Nr. 513
Ein Platz für Verdammte
Sie versprechen das Paradies – und machen Quinto-Center zur Hölle
von ERNST VLCEK
Auf der Erde schreibt man Mitte Oktober des Jahres 3441. Damit sind seit dem 29. November 3440, dem Tag, als die Katastrophe über fast alle Intelligenzwesen der Galaxis hereinbrach, über 10 Monate vergangen.
Immer noch herrschen Not und Chaos auf den meisten Planeten oder planetarischen Stützpunkten, immer noch kommen Hilferufe aus dem All. Und immer noch leisten die wenigen von der Verdummungsstrahlung nicht betroffenen Menschen des Solaren Imperiums und anderer Sternenvölker Übermenschliches, um das Chaos zu bewältigen und die Massen ihrer verdummten Mitbürger mit dem Lebensnotwendigen zu versorgen.
Perry Rhodan und 60 Gefährten, unter ihnen Atlan, Gucky und viele andere alte Bekannte, haben sich allerdings eine noch schwierigere Aufgabe gestellt. Unterstützt von der INTERSOLAR, Reginald Bulls Flaggschiff, versucht der Großadministrator, den mysteriösen »Schwarm« zu erforschen, der unaufhaltsam immer weiter in die Galaxis eindringt und dessen ebenso mysteriöse Lenker für die Veränderung der Gravitationskonstante und die dadurch herbeigeführte galaxisweite Retardierung der Intelligenz verantwortlich sind.
Und während sich Perry Rhodan mit der GOOD HOPE II, einem kleinen, speziell ausgerüsteten Raumkreuzer, erneut in der Nähe des Schwarms aufhält und seine Jagd nach neuen Erkenntnissen und Informationen fortsetzt, geht auch der dramatische Flug der GATOS BAY weiter.
Cheborparczete Faynybret, der Mann mit dem unaussprechbaren Namen, nähert sich Quinto-Center. Noch ahnt er nicht, dass das USO-Hauptquartier EIN PLATZ FÜR VERDAMMTE ist ...
Die Hauptpersonen des Romans
Oberst Korstan Tiesch – Kommandant von Quinto-Center.
Admiral Cadro Tai-Hun – Anführer der »Paradiessucher«.
Roi Danton – Perry Rhodans Sohn besucht das Hauptquartier der USO.
Cheborparczete Faynybret – Ehemaliger Chef einer Sternzentrale der USO.
Mortom Kalcora – Ein kleiner Mann von Siga wächst über sich selbst hinaus.
Professor Persaito – Ezialist von Umtar.
1.
Der CheF hatte sich in eine Kabine der GATOS BAY zurückgezogen, um sich ein wenig Ruhe zu gönnen. Seit er vor vier Tagen mit diesem 120-Meter-Frachter von Pampas geflohen war, verging keine Stunde ohne irgendwelche Zwischenfälle. Die von dem ehemaligen Kapitän des Kugelraumers, Tschak-Hoa, installierten Notsteueranlagen fielen ständig aus; die Triebwerke mussten immer wieder überprüft werden, und zudem gab es noch Navigationsschwierigkeiten, da hier am Rande des inneren galaktischen Zentrumskerns die Sterne schon ziemlich dicht standen.
So kam es, dass die GATOS BAY für die relativ kurze Strecke von 13.703 Lichtjahren zwei Dutzend Linearetappen und vier Standard-Tage benötigte. Jetzt war Quinto-Center, ihr Flugziel, das sie in drei bis vier Etappen zu erreichen gehofft hatten, nicht mehr fern.
Der Chef fühlte sich müde und ausgelaugt. Aber er konnte einfach nicht schlafen. Die Vibrationen des unregelmäßig arbeitenden Antriebs übertrugen sich auf das gesamte Schiff. Die Wände und Böden vibrierten; lose Gegenstände begannen zu wandern, als hätten sie plötzlich eigenes Leben entwickelt. In der Luft lag ein ständig an- und abschwellendes Singen.
Als das Interkom anschlug, empfand es deshalb der CheF nicht einmal als Störung. Er schwang sich vom Lager und tastete ein.
Auf dem Schirm des Bord-Bildsprechgerätes kristallisierte sich das Konterfei Gaddard Pen-Tukus heraus. Der kleine Terraner war einer der Immunen. Er versah während dieser – hoffentlich letzten – Linearetappe als einziger Dienst in der Kommandozentrale. Kaum dass die Verbindung bestand, sagte der Hyperfunkingenieur: »Ich glaube, jetzt sind wir am Ende. Der Waringsche Kompensationskonverter dürfte endgültig den Geist aufgeben.«
»Nur das nicht – so nahe am Ziel!«, stöhnte der CheF. »Sind Sie sicher, dass es am Linearkonverter liegt, Gaddard?«
»Nicht absolut«, gestand Gaddard Pen-Tuku. »Es kann sich natürlich auch um Mängel an der Notsteueranlage handeln. Kapitän Tschak-Hoa war zweifellos ein fähiger Techniker, denn sonst wäre es ihm nicht gelungen, die Einrichtung zu installieren. Aber wie sich gezeigt hat, funktionieren die Anlagen nicht immer reibungslos. Der Leistungsabfall des Linearkonverters könnte auch diesmal auf einen solchen Fehler zurückzuführen sein. Nur leider konnte ich keinen entdecken.«
»Ich komme sofort«, versprach der CheF und unterbrach die Verbindung.
Bevor er die Kabine verließ, überprüfte er noch den Sitz seiner Kombination. Diese Angewohnheit stammte noch aus der Zeit, da er den SolAb-Stützpunkt »Sternzentrale Blue-Süd« befehligte. Nun existierte diese Station nicht mehr, der Rest der Mannschaft hatte sich an Bord der GATOS BAY retten können.
Sie hofften, mit dem Frachtschiff Quinto-Center zu erreichen und dort Unterstützung zu finden und ihre Hilfe anbieten zu können. Zwar wussten sie nicht, wie die Lage im Hauptquartier der USO war, doch erschien es ihnen als logische Schlussfolgerung, dass es dort genügend Lebewesen gab, die von der Verdummung verschont geblieben waren. Immerhin war ihnen bekannt, dass es sich bei sehr vielen USO-Spezialisten, egal welchem galaktischen Volk sie entstammten, um Mentalstabilisierte handelte. Und Mentalstabilisierte waren bekanntlich von der allgemeinen Verdummung nicht betroffen worden.
Der CheF wollte auf den Korridor hinaustreten, überlegte es sich aber anders, als er einen der Verdummten draußen auf dem Korridor erblickte. Er war sich seiner Wirkung auf Menschen vollauf bewusst, die in ihm mehr oder weniger die Inkarnation des Teufels sahen.
Cheborparczete Faynybret, wie der CheF mit vollem Namen hieß, war nämlich weder ein Mensch, noch gehörte er einem artverwandten Volk an. Er war Cheborparner und besaß eine verblüffende Ähnlichkeit mit einem aufrechtgehenden Ziegenbock. Für Terraner, in denen immer noch ein uralter Aberglaube tief verwurzelt war, hatte er das Aussehen eines Satyrs – des Teufels! Obwohl die Terraner kosmisch denken gelernt hatten und grundsätzlich jede non-humanoide Lebensform akzeptierten, konnten sie sich eines gewissen Unbehagens nicht erwehren, wenn sie mit einem Cheborparner konfrontiert wurden, der aussah wie der Teufel aus der Überlieferung.
Jetzt, während der Verdummung, war die Wirkung des Cheborparners auf die Terraner noch verblüffender. Der CheF hatte die Konsequenzen daraus gezogen und vermied jeden voreiligen und unverhofften Kontakt. Er bereitete die Menschen zuerst psychologisch auf sein Aussehen vor, bevor er ihnen gegenübertrat. Er ging selbst den Verdummten an Bord der GATOS BAY nach Möglichkeit aus dem Weg, obwohl sie vor der Katastrophe unter ihm gearbeitet hatten. Er zeigte sich ihnen nur, wenn es sich nicht anders machen ließ.
In diesem Fall zog er es vor, zu warten, bis der Verdummte außer Sichtweite war.
Der CheF erreichte mit einiger Verspätung die Kommandozentrale. Die zwei restlichen Immunen waren bereits vor ihm eingetroffen.
»Zum Teufel mit dieser morschen Sternenkiste«, schimpfte Hotchka Omolore gerade.
Cheborparczete Faynybret zuckte zusammen, als hätte man seinen Namen gerufen.
*
Hotchka Omolore war ein großer, massig gebauter Terraner mit brandrotem Haar. Er stand im Range eines Captains der Solaren Abwehr und hatte eine Ausbildung als Transmitteringenieur genossen. Er war mürrisch und hatte an vielem zu nörgeln.
Als er merkte, dass der Cheborparner die Kommandozentrale betreten hatte, machte er ein betroffenes Gesicht.
»Tut mir leid, CheF«, sagte er. »Das mit dem Teufel ist mir so herausgerutscht.«
Es war bezeichnend, dass er sich bei dem Cheborparner entschuldigte und nicht bei dem Mädchen, in dessen Gegenwart er geflucht hatte.
Aidala Montehue war die raue Sprache der Männer gewöhnt. Sie hatte lange genug als Medizinerin in der »Sternzentrale Blue-Süd« ihren Dienst versehen, um nicht mehr bei jedem Kraftausdruck zu erröten.
Sie stand hinter Gaddard Pen-Tuku, der einigermaßen ratlos am Pult mit den Notsteueranlagen saß. Sie war von zierlicher Gestalt, mittelgroß, trug das dunkle Haar kurzgeschnitten und besaß einen zartbraunen Teint. Obwohl von Plophos stammend, hatte sie etwas von einer Inderin an sich. Sie konnte in einem Moment unnahbar und verschlossen sein und im nächsten vor Fröhlichkeit überschäumen.
»Es scheint nun ernst zu sein«, empfing sie den Cheborparner.
»Allerdings«, erklärte Gaddard Pen-Tuku. »Ich habe euch wohl kaum aus Übermut zusammengetrommelt. Sehen Sie selbst, CheF. Der Atomreaktor liefert ausreichend Energie, alle Sektionen des Maschinenraums stehen unter Spannung – trotzdem zeigen die Armaturen einen Leistungsabfall des Waringschen Kompensationskonverters an. Wenn die Werte noch weiter sinken, haben wir in wenigen Minuten den kritischen Punkt erreicht, an dem uns der Linearkonverter nicht mehr in der Librationszone halten kann.«
Der Hyperfunkingenieur hatte sich während des Sprechens erhoben und dem Cheborparner Platz gemacht. Der CheF setzte sich ans Pult und legte seine plumpen, vierfingerigen Hände auf die Leiste.
Seine großen, rotleuchtenden Augen überflogen die provisorisch installierten Armaturen. Sein Blick blieb auf dem Chronometer des Autopiloten hängen.
»Die Linearetappe dauert noch vier Minuten an«, stellte er fest. »So lange müsste der Linearkonverter durchhalten, dann erreichen wir Quinto-Center.«
Hotchka Omolore murmelte irgend etwas Unverständliches, die anderen schwiegen.
Plötzlich ging eine Erschütterung durch das Schiff. Aidala Montehue stieß einen Schrei aus, als sie einen heftigen Stoß verspürte, der sie beinahe von den Beinen warf. Sie konnte sich gerade noch an der Schulter des Cheborparners festklammern.
Der CheF grinste verzerrt, was ihm ein noch teuflischeres Aussehen gab. Sein breiter Mund wurde v-förmig, die drei darüberliegenden Nasenlöcher zogen sich in die Breite – und im nächsten Augenblick schoben sich drei Zungengebilde aus ihnen, die sich bis zu einer Länge von 55 Zentimetern ausrollten. An ihren Enden befanden sich je vier feingliederige Finger.
Da sich die Cheborparner aus Huftieren entwickelt hatten, waren die aus den Vorderbeinen hervorgegangenen Arme nicht genügend ausgeprägt. Aus den vier Hufen eines jeden Vorderbeines hatten sich zwar Finger entwickelt, doch waren sie plump und ungelenk und deshalb nicht für feine mechanische Arbeiten und Schaltungen geeignet. Für solche Tätigkeiten besaßen die Cheborparner die drei in den »Nasenöffnungen« zusammengerollten Arbeitsfühler.
Der CheF rollte zwei der Arbeitsfühler aus und ließ sie über die Armaturen gleiten.
»Mal sehen, vielleicht kann ich etwas tun«, murmelte er und nahm einige Feineinstellungen vor, ohne dadurch jedoch einen Effekt zu erzielen. Die Armaturen zeigten nach wie vor sinkende Werte an, der Zeiger des Leistungsmessgerätes für den Linearkonverter pendelte bedrohlich nahe der roten Markierung.
In der Kommandozentrale herrschte gespanntes Schweigen. Nur das Rumoren des unregelmäßig arbeitenden Antriebes war zu hören, gelegentlich kam von den Schutzgläsern der Armaturen ein feines Klirren. Hotchka Omolore räusperte sich.
Aidala Montehue starrte auf das Chronometer des Autopiloten. Noch drei Minuten Linearflug, dann hatten sie es geschafft!
Gaddard Pen-Tuku stützte sich auf die Leiste des Instrumentenpults, seine Hände waren verkrampft. Seine Gedanken kreisten nur um eine Frage: Würde der Waringsche Kompensationskonverter der Belastung noch zwei Minuten standhalten?
Die Zeit tropfte zermürbend langsam dahin. Das Rumoren des Antriebs wurde immer lauter, unregelmäßiger. Die ehemals sanften Vibrationen gingen in ein beständiges Beben über.
Nur noch eine Minute!
Der CheF ließ die feinnervigen Finger seiner Arbeitsfühler über die Tastatur der Notsteueranlage gleiten. Er nahm ständig irgendwelche Schaltungen vor – regulierte hier den Energiefluss, drosselte und verstärkte, legte Leitungen lahm und setzte andere unter Strom, aktivierte, desaktivierte, programmierte um, löschte Programmierungen.
Es ging nur noch um wenige Sekunden, dann war die Uhr des Autopiloten abgelaufen. Drei Sekunden ...
Plötzlich durchlief ein heftiges Zittern das Schiff. Der Leistungsabfall des Linearkonverters war schlagartig gekommen, die Armaturen zeigten Werte unter der roten Markierung an.
Die GATOS BAY fiel zurück in den Normalraum. Gleich darauf schaltete sich der Waringsche Kompensationskonverter aus.
Gaddard Pen-Tuku eilte an die Ortungsgeräte und nahm einige oberflächliche Messungen vor. Er benötigte dafür nur eine knappe Minute. Als er sich den anderen zuwandte, lächelte er.
»Wir haben es geschafft«, sagte er. »Wir befinden uns nur eine knappe Lichtstunde von Quinto-Center entfernt.«
Niemand von ihnen ahnte in diesem Moment, dass noch lange nicht alle Schwierigkeiten beseitigt waren.
*
In der Theorie sah alles ganz einfach aus: Die GATOS BAY brauchte nur über Funk um Landeerlaubnis anzusuchen und dann in einen der unter der Oberfläche befindlichen Hangars einzufliegen.
Doch die Realität war komplizierter.
Der CheF konnte nicht persönlich mit dem Hauptquartier der USO in Bildsprechkontakt treten, denn ein zartbesaiteter Funker hätte ihn womöglich für den Leibhaftigen gehalten. Deshalb musste er Aidala Montehue vorschieben.
Gaddard Pen-Tuku traf in der Funkzentrale alle Vorbereitungen für eine Hyperkomverbindung. Als sie zustande kam, legte er das Gespräch auf das Bildsprechgerät in der Kommandozentrale.
Aidala erblickte auf dem Bildschirm das verkniffene Gesicht eines noch ziemlich jungen Funkoffiziers der USO.
»Hier Funkzentrale Quinto-Center, Leutnant Zdenko«, rasselte der Funkoffizier herunter. Er blickte Aidala herausfordernd an.
»Ich spreche von Bord des Frachters GATOS BAY«, erklärte sie. »Wir, das sind drei weitere Immune und dreizehn Verdummte, kommen von einem Stützpunkt der Solaren Abwehr. Ich ersuche um Einflugerlaubnis nach Quinto-Center.«
Der Leutnant verzog spöttisch den Mund.
»Ich fürchte, so einfach geht das nicht«, meinte er.
Aidala spürte, wie sie zornig wurde. »Und wieso nicht?«
Der Leutnant zeigte immer noch sein spöttisches Lächeln.
»Wie soll denn der Stützpunkt heißen, von dem Sie angeblich kommen?«, wollte er wissen.
»Sternzentrale Blue-Süd«, antwortete Aidala.
»Das muss erst überprüft werden«, erklärte der Leutnant. »Gehen Sie auf eine Umlaufbahn. Wir werden uns wieder über diese Frequenz mit Ihnen in Verbindung setzen.«
Als Aidala merkte, dass der Leutnant entschlossen war, die Verbindung zu unterbrechen, sagte sie schnell: »Einen Moment noch! Könnten Sie mir vielleicht erklären, was Ihre abweisende Haltung zu bedeuten hat? Wir haben unter schwersten Bedingungen fast vierzehntausend Lichtjahre zurückgelegt, weil wir annahmen, dass Quinto-Center eine der letzten Bastionen der menschlichen Zivilisation sei. Wir kamen, um mit Gleichgesinnten an der Wiederherstellung der normalen Zustände zu helfen. Und nun bieten Sie uns diesen Empfang!«
»Gleichgesinnte, dass ich nicht lache!«, rief der Leutnant belustigt aus. »Ich werde Ihnen sagen, was Sie sind. Sie gehören zu dem Pack, das Admiral Cadro Tai-Hun um sich geschart hat. Und ich glaube Ihnen kein Wort von Ihrer Geschichte. Sie müssen sich schon einen besseren Trick ausdenken, um uns zu überlisten. Nichts für ungut, ich will Ihnen nichts nachtragen. Sagen Sie Ihrem Admiral, Sie hätten es versucht, aber die Leute von Quinto-Center seien eben zu clever.«
Jetzt wurde Aidala richtig wütend. »Ich glaube, Sie überschreiten Ihre Befugnisse, Leutnant«, rief sie. »Verbinden Sie mich augenblicklich mit dem Oberbefehlshaber von Quinto-Center!«
Aber ihr Gesprächspartner konnte sie nicht mehr hören. Der Bildschirm war bereits dunkel.
»Seltsam«, murmelte der CheF. »Was es mit diesem Admiral Cadro Tai-Hun wohl auf sich hat ... Wir werden jedenfalls nichts unversucht lassen, um die Einflugerlaubnis nach Quinto-Center zu bekommen.«
2.
HIERMIT FORDERE ICH SIE EINDRINGLICHST AUF, DAS KOMMANDO ÜBER QUINTO-CENTER AN MICH ALS RANGHÖHEREN ZU ÜBERTRAGEN. ADMIRAL CADRO TAI-HUN.
»Ich kann mir schon denken, warum er Quinto-Center haben möchte«, donnerte Oberst Korstan Tiesch und zerknüllte die Depesche, die ihm aus der Funkzentrale übermittelt worden war. »Wenn der Admiral sich in Quinto-Center häuslich niederlassen will, dann muss er es schon mit Gewalt nehmen.«
»Vielleicht schätzen Sie Admiral Tai-Hun falsch ein«, sagte sein Gegenüber. Es war ein großer, kräftiger junger Mann mit dunklem Teint und weißblondem Haar. Er hatte eine tiefe Stimme. Aber so groß er auch war, welches Stimmvolumen er auch besaß – neben Oberst Tiesch verblasste er optisch und akustisch. Denn der Kommandant von Quinto-Center war ein Ertruser, 2,45 Meter groß und 2,10 Meter breit, und wenn er seine Stimme anhob, dann zitterten die Wände.
»Vielleicht hat Admiral Tai-Hun gar nicht vor, Gewalt anzuwenden«, fuhr der andere Mann fort, der Persaito hieß, von der altarkonidischen Kolonie Umtar stammte und die Lehrgänge für Verdummte auf Quinto-Center leitete. »Sie sollten sich mit ihm an den Verhandlungstisch setzen und sich einmal seine Vorschläge anhören. Ich für meinen Teil finde, dass es gar nicht so dumm ist, was er zu sagen hat.«
»Gott sei Dank, dass es in dieser Angelegenheit nicht auf Ihre Meinung ankommt«, entgegnete Oberst Tiesch heftig. »Sie sollten eigentlich genug mit Ihren Problemen zu tun haben.«
»Sie haben natürlich recht«, gab Persaito zu, »es geht mich nichts an.«
Oberst Tiesch wandte sich abrupt ab. Es hatte den Anschein, als sei ihm der sandfarbene Haarsichelkamm auf dem sonst kahlen Schädel vor Missmut und Ärger geschwollen. Die rotbraune Hautfärbung verstärkte diesen Eindruck noch. Doch der Schein trog, der Ertruser war innerlich ausgewogen und ruhig. Er wäre jetzt nur lieber alleine gewesen, um mit sich zu Rate gehen zu können.
O ja, er konnte sich schon vorstellen, dass Admiral Cadro Tai-Hun mit dem Kommando über Quinto-Center liebäugelte. Denn das Hauptquartier der USO war eine uneinnehmbare Festung. Von hier aus konnte man einen starken Einfluss auf die galaktischen Geschehnisse ausüben. Oberst Korstan Tiesch war überzeugt, dass USO-Admiral Cadro Tai-Hun in all seinen Handlungen nur von einem Gedanken beflügelt wurde: Macht!
Vom Hauptquartier der USO aus hätte er seinen Machthunger stillen können.
Das war Quinto-Center:
Ein ehemaliger Mond mit einem Durchmesser von 62 Kilometern, von Großraumschiffen mittels Traktorstrahlen eingefangen und an diese strategisch wichtige galaktische Position gebracht. Danach wurde der Kleinmond mit Hilfe von Thermo- und Desintegratorstrahlen soweit ausgehöhlt, dass nur noch eine äußere Felsrinde mit einer Dicke von sechs Kilometern blieb. Die verbliebene Felsschale wurde durch Terkonitstahlverstrebungen abgestützt, um eine ausreichende statische Festigkeit zu erwirken. Daraufhin baute man den Hohlraum, der eine Lichtweite von 50 Kilometern besaß, systematisch aus.
Das Herz, die Hauptzentrale, von Quinto-Center lag im genauen Mittelpunkt des ehemaligen Mondes, war kugelförmig mit einem Durchmesser von 800 Meter und bestand aus einer fünf Meter dicken Terkonitstahlwandung. Darum herum waren 38 atomare Kraftwerke angeordnet, die die Kugel der Hauptzentrale ebenfalls wie eine Kugel umgaben. Unmittelbar an diese lebenswichtigen Anlagen schloss ein Großtransmitter an, der noch im Bereich der inneren Sicherheitssektoren lag und im Bedarfsfall von allen 38 Atomkraftwerken Energie beziehen konnte.