Nr. 527
Die Insel der Glücklichen
Sie durchqueren die Todeszonen – ein Abenteuer mit Sandal Tolk, dem Rächer
von HANS KNEIFEL
Auf Terra und den anderen Menschheitswelten schreibt man Ende Februar des Jahres 3442. Seit dem Tag, als die Verdummungskatastrophe über fast alle Intelligenzwesen der Galaxis hereinbrach, sind somit rund 15 Monate vergangen.
Der mysteriöse Schwarm setzt seinen Flug durch die Milchstraße unbeirrt fort – ebenso unbeirrt, wie Perry Rhodan und seine immunen Gefährten in gefahrvoller Arbeit dem Sinn und Zweck der unheimlichen Invasoren auf die Spur zu kommen suchen.
Perry Rhodan und die anderen seiner Mitkämpfer wissen inzwischen längst aus bitterer Erfahrung, dass die Emissäre des Schwarms millionenfaches Unheil über viele Welten gebracht haben. Sie wissen inzwischen auch, dass der Schwarm für den Aufstieg des Homo superior und für »das große Sterben« verantwortlich ist.
Sie wissen aber noch nicht genug. Sie ahnen nur, dass der Schwarm weitere Überraschungen in sich birgt, die für die Bevölkerung ganzer Planeten tödlich sein kann. Sandal Tolk, der Rächer, der sich, zusammen mit seinem Kampfgefährten Tahonka-No, seit Monaten auf einem Planeten innerhalb des Schwarms befindet, hat inzwischen einige tödliche Überraschungen kennengelernt. Er hat wertvolle Erfahrungen gesammelt, die er seinen terranischen Freunden jedoch nicht mitteilen kann. Sandal kämpft und schlägt sich durch – er erreicht die INSEL DER GLÜCKLICHEN ...
Die Hauptpersonen des Romans
Sandal Tolk asan Feymoaur sac Sandal-Crater – Ein Mann von Exota Alpha, der der Spur seiner Rache folgt.
Tahonka-No – Sandal Tolks Freund von einer Welt des Schwarms.
Das Thoen – Sandals und Tahonkas seltsamer Weggefährte.
Das Lycamber kletterte einen schrägen, wildbewachsenen Hang empor, knurrte hungrig und blieb stehen. Der schlanke, weißhaarige Mann, der dicht hinter dem geschwungenen Hals des Reittieres hockte, schwang sein rechtes Bein über die Kruppe, streifte die Schuppen am Ansatz des Schwanzes und federte hinunter auf den Boden. Im gleichen Augenblick wurde er von dem Thoen entdeckt. Das Thoen aber verhielt sich abwartend, fast träge.
»Hier machen wir eine lange Rast!«, sagte Sandal Tolk leise.
Jetzt verstand und sprach er fast vollständig das Idiom seines knöchernen Begleiters.
Sie waren mitten im Dschungel, und Sandal dachte wieder an Atlan und Chelifer Argas, das grünäugige Mädchen. Der Wunsch, beide wiederzusehen, wurde stärker und drängender und machte ihn hin und wieder unvorsichtig.
»Unsere Vorräte sind zum Teil nass und verdorben, aber sie werden heute noch reichen!«, meinte Tahonka-No leise. Seine dunkle Stimme verlor sich im Schweigen des dunklen Bergwaldes. Es wurde spät.
Das Sonnenlicht war tief und fast wie ein roter Widerschein des Buschfeuers, als es fast waagerecht durch die Masse der Blätter und Zweige drang. Auch Tahonka-No schwang sich aus dem primitiven Sattel, der nur aus einem Gurt, zwei Steigbügeln und den Schlaufen für Haltegriff und Gepäck bestand.
Die beiden Wanderer über die Fläche dieses erstaunlichen Planeten Vetrahoon führten die Tiere durch ein Netz schwarzer und dunkelroter Streifen vorwärts. An der Quelle entfernten Sandal und Tahonka-No die Trensen aus den Mäulern der Tiere, wobei sie von dem Thoen interessiert beobachtet wurden.
Den Reittieren, den schnellfüßigen, mutigen Lycambern, wie sie von Tahonka-No genannt worden waren, wurden die Vorderfüße an die kurzen Fesseln gelegt, damit sie nicht während der Nacht weit weglaufen konnten. Dann breiteten die Männer, nachdem sie einen kleinen Rundgang unternommen hatten, ihre Ausrüstungsgegenstände aus und machten Feuer.
Noch lagen die Schleier des feinen, purpurnen Blütenstaubes auf ihren Körpern. Die Stiefel und Hosenbeine waren fleckig von den Spuren des Morastes. Der Schweiß hatte in die Puderschicht aus Staub tiefe, schwarze Rinnen gegraben. Neugierig beugte sich das Thoen vor und betrachtete die Gesichter der Männer.
Zwei Lebewesen, erkannte das Thoen, die sich aufrecht bewegten wie das Thoen selbst. Ob sie auch fliegen konnten?
Sandal zog sich langsam aus, hob einen brennenden Ast hoch und leuchtete die Umgebung des Feuers ab. Er ging die zwanzig Schritte bis zur Quelle und sah, dass das Wasser im Laufe der Jahrtausende einen tiefen Trog aus dem weichen Sandstein herausgeschält hatte. Hier konnte er sich baden.
Hinter dem Quelltrog sah Sandal den Stein, und darüber die Hälfte der unheimlich glühenden Augen des Thoen.
Langsam hob er die Waffe.
»Vorsichtig!«, murmelte er und hielt den Ast hoch.
Mit einem Sprung war No auf den Beinen und kam von der Seite heran.
»Was ist los?«, knurrte er und zielte mit seiner Waffe auf den Stein. Dann sah auch er die verwitterte Inschrift. Einer der Füße des Thoen baumelte über die Glyphen.
Tahonka-No senkte die Waffe wieder und sagte leise: »Nicht schießen. Dies ist ein verspieltes Tier, das uns nichts tun wird. Es belästigt uns höchstens mit seiner Neugierde.«
In der gleichen Sekunde bewegte das Thoen seinen einzigen Arm und warf ein Bündel von Coryd-Früchten durch die Luft. Es landete genau vor Sandals nackten Zehen. Sandal grinste erleichtert, hob die Früchte auf, und der Bann war gebrochen.
»Was ist dies für ein Stein, Freund Tahonka?«, fragte er und ging näher heran.
Die Sprache seines Freundes verstand er, aber nicht die Lettern, die diese vielen Völker im Schwarm verwendeten.
»Ich weiß es nicht«, sagte No.
»Kannst du die Schrift lesen? Die Bilder entziffern?«, murmelte Sandal gespannt und aufgeregt.
»Ja. Aber nicht in der Dunkelheit. Morgen früh werde ich sie übersetzen, mein Freund!«
»Ausgezeichnet. Bist du ebenso erschöpft wie ich?«
»Ich fürchte«, sagte No, »noch viel erschöpfter, als ich es zugeben will.«
Sandal versprach: »Ich werde uns einen vorzüglichen Braten schießen.«
Er besaß noch genau zweieinhalb hundert Pfeile in drei Köchern. Auf der langen, nun schon rund sechzig Tage dauernden Wanderschaft vom Plateau der feurigen Berge bis hierher in die Wälder des Südens, vorbei an vielen durchsichtigen Kuppeln voller erregenden Inhalts, hatte er aus Pfeilgras einige neue Pfeile anfertigen können, mit denen er die Schüsse wagte, bei denen der Pfeil unwiderruflich verlorenging.
»Wir haben ihn sicher nötig«, meinte Tahonka-No.
Als Sandal, nur mit Badehose und Stiefeln bekleidet, dem fast unsichtbaren Tierpfad folgte, der nach Tierkot, Fäulnis und Aas stank und im letzten Licht des Tages lag, stellte sich dem jungen Krieger eine dunkle, unheimlich reglose Gestalt entgegen, halb so groß wie Sandal.
Sandal zog den Bogen aus, fauchte einen Lockruf und feuerte.
Die heißglühenden, roten Augen schlossen sich, als das Tier den Todesschrei ausstieß. Als ob er Sandal wiedererkennen würde, warf sich der gedrungene, kleine Bulle vorwärts; ein schneidendes Geräusch kam aus den Nüstern. Furchtbare Hörner blitzten auf, als das Tier heranstürmte. Sandal warf seinen Bogen in die Äste über sich, als der Boden des Pfades unter den Hufen des Tieres zu beben begann.
Sandal sprang wie ein Raubtier hoch und machte, als seine Hand einen Ast zu fassen bekam, eine halbe Drehung in der Luft. Er hing an einem dicken Ast, zog sich hoch, und im selben Augenblick donnerte die mörderische, dunkle Masse des Tieres unter ihm vorbei. Sandal roch den Hauch des wilden, urhaften Körpers. Der Bulle brach seitwärts aus der Biegung des Pfades aus, rammte eine breite Gasse in das Dickicht und verendete zehn Schritt vom weißglühenden Feuer entfernt.
Sandal fiel auf den Pfad herunter, holte seinen Bogen aus dem Geäst und nickte zufrieden. Aus dem Fell des Tieres konnten sie zwei Satteldecken machen, um die Rücken der Lycamber zu schonen.
Was aber bedeuteten die Lettern und Bilder auf dem Stein?
1.
Leicht verdrossen – es war kurz nach Sonnenaufgang, und die Dschungelvögel hatten ihr ohrenbetäubendes Konzert schon beendet – betrachtete der weißhaarige Jäger mit den goldfarbenen Augen und den weißen Augenbrauen sein stählernes Armband, das eine Kombination vieler Geräte darstellte.
Der Januar des Jahres 3442 war zu Ende gegangen, ohne dass Sandal mit den Frauen und Männern der GOOD HOPE II Kontakt hatte aufnehmen können. Die einzigen Funksprüche, die er aufgefangen hatte, kamen aus einem Gebiet jenseits der Linie, die den Planeten Vetrahoon in zwei Teile zerschnitt.
Teilweise Funksprüche mit unentzifferbarem Text, teilweise konnte sie der Translator an seinem Oberarm entziffern, teilweise hatte Tahonka-No mitgehört und übersetzt. Dort, jenseits der hohen Berge in der Ferne, schien ein reges Kommen und Gehen zu herrschen.
»Und von dorther kommen vermutlich auch die fliegenden Tropfen, die uns ununterbrochen ärgern!«, sagte flüsternd der Jäger und hob den Kopf.
Sandal lag bequem in der straff gespannten Hängematte unter zwei Bäumen. Sein Gesicht lag im Schatten, und um ihn herum hingen Kleidung und Stiefel zum Trocknen. Auf der dünnen Decke neben dem Feuer standen und lagen die Teile der Ausrüstung – bis auf die Waffe. Sandal trug sie, mit einem Riemen am Handgelenk angebunden.
Sandal sah den schwarzen, monolithischen Block, der über dem armdicken, sprudelnden Wasserstrahl der Quelle thronte. Auf dem Block kauerte das Thoen und sah Sandal aus mindestens acht Augen an.
Das Tier und die Schriftzeichen – ein weiteres Rätsel.
Das andere?
Während der langen Wanderung nach Süden waren Tahonka-No und Sandal immer wieder an kleineren Kuppeln vorbeigekommen. Aber stets, wenn er, Sandal, von Rache gesprochen hatte und eindringen wollte, hatte No abgewinkt und nach Süden gedeutet. Mehrmals waren sie beide nur mit knappem Abstand dem Tod aus der Luft entgangen; zweimal waren es riesige, flugfähige Echsen gewesen, mindestens ein Dutzend Mal jedoch Dinge, die wie offene diskusartige Space-Jets aussahen und mit Männern – oder fremden Wesen – in silberfarbenen Schutzanzügen besetzt waren. Suchte man nach ihnen, oder suchte man nur allgemein nach Fremden, die diese Kuppeln bedrohten?
Jedenfalls waren sie beide weitergeritten, ohne versucht zu haben, die Kuppeln mit all ihren farbenfrohen Häusern und Parks zu betreten. Tahonka-No machte den unerschütterlichen Eindruck eines Mannes, der mehr wusste, als er zu sagen gewillt war.
Sie hatten sich kennen- und schätzengelernt, er und Tahonka-No.
Beide waren Einzelgänger, typisch bis zum Klischee. Sie unterwarfen sich willig und ohne Kommentar jedem sachlichen Zwang, jeder akuten Notwendigkeit, aber sie vermieden es sorgfältig, den anderen mehr zu belasten als nötig. Sie reagierten blitzschnell und in der Mehrzahl der Fälle auch richtig.
Sandal schätzte an Tahonka-No dessen unerschütterliche Ruhe, sein sonores Gelächter und sein offensichtlich großes Wissen über diesen Planeten.
Umgekehrt konnte sich Tahonka-No auf die hohen Fähigkeiten des jungen Kriegers verlassen, der in sämtlichen Gebieten der Jagd, des Rittes, des Kampfes und des Versteckens wohlausgebildet war.
Sie ergänzten sich ausgezeichnet.
Nur der Umstand, dass Tahonka-No eines Tages von einem Geheimnis jenseits der Berge gesprochen hatte, hielt bisher Sandal nachdrücklich davon zurück, in eine der Kuppeln einzudringen.
Sie hatten noch einen langen Weg vor sich.
Wo endete er? Wie würde er enden? Kam er, Sandal, endlich noch zu dem Augenblick, da er die Rache für die Familie Crater und die junge, schöne Beareema vollziehen konnte?
Sein feines Gehör und seine Fähigkeit, Gefahren zu erahnen, sagten ihm, dass er ruhig weiterschlafen konnte.
Sandal warf einen langen Blick auf das Thoen, auf den schwarzen Steinblock und auf den schlafenden Freund, dann schlief er wieder ein. Er wachte erst wieder auf, als Tahonka-No, der inzwischen seine Scheu verloren hatte, in Gegenwart anderer Wesen zu essen und zu trinken, den Braten über dem Feuer hatte.
Neugierig und leise miauend kam das Thoen näher und blieb mitten im Rauch des Feuers stehen.
»Mahlzeit!«, sagte Tahonka-No ruhig.
*
Sandal band sein Haar mit dem Lederstreifen fest, säuberte die runde Korallenkugel in seinem Ohrläppchen und zog sich, nachdem er den letzten Rest der Hautcreme verwendet hatte, langsam an. Sämtliche Kleidungsstücke waren sauber und völlig trocken.
Auf riesigen, gewaschenen Blättern lagen geschälte Früchte, aus den Schalen gebrochene Nüsse, große, in Fett gebratene Pilzstücke und entrindete essbare Wurzeln, die süß und mehlig schmeckten. Sie hatten sogar eine große Salzecke gefunden mit einem geheimnisvollen weißen Skelett mitten darin, und so war der Salzvorrat ersetzt worden. Sie konnten von sich behaupten, geradezu hervorragend ausgerüstet zu sein. In den großen, halbrunden Schalen aus der harten Schale dreieckiger Riesennüsse stand frisches Wasser. Tahonka-No öffnete seinen Mund – der nicht lächeln konnte, weil die entsprechenden Muskeln anders angesetzt waren – und sagte: »Ich konnte nicht mehr schlafen, außerdem hast du mit deinem Schnarchen sämtliche Tiere vertrieben.«
Sandal faltete seine hauchdünne Schlafdecke zusammen und verstaute sie wieder in der dafür vorgesehenen Tasche. Er erwiderte: »Ich sehe, Freund, dass du ganze Arbeit geleistet hast! Sogar die Haut des Bullen liegt im Wasser!«
»Ich habe mich bemüht, es so schnell und gut wie du zu machen«, erklärte der Knöcherne nüchtern.
»Danke!«
Sandal sah nach den Lycambern, versorgte sie, während der Braten fertig wurde. Dann setzte er sich neben das ausgehende Feuer in den Schatten der Baumkronen und begann schweigend zu essen. Er fühlte sich ausgeschlafen, ausgeruht und wahnsinnig hungrig. Alle anderen Gedanken und Pläne waren für diese Zeit aufgeschoben.
Sie verfügten, nachdem sie gegessen und getrunken hatten, noch über Vorräte für mindestens eine Woche. Der Braten war sogar mit mühsam gefundenen und ausprobierten Gewürzkräutern gewürzt worden.
Sandal deutete auf das Thoen und fragte: »Du kennst das Tier, No?«
Der Knöcherne, dessen lederartige Haut von dem Fett glänzte, mit dem er sich eingerieben hatte, sagte langsam: »Ich habe davon gehört, dass es solche Tiere gibt. Sie verfügen über hohe Intelligenz und hohen Spieltrieb. Die Nüsse, die hier gesammelt worden sind, hat das Thoen gebracht.«
Zur Bestätigung sagte die Kreatur unverkennbar: »To-en!«
Sandal nickte; er erkannte diese Lautfolge als die natürliche Stimme des Tieres. Aber er sah kein Maul und keinen Mund, aus dem die Stimme hervorgekommen sein könnte. Das Thoen verfügte über vier lange Beine, die aus dem Unterteil des fast kugeligen Körpers hervorkamen. Rund um den Körper verlief ein Band, auf dem unzählige Augen angebracht waren, die wie hervorgedrückte Kugeln aussahen.
»Was tun wir mit diesem Tier? Kann man es essen?«, fragte Sandal.
»Ungenießbar«, meinte No. »Es kann uns helfen, Früchte und Nüsse zu suchen.«
Sandal fragte: »Woher kennst du das Thoen – und die vielen anderen Tiere? Und woher weißt du, welche Früchte und Nüsse genießbar sind und welche giftig?«
»Ich weiß ziemlich viel. Dort, woher ich komme, kennt man viele Dinge. Man lernt sie in Schulen.«
Sandal sagte nachdenklich, mehr zu sich selbst: »Du hast also Dinge gelernt, ehe du sie gesehen hast. So war es auch bei Chelifer Argas und Atlan in der GOOD HOPE II. Und woher kennst du die Schriftzeichen, die du mir nachher vorlesen wirst?«
Das Thoen tänzelte unsicher von der Glut des Feuers weg, miaute laut und rannte in einem merkwürdig stelzenden Trab zum Wasser. Dort tauchte es den gesamten Körper unter, und die Feuchtigkeit färbte das dunkelgrüne Fell, das wie Pelz mit kurzem Haar aussah, schwarzblau.
»Auch diese Schrift habe ich gelernt. Gewisse Ähnlichkeiten mit derjenigen, die wir vom Planeten meines Volkes benutzen.«
Sandal stand auf und deutete auf den schwarzen Findlingsblock, dessen beide Seiten beschriftet waren.
»Worauf warten wir noch?«, fragte er aufgeregt.
Er wusste nicht warum, aber es schien ihm, dass diese Schrift dort Aufschlüsse geben würde über den Weg der nächsten Tage und Wochen.
»Einverstanden.«
Sie säuberten, nachdem sie mit den Messern die Zweige rund um den Block abgeschnitten hatten, auch einige Teile des Steines vom dunkelgrünen, zottigen Moos, das aussah wie der Bart eines sehr alten Mannes.
Tahonka-No las langsam vor:
An dich, der du den qualvollen und langsamen Tod suchest. Er wird dir beschieden werden auf mannigfache Weise.
Sandal knurrte verächtlich: »Unsinn! Man kann nur einmal sterben!«
»Aber der Tod kann einen an vielen Stellen ereilen!«, widersprach der Knöcherne und las mit seiner dunklen Stimme weiter. Sie waren jetzt die vielen Stunden lang nicht behelligt worden; niemand konnte die winzige Lichtung aus der Luft entdecken, da sie im Schatten mächtiger Baumkronen lag.
Suchest du den Tod, so gehe nach Mittag. Der Dschungel wird dich verschlingen; seine Bestien werden dich schlagen und deine Glieder zerfetzen.
»Das ist bekannt!«, sagte Sandal, »und es hätte nicht erwähnt zu werden brauchen.«
»Wollen wir scherzen, oder soll ich vorlesen?«, erkundigte sich der Knöcherne düster.
Sandal grinste breit, schlug seinem Freund auf die Schulter und merkte im gleichen Moment, dass er vergessen hatte, den Translator umzuschnallen. Er verstand bis jetzt ohne die Hilfe des Gerätes jedes Wort und dessen genaue Bedeutung.
»Lies!«, sagte er.
Tahonka-No bückte sich und fuhr fort:
Der lautlose Tod lauert auch in der Savanne, wenn du dem Dschungel entkommen bist. Die Fläche der Kleinen Schatten reicht vom Dschungel zum Gebirge, das aufragt zwischen dem Geheimnis und diesem Stein der Tödlichen Warnung. Die Fläche der kleinen Schatten wird dein Gehirn ausdörren wie einen Schwamm, und wenn du dennoch überlebt hast, ohne dass der Wahnsinn dich in seinem erbarmungslosen Griff hat, wird dich die Höhe der drei Berge erschrecken.
Sandal legte No die Hand auf die Schulter und bemerkte: »Für zwei Kämpfer wie dich und mich ist dies eine Herausforderung, nach dem Geheimnis im Süden, also gen Mittag, zu suchen. Ist das Geheimnis, das diese Tafel hier beschreibt, auch jenes, das du bisher vor mir verborgen hast, Tahonka-No?«
»Ja!«, sagte der Knöcherne und las den dritten Absatz der Inschrift vor.
Der Steinschlag der eisigen Hänge wird dich erschlagen und dein Gebein mit sich zu Tal tragen. Die dünne Luft einsamer, eisiger Gipfel zerschneidet deine Lungen. Und dann zerschmettert dich der Blick in das Tal glückseliger Erkenntnisse.
»Viele Versprechungen!«, sagte Sandal. Trotzdem fühlte er, wie eine gewisse Furcht, zusammengemischt aus Skepsis und Vorsicht, sich seiner bemächtigte.