Nr. 542
Die Stunde des Zentauren
Kundschafter im Zeitgefängnis – Gucky und die »Weltraum-Kavallerie« greifen ein
von H. G. EWERS
Auf Terra und den anderen Menschheitswelten schreibt man Ende Juni des Jahres 3442. Im Kampf gegen das galaxisweite Chaos der Verdummung und gegen die Macht des Schwarms hat Perry Rhodan mit seinen wenigen Immunen bereits beachtliche Erfolge erzielt, und auch auf der Erde selbst waren Fortschritte zu verzeichnen. Die meisten Menschen dort haben ihre frühere Intelligenz teilweise wieder zurückgewonnen und nutzbringend eingesetzt. Das gilt besonders für die Männer und Frauen der MARCO POLO. Sie kehrten an Bord des Flaggschiffs zurück und erlangten, als sie in den Schwarm eindrangen, ihre Intelligenz völlig zurück.
Mit der voll bemannten und voll kampffähigen MARCO POLO und ihren Beibooten verfügt Perry Rhodan nun über eine beachtliche Streitmacht, mit der es gelingen sollte, die weiteren Pläne der Beherrscher des Schwarms empfindlich zu stören.
Mit dem Unternehmen »Infekt« haben die Terraner der MARCO POLO bereits Verwirrung und Panik in die Reihen des Gegners getragen. Doch bald erweist sich, dass die Beherrscher des Schwarms in der Lage sind, mit gleicher Münze zurückzuzahlen. Die auf Erkundung ausgeschickten Besatzungsmitglieder der GEVARI bekommen dies zuallererst zu spüren. Doch als sie in eine Art Zeitgefängnis geraten, schlägt DIE STUNDE DES ZENTAUREN ...
Die Hauptpersonen des Romans
Scanter Thordos – Ein Mann aus einem anderen Universum.
Das Tolpon – Ein Zeiter.
Atlan – Chef der GEVARI-Expedition.
Icho Tolot – Der Haluter wirft mit Steinen.
Gucky – Der Mausbiber wird als eine »Zumutung« bezeichnet.
Merkosh und Balton Wyt – Mutanten der GEVARI.
Takvorian – Der Zentaur hat seine große Stunde.
O, Y'Xanthromyr, der Du die Tränen
des Universums bewachst,
der Du die Nester bereitest,
O, Y'Xanthromyr, komm!
1.
Scanter Thordos materialisierte am Fuße einer steil aufragenden schwarzen Felswand – und spürte im gleichen Augenblick, dass etwas nicht stimmte.
Die bleischwer über dem reglosen Land hängende Luft war von dumpfem Raunen angefüllt und das Himmelsgewölbe sah aus, als bestünde es aus hellblauem Glas, auf das ein Künstler weiße Wolkentupfer gemalt hatte.
Thordos wandte den Kopf und blickte an den erstarrten Rinnsalen hinauf, die ein Bach über die Felswand hängen ließ und über denen zarte Schleier zerstäubten Wassers standen. Er blickte lange genug hin, um erkennen zu können, dass das Wasser sich bewegte, wenn auch sehr langsam.
Die Bewegungsabläufe auf dieser Welt sind im Verhältnis von eins zu sechzig verlangsamt, teilte der Dhuguluk mit.
Als Antwort schlug Scanter Thordos den rechten Arm schnell durch die Luft. Die Hemmung war nicht viel stärker als normal.
Gasmoleküle bilden eine Ausnahme, gab der Dhuguluk zu. Ihre Bewegung wird hauptsächlich durch den Einfall der Sonnenstrahlung bestimmt.
Folglich sind wir nicht in ein fremdes Universum geraten, in dem die Zeit anders abläuft, sondern auf eine Welt, auf der der Zeitablauf manipuliert wird, dachte Thordos.
Er sah unwillkürlich an sich herab. Der Dhuguluk, der ihn als schützende Kombination umhüllte, hatte seine Färbung bereits der Umgebung angepasst.
Sollte ich das nicht?, erkundigte sich der Dhuguluk.
Scanter lächelte.
Doch. Aber es ist erstaunlich, dass du einmal nicht völlig davon überzeugt bist, fehlerfrei gehandelt zu haben.
Er legte die Hand über die Augen und spähte zum Horizont, an dem er die düsteren Silhouetten mächtiger Bauwerke entdeckt hatte. Wahrscheinlich wurde die Ablaufkonstante von dort aus manipuliert. Ein äußerst wirksames Mittel, um sich vor Fremden zu schützen – aber völlig untauglich, wenn der Fremde ein Asdise war.
Falls sich das Tolpon auf diesem Planeten befand, würde er es infolge der Ablaufhemmung schneller finden, als es unter normalen Umständen möglich gewesen wäre.
Wichtig ist, ob die Lebewesen, die für die Ablaufhemmung verantwortlich sind, ihr selber unterliegen oder nicht, warf der Dhuguluk ein.
»Wir werden es bald wissen«, sagte Scanter Thordos, diesmal laut. Er überprüfte die Kreuzgurte, die sein Flugaggregat auf dem Rücken hielten und schaltete an dem Kontrollgerät auf der Brust. Langsam hob er ab.
Später landete Scanter auf einem flachen grasbewachsenen Hügel vor der Peripherie der Stadt. Er registrierte nebenbei, dass die Grashalme unter seinen Stiefeln zersplitterten, als wären sie aus dünnem Glas. Doch seine bewusste Aufmerksamkeit war ganz auf die fremdartigen Bauten gerichtet – und auf die eigenartigen Lebewesen, die ganz in der Nähe reglos auf der unbewegten glatten Fläche eines kleinen Sees lagen. Im nächsten Moment erstarrte der Asdise ebenfalls zu völliger Regungslosigkeit.
Nur der Voon, der wie ein hellblauer fingerdicker Schlauch Scanters langes Haar im Nacken zusammenhielt, zuckte vor Erregung.
Scanter Thordos wusste, was das bedeutete.
Der Teleportaktivator hatte ein verwandtes Wesen entdeckt – ein Wesen, das ebenfalls psionischer Aktivitäten fähig war.
Und das konnte innerhalb des Großen Gefängnisses nur bedeuten, dass jemand sich anschickte, den Asdisen zu jagen ...
*
Lordadmiral Atlan nickte dem Emotionauten zu. Mentro Kosum, dessen Frisur an die löwenähnlichen Mähnen der Gurrads erinnerte, verzog die Lippen zu einem schwachen Grinsen, dann spannte sich sein Gesicht in geistiger Konzentration.
Die Schwarzschildreaktoren der GEVARI dröhnten auf und übertönten die leise Unterhaltung, die zwischen Sandal Tolk und Tahonka-No geführt wurde. Kontrollsignale flackerten; ihr Lichtschein spiegelte sich zuckend auf der wie poliert wirkenden schwarzen Fläche von Tolots Schädel.
Dann baute der Waring-Konverter sein Kompensationsfeld auf, und das diskusförmige Spezialschiff verschwand aus dem vierdimensionalen Raum-Zeit-Kontinuum, das man nach einem klugen Terraner des präkosmischen Zeitalters »Einstein-Raum« nannte. Auf dem Reliefschirm erschien die blassgelbe Sonne Intern-Alpha. Sie stellte allerdings nicht das Ziel der GEVARI dar, aber sie lag, vom Schiff aus gesehen, in der gleichen Richtung wie der Planet GEPLA-I – und so wurde Intern-Alpha als Richtobjekt benutzt.
Atlan wandte den Kopf und blickte zu Gucky hinüber. Der Mausbiber lag auf einem zurückgeklappten Konturlager und schien zu schlafen. Als er seinen großen Nagezahn entblößte, glaubte Atlan, er wäre wach, doch dann sah er an dem gleichmäßigen Heben und Senken der Brust, dass Gucky offenbar tatsächlich fest schlief.
Wahrscheinlich sonnt er sich träumend im Glanze seines Ruhmes, dachte der Arkonide.
Er lächelte.
Der kleine Ilt hatte allen Grund, stolz auf sich zu sein. Ohne ihn wäre ihnen allen wahrscheinlich die Flucht vom Kleinplaneten Portier nicht gelungen. Vielleicht würden sie sogar nicht mehr leben, wenn Gucky nicht in gewagtem Einsatz die Schaltstation für das Panikfeld und die Energieerzeuger für das Erlösungsauge sowie den Großtransmitter selbst zerstört hätte.
Das Dröhnen der Schwarzschildreaktoren verebbte. Der Geräuschpegel innerhalb der Steuerzentrale normalisierte sich. Durch die transparente Kanzelwölbung sah Atlan, dass die GEVARI in den Einstein-Raum zurückgekehrt war.
Mentro Kosum drückte einen Knopf. Die SERT-Haube hob sich.
»Dreihundert Millionen Kilometer in Richtung Intern-Alpha«, sagte der Emotionaut in Atlans Richtung. Um seine Mundwinkel zuckte es. »Langsam schleichen wir uns an, wie der Fuchs an einen Gockelhahn.«
»Darf ich lachen, Lordadmiral?«, fragte Merkosh von seinem Platz aus. Der Gläserne bewegte die Lippen, als wollte er sie vorstülpen, um aus ihnen einen Trichter zu formen.
Tahonka-No, der »Knöcherne«, blickte irritiert zu dem seltsam aussehenden Mutanten hinüber. Er schien sich nicht klar darüber zu sein, ob Merkosh seine Frage ernst gemeint hatte oder nicht.
»Wenn, dann lachen Sie bitte außerhalb des Schiffes«, erwiderte Atlan trocken. »Aber lachen Sie bitte kein Loch ins Universum, damit die Galaxien nicht herausfallen.«
Der Gläserne schluckte, und Kosum brach in lautes Gelächter aus, das schlagartig verstummte, als eine unsichtbare Kraft den Mund des Emotionauten gewaltsam schloss. Kosums Zähne schlugen hart aufeinander.
»Ruhe, bitte!«, murmelte Gucky – und schlief abermals ein.
»Es tut mir sehr leid, Kleiner«, sagte Atlan, »aber du darfst jetzt nicht mehr schlafen. Als einziger Telepath an Bord der GEVARI musst du den Psi-Äther überwachen.«
Der Ilt stöhnte, richtete sich auf und rieb sich die Augen.
»Immer ich!«, murrte er.
»Eines Tages wird man dir den Titel ›Retter des Universums‹ verleihen, Gucky«, sagte Kosum.
Der Mausbiber drückte voller Stolz die Brust heraus und versuchte, seinen Bauch einzuziehen.
»Danke, Mentro, du bist ein feiner Kerl.« Er ließ die Rückenlehne seines Kontursessels hochgleiten, legte den Kopf an die Nackenstütze und schloss die Augen. »Dann will ich mal lauschen, was im Schwarm so alles summt«, flüsterte er.
Atlan runzelte unwillig die Stirn, als Toronar Kasom die Lautsprecher des Hyperkomempfängers hochschaltete, damit jeder die abgehörte und vom Translator übersetzte Sendung mithören konnte.
»Sie stören Guckys Konzentration!«, mahnte der Arkonide.
»Entschuldigung!«, dröhnte die mächtige Stimme des Ertrusers. »Dann bitte ich darum, die Kopfhörer aufzusetzen.« Als er merkte, dass seine Lautstärke den Gefährten Schmerz zufügte, lächelte er entschuldigend.
Atlan steckte den Kopfhörer ins Ohr und verfolgte die Hyperfunksendungen, die Toronar Kasom einfing und in die Mithöranlage schaltete. Die Herren des Schwarms schienen durch die Ereignisse der letzten Zeit in Schwierigkeiten geraten zu sein. Jedenfalls verrieten ihre über Hyperfunk erteilten Befehle, dass die untergeordneten Einheiten nicht mehr reibungslos funktionierten. Außerdem gab es zahlreiche widersprüchliche Befehle.
Nach einiger Zeit öffnete Gucky die Augen wieder und sagte leise: »Es werden ständig parapsychische Beruhigungssendungen ausgestrahlt. Unbekannte wollen die innerhalb des Schwarms herrschende Unruhe dämpfen.« Er schüttelte den Kopf. »Es ist sehr viel konfuses Zeug darunter. Die Machthaber des Schwarms sind offensichtlich unsicher geworden.«
»Dabei kann man unsere Aktionen im Vergleich zum Schwarm nur als Nadelstiche bezeichnen«, meinte Ras Tschubai. »Wenn wir nur mehr Raumschiffe durch den Schmiegschirm bringen könnten!«
»Die MARCO POLO genügt vorläufig«, entgegnete Atlan. »Ich bin sicher, dass die Gelben Eroberer sich auf unsere Guerillataktik einstellen und zurückschlagen werden.«
»Wir müssen eben noch mehr unternehmen, um sie immer unsicherer zu machen«, warf Merkosh ein.
Icho Tolot blickte den Gläsernen an.
»Die Beherrscher eines Schwarms, der die Ausdehnung einer Kleingalaxis hat, sind durch so genannte Guerillaaktionen vielleicht zu beunruhigen«, sagte er mit gedämpfter Stimme, »aber sie sind sicher auch in der Lage, gezielt zurückzuschlagen. Wir dürfen uns in dieser Hinsicht keinen Illusionen hingeben.«
Der Arkonide sagte zwar nichts dazu, pflichtete dem Haluter jedoch gedanklich bei. Er hatte während seiner Zeit als Admiral einer arkonidischen Schlachtflotte reichlich Erfahrungen im Kampf mit Fremdintelligenzen gesammelt, und diese Erfahrungen sagten ihm, dass der Gegner früher oder später zurückschlagen würde.
Auch die GEVARI befand sich nicht in Sicherheit, obwohl einige der elf Besatzungsmitglieder das anzunehmen schienen, weil Gucky auf Portier schwere Zerstörungen angerichtet hatte und sie sich in den Raum hatten absetzen können.
»Darf ich fragen, wie es weitergehen soll, Lordadmiral?«, sagte Mentro Kosum.
»Selbstverständlich«, antwortete Atlan. »Doch bevor ich etwas sage, möchte ich hören, ob Sie entsprechende Vorschläge haben.«
Der Emotionaut nickte.
»GEPLA-I ist ein Planet, den man nicht direkt angeht«, deklamierte er mit ernster Miene. »Man schleicht heran und auch herum, denn schließlich ist man ja nicht dumm.«
Er räusperte sich und fuhr schnell fort: »Was ich damit sagen will, ist, dass wir GEPLA-I auch jetzt nicht direkt anfliegen sollten. Ich schlage vor, mit zwei weiteren Kurzlinearmanövern in die Nähe des Planetoiden von etwa Marsgröße zu fliegen.«
»Den von der Form eines Faustkeils?«, fragte Atlan.
»Ja, Sir.«
»Begründen Sie Ihren Vorschlag, Kosum!«
Mentro schleuderte mit einer Kopfbewegung eine Haarsträhne aus seinem Gesicht und sagte: »Falls es den Herren des Intern-Alpha-Systems gelingt, abermals ein Panikfeld zu erzeugen, sollten wir nahe genug an einem Planeten sein, da deren nächste Umgebung vom ersten Panikfeld ausgespart wurde.«
»Gut durchdacht«, lobte der Arkonide. »Einverstanden. Steuern Sie uns mit zwei Kurzlinearmanövern in die Nähe von Pförtner, wie ich den zweiten Empfangsplaneten im Unterschied zum ersten nennen möchte.«
Während der Emotionaut die SERT-Haube über seinen Kopf gleiten ließ, wandte sich Gucky an den Lordadmiral und fragte: »Haben die aus zwei verschiedenen Eingeborenensprachen Terras stammenden Wörter nicht die gleiche Bedeutung?«
Atlan nickte und antwortete, ohne den Mausbiber anzusehen: »Richtig, Kleiner. Diese beiden marsgroßen Planeten sind meiner Ansicht nach so genannte Empfangswelten, deshalb die Benennung mit Namen gleicher Bedeutung. Die Verwendung zweier terranischer Eingeborenensprachen sichert andererseits die Unterscheidung. Zufrieden?«
»Vollkommen, Erhabener«, erwiderte Gucky grinsend. »Du bist ein Genie.«
Icho Tolot beugte sich vor und vergrub den Kopf in seinen Handlungsarmen, um einen Lachanfall zu ersticken.
Mentro Kosum saß – unberührt von all dem – unter der SERT-Haube. Er bewegte sich nicht, doch dafür bewegten seine Gedanken sich intensiv; sie lösten Impulse aus, die mit Lichtgeschwindigkeit zu den ausführenden Aggregaten eilten.
Die GEVARI verschwand aus dem Einstein-Raum und raste im linearen Zwischenraumflug davon ...
*
Als das Diskusschiff nach dem dritten Linearmanöver in den Normalraum zurückfiel, hatte es sich insgesamt 680 Millionen Kilometer von Portier entfernt.
Der zweite Empfangsplanet – Pförtner – schwebte als stark abgeflachtes ovales Gebilde vor der GEVARI. Atlan sah den Planeten etwa eine halbe Minute lang durch die Steuerkanzel hindurch an. Die rein optische Beobachtung befriedigte jedoch nicht, denn sie zeigte Pförtner nur als vagen Schemen mit einem hellen Lichtstreifen am unteren Rand. Auf den Schirmen der Ortungsbildzeichner war da schon erheblich mehr zu sehen.
Fasziniert betrachtete der Arkonide den Trivideokubus mit dem elektronisch erzeugten verkleinerten Abbild des zweiten Empfangsplaneten.
»Er gleicht der Form nach stark jenen Faustkeilen«, sagte Atlan zu Ras Tschubai, »wie man sie auf der Erde neben Schädelresten des so genannten Steinheim-Menschen gefunden hat: ein längliches Gebilde mit einem stumpfen und einem spitzen Ende sowie stark zerklüfteten ›Schneiden‹, nach dem stumpfen Ende zu verdickt, aber generell doch viel zu flach, als dass dieser Himmelskörper sich in der Phase der Entstehung von Sonne und Planeten gebildet haben könnte.«
»Ich habe ...«, meldete sich Toronar Kasom mit der urgewaltigen Klangfülle einer ungedämpften Ertruserstimme. Als er seinen Missgriff an den schmerzlich verzogenen Mienen einiger Besatzungsmitglieder erkannte, breitete er die Arme in einer um Entschuldigung bittenden Geste aus und fuhr leise fort: »Ich habe die Feldteleskopbeobachtungen abgeschlossen und ausgewertet. Danach dürfen wir endgültig feststellen, dass außer GEPLA-I alle großen und kleinen Himmelskörper des Intern-Alpha-Systems die Bruchstücke eines zerstörten Riesenplaneten sind.«
Tschubai lächelte dem Umweltangepassten zu.
»Dann gibt es also nicht mehr den geringsten Zweifel daran, dass die Sauerstoffatmosphären der größeren Bruchstückplaneten ausnahmslos künstlich erzeugt wurden.« Es war keine Frage, sondern eine sachliche Feststellung gewesen, deshalb ging niemand darauf ein.
Lordadmiral Atlan musterte die zehn Personen, die ihn auf diesem Erkundungsflug begleiteten. Sie verhielten sich diszipliniert und psychisch gelöst, obwohl außer der allgegenwärtigen tödlichen Gefahren auch noch drückende Enge in der für zehn normalgroße Menschen berechneten Zentrale der GEVARI herrschte.
Takvorian, der Zentaur, der ohne seine Pferdekopfmaske vor den Feuerleitkontrollen saß, nickte dem Arkoniden ernst zu. Das lange Bart- und Haupthaar kontrastierte scharf mit dem kindlich geformten Gesicht. Der ockergelbe Schweif des Pferdekörpers schwang hin und her; die Hufe scharrten auf dem Boden der Steuerkanzel.
Atlan erwiderte das Nicken, dann wandte er sich Ras Tschubai zu, der als so genannter Positroniktechno fungierte. Der schwarzhäutige Teleporter ließ seine Finger rasch und konzentriert über die Tastatur der Bordpositronik gleiten. Wenige Sekunden später zeigten akustische und optische Signale das Ende der Messauswertung an. Die Berechnungen erschienen auf kleinen Bildschirmen und ausgestoßenen Symbolfolien.
»Durchschnittliche Schwerkraft an der Oberfläche von Pförtner 0,67 Gravos bei erheblichen Differenzen zwischen den Äquator- und Polgebieten, wobei die Hochachse als Polachse angesehen wird«, las Tschubai ab. »Die Umlaufbahn um Intern-Alpha beträgt 4,86 Jahre Standardzeit.«
»Und die Rotationszeit beträgt genau 2,43 Jahre Standardzeit«, murmelte Atlan. »Pförtner dreht sich also während eines Umlaufs nur zweimal um die eigene Achse, wodurch eine Licht- und Dunkelperiode jeweils 2,43 Jahre dauern. Das bedeutet, die jeweilige Nachtseite hat ständig Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt, während die jeweilige Tagseite sich stark aufheizt. Die Folge müssten eigentlich furchtbare Wirbelstürme sein. Können Sie das bestätigen, Ras?«
»Ja und nein, Lordadmiral«, antwortete Tschubai. »Es gibt heftige Wirbelstürme, aber sie sind auf eine schmale Zone beiderseits des Terminators beschränkt. Auf der Tagseite herrschen klimatische Bedingungen, die sich kaum von jenen der terranischen subtropischen Zonen unterscheiden.« Er schüttelte den Kopf. »Eine Extremwelt mit zur Hälfte terranormalen Bedingungen, da wirken zweifellos technische Anlagen mit.«
»Das Temperaturmittel der Tagseite liegt bei 21,3 Grad Celsius«, sagte Atlan nach einem Blick auf den Informschirm der Hauptpositronik. »Das der Nachtseite beträgt dagegen minus 69,4 Grad Celsius. Sie haben recht, Ras, dieser Unterschied müsste zu gewaltigen Stürmen auf beiden Seiten des Planeten führen. Nur mit modernsten technischen Anlagen lässt sich diese Ausgleichswirkung auf die Terminatorzone beschränken.«