grenze gekauft hatten, hatte seine Zunge gelockert. Immer wenn er in dieser Verfassung war, trank er und erzählte von den Fünf Tagen des Unsagbaren. Finnikin liebte diesen Mann von ganzem Herzen, und er wusste, dass er ohne die Fürsorge seines Mentors schon tot wäre, aber jedes Mal, wenn Sir Topher von der vergangenen Katastrophe anfing, hätte er ihm am liebsten zugerufen, er solle lieber nach vorne statt zurück blicken. Die Tage des Unsagbaren konnte man niemandem erklären. Während all der Jahre hatte Finnikin gelernt, nur an das Naheliegende zu denken, einen Schritt nach dem anderen zu tun. Er wollte sich auf das konzentrieren, was er erreichen konnte. Ein Stück Land für die Vertriebenen aus Lumatere zu finden, das war ein erreichbares Ziel– aber nur dann, wenn man einen mildtätigen Landesherrn fand. Und der Fürst von Belegonia schien ihm von dieser Art zu sein.
Die Novizin war begierig, Sir Tophers Geschichten zu hören. Sie legte den halb gehäuteten Hasen beiseite, hing an seinen Lippen und füllte seinen Becher, wann immer er leer war. Und Sir Topher schien sich so darüber zu freuen, dass er die Geschichte ohne Weiteres wieder von vorne erzählen konnte.
An einer Stelle fragte Finnikin, ohne aufzublicken: „Muss sie das wirklich wissen?“
„Das Schweigen, das uns in jedem Flüchtlingslager erwartet, ist Zeichen einer Lähmung, die von Generation zu Generation weitergegeben wird“, erwiderte Sir Topher tadelnd.
Und so hörte Finnikin die ganze Geschichte eben noch einmal: Der Feind war mitten in der Nacht gekommen. Niemand konnte sich erklären, wie die feigen Mörder an den Wachen vorbeigekommen waren, denn nur fünf Tage später waren die Grenzen versiegelt und alle Fragen blieben unbeantwortet. Einige der Attentäter hatten sich schon lange vor dieser Nacht in Lumatere aufgehalten, sie hatten sich versteckt und geplant, den Palast zu überfallen und jeden Bewohner zu töten: die Köche, die Wachen, die Kammerfrauen, die Pagen, die Kindermädchen, die Gärtner. Sir Topher war zu dieser Zeit mit dem königlichen Botschafter in Belegonia, und so fühlte er sich nun schuldig, weil er mit dem Leben davongekommen war.
Finnikins Vater, der Hauptmann der Königlichen Garde, hatte die grausame Entdeckung gemacht. Als die zweite Wache begann, hatte er die Männer der ersten Wache tot am Eingang des Palastes liegen sehen. Er ging an den Leichen vorbei zur großen Halle, wo er den König, die Königin und die drei ältesten Prinzessinnen erschlagen fand. Verzweifelt suchten Trevanion und seine Männer nach Balthasar und Isaboe. Wenn Balthasar noch lebte, dann hieß dies, dass auch Lumatere weiterleben würde. Und es hieß auch, dass kein Fremder es wagen würde, das Königreich für sich zu beanspruchen. Die Wache des Königs durchsuchte jedes Haus im Palastbezirk, jeden Fußbreit Boden im Tiefland, sie überquerten das Gebirge, durchsuchten das Felsendorf und durchkämmten die Höhlen. Schließlich fahndeten sie auch jenseits der Wälle, die das Königreich umgaben, und da, im kalten Licht der aufgehenden Sonne, sahen sie ihn: den blutigen Abdruck einer kleinen Hand an der äußeren Festungsmauer. So als hätte Balthasar die ganze Nacht lang an die Mauer gehämmert, um wieder eingelassen zu werden in eine Welt, die schon längst aufgehört hatte zu existieren.
Sir Topher hielt inne und Finnikin blickte auf. Wie immer, wenn er das Grauen jener Tage nochmals durchlebte, rollten auch jetzt Tränen über die Wangen des Obersten Ratgebers. Er und seine Leute hatten Leichenteile gefunden, Büschel ausgerissener Haare und schließlich die blutdurchtränkte Kleidung der jüngsten Prinzessin Isaboe.
Die Novizin Evanjalin schien kaum noch zu atmen. Sie hatte die Hände unter dem Kinn wie zum Gebet gefaltet. Aber im Gegensatz zu Finnikin, der es nicht ertragen konnte, noch länger zuzuhören, flehten ihre Augen Sir Topher an weiterzusprechen.
„Im Wald von Lumatere lebten Menschen, die Sagrami, die Göttin der Nacht, anbeteten“, fuhr Sir Topher, nachdem er sich wieder gefasst hatte, fort. „In früheren Jahrhunderten wurden sie verfolgt und mussten außerhalb der Mauern des Königreichs leben. Viele von ihnen waren Heiler, Weise und Empathen mit übernatürlichen Begabungen. Mit der Zeit kehrten viele von ihnen nach Lumatere zurück, um dort zu arbeiten.
Die Matriarchin der Waldbewohner war eine mächtige Frau namens Seranonna. Sie war die Amme der Königin gewesen und ihr deshalb innig verbunden. Diese Freundschaft hatte der König immer respektiert.
Aber an dem Morgen nach dem Gemetzel fand man Seranonna, und ihre Hände und ihre Kleider waren voller Blut. Die vom Leid heimgesuchten Bewohner von Lumatere behaupteten, es sei das Blut der jüngsten Prinzessin. Sie sagten, dass die Waldbewohner das Blut der Königskinder ihrer Göttin darbrächten. Die Waldbewohner erklärten schließlich, zwei von ihnen hätten gesehen, wie Balthasar in jener Nacht durch den Wald gerannt sei. Sie erzählten auch, dass Seranonna, die ihn gesucht hatte, schließlich den Leichnam Isaboes gefunden habe und ihn habe aufheben wollen. Dies allein sei der Grund, so schworen sie, weshalb das Blut des Kindes noch an Seranonnas Händen klebe.
Aber die Dorfbewohner hörten nicht auf sie. Ihr König war tot. Ihr König, der in direkter Linie von den Göttern abstammte, seine geliebte Königin von Mont– ebenfalls tot. Seine wunderschönen Töchter geschändet, niedergemetzelt. Seine jüngste Tochter– in Stücke gerissen. Sein Sohn und Erbe– auch er vermisst. Seine Palastwache, sein Volk– erschlagen. Deshalb trieben die Menschen von Lumatere all jene zusammen, die in ihrem Königreich Sagrami verehrten, brannten deren Häuser nieder und führten sie in den Wald von Lumatere, dorthin, wo auch die anderen Diener der Göttin der Nacht lebten. Nachbar kämpfte gegen Nachbar. Das Vieh wurde erschlagen, das Getreide verbrannt. Die Welt stand kopf.“
Finnikin hatte all dies vom Dorf in den Bergen aus mit angesehen, geborgen in den Armen seiner Großtante Celestina. „Das ist das Ende der Welt“, hatte sie gejammert. „Das Ende der Welt.“
„Am zweiten Tag ritt der Vetter des Königs mit sechshundert Mann, die meisten von ihnen Charyniten, in Lumatere ein“, fuhr Sir Topher fort. „Er hatte beinahe zehn Jahre lang am Hof von Charyn gedient. Mit dem Segen der übrigen Herrscher von Skuldenore, die den Frieden in der Region um jeden Preis bewahren wollten, wurde er als neuer König von Lumatere ausgerufen.
Und was, glaubt ihr, war das erste Gesetz, das der Thronräuber erließ? Alle Anhänger der Göttin Sagrami wurden wegen Verrats zum Tode verurteilt. Diejenigen, die dunkle Magie betrieben, wurden auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Die Menschen in Lumatere waren entsetzt. Das war doch etwas ganz anderes: Zuvor hatte man die Verehrer der Göttin Sagrami aus ihren Häusern vertrieben, jetzt tötete man sie. Aber die Lumaterer standen nur da und sahen zu, wie vollendet wurde, was sie begonnen hatten. Einer nach dem anderen, Männer, Frauen und Kinder, wurden an den folgenden drei Tagen niedergemetzelt und in ihren eigenen Häusern im Wald von Lumatere verbrannt. So lange, bis die Träume der Menschen in Lumatere sich blutrot färbten und sie ihre Häuser nicht mehr verlassen konnten, weil über dem ganzen Land der Geruch des Todes lag.“
Die Novizin schloss die Augen, sie hielt sich sogar einen Moment lang die Ohren zu. Finnikin wusste, es gab Details, die sie sicher noch nie zuvor gehört hatte. In den Lagern der Vertriebenen, die er mit Sir Topher besuchte, sprach nie jemand über diese Zeit. Schuld und Verzweiflung machten die Menschen stumm.
„Die Bewohner von Lumatere verließen scharenweise ihr Land“, fuhr Sir Topher fort. „Die Monts aus den Bergen, das Volk der Königin, waren schon fortgezogen, sie hatten Mitglieder ihrer Sippe im Tal der Stille in Sicherheit gebracht. Hier, außerhalb der Mauern des Königreichs, wollten sie abwarten. Die edlen Herren und Damen aus dem Tiefland gesellten sich zu ihnen, denn sie fürchteten, auf der Todesliste des Thronräubers die nächsten Kandidaten zu sein. Einige überredeten die Menschen in den Dörfern mitzukommen. Aber die Ältesten des Felsendorfs verboten ihrem Volk zu gehen. Von ihrem erhöhten Wohnort aus konnten sie sich hervorragend verteidigen, da sie von dort das ganze Königreich überblickten. Viele Familien, die am Fluss lebten, taten es ihren Nachbarn aus dem Tiefland gleich und gingen ins Tal der Stille, während andere den Fluss hinauf nach Sarnak fuhren, um dort zu warten, bis sich die Unruhen gelegt hatten. Am Ende des dritten Tages hatte schon die Hälfte der Bewohner Lumatere verlassen.
Am nächsten Tag wurde der Hauptmann der Königlichen Garde aufgefordert, den Treueeid auf den neuen König abzulegen. In Lumatere gebot es die Tradition, dass alle vor dem König knieten, nur die Königliche Garde nicht. Seit der Zeit, als die Götter noch auf Erden wandelten, musste sie sich vor dem neuen König auf den Boden werfen.
Doch Hauptmann Trevanion weigerte sich, denn er war davon überzeugt, dass das Blut Unschuldiger an den Händen des Thronräubers klebte. Um diesen Ungehorsam zu rächen, verhafteten die Gefolgsleute des Thronräubers Lady Beatriss und beschuldigten sie, gemeinsam mit Trevanion Verrat begangen zu haben. Denn in der Nacht, in der die Bewohner des Palastes erschlagen worden waren, hatte Beatriss, die Hofdame der Prinzessinnen, als Einzige überlebt. Warum war sie ungeschoren davongekommen?, fragte der Thronräuber. Wie hatten die Mörder in den bewachten Palast eindringen können, wenn nicht mit Unterstützung des Hauptmanns und seiner Garde? Gewiss, tief in ihrem Inneren waren die Bewohner von Lumatere davon überzeugt, dass Beatriss und Trevanion nichts mit den Morden zu tun hatten, aber alles war ja in Aufruhr.“
„Vor den Augen Trevanions“, sprach Sir Topher weiter, „wurde Lady Beatriss misshandelt. Ich hörte, wie sie schrie. Sie folterten sie so lange, bis Trevanion den angeblichen Verrat gestand. Er sagte ihnen alles, was sie hören wollten, weil er wusste, dass sie als Nächstes seinen Sohn holen würden.“
Finnikin ballte die Fäuste, seine Fingernägel gruben sich in sein Fleisch. Er sah, wie die Novizin zusammenzuckte, als spürte sie den Schmerz am eigenen Leib.
„Beatriss wurde zum Tode verurteilt, Trevanion wurde in die Verbannung geschickt. Manche behaupten, der König des benachbarten Belegonia habe sich für Trevanion verwandt. Einige vermuten jedoch, dass der Thronräuber einen Aufstand von Trevanions Männern fürchtete. Er wusste, sie würden stillhalten, solange ihr Hauptmann am Leben war.“
Finnikin fing an, die Armbrust zu säubern. Er wollte nicht daran denken, was geschehen war, nachdem man seinen Vater vertrieben hatte. Manchmal sah er all jene Ereignisse undeutlich wie im Nebel, manchmal standen sie ihm klar vor Augen.
„Am fünften Tag wurde Seranonna auf den Marktplatz gezerrt. Sie war die Letzte aus den Reihen der Waldbewohner, die man hinrichtete, aber es ging das Gerücht um, dass Lady Beatriss als Nächste zum Scharfrichter geführt würde. Seranonnas Hände und Kleider waren blutbeschmiert. Einige glaubten, sie habe Lady Beatriss bei der Entbindung im Kerker geholfen, daher stamme das Blut. Andere glaubten, es sei noch immer das Blut von Isaboe, die Seranonna ermordet habe.“
„Auch ich befand mich in der Menge“, erzählte Sir Topher weiter. „Mein König sagte immer, man dürfe sein Volk nicht im Stich lassen, wenn es leide. Ich glaube, keiner hat sich damals ausmalen können, wie zornig Seranonna war über das Unrecht, das man ihren Leuten angetan hatte. Keiner konnte ermessen, wie sehr sie die Königin und ihre Kinder betrauerte.“
Finnikin erinnerte sich, wie man Seranonna auf den Platz gezerrt hatte und wie sie vor Wut geschrien hatte: „Unsere geliebte Beatriss ist tot!“ Und um ihn herum hatte sich ein Jammern erhoben, während er vor dem Klang ihrer Stimme erbebt war. Er hatte diese Stimme schon zuvor einmal vernommen. Sie hatte zu ihm gesprochen, als er mit Isaboe im Wald von Lumatere gespielt hatte. Und diese Worte hatten ihn ein Leben lang verfolgt.
„Dann stieß sie einen Fluch aus, der so schauerlich war, dass sich die Erde auftat“, sagte Sir Topher. „Die Leute schrien auf, und nicht einmal eine Armeslänge von mir entfernt stürzten Menschen in den Abgrund, ehe er sich wieder verschloss. Andere rannten zum Haupttor. Hütten hoch über der Straße stürzten auf die Fliehenden herab. Ich sah, wie die ganze Familie des Schmieds unter Trümmern, Steinen und Schlamm begraben wurde. Viele Menschen wurden zu Tode getreten, als sie versuchten, das Tor zu erreichen.“
Finnikin schauderte. Er erinnerte sich an den Mann aus dem Tiefland, der mit einem Seil das Tor hatte aufhalten wollen, damit seine Familie hindurchgehen konnte. Als sich das Tor geschlossen hatte, war das Seil in seinen Händen kaputtgegangen und seine Frau und sein Sohn hatten ihn zurücklassen müssen. Aber die Tochter hatte unbedingt bei ihrem Vater bleiben wollen, und das Letzte, was Finnikin von Lumatere gesehen hatte, als er unter den Zacken des Eisentores hindurchgerannt war, war das Bild einer Familie, die auseinandergerissen wurde. Dann kam nichts mehr. Kein Laut war mehr von der anderen Seite herübergedrungen und ein schwarzer Nebel legte sich über das Königreich.
Finnikin spürte die Blicke Evanjalins auf sich, während Sir Topher seinen Kopf in den Händen vergrub.
„Verfluchtes Land. Verfluchte Menschen.“
Evanjalin nahm wieder den Hasen und fuhr fort, ihn zu häuten. Ihre Hände zitterten.
Sprich doch!, hätte Finnikin sie am liebsten angebrüllt. Klage an. Schreie. Wüte. Wüte!
„Ich fürchte, ich habe sie erschreckt“, murmelte Sir Topher in belegonischer Sprache.
„Nein, du hast mich erschreckt.“
Die Flammen knisterten. Auf der gegenüberliegenden Seite des Feuers verrichtete die Novizin ihre Arbeit.
„Dieses Jahr wird das letzte sein, in dem wir reisen. Wenn er noch am Leben ist, dann ist Balthasar inzwischen erwachsen. Und wenn er jetzt nicht auftaucht, dann nie.“
„Du hast nie daran geglaubt, dass er noch lebt“, sagte Finnikin. „Sie lügt.“
„Und weshalb sollte sie lügen?“
„Vielleicht ist sie eine Spionin aus Charyn oder eine Waldbewohnerin, die Vergeltung sucht. Vielleicht glaubt sie, wir würden sie zum Thronerben führen, damit sie ihn aus Rache für die Verbrechen an ihrem Volk töten kann.“
Sir Topher legte einen Finger an die Lippen. Es war zu offensichtlich, dass sie von ihr sprachen, und sie wussten doch so wenig von dem Mädchen. „Sie sieht aus, als käme sie aus Mont“, sagte er und wechselte ins Osterianische. „Die Waldbewohner waren so blond wie du, Finnikin. Vielleicht will sie einfach nur zu ihrem Volk zurück, und sie weiß, dass sie nur mit uns zusammen sicher dort ankommt.“
Finnikins Erregung wuchs. „Wir machen einen Fehler, Sir Topher. Wir haben nie jemandem so weit vertraut, dass wir ihn mit uns reisen ließen. Niemals.“
„Aber du wirfst ihr immer Blicke zu.“
„Weil ich wütend bin“, verteidigte sich Finnikin. „Wir könnten etwas Nützliches tun. Als wir zum Kloster gerufen wurden, glaubten wir, dort jemanden zu treffen, für den sich die Reise lohnt.“
Wie Balthasar, wollte er sagen.
Im Gegensatz zu Sir Topher hatte er geglaubt, der Bote würde sie zu seinem geliebten Freund führen. Und nun waren sie hier und hatten dieses nichtsnutzige Mädchen am Hals. Finnikin schüttelte sich vor Widerwillen.