Nr. 516
Sandal, der Rächer
Ein Mann wartet auf die Fremden – seine stählerne Armee ist kampfbereit
von HANS KNEIFEL
Auf der Erde schreibt man Mitte November des Jahres 3441. Damit ist seit dem Tag, als die Katastrophe über fast alle Intelligenzwesen der Galaxis hereinbrach, nahezu ein Jahr vergangen.
Immer noch besteht keine Aussicht, den mysteriösen Schwarm an seinem Flug durch die Galaxis zu hindern oder die vom Schwarm ausgehende Manipulation der 5-D-Konstante, die bei den meisten Lebewesen eine Retardierung der Intelligenz hervorruft, rückgängig zu machen.
Perry Rhodan und seine immunen Gefährten, unter ihnen Atlan, Gucky und viele alte Bekannte, lassen jedoch nichts unversucht, dem Geheimnis des Schwarms auf die Spur zu kommen. Unterstützt von der INTERSOLAR, Reginald Bulls Flaggschiff, hält sich der Großadministrator mit der GOOD HOPE II fast ständig in der Nähe des Schwarms auf, um Informationen zu sammeln und Untersuchungen anzustellen.
Jetzt allerdings hat Perry Rhodans Kreuzer eine andere Position eingenommen. Ein großes Flugobjekt, das zusammen mit vielen anderen Objekten den Schwarm verlassen hatte, um einen bestimmten Planeten anzufliegen, wird schärfstens beobachtet, weil man unbedingt wissen will, was die Fremden bei den »Wächtern der Einsamkeit« zu suchen haben.
Ein Mann aus Perry Rhodans Crew will es noch genauer wissen. Er verweigert die Rückkehr zur GOOD HOPE, denn er hat ganz spezielle Pläne mit den Fremden aus dem Schwarm – er ist SANDAL, DER RÄCHER ...
Die Hauptpersonen des Romans
Perry Rhodan – Der Großadministrator wartet auf die Rückkehr eines Barbaren.
Sandal Tolk – Seine Mission ist die Rache.
Chelifer Argas – Eine Terranerin interessiert sich für einen Barbaren.
Atlan und Icho Tolot – Der Arkonide und der Haluter fliegen erneut zum Planeten »Testfall Rorvic«.
Nymphon, Psophys, Psyllida und Malkostraker – Einige von Sandal Tolks neuen Freunden.
1.
Chelifer Argas, die zweiundzwanzigjährige Robotpsychologin, hatte eine ungewöhnlich dunkle, tiefe Stimme. Das Mädchen war während des Fluges selten aufgefallen – sie bewegte sich ständig durch das Raumschiff und kontrollierte ruhig, ohne Aufsehen und sehr fleißig sämtliche kybernetischen Anlagen und besonders die Servomaschinen und Roboter. Jetzt saß sie in der Zentrale auf einem Stapel flacher Kisten, der am Boden festgezurrt war. Noch immer schien das Schiff mit Proviant und Ausrüstungsgegenständen mehr als nur überfüllt zu sein, obwohl sich manche Ecken bereits gelichtet hatten. Chelifer warf einen Blick auf das Bordchronometer und sagte: »Wir schreiben heute den elften November. Seit vier Tagen ist Sandal dort unten auf dem Planeten. Wollen Sie nichts unternehmen, Mister Rhodan? Zumal auch Sie behaupten, dass Ihnen Sandal ans Herz gewachsen ist?«
Perry Rhodan lächelte kaum wahrnehmbar. Er erwiderte vorsichtig: »Richtiger, er ist mir auf andere Weise ans Herz gewachsen als Ihnen, Mädchen. Keine Sorge. Ich werde etwas unternehmen.«
»Wie schön. Was werden Sie unternehmen lassen?«
Leichte Gereiztheit sprach aus den Worten des Mädchens. Sie sah bemerkenswert aus mit ihrem kurzgeschnittenen silberfarbenen Haar und den grünen Augen. Seit Sandal an Bord gekommen war, etwa seit Mitte Oktober, hatte sich für sie einiges verändert. Wenigstens glaubte sie es.
Atlan, der Arkonide, spielte mit einem der Mallophagon-Steine, einem runden Ding, das etwa fünf Zentimeter durchmaß, nur leicht von der Kugelform abwich und mit einem bizarren Muster aus Äderchen und Schlieren durchzogen war.
»Unser Kommando ist zurückgekehrt, weil wir nichts riskieren wollen«, sagte er und beobachtete das Mädchen sehr genau. Erst jetzt, nach längerem Ansehen, wenn das schmale Gesicht Bewegung zeigte und zu leben begann, entdeckte man richtig, wie hübsch Chelifer eigentlich war. Atlan hatte einen sehr scharfen Blick, was weibliche Schönheit betraf.
»Aber Sandal riskiert eine ganze Menge«, widersprach Chelifer. »Warum haben Sie eigentlich gestattet, dass er auf ›Testfall Rorvic‹ zurückblieb?«
Icho Tolot lachte dröhnend, erinnerte sich – wie fast jedes Mal, wenn er lachte – an die belästigende Lautstärke und mäßigte sein Organ. Er sagte: »Mein Kleines – da gab es nichts zu gestatten! Sandal hat seinen Willen. Ich möchte fast sagen, dass er ausgesprochen eigensinnig ist. Ein Wesenszug, den man bisher nur an Terranern beobachten konnte und solchen, die ihnen nahe verwandt sind.«
Rhodan drehte seinen Sessel herum, drückte eine Taste und sagte in die Richtung eines Mikrophons: »Rhodan hier. Ich rufe die Ortung.«
Die Antwort kam Sekunden später.
»Alaska Saedelaere hier. Was brauchen Sie, Chef?«
Alaska, der Mann mit der Maske, hinter der die farbigen Lichterscheinungen flackerten, erschien auf einem kleinen Monitor.
»Was haben wir inzwischen über dieses Schiff festgestellt, das aus dem Schwarm kam?«
Alaska holte Atem und fasste zusammen. Er sagte halblaut: »Das fremde Raumschiff, das wir angemessen haben und seitdem unablässig mit den Instrumenten der Fernortung verfolgen, nähert sich langsamer, als wir ursprünglich erwarteten. Es hat eine Serie von Sprüngen durchgeführt und ist zwischen den Sprüngen immer wieder eine längere Zeit im Normalraum geblieben.
Selbst von hier aus, also vom Gebiet in der Nähe der gelben Sonne Struktur-Alpha, ist es deutlich zu sehen. Das Schiff nähert sich dem Planeten Rorvic unter größten Vorsichtsmaßnahmen, fast wie wir.«
Chelifer hob die Hand und unterbrach den hageren Terraner. Sie fragte aufgeregt: »Besteht die Möglichkeit, mit einer Jet nach Rorvic zu fliegen und Sandal abzuholen? Haben wir Chancen für dieses Unternehmen?«
Alaska brauchte nicht zu überlegen; diese Frage hatte er sich schon einige Male in den vergangenen Tagen gestellt. Auch ihn faszinierte dieser junge Mann, der ununterbrochen fragte und lernte. Er lernt wie ein Wilder, dachte Alaska ironisch. Auch er schätzte Sandal. Es gab vermutlich niemanden an Bord, der den jungen Barbaren nicht mochte.
»Wenn der Zeitfaktor eine Rolle spielen sollte«, gab Alaska zurück, »wäre es durchaus kein sehr großes Wagnis. Außerdem können wir uns mit Sandal in Verbindung setzen.«
Rhodan erkundigte sich: »Wie lange braucht das Schiff, um den Planeten zu erreichen – vorausgesetzt, es bleibt so langsam wie bisher?«
»Drei Tage, Chef!«, sagte Saedelaere. »Vorausgesetzt, es wird nicht schneller.«
»Köstlich, meine kleinen Terraner!«, brüllte Icho Tolot los. »In den kompliziertesten Situationen machen sie noch Witze! Ich liebe euch alle!«
»Beruht auf Gegenseitigkeit«, kommentierte Alaska.
Sie alle hatten gemeinsam eine derartige Menge von Aufregungen und Abenteuern zusammen erlebt, dass sie glaubten, alles zu kennen und von nichts mehr überrascht zu werden. Zwischen ihnen hatte sich eine Art Freundschaft entwickelt, die außerordentlich strapazierfähig war und es auch bleiben würde.
Ohne weitere Erörterungen abzuwarten, sagte Atlan halblaut: »Ihnen zuliebe, Chelifer. Ich werde versuchen, mit einer Jet zu starten und Sandal zu holen. Einverstanden?«
Chelifer nickte und fragte: »Nehmen Sie mich mit?«
»Auf keinen Fall!«, warf Rhodan mit Schärfe ein. »Auf keinen Fall. Wir haben uns geschworen, niemals mehr als unbedingt nötig zu riskieren. Und Ihre Teilnahme wäre ein absolut unnötiges Risiko. Ihre Zuneigung in Ehren, aber das kann ich nicht billigen.«
Das Mädchen zuckte die Schultern, murmelte etwas, das niemand verstand, und nickte dann.
»Atlan?«
Der Arkonide drehte den Kopf und blickte die mächtige, reglos wie ein Fels im Spezialsessel hockende Gestalt des halutischen Giganten an. Er fing einen nachdenklichen und irgendwie auffordernden Blick der glühenden roten Augen auf und wusste, was er zu bedeuten hatte.
»Ja?«
»Ich würde mitmachen und Sandal zwischen den Robotern hervorholen!«
»Meinetwegen«, sagte Rhodan und zuckte die Schultern.
Die GOOD HOPE II, jenes Schiff, das einen berühmten Namen trug und in gewisser Weise die Mission der Vorgängerin zu wiederholen hatte, wenn auch unter radikal veränderten Umständen, hatte sich wegen der allgemein beachteten Vorsicht von dem System des Planeten »Testfall Rorvic« entfernt und war einige Lichtjahre weit in die Nähe einer kleinen gelben Sonne abgesetzt, deren Korona und Chromosphäre ein zerfaserndes Muster zeigten und für den Namen kennzeichnend waren: Struktur-Alpha. Die überlichtschnelle Hyperortung verfolgte das fremde Raumschiff auf seinem Kurs in Richtung des Planeten, der so erstaunlich erdähnlich war.
Rhodan dachte nach. Er hütete sich davor, den Männern des Kommandos Vorwürfe zu machen – schließlich hatte er den Befehl zum Abflug erteilt –, aber dieser zweite Flug, der jetzt folgen würde, war eigentlich unnötig.
Sie hätten Sandal Tolk asan Feymoaur sac Sandal-Crater nicht auf Rorvic zurücklassen dürfen – er hätte es nicht anordnen dürfen!
Diese Vorwürfe waren berechtigt. Sandal Tolk hätte sich überzeugen lassen müssen. Er war einfach verschwunden, hatte sich von der Jet und dem Kommando entfernt und war zurückgeblieben. Es war nicht auszudenken, was geschah, wenn dieses Schiff wirklich auf dem Planeten landete und dort Geräte aufstellte wie damals auf dem Heimatplaneten Sandals. Die kleinen Purpurnen würden ihn besiegen – die Übermacht würde es schaffen, trotz seiner unfehlbaren Pfeile.
Sandal mit der runden, roten Koralle im Ohrläppchen!
Ein entschlossener und liebenswerter junger Mann. Sein neues Leben hatte mit dem Einschleusen in die GOOD HOPE II begonnen. Rhodan schaute hoch und begegnete den prüfenden Blicken des jungen Mädchens und des Haluters. Atlan grinste leicht; er wusste bereits, wie sich der Chef entschlossen hatte. Langsam stand der Arkonide auf.
Rhodan sagte nachdrücklich: »Einverstanden. Ich bitte nur um eines ...«
Atlan winkte ab.
»Größte Vorsicht und größtmögliche Schnelligkeit, nicht wahr?«
Perry nickte kurz.
»Selbstverständlich! Ich werde auf Atlan und den kleinen Jungen aufpassen! Ich werde wie eine Mutter zu Sandal sein!«, röhrte der Haluter verhalten.
»Sei lieber wie ein böser Stiefvater und schleppe ihn notfalls am Kragen zurück in die Jet!«, erwiderte Rhodan. »Keine Sorge, Mädchen. Wir bringen ihn zurück, unversehrt und ohne viel Aufwand.«
»Ich würde es sehr begrüßen«, erwiderte Chelifer Argas leise. »Und allen wäre damit gedient.«
Atlan sagte: »Ich werde die Jet steuern, und Icho muss sich eben in die Kabine hineinklemmen, so gut es geht.«
»Ich habe schon in viel unbequemeren Lagen ausgehalten, mein Kleines!«, beharrte der Haluter. Atlan ging zum Instrumentenpult, nickte dem Emotionauten Senco Ahrat zu und kippte einen Schalter.
»Hier Schleusenhangar!«
»Bitte, machen Sie eine Jet startfertig. Wir haben einen Abstecher nach Testfall Rorvic vor, Icho Tolot und ich«, meinte Atlan. »Wir sind in fünf Minuten bei Ihnen.«
»Verstanden.«
»Ich danke Ihnen, Chef«, sagte das Mädchen mit dem kurzen, silbernen Haar und den zwei künstlichen Nervenleitern in der Großhirnrinde.
»Schon gut«, meinte Rhodan. »Es ist ja in unser aller Interesse, abgesehen von den freundschaftlichen Aspekten dieser Sache. In ein paar Stunden ist Sandal wieder an Bord und lernt Sternbilder auswendig oder die Winkelfunktionen.«
Der Arkonide legte den Mallophagon-Stein weg, nickte dem Haluter zu und sagte entschlossen: »Gehen wir, Tolotos. Die Karten und alles andere finden wir in der Jet.«
Binnen weniger Minuten hatten sie sich entsprechend ausgerüstet, gingen durch die überfüllten Korridore des Schiffes und betraten den Schleusenvorraum, der sich in eine Art Warenlager verwandelt hatte. Überall waren, exakt befestigt, Stapel von Kisten und Ballen zu sehen, die nur langsam abgebaut werden konnten. Das Schiff war einfach überfüllt. Es gab zuwenig Platz und zuviel Ausrüstung.
»Wirst du den Weg finden, Atlan, mein Kleiner?«, fragte Tolot.
Atlan duckte sich, als die Geräuschwellen an sein Ohr schlugen.
»Ich denke schon!«, meinte er.
Überschätze dich nicht!, warnte der Extrasinn. Du befindest dich nicht in der Vorzeit der Erde!
Die beiden Männer des Wartungskommandos hatten alles fertig; die Jet ruhte sicher auf den Magnetlagern. Hinter den Raumfahrern schlossen sich die lackierten Schotte der Vorkammer. Atlan kletterte als erster in die Jet, setzte sich vor die Kontrollen, nachdem er seine Ausrüstung verstaut hatte. Icho Tolot kletterte die Leiter hinauf, die Sprossen waren verstärkt worden, so dass sie sich nicht verbogen, als der Gigant daraufstieg. Er drehte sich in die Kuppelkabine hinein, legte sich flach auf den Boden und stützte den Oberkörper gegen eine Umformerbank ab. Atlan konnte den Liftschacht erreichen, ohne auf die Säulenbeine des Haluters zu treten.
»Fertig?«, fragte er.
»Ich bin fertig!«, flüsterte der Haluter.
Die Schleusen und die Dichtungen glitten zu, die Maschinen sprangen an, und auf ein Signal Atlans hin öffnete sich die äußere Schleusentür des Schiffes. Im Schutzschirm wurde ein Strukturriss erzeugt, und die Halbautomatik schob den Diskus hinaus ins All. Die Triebwerke begannen zu arbeiten, und in einer weiten Kurve entfernte sich der Diskus vom Schiff. Atlan machte eine Funkprobe, die Verständigung klappte ausgezeichnet.
»Wir gehen auf Kurs!«, sagte er dann laut.
»Einverstanden! Ich bin ganz froh darüber, dass wieder einmal gehandelt wird. Ob uns Sandal mit einem Pfeilhagel begrüßen wird?«, fragte sich der Haluter laut.
»Wohl kaum.«
Der Haluter grinste breit; sofern man die Mimik seines nichthumanoiden Kopfes als Grinsen bezeichnen konnte. Dann sagte er relativ leise: »Schließlich habe ich eine kleine Überraschung für ihn dabei. Sie liegt unten in der Polschleuse.«
»Es wird ihn freuen«, meinte der Arkonide.
Die Jet wurde schneller und raste dem fernen Ziel entgegen. Diesem Ziel näherte sich auch aus einer anderen Richtung das fremde Raumschiff, das von den Besatzungsmitgliedern der GOOD HOPE II als deutliche Gefahr klassifiziert worden war. Es würde kein Rennen geben, aber das bedeutete nicht, dass keine Überraschungen auf Atlan und Icho Tolot warteten. Ihr Ziel war der Planet mit dem Namen Testfall Rorvic.
Eine erdähnliche Welt, abgesehen von jenen hellgrauen Tieren und Pflanzen, deren Blüten oder Federn oder Pelze mit pechschwarzen und orangegelben Streifen oder Ringen verziert waren. Bei den ersten flüchtigen Begegnungen mit der planetaren Fauna und Flora hatten die Terraner dies feststellen können.
»Wie lange brauchen wir?«
Atlan erwiderte: »Einige Stunden.«
Der Kurs lag fest. Der Planet, den sie suchten, besaß einen Durchmesser von 2113 Kilometern, die Oberflächenschwerebeschleunigung betrug nur ein Prozent weniger als diejenige der Erde. Ein Tag verlief in dreiundzwanzig Stunden und achtundvierzig Minuten.
Die Jet ging in den Linearraum.
Atlan lehnte sich zurück und dachte an diese seltsame, vergessene Kultur, in der die Roboter unter die Oberfläche des Planeten zurückkehren mussten, um ihre Batterien aufzufüllen. Ein leerer Planet, abgesehen von der naturhaften Oberfläche. Sie hatten festgestellt, dass die Wälder und die Ufer, die Savannen und die Inseln in einem Zustand waren, der darauf schließen ließ, dass man – in diesem Fall konnten es nur die Robots sein – eine gewisse Veredlung trieb und wenig dem Zufall überließ.
Sie würden vielleicht in einigen Stunden mehr wissen ...
*
Der schlanke Mann mit dem weißen Haar hatte die flache Hand über die Augen gelegt und sah dem startenden Diskus nach. Sandal stand unter einem Scaphineura-Baum mit orangegelben und schwarzen Blättern, hielt seinen riesigen Kompositbogen in der Hand und hörte das Geräusch der Maschinen, das immer leiser wurde und schließlich erstarb.
»Jetzt gehört mir die Welt allein!«, sagte Sandal leise.
Er hörte, abgesehen vom Klang des Windes in den Ästen und Blättern des riesigen Baumes, nur seine eigene Stimme.
»Allein mir. Ich werde hier auf die Mörder warten!«, murmelte er und zog sich in den Schatten zurück.
Sandal kannte sich selbst nicht wieder.
Er strich das lange Haar nach hinten und schob das breite Stirnband höher in die Stirn. Heute war er klüger als damals, als er die verbrannten Leichen seiner Angehörigen verlassen hatte. Aber er war auch verwirrter von all dem Wissen, das er inzwischen in sich aufgenommen hatte. Und da war dieses junge Mädchen mit der knabenhaften Figur, die er im Raumschiff getroffen hatte ...
»Chelifer ...«, sagte er. »Ich komme zurück. Als Sieger.«
Er lehnte sich an den Stamm des Scaphineura, fühlte die neunundneunzig Pfeile im Rückenköcher und drehte ganz langsam den Kopf. Er betrachtete die Landschaft und sah darin den verbrannten runden Fleck, den die Triebwerke der Jet hinterlassen hatten. Hier, allein auf dem Planeten, fühlte er sich wohl. Er hatte alles für sich – die Berge, die Savannen und den Wald, das Ufer des Meeres und die Inseln, um auf die Mörder zu warten. Und er hatte Zeit. Irgendwie würde er den Planeten schon wieder verlassen können.
Vielleicht holt mich Chelifer ab, dachte er.
Jetzt war er etwas mit sich selbst unzufrieden. Er hätte sie mitnehmen sollen; aber auch das war nicht gut, schränkte er sofort darauf wieder ein, denn sie war einen Kampf, wie er ihn führte, ungewohnt. Dies war Männersache, eine Arbeit für Krieger, die ebensogut mit der Strahlwaffe wie mit dem Bogen, mit dem Messer so gut wie mit einer Schleuder kämpfen konnten. Also war es doch besser gewesen, sie im Schutz des Raumschiffes und seines großen Freundes Atlan zurückzulassen.
»Die Mörder werden kommen, und dann bringe ich sie um!«, sagte er.
Jetzt rührte er sich.
Langsam waren die Schatten gewandert. Er musste sich einen Platz für die Nacht suchen und etwas zu essen schießen. Außer ihm war der Planet an der Oberfläche nur von den Maschinen bevölkert, und wenn er nicht wollte, dann lief er ihnen nicht über den Weg. Vielleicht aber konnte er sie brauchen. Jedenfalls beabsichtigte er nicht, wie drei seiner Freunde es getan hatten, unter die Oberfläche hinabzusteigen. Auf keinen Fall. Hier oben bewegte er sich wie ein Wesen dieses Planeten, wie ein unhörbares, unsichtbares Raubtier.
»Noch bin ich allein!«, sagte Sandal leise.
Er wusste genau, dass die Mörder hierher unterwegs waren. Er hatte auch von den klügeren Freunden erfahren, dass es mit größter Sicherheit nicht dasselbe Schiff war, das hier landen würde. Auch nicht die gleichen Insassen. Aber das machte keinen Unterschied. Sie alle waren Mörder.
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