Nr. 520
Unter Parazwang
Sie beherrschen die Höllenwelt – Mensch und Tier sind ihnen untertan
von H. G. EWERS
Auf der Erde schreibt man Mitte Dezember des Jahres 3441. Damit ist seit dem Tag, als die Katastrophe über fast alle Intelligenzwesen der Galaxis hereinbrach, über ein Jahr vergangen.
Immer noch besteht keine echte Aussicht, den mysteriösen Schwarm an seinem Flug durch die Galaxis zu hindern oder die vom Schwarm ausgehende Manipulation der 5-D-Konstante, die bei den meisten Lebewesen eine Retardierung der Intelligenz hervorruft, rückgängig zu machen.
Perry Rhodan und seine immunen Gefährten, unter ihnen Atlan, Gucky und viele alte Bekannte, lassen jedoch nichts unversucht, dem Geheimnis des Schwarms auf die Spur zu kommen. Von einigen Abstechern abgesehen, hält sich der Großadministrator mit der GOOD HOPE II fast ständig in der Nähe des Schwarms auf, um Informationen zu sammeln und Untersuchungen anzustellen.
Auch jetzt wieder, nach der missglückten galaktischen Konferenz, unternimmt Perry Rhodan einen Abstecher. Zusammen mit Atlan, Geoffry Waringer und Fellmer Lloyd fliegt der Großadministrator den USO-Stützpunkt Quinto-Center an.
Immune Spezialisten des USO-Hauptquartiers sollen mithelfen, die auf Geoffry Waringers Laborwelt »Last Hope« stationierten achtzigtausend Wissenschaftler zur Hundertsonnenwelt der Posbis zu transportieren, die nach Aussage des Unsterblichen von Wanderer von der Verdummungsstrahlung nicht beeinflusst ist.
Doch die verdummten Männer und Frauen von Last Hope wegzubringen und ihnen die Intelligenz zurückzugeben, erweist sich als nahezu hoffnungsloses Unterfangen, denn die Menschen stehen UNTER PARAZWANG ...
Die Hauptpersonen des Romans
Perry Rhodan – Der Großadministrator startet eine neue Expedition.
Atlan – Der Lordadmiral übernimmt ein neues Schiff.
Fellmer Lloyd und Geoffry Abel Waringer – Perry Rhodans Begleiter.
Bossa Cova und Patulli Lokoshan – Zwei Männer haben ein Rendezvous mit einem Roboter.
Avril Youngman und Ishi Tetagori – Die neuen Herren von Last Hope.
Prolog
Quinto-Center liegt hinter uns. Vor uns liegen 18.723 Lichtjahre, denn so weit ist es vom Hauptquartier der USO bis nach Last Hope, dem ehemaligen plophosischen Stützpunktplaneten und heutigen Experimentier- und Forschungsplaneten des Waringer-Teams.
Doch hinter uns liegt nicht nur Quinto-Center; hinter uns liegen vor allem viele Monate schwerer Rückschläge, harter Entbehrungen und zäher Arbeit. Die Manipulierung der fünfdimensionalen Gravitationskonstante unserer Galaxis hat aus Milliarden gebildeter, kultivierter Menschen hilflose Kinder gemacht. Nur wenige Menschen sind immun geblieben, und es erscheint mir nachträglich wie ein Wunder, dass es uns gelungen ist, wenigstens auf der Erde und einigen anderen Planeten halbwegs geordnete Zustände herzustellen.
Als Großadministrator des Solaren Imperiums trage ich die Verantwortung für das Wohl aller Bürger unseres Staates. Die Tatsache, dass es heute unmöglich ist, mich durch eine Wahl in meinem Amt zu bestätigen, entbindet mich nicht von meinen Verpflichtungen. Oft wollte mich die Last der Verantwortung erdrücken, und ohne die wenigen immunen Freunde und Gefährten hätte ich nichts erreichen können.
Nachdem vor vierzehn Tagen die Konferenz zur Gründung einer Galaktischen Völkerallianz vom Ertruser-Triumvirat gesprengt wurde, schienen alle Hoffnungen auf die Bannung der permanenten Gefahr der Verdummungswelle geschwunden zu sein. Ohne die enge Zusammenarbeit aller noch vorhandenen Geisteskapazitäten der galaktischen Völker kann kein Abwehrmittel gegen die Verdummung gefunden werden.
So erschien es uns damals jedenfalls. Doch dann unterbreitete mir Geoffry Waringer einen Plan, der dazu angetan ist, neue Hoffnungen zu wecken. Grundlage seines Planes ist der wichtige Hinweis von ES, dem Kollektivwesen, das auf Wanderer-Beta lebt. Danach soll die Manipulierung der galaktischen Gravitationskonstante auf der Hundertsonnenwelt der Posbis unwirksam sein. Da sich dieser Planet 289.412 Lichtjahre außerhalb unserer Galaxis befindet, erscheint mir das glaubhaft, obwohl ich vor dem Hinweis von ES der Ansicht gewesen war, dass die Hundertsonnenwelt sich im Wirkungsbereich der Verdummung befände, da sie sich ja auch im Einflussbereich der galaktischen Gravitation befindet.
Nach eingehender Beratung mit Geoffry und Atlan wurde beschlossen, den ursprünglichen Plan, mit der GOOD HOPE II in den Schwarm einzudringen und Verbindung mit dem sich darin aufhaltenden Sandal Tolk aufzunehmen, zurückzustellen. Dafür wollte ich gemeinsam mit Atlan, Geoffry und Lloyd nach Quinto-Center fliegen, um mit den dort lebenden Immunen zehn Großtransporter zu besetzen. Mit diesen Transportern soll der Planet Last Hope angeflogen werden, auf dem sich rund achtzigtausend hochqualifizierte Wissenschaftler und Techniker befinden. Wir sind davon ausgegangen, dass die achtzigtausend Männer und Frauen aus ihrer Verdummung erwachen, sobald sie aus dem Bereich der Gravitationsmanipulierung gebracht werden.
Der erste Teil dieses Planeten ist gelungen. Wir landeten mit einer kleinen Space-Jet auf Quinto-Center, machten zusammen mit der Immunentruppe zehn Großraumtransporter der ALMANA-Klasse startklar und besetzten jedes Schiff mit zwanzig mentalstabilisierten USO-Spezialisten. Mein Freund Atlan ging an Bord des elften Schiffes, eines USO-Kreuzers mit dem beziehungsreichen Namen GONOZAL. Er nahm sechzig Immune an Bord, so dass sich bei uns jetzt insgesamt zweihundertsechzig Personen aus der Immunentruppe von Quinto-Center befinden.
Vor uns liegt der zweite Teil des Planes. Wir werden auf Last Hope landen und die achtzigtausend Wissenschaftler und Techniker des Waringer-Teams an Bord nehmen, sofern sie die Verdummungswelle überlebt haben. Da wir nach unseren bisherigen Erfahrungen damit rechnen dürfen, dass einige Personen auf Last Hope sich als immun erwiesen haben, hoffen wir allerdings, ausreichend stabilisierte Zustände vorzufinden.
Die Unterbringung der achtzigtausend Personen wird kein Problem sein. Jeder der zehn Transporter ist ein Kugelschiff von 2,5 Kilometer Durchmesser, so dass, wenn man die auf ein Schiff entfallenden achttausend Passagiere nebeneinander auf der Äquatorebene aufstellte, für jeden einunddreißig Zentimeter als Standplatz blieben. Wir werden also zusätzlich noch große Mengen an Ausrüstungen an Bord nehmen, damit wir auf der Hundertsonnenwelt sogleich mit den Forschungs- und Entwicklungsarbeiten beginnen können.
Ein Signal kündigt den ersten Orientierungsaustritt an. Fünf Minuten später fallen unsere elf Schiffe in den Normalraum zurück. Ich stelle eine Sammelverbindung zu den Kommandanten her und erfahre, dass alles in bester Ordnung ist.
Kurz darauf meldet sich Atlan von der GONOZAL. Das Gesicht meines arkonidischen Freundes ist ernst, wie meist in der letzten Zeit, aber aus den albinotisch rötlichen Augen strahlt mir neue Zuversicht entgegen.
»Wie sieht es bei dir auf der ALMANA 1 aus, Perry?«, fragt er.
»So gut, wie es nur aussehen kann«, antworte ich. »Deine Spezialisten sind hervorragende Kosmonauten. Ich könnte mir keine bessere Besatzung wünschen.«
»Danke für das Lob, Perry.« Atlan lächelt. »Auch bei mir läuft alles reibungslos. Ich hoffe nur, dass wir übermorgen das gleiche feststellen können, wenn wir auf Last Hope gelandet sind.«
Ich runzle die Stirn.
»Fängst du wieder mit deiner alten Schwarzseherei an, Atlan?«
»Ich bitte dich! Kaum drückt man sich ein wenig vorsichtig aus, wird man für einen Schwarzseher gehalten. Ich wollte nur andeuten, dass es auf Last Hope achtzigtausend Verdummte gibt, die nicht begreifen werden, was wir von ihnen wollen.«
»Schon gut«, antworte ich besänftigend. »Bis später, Atlan.«
Als der Hyperkomschirm erloschen ist, gehe ich zu der Schale, in der mein Freund und Parasymbiont Whisper in einer Nähremulsion liegt. Whisper ist – offenbar seiner parapsychischen Fähigkeit wegen – ebenfalls von der Verdummung verschont geblieben.
Ich hebe den zu einer tennisballgroßen Kugel zusammengeballten Khusaler aus dem Nährbad. Er verharrt reglos auf meiner Handfläche, bis er die an ihm haftende Emulsion aufgesogen hat, dann dehnt er sich zitternd aus, verwandelt sich in einen hauchzarten Schleier und schwebt zu meinem Genick, wo er sich im Bereich des zweiten Halswirbels verankert und über das Rückenmark Kontakt mit meinem Zentralnervensystem aufnimmt.
Gleich darauf vernehme ich seine unhörbare Stimme in meinem Bewusstsein.
Ich merke, dass du wieder hoffst, Perry!, wisperte es auf parapsychischer Ebene.
»Hoffnung ist die Essenz des Lebens«, gebe ich zurück.
Ich hoffe mit dir!, erwidert Whisper.
1.
Major Patulli Lokoshan betrat den Hof des Schlosses, in dem die weniger verdummten Bürger Olymps teilweise rehabilitiert und in einfachen technischen Arbeiten unterwiesen wurden.
Der Kamashite blinzelte ins Licht, das Boszyks Stern in den von Mauern umrahmten Hof warf. Die Sonnenstrahlen zauberten schimmernde Kringel auf seine goldbraune Haut und brachen sich vielfältig an dem zu kleinen Zöpfen geflochtenen grünen Haar.
Im Schatten eines schirmartigen Sunkho-Baumes ruhte die Saurierdame Olga. Vor ihr lagen die Reste einer üppigen Mahlzeit. Olga hatte die Augen geschlossen und sich ganz dem Geschäft der Verdauung hingegeben. Sie schnaubte durch die handtellergroßen Nüstern, als Lokoshan erschien, rührte sich aber ansonsten nicht.
Eine Gruppe von Verdummten der Ersten Klasse, also solche Menschen, die trotz der Verdummung relativ schnell lernten, marschierte durch das von zwei Robotern bewachte Tor. Die Frauen und Männer winkten dem Major grüßend zu, bevor sie im Schlossportal verschwanden.
Patulli Lokoshan winkte zurück. Doch das war nur eine Reflexbewegung; in Wirklichkeit nahm der Kamashite überhaupt nicht bewusst wahr, dass man ihn gegrüßt hatte.
Mit halbgeschlossenen Augen ging er auf den Hof und näherte sich Olga. Seine Bewegungen wirkten wie die eines Schlafwandlers. Im Augenblick existierte für ihn nur die Saurierdame – und etwas, das ihn gleich einer Marionette lenkte.
Olga reagierte mit einem ärgerlichen Grunzen, als Patulli auf ihren Rücken kletterte. Sie war als Reiter nur den vierjährigen Boobu gewöhnt.
Der Major nahm die Zügel, die um ihre Halswurzel geschlungen waren, zog daran und schnalzte mit der Zunge.
»Vorwärts, Olga!«
Olga verdrehte den langen Hals und starrte Patulli vorwurfsvoll an, als wollte sie ausdrücken, dass sie es als Zumutung empfand, in ihrer Verdauungspause gestört zu werden. Aber da der Kamashite nicht locker ließ und sie überdies sehr gutmütig war, gehorchte sie schließlich.
Sie stemmte sich auf ihren kurzen dicken Beinen hoch, fegte mit dem Schwanz über den Rasen und watschelte auf das Tor zu. Sie musste ihren Hals nach unten biegen, um nicht mit dem Kopf gegen den Torbogen zu stoßen. Scherzhaft schnappte sie nach den beiden robotischen Torhütern und schniefte begeistert, als die Roboter sich mit weiten Sprüngen in Sicherheit brachten. Die Maschinen beschränkten sich ganz darauf, Distanz zu halten; sie kannten derartige Scherze Olgas inzwischen und wussten, dass die Saurierdame nur ihrem Spieltrieb gehorchte.
Patulli lenkte das elefantengroße Tier mit Hilfe der Zügel auf den Weg nach Norden. Nach einiger Zeit gelang es ihm, Olga zu einem mäßigen Trab zu bewegen. Auf den Feldern zu beiden Seiten des Weges arbeiteten Verdummte unter der Anleitung geschulter Frauen und Männer des Ersten Verdummungsgrades. Sie kannten Olga und auch den Reiter, wenngleich Patulli sich niemals vorher als Reiter Olgas betätigt hatte. Gelächter erscholl, Zurufe ertönten, Tücher wurden geschwenkt.
Der Kamashite ritt teilnahmslos weiter, den Blick starr auf die bewaldeten Berge im Norden gerichtet. Nach drei Stunden bog Olga vom Wege ab und stillte ihren Durst an einem kleinen See. Danach ließ sie sich wieder willig von ihrem Reiter lenken.
Patulli Lokoshan dagegen verspürte weder Hunger noch Durst. Er ertrug die Schaukelei auf dem Saurierrücken mit stoischem Gleichmut. Bald stieg das Gelände an. Olgas dicke grauweiße Haut bedeckte sich mit Schweiß. An einer Quelle gönnte der Kamashite seinem Reittier eine Rast. Während die Saurierdame ihren Durst stillte und einige Sträucher mit Stumpf und Stiel verschlang, stand Patulli mit vor der Brust gekreuzten Armen dabei. Er stand so reglos, dass man ihn aus einiger Entfernung sicher für eine Statue gehalten hätte.
Als Olga Hunger und Durst gestillt hatte, erwachte er aus seiner Starre. Er schwang sich abermals auf ihren Rücken, schnalzte mit der Zunge und lenkte Olga höher in die Berge hinauf.
Nach einiger Zeit ließ der Pflanzenwuchs nach; der Boden wurde steinig. Olga protestierte mit dumpfem Gebrüll, als Lokoshan sie über einen schmalen Felsgrat trieb. Der Kamashite sprach zärtlich auf sie ein, bis sie wieder gehorchte. Danach bewegte sie sich Schritt für Schritt über den Grat. Später ging es auf einem schmalen Felsband in ein ovales, von steilen Wänden eingeschlossenes Tal hinab. Teilweise wurde das Band so steil, dass Olga ihr gewichtiges Hinterteil als Bremse benutzen musste.
Auf dem Talgrund angekommen, zog der Major an den Zügeln und stieg ab. Allmählich wich der tranceähnliche Zustand von ihm, und er sah sich verwundert um. Patulli hatte keine Ahnung, warum er hierher gekommen war und weshalb er Olga als Reittier benutzt hatte, anstatt sich einen Gleiter zu nehmen.
Als er aus der Höhe ein feines Summen vernahm, legte er den Kopf in den Nacken und spähte hinauf. Der Himmel war noch blau, obwohl im Tal bereits die Schatten des Abends nisteten. Patulli erkannte einen im Licht der Abendsonne golden aufblitzenden Gegenstand, der rasch tiefer kam.
Er fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn und überlegte, ob er sich hier mit jemand hatte treffen wollen. Hatte sein Gedächtnis nachgelassen, dass er sich nicht mehr daran erinnerte? Patulli Lokoshan zog sekundenlang die Möglichkeit in Betracht, dass eine Sekundärwirkung der Gravitationsmanipulierung ihn verdummt haben könnte. Er verwarf sie wieder, denn ein Verdummter konnte nicht über seinen Zustand nachdenken.
Minuten später landete ein Flugleiter in Lokoshans Nähe. Die hünenhafte Gestalt Bossa Covas stieg aus und näherte sich dem Kamashiten.
»Sie, Bossa?«, fragte Patulli.
Der Reeder grinste breit, aber seine Augen blieben wachsam. Er nickte und sagte: »Es ist schön hier, inmitten der menschenleeren Berge, Patulli. Ich kann verstehen, dass Sie einmal allein mit der Natur sein wollten. Aber warum haben Sie Ihre Sekretärin nicht unterrichtet? Als Io merkte, dass Sie verschwunden waren und Olga auch, rief sie mich an.«
Lokoshan breitete ratlos die Arme aus und ließ sie wieder sinken.
»Ich weiß es nicht, Bossa. Wir waren nicht hier verabredet?«
»Nein. Haben Sie denn den Eindruck, mit jemand verabredet gewesen zu sein?«
»Ja. Allerdings nur ganz vage. Vielleicht nur deshalb, weil ich nach einem Grund dafür suche, warum ich mit Olga hierher gekommen bin.« Patulli runzelte die Stirn. »Seltsam, ich weiß nichts von meinem Ritt. Ich spüre allerdings, dass ich ziemlich lange geritten bin.« Er verzog schmerzlich das Gesicht.
Bossa Cova lachte, wurde aber sofort wieder ernst.
»Mir scheint, bei Ihrem Ausflug waren parapsychische Kräfte im Spiel, Patulli«, sagte er zögernd.
»Parapsychische Kräfte? Hier auf Olymp?«
Bossa zuckte mit den Schultern.
»Oder Sie handelten auf einen posthypnotischen Befehl hin. Allerdings wüsste ich nicht, wer das getan haben sollte und warum.«
»Außerdem kann man mich nicht hypnotisieren, Bossa«, erwiderte der Kamashite. Er machte einige Schritte auf den Reeder zu. Abermals verzog sich sein Gesicht schmerzlich. Ihm war, als bestünde sein Gesäß aus rohem Fleisch.
Bossa Cova blickte sich aufmerksam um. Olga hatte sich lang ausgestreckt und schlief. Die ungewohnte Bergtour musste die Saurierdame erschöpft haben. Saurier waren eben Tiere des Flachlandes. In dem Bergtal gab es noch verschiedene andere Tiere, vor allem die Nachkommen von Terra importierter Murmeltiere sowie eine Herde Steinböcke, die in den Felsen umherturnten. Aber nichts deutete auf die Anwesenheit anderer intelligenter Lebewesen hin.
Der Reeder wandte sich wieder Lokoshan zu.
»Ich schlage vor, wir übernachten hier, Patulli. Heute können wir Olga den Weg zurück nicht mehr zumuten.«
»Und für die nächsten Jahre kann man mir keinen Ritt auf Olga zumuten«, erklärte der Kamashite.
»Wir werden Olga morgen mit dem Gleiter zurücklotsen. Jetzt muss ich nur noch schnell Bescheid sagen, dass ich Sie gefunden habe. Kommen Sie mit zum Gleiter?«
Bossa Cova wandte sich zum Gehen – und spreizte die Beine, als sich die Welt um ihn zu drehen schien. Er hatte Mühe, das Gleichgewicht zu halten. Undeutlich nahm er wahr, dass sich die Umgebung rasend schnell veränderte. Es war ihm, als stiege der Talboden empor, während seine Vegetation verschwand und nacktem, rissigen Fels Platz machte. Dafür bedeckten sich die Berghänge mit Pflanzenwuchs. Der Himmel war von schemenhafter Bewegung erfüllt und schien zu flackern.
Plötzlich war alles in rötliches Licht gehüllt. Bossa spürte sengende Hitze und im nächsten Augenblick eisige Kälte. Undefinierbare Geräusche erfüllten das Tal. Der Boden sank schwankend ab, während die Felshänge wuchsen.
Dann gab es einen Ruck, und Bossa Cova verlor das Gleichgewicht. Er stürzte und blieb liegen. Erst nach einiger Zeit merkte er, dass er mit dem Gesicht in duftendem Gras lag. Die Luft war warm und unbewegt; Vögel zwitscherten und Insekten summten.
Vorsichtig richtete der Reeder sich auf und sah sich um. Als erstes bemerkte er Olga, die bis zum Bauch in einem Tümpel stand und sich offenbar mit den seltsamen Dingen abgefunden hatte, die um sie her vorgegangen waren.
Kurz darauf tauchte der Kamashite in Covas Blickfeld auf. Patulli Lokoshan hatte die Augen mit der Hand abgeschirmt und blickte in den Himmel, dann senkte er den Kopf und sah zu Bossa herüber.
Der Kamashite lächelte flüchtig.
»Ihr Mund steht offen, Bossa.« Er wurde wieder ernst. »Sehen Sie sich die Sonne an!«
Der Reeder schloss seinen Mund und blickte kurz in den Himmel. Er musste den Blick schnell wieder von der Sonne abwenden, aber diese Zeitspanne genügte ihm, um zu erkennen, was Lokoshan gemeint haben musste.
Die Sonne Boszyks Stern war nicht mehr blutrot, sondern gelblich-weiß!
Bossas wissenschaftlich geschulter Verstand erkannte sofort den Logikfehler seiner gedanklichen Formulierung.
Boszyks Stern war nicht »nicht mehr« blutrot, sondern »noch nicht«.
»Wir sind in der Vergangenheit Olymps gelandet«, sagte er tonlos.
Der Kamashite nickte.