Nr. 541
Im Banne des Panikfeldes
Flug nach Intern-Alpha – zum System der Parafallen
von CLARK DARLTON
Auf Terra und den anderen Menschheitswelten schreibt man Ende Juni des Jahres 3442.
Im Kampf gegen das galaxisweite Chaos der Verdummung und gegen die Macht des Schwarms hat Perry Rhodan mit seinen wenigen Immunen bereits beachtliche Erfolge erzielt, und auch auf der Erde selbst waren Fortschritte zu verzeichnen. Die meisten Menschen dort haben ihre frühere Intelligenz teilweise wieder zurückgewonnen und nutzbringend eingesetzt. Das gilt besonders für die Männer und Frauen der MARCO POLO. Sie kehrten an Bord des Flaggschiffs zurück und erlangten, als sie in den Schwarm eindrangen, ihre Intelligenz völlig zurück.
Mit der voll bemannten und voll kampffähigen MARCO POLO und ihren Beibooten verfügt Perry Rhodan nun über eine beachtliche Streitmacht, mit der es gelingen sollte, die weiteren Pläne der Beherrscher des Schwarms empfindlich zu stören.
Mit dem Unternehmen »Infekt« haben die Terraner der MARCO POLO bereits Verwirrung und Panik in die Reihen des Gegners getragen. Doch bald erweist sich, dass die Beherrscher des Schwarms in der Lage sind, mit gleicher Münze zurückzuzahlen – und die »Panikmacher« geraten selbst in den BANN DES PANIKFELDES ...
Die Hauptpersonen des Romans
Perry Rhodan – Der Großadministrator hat eine Idee, die Gucky schon vorher hatte.
Atlan – Chef einer neuen Expedition der GEVARI.
Gucky – Der Mausbiber wird leichtsinnig.
Harno – Das Wesen aus Raum und Zeit wird geweckt.
Balton Wyt – Der Telekinet entpuppt sich als Sänger.
Takvorian – Der Pferdemutant dient als Köder.
Mentro Kosum – Pilot der GEVARI.
20. Juni des Jahres 3442 Terra-Normalzeit!
Noch immer war der Schwarm da und bedrohte die Existenz der gesamten Milchstraße, aber es war Rhodan gelungen, mit der MARCO POLO in die Kleingalaxis einzudringen, die seit Jahrmillionen von Sterneninsel zu Sterneninsel wanderte. Wenn er die eigene Galaxis vor dem drohenden Untergang retten wollte, musste er den Geburtenvorgang der Gelben Eroberer stoppen oder die noch unbekannten Machthaber des Schwarms dazu bewegen – notfalls mit Gewalt –, diesen Geburtenvorgang innerhalb der Kleingalaxis stattfinden zu lassen, damit nicht die Völker weiterer galaktischer Planeten ums Leben kamen.
Man schien das Mittel gegen den Schwarm gefunden zu haben.
Die Regulationsviren bewirkten eine Verformung der Körperzellen der Gelben Eroberer und so die von Rhodan gewünschte Unfruchtbarkeit.
Das erkrankte Zellplasma des Planeten Kokon innerhalb des Schwarms lieferte die wichtigsten Grundstoffe des Serums, das mit lichtschnellen Fernraketen zu Wohnwelten der Gelben Eroberer gebracht und dort in der Atmosphäre abgeblasen werden sollte. Die letzten Versuche in dieser Hinsicht konnten jedoch nicht als besonders erfolgreich angesehen werden.
Man hatte das Mittel, den Geburtenvorgang zu stoppen, der entscheidende Durchbruch, aber das Mittel in endgültiger Form anzuwenden, war noch nicht gelungen ...
1.
Perry Rhodan warf Atlan einen fragenden Blick zu.
»Du glaubst wirklich, dass wir es noch einmal versuchen sollen? Wir haben bereits ein Schiff verloren, vergiss das nicht. Wir können uns glücklich schätzen, noch nicht entdeckt worden zu sein. Schließlich sitzen wir mitten im Schwarm, in der Höhle des Löwen.«
»Hast du einen besseren Vorschlag?«
Den hatte Rhodan im Augenblick allerdings nicht.
»Natürlich nicht, aber du musst zugeben, dass unsere Aktion einige Verwirrung ausgelöst hat. Wir wissen zwar noch immer nicht, wer den Schwarm beherrscht und leitet, aber allein unsere Gegenwart und Tätigkeit hat genügt, die Ordnung innerhalb des Schwarms zu stören. Sicher, das hat nur wenig mit einem durchschlagenden Erfolg zu tun, aber ich würde es doch als einen Anfang bezeichnen.«
»Deine Zuversicht stimmt mich fast fröhlich«, meinte Atlan mit einer Spur von Ironie. Sein Gesicht blieb ernst. »Wir müssen die Sache mit dem Schwarm bald hinter uns bringen, sonst hat es einmal ein Solares Imperium gegeben, Perry. Und ich würde dir zu dem Standpunkt raten: jedes Mittel ist recht!«
»Die Regulationsviren sind bereits ›jedes Mittel‹, Atlan. Wir stoppen den Geburtenvorgang – damit ist bereits viel erreicht.«
»Wir müssen die unbekannten Herrscher an einer empfindlichen Stelle treffen. Die revoltierenden Gelben Eroberer bereiten ihnen sicherlich Sorge, aber auch nicht mehr. Ich gebe zu, dass unsere kleinen und großen Schiffe ziemlichen Ärger stifteten, aber damit besiegt man keinen Gegner wie diesen.«
»Die Schiffe sorgen dafür, dass die Sternkarten vervollständigt werden, Atlan, vergiss auch das nicht! Wir kennen nur einige markante Sonnen innerhalb des Schwarms. Im Notfall könnten wir nicht einmal exakte Ortsbestimmungen vornehmen, sondern uns nur auf vage Koordinatenangaben verlassen. Wenn wir innerhalb des Schwarms im großen Stil operieren wollen, benötigen wir genaue Karten. Und die bekommen wir durch unsere Aktion so ganz nebenbei.«
»Zugegeben. Hundert Schiffe, die überall unverhofft auftauchen, stiften Verwirrung und bringen dazu noch brauchbare Daten heim. Aber eine Entscheidung ...?« Er schüttelte den Kopf. »Was ich herbeiführen möchte, ist eine Entscheidung! Nicht mehr und nicht weniger als eine Entscheidung!«
Rhodan nickte.
»Ich auch, Atlan, ich auch.«
Sie saßen in der Kontrollzentrale der MARCO POLO, des riesigen Kugelraumers mit zweieinhalb Kilometer Durchmesser. Auf dem Planeten Kokon waren sie vor jeder Ortung sicher, denn das intelligente Plasma der entarteten Gelben Eroberer hatte das Schiff ganz und gar überzogen, so dass selbst die geringste Energieabstrahlung, die zur Ortung aus dem Raum hätte führen können, vermieden wurde.
Fünfzig Hundert-Meter-Kreuzer und fünfzig Korvetten mit einem Durchmesser von sechzig Metern waren unter dem Kommando von Joak Cascal und Edmond Pontonac vor einigen Tagen ausgeschleust worden und in den Schwarm vorgestoßen. Unentdeckt blieb die MARCO POLO zurück.
Es handelte sich um die Aktion, über die sich die beiden Männer gerade unterhielten. Gerade ihr scheinbares Streitgespräch enthüllte die Gemeinsamkeit ihres Denkens. Beide waren mit dem Erfolg dieser Aktion alles andere als zufrieden.
»Noch etwas kommt hinzu«, sagte Atlan.
»Was denn?«
»Harno!«
Rhodan nickte zustimmend, sagte aber noch nichts darauf. Sein fähigster Mutant, der Mausbiber Gucky, hatte Harno aus der Gewalt der unbekannten Schwarmherrscher befreit, aber seitdem war nichts mehr geschehen. Die schwarzschimmernde Kugel aus Zeit und Raum, fast einen Meter im Durchmesser, war zu einer faustgroßen Kugel zusammengeschrumpft, die kein Lebenszeichen mehr von sich gab. Die schwarzbraune Färbung wirkte stumpf und leblos. Sie schien alle ihre wunderbaren Fähigkeiten verloren zu haben. Alle Versuche, Harno wieder zum Leben zu erwecken, waren bisher gescheitert. Die Kugel ruhte in Guckys Kabine. Der Mausbiber war der beste Freund des seltsamen Lebewesens – wenn man Harno im echten Sinne des Wortes als Lebewesen bezeichnen wollte.
Endlich sagte Rhodan: »Ich weiß nicht, ob uns Harno jetzt in dieser Situation helfen könnte. Vergiss nicht, dass er selbst in die Gewalt des Schwarms geriet, bevor Gucky ihn rettete. Der Hypnokristall hielt ihn gefangen, bis Gucky ihn retten konnte. Danach trat der merkwürdige und besorgniserregende Zustand ein, an dem sich bis heute nichts änderte.«
»Eben, das ist es ja, was mir Kopfzerbrechen bereitet. Warum verfällt ein Wesen wie Harno in einen solchen Zustand? Wir wissen nicht viel von ihm. Harno ist kein organisches Lebewesen. Es besteht aus Energie, aus Raum und aus Zeit – eine für uns noch immer unvorstellbare Mischung. Seine Oberfläche kann sich in normalem Zustand in einen dreidimensionalen Bildschirm verwandeln, auf dem jeder Ort des bekannten Universums zu sehen ist – zur gleichen Zeit, ohne den Verlust auch nur einer einzigen Sekunde. Eine Fähigkeit, die wir niemals begreifen werden. Harno war, wie er selbst aussagte, am Ende der Zeit, Rhodan! Das Ende der Zeit! Kannst du dir etwas darunter vorstellen? Was ist das Ende der Zeit? Harno beschrieb es mit einem einzigen Satz, erinnerst du dich noch? Er sagte, die Zeit erstarrt und steht still!«
»Und er fügte hinzu, dass sich die Zeit zurückverwandelt, in das, was sie wirklich ist. In Energie und in Raum.«
»Oder in Materie.«
»Alles ist dasselbe, nur in einem anderen Aggregatzustand.« Rhodan seufzte. »Und ein solches Wesen wurde von den uns unbekannten Herrschern des Schwarms bezwungen! Wie sollen wir da mit unserer Aktion einen Erfolg verbuchen können?«
Atlan lächelte flüchtig.
»Jetzt wirst du aber pessimistisch, Perry! Das sollte nicht der Sinn meiner geäußerten Zweifel sein. Ich bin davon überzeugt, dass wir im Endeffekt erfolgreich sein werden, nur erscheint mir der Weg recht lang zu sein. Nun, wir werden ja sehen ...«
Rhodan wurde nachdenklicher. Die Erwähnung Harnos schien seine Phantasie angeregt zu haben.
»Ich sollte mal mit Gucky darüber reden«, murmelte er.
Atlan begriff sofort, was sein Freund meinte.
»Vielleicht solltest du das«, stimmte er zu.
Sie ahnten zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass ihr Vorhaben zu spät kommen würde.
Der Mausbiber hatte die Fäden des künftigen Geschehens bereits selbst in seine Hände genommen ...
*
Als Gucky am Ende der programmierten Ruheperiode erwachte, die Tag und Nacht ersetzte, kümmerte er sich wie üblich zuerst um Harno. Die etwa tennisballgroße Kugel lag in einem gepolsterten Fach seines Wandschrankes, unbeweglich und von unbeschreiblicher Oberflächenhärte. Es war, als habe die Befreiung aus dem Bann des Hypnokristalls alle seine Widerstandskraft erlöschen lassen und die eintretende Reaktion einen todesähnlichen Starrkrampf hervorgerufen.
Als Gucky die braunschwarze Kugel betrachtete, kam ihm zu Bewusstsein, dass sie alle eine große Chance verpassten, wenn sie sich mit der Inaktivität von Harno einfach abfanden. Das seltsame Wesen hatte lange Zeit – dieser Begriff war relativ zu bewerten – als Gefangener im Schwarm zugebracht. Ein Jahr, tausend Jahre, vielleicht eine Million Jahre – wer wollte das wissen. Harno wusste es nicht einmal selbst. Aber wenn überhaupt jemand etwas über den Schwarm wusste, dann Harno.
Vorsichtig nahm Gucky die Kugel aus dem Schrank und ging zurück zum Bett, um sich zu setzen. Nachdenklich betrachtete er das unscheinbare Etwas in seiner flachen Hand, das in Wirklichkeit eines der großen Rätsel des Universums war. Und es war sein Freund.
»Harno, was ist nur mit dir? Warum antwortest du nicht, wenn ich dich frage? Du kannst doch nicht tot sein! Ras meint, du hast einen parapsychischen Schock erlitten – vielleicht stimmt das sogar. Aber wenn es so ist, müssen wir ihn doch auch wieder beseitigen können. Wie, Harno? Wie lässt er sich beseitigen? Kannst du mir nicht wenigstens einen Tipp geben? Kannst du mir überhaupt ein Zeichen geben, dass du mich verstanden hast?«
Die Kugel zeigte keinerlei Reaktion.
Aber so schnell gab der Mausbiber nicht auf, wenn er einmal einen Entschluss gefasst hatte. Und Gucky hatte den festen Entschluss gefasst, Harno zum Leben zu erwecken und um Unterstützung zu bitten. Und er musste es allein tun, ohne fremde Hilfe. Schon einmal war es ihm gelungen, über Tausende von Lichtjahren hinweg, sogar über die Grenzen der Zeit hinweg, Kontakt mit dem gefangenen Harno aufzunehmen, aber damals hatten ihm außer den eigenen noch Ribald Corellos starke parapsychische Kräfte zur Verfügung gestanden. Diesmal musste er es allein schaffen.
Er war davon überzeugt, dass Harno lebte. Er hatte sich nach dem für ihn schockierenden Erlebnis lediglich eingekapselt – temporal eingekapselt wahrscheinlich. Die bräunliche Kugel war nichts als zeitlose Materie, vielleicht nicht einmal mehr Harno selbst.
In den vergangenen Tagen war Gucky ziemlich unbehelligt geblieben. Die MARCO POLO lag vorerst auf Kokon fest, während ihre Beiboote innerhalb des Schwarms operierten. Es kümmerte sich also kaum jemand um ihn, und die meiste Zeit hatte er in seiner Kabine verbracht. Demnach konnte er damit rechnen, auch jetzt nicht gestört zu werden.
Er ging zum Bett und setzte sich. Obwohl Harno ihn allem Anschein nach nicht verstehen konnte, sagte er: »Ich werde mich jetzt hinlegen und entspannen, mein Freund. Ich will versuchen, mein Bewusstsein von meinem Körper zu trennen, so wie ich es schon einmal getan habe. Dann sollte der Kontakt zwischen dir und mir doch möglich sein ...«
Für ihn als Mutanten mit mehreren Fähigkeiten war die Erkenntnis eine Selbstverständlichkeit, dass ein Bewusstsein nur dann in voller Konsequenz denk- und handlungsfähig wurde, wenn es sich von der Materie gelöst hatte. Dann entfaltete es alle seine verborgenen und sonst an den Körper gefesselten Fähigkeiten. Seine Kapazität wurde mehr als verhundertfacht.
Harno lag schwer auf seiner Brust, als er sich weiter zurücklehnte und die Augen schloss, um sich besser konzentrieren zu können. Ein Block verhinderte, dass er von den ständig auf ihn einströmenden Gedankenimpulsen der an Bord der MARCO POLO befindlichen Lebewesen gestört wurde.
Mit großer Intensität leitete er den Vorgang ein, der zur Loslösung des Bewusstseins führen sollte. Er wusste, wie schwierig das unter diesen Umständen war. Ihm standen keinerlei Hilfsmittel zur Verfügung. Er war allein und nur auf sich selbst angewiesen.
»Harno! Bekommst du Kontakt ...? Versuche es, Harno, bitte versuche es! Ich halte es nicht mehr lange aus ...«
Die Loslösung gelang nicht vollständig. Gucky bemerkte es halb im Unterbewusstsein, als er die Augen öffnete.
Er sah mit seinen eigenen Augen! Das war der gewaltige Unterschied zu damals, als er körperlos im Raum zu schweben glaubte und sich selbst unten auf dem Bett liegen sah. Damals war er praktisch zweimal vorhanden gewesen – einmal als Bewusstsein und einmal als Körper.
Die Trennung war diesmal nicht geglückt.
Aber die geistige Anstrengung war dennoch nicht umsonst gewesen.
Die telepathische Stimme in seinem Bewusstsein war wie ein mentales Flüstern, das nur undeutlich und unendlich schwach bis zu seinen Sinnen vordrang. Aber er verstand es.
»Gucky ...! Du hast mich gefunden ...?«
Der Mausbiber verdoppelte seine Anstrengungen, ohne noch Energie für den Versuch zu verschwenden, sich von seinem eigenen Körper zu lösen. Er versuchte nur noch, den Kontakt zu Harno zu halten.
»Du bist bei mir, Harno, ganz dicht bei mir! Du liegst auf meiner Brust – deine Materie. Wo ist dein Bewusstsein?«
»Verloren – verloren in Raum und Zeit. Hinausgeschleudert durch den plötzlichen Wegfall aller Fesseln, die ich ewig zu sprengen versuchte. Ich finde mich nicht mehr wieder.«
»Doch, das wirst du!« Gucky wusste nun, dass es nur darauf ankam, den Kontakt zu halten und dem Bewusstsein Harnos einen Halt zu geben. »Du empfängst mich? Klar und deutlich?«
»Nur schwach, aber klar genug. Vielleicht gelingt es mir, dich in dem Dickicht zu finden. Höre nicht auf zu denken, mein Freund. Die Koordinatenbestimmung muss jetzt gelingen ...«
Und Gucky dachte ... er dachte intensiv an das Unbegreifliche, das mit Harno geschehen sein musste. Das Energiewesen konnte keine Seele im menschlichen Sinne besitzen. Da es aus Energie, Materie, Raum und Zeit bestand, hatten sich lediglich diese verstandesmäßig erfassbaren Dinge getrennt. Zurückgeblieben war nur die unscheinbare braune Kugel, die auf der Brust des Mausbibers ruhte, klein und unverändert.
Materie ohne Energiegehalt! Verloren im Raum, irgendwo. Und verloren in der Zeit, irgendwann.
»Bist du noch da, Harno ...?«
Die Antwort, nicht stärker oder schwächer: »Ich bin noch da, und ich werde uns finden.«
Es fiel Gucky nicht schwer, längere Zeit intensiv zu denken. Dieses intensive Denken konnte mit dem normalen Denkvorgang nicht verglichen werden. Der Mensch »denkt« ständig und pausenlos. Es erfordert sogar eine ungeheure Willensleistung, nicht zu denken. Irgend etwas geht im Gehirn des Menschen immer vor, auch wenn es unproduktive Gedanken sind, die erzeugt – und sofort wieder vergessen werden.
Das Intensivdenken jedoch erforderte unvorstellbare Konzentration auf einen ganz bestimmten Gegenstand geistiger oder materieller Natur. Es erfordert bewusstes Denken bis hinab in die tiefsten Tiefen des Unterbewusstseins. Es erfordert somit die gesamte Willenskraft des Betreffenden.
Nur ein Mutant wie Gucky besaß diese Willenskraft – und die Fähigkeit.
Immer öfter trafen Harnos Bestätigungen ein. Er verlor für keine Sekunde mehr den Kontakt mit dem Mausbiber.
»Die Zeit ... die Zeit ...! Wann bin ich ...? Ich kann es nicht bestimmen. Aber ich habe die Richtung, die Koordinaten ...«
Gucky begann zu schwitzen, so sehr strengte ihn die Prozedur an. Aber er spürte den herannahenden Erfolg, und das gab ihm neue Kräfte. Seine Intensivgedanken wurden persönlicher, ganz auf Harno selbst konzentriert, nicht mehr so allgemein wie zuvor.
»... der Schwarm – erinnerst du dich, Harno? Er hielt dich im Hypnokristall gefangen, wir befreiten dich. Der Schock ...«
»Ich habe es gleich – ein paar Millionen Jahre zurück ...«
Ist unsere Zukunft noch so weit entfernt, dachte Gucky unwillkürlich und stark – und zugleich erleichtert. Wird es je ein Ende der Zukunft geben?
»Es gibt auch Zeit noch jenseits eurer Zukunft«, kam es klar und deutlich zurück. »Das Ende der Zeit liegt in unvorstellbarer Ferne ...«
Das Gewicht der braunen Kugel auf Guckys Brust veränderte sich nicht, wohl aber ihr Volumen. Der Mausbiber bemerkte es, als sein Blick auf sie fiel. Die Kugel wurde größer.
»Du kehrst zurück, Harno ...?«
»Der Weg durch die Zeit ist lang und beschwerlich, Gucky. Er ist schwerer als der Weg durch den Raum, den ihr auch beherrscht. Er ist viel schwerer – und gefährlicher. Diesmal habe ich ihn unfreiwillig auf mich genommen. Die Komplikationen sind unvorstellbar.«
»Du wirst es schaffen?«
»Wenn du weiterdenkst – ja.«
Und Gucky dachte, dachte, dachte – während sich die Kugel auf seiner Brust allmählich vergrößerte, wobei sie auch die Farbe wechselte. Das Braun wurde langsam und stetig zu einem merkwürdig schimmernden Schwarz. Es war ein absolut lichtloses und schwarzes Schwarz, das sich nur mit der absoluten Finsternis des leeren Weltraums vergleichen ließ.
Harno wurde eine Kugel von einem Meter Durchmesser.
»Nur noch ein paar tausend Jahre, Gucky, dann haben wir es geschafft!«
»Du siehst aus wie immer!«, jubelte der Mausbiber und ließ für Bruchteile von Sekunden in seiner Konzentration nach.
Sofort kam Harnos Bitte: »Intensiv denken, mein Freund! Du bist für mich die einzige Spur in deine Zeit! Wenn ich sie verliere, finde ich sie vielleicht niemals mehr wieder!«