Thomas Mann
Über Frank Wedekind
Essay/s
Fischer e-books
In der Textfassung der
Großen kommentierten Frankfurter Ausgabe
(GKFA)
Mit Daten zu Leben und Werk
Textgrundlage: Thomas Mann, Große kommentierte Frankfurter Ausgabe, Band 14.1: Essays I (1893-1914), herausgegeben und textkritisch durchgesehen von Heinrich Detering unter Mitarbeit von Stephan Stachorski. Frankfurt am Main 2002. Erstdruck dieses Textes in: Der Neue Merkur, 1. Jg., H. 4, Juli 1914, S. 520-525.
E-Book-Umsetzung: pagina GmbH, Tübingen
Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.
Hinweise zur Zitierfähigkeit dieser Ausgabe:
Die grauen Zahlen in geschweiften Klammern markieren jeweils den Beginn einer neuen, entsprechend paginierten Seite in der genannten Buchausgabe.
ISBN 978-3-10-400401-3
Während man sein Lebenswerk feiert, dieses tief deutsche, tief fragwürdige, von grenzenlos verschlagenem Geiste schillernde Werk, will ich nur von einer Szene sprechen – auch das nicht, ich will nicht darüber reden, ich werde sie kaum kommentieren, ich will nur daran erinnern, sie auf einen Augenblick aus der Welt seiner Gesichte herausheben, weil ich nicht weiß, ob man ihrer hinlänglich acht gehabt, und sie mir selbst wieder vor Augen führen, wie ich sie vor Jahren einmal – nur einmal – auf dem Theater sah. Seitdem ist sie »meine« Szene, nichts geht mir darüber in seinem Werk, nichts hat mich getroffen wie sie, ich denke zuerst an sie, wenn ich an diesen Dichter denke, und ich nickte zufrieden, als er mir eines Abends, oder gegen Morgen – es sind ja wunderliche Tageszeiten, zu denen man mit ihm plaudert –, als er mir nachts einmal zugestand, daß er um dieser Szene willen das Stück geschrieben habe.
{401}