Thomas Mann
Bilse und ich
Essay/s
Fischer e-books
In der Textfassung der
Großen kommentierten Frankfurter Ausgabe
(GKFA)
Mit Daten zu Leben und Werk
Textgrundlage: Thomas Mann, Große kommentierte Frankfurter Ausgabe, Band 14.1: Essays I (1893-1914), herausgegeben und textkritisch durchgesehen von Heinrich Detering unter Mitarbeit von Stephan Stachorski. Frankfurt am Main 2002. Erstdruck dieses Textes in: Münchner Neueste Nachrichten, 59. Jg., Nr. 75 und 77, 15. und 16. Februar 1906, jeweils S. 1.
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ISBN 978-3-10-400341-2
Zu Lübeck, meiner Vaterstadt, ist mir neulich übel mitgespielt worden. Gelegentlich eines Preß-Prozesses, einer literarischen Beleidigungssache, eines geräuschvollen, für uns aber unbeträchtlichen Handels, der dort zum Austrag gekommen und über welchem der Geist Bilses schwebte, ist viel und heftig von meinem Roman »Buddenbrooks« die Rede gewesen, einem Buche, das in jedem Skandalprozeß unbedingt zur Sache gehört und zwar darum, weil seine Figuren zum Teil nach lebenden Personen gebildet sind, weil ich Heimatserinnerungen verschiedener Art, ehrwürdige und skurrile, an Menschen und Verhältnisse, die auf meine empfängliche Jugend Eindruck gemacht, darin zu einigem Leben erweckt habe. Der Vertreter der Klage zumal hat meinen Namen und den meiner Erzählung beständig mit großer Strenge im Munde geführt; und in seinem Plädoyer hat er schließlich, indem er von »Bilse-Romanen« sprach, als Beispiel für diese neue und skandalöse literarische Gattung den Roman »Buddenbrooks« nachdrücklich namhaft gemacht.
Das wurde in offenem Gerichtssaal gesprochen und hatte also Resonanz genug, zusammen mit dem Namen des Sprechers zu mir zu dringen. Ich will ihn nennen, diesen Namen, er stehe hier. Einmal soll er in einer großen Zeitung stehen, ich will’s veranlassen. Er lautet: von Brocken. von Brocken sagte: »Ich stehe nicht an, laut und offen zu behaupten, daß auch Thomas Mann sein Buch à la Bilse geschrieben hat, daß auch »Buddenbrooks« ein Bilse-Roman ist, und ich werde diese Behauptung vertreten!« Hoch aufgerichtet stand er da.
Kommt, wir wollen ihm nicht böse sein. Wir wollen uns billigerweise ein wenig in seine Lage versetzen. Man verbringt {96}