Nr. 543
Das letzte Aufgebot der MARCO POLO
Chaos im Schiff der Terraner – die Invasoren kommen
von ERNST VLCEK
Auf Terra und den anderen Menschheitswelten schreibt man Ende Juni des Jahres 3442.
Im Kampf gegen das galaxisweite Chaos der Verdummung und gegen die Macht des Schwarms hat Perry Rhodan mit seinen wenigen Immunen bereits beachtliche Erfolge erzielt, und auch auf der Erde selbst waren Fortschritte zu verzeichnen. Die meisten Menschen dort haben ihre frühere Intelligenz teilweise wieder zurückgewonnen und nutzbringend eingesetzt. Das gilt besonders für die Männer und Frauen der MARCO POLO. Sie kehrten an Bord des Flaggschiffs zurück und erlangten, als sie in den Schwarm eindrangen, ihre Intelligenz völlig zurück.
Mit der voll bemannten und voll kampffähigen MARCO POLO und ihren Beibooten verfügt Perry Rhodan nun über eine beachtliche Streitmacht, mit der es gelingen sollte, die weiteren Pläne der Beherrscher des Schwarms empfindlich zu stören.
Mit dem Unternehmen »Infekt« haben die Terraner der MARCO POLO bereits Verwirrung und Panik in die Reihen des Gegners getragen. Doch bald erweist sich, dass die Beherrscher des Schwarms in der Lage sind, mit gleicher Münze zurückzuzahlen.
Die auf Erkundung ausgeschickten Mitglieder der unter Atlans Kommando stehenden GEVARI-Expedition bekommen dies zuallererst zu spüren. Sie geraten trotz des Einsatzes der »Weltraumkavallerie« in schwere Bedrängnis und hoffen auf Hilfe von Seiten Perry Rhodans.
Doch dieser hat inzwischen ebenfalls Schwierigkeiten, und wenn er die Situation in den Griff bekommen will, muss er DAS LETZTE AUFGEBOT DER MARCO POLO einsetzen ...
Die Hauptpersonen des Romans
Perry Rhodan – Der Großadministrator mobilisiert das letzte Aufgebot der MARCO POLO.
Ribald Corello und Irmina Kotschistowa – Mutanten an Bord der MARCO POLO.
Galzhasta Rouk – Ein Ezialist.
Tjico Raim – Ein Captain begeht einen Fehler.
Atlan – Der Arkonide und seine Gruppe warten auf die Retter.
1.
Eine Frage beschäftigte die Mannschaft der CMP-3 seit Tagen: »Was ist mit der GEVARI los?«
Die sechstausend Trümmerstücke umschlossen das gesamte Intern-Alpha-System wie ein schützender Wall. Manche von ihnen waren so klein wie Kürbisse und wegen der übrigen gewaltigen Masse nur aus geringer Entfernung zu orten, andere wiederum besaßen die Ausmaße des solaren Mars.
Doch alle hatten sie eines gemeinsam: sie waren nicht rund wie natürlich entstandene Himmelskörper, sondern durchwegs so unregelmäßig wie Felsbrocken. Daran war ziemlich eindeutig zu erkennen, dass es sich um die Überreste eines Riesenplaneten handelte, der irgendwann einmal explodierte, oder absichtlich zur Explosion gebracht worden war.
Diese Schlussfolgerung hatte sich einfach aufgedrängt, weil die Planetentrümmer nicht nur die blassgelbe Sonne umkreisten, sondern auch den einzigen Planeten natürlichen Ursprungs. Außerdem beschrieben sie so exzentrische Bahnen, wie sie nur durch Manipulation entstanden sein konnten.
Die CMP-3 befand sich weit außerhalb des Systems auf Warteposition.
Fellmer Lloyd wandte sich vom Panoramabildschirm ab.
»Warum nur gibt die Besatzung der GEVARI kein Lebenszeichen von sich?«, fragte er wie zu sich selbst.
»Es gibt viele unerfreuliche Antworten darauf«, seufzte Major Ruog Talhayo, der Kommandant des 100-Meter-Kreuzers. »Wir haben sie alle schon erörtert.«
Die GEVARI war vor über einer Woche Standardzeit mit einer elfköpfigen Mannschaft unter Atlans Führung in dieses System entsandt worden, nachdem man auf der MARCO POLO parapsychische und paraphysikalische Impulse von hier empfangen hatte.
Die hyperphysikalische Analyse, positronische Berechnungen, Guckys telepathische Auswertung und die Angaben des Energiewesens Harno hatten eindeutig ergeben, dass Intern-Alpha innerhalb des Schwarms eine Schlüsselposition einnahm. Grund genug, ein bewährtes Team nach hier zu schicken. Harnos Warnung, dass hier jemand oder etwas existiere, der oder das einen ungeheuren Machtfaktor darstelle, konnte die Terraner von dieser Expedition nicht abhalten.
Dass man die Gefahr dennoch nicht unterschätzte, zeigte sich schon aus der Tatsache, dass Perry Rhodan den einzigen natürlich entstandenen Planeten des Systems GEPLA-I getauft hatte – die Abkürzung für »Gefährlicher Planet Nr. I«.
Abergläubische Gemüter könnten meinen, Rhodan hätte den Teufel an die Wand gemalt, denn die GEVARI war mit ihrer elfköpfigen Besatzung seit Tagen überfällig.
»Warum nur meldet sich Atlan nicht?«, grübelte Fellmer Lloyd. »Er weiß, dass wir im Zuge des Einsatzplanes nach hier abkommandiert wurden, um notfalls Hilfe leisten zu können.«
»Sicher ist es so, dass das Einsatzkommando keine Funksprüche riskieren kann«, erklärte Ruog Talhayo dazu. »Sie wissen schon, wegen der Ortungsgefahr.«
»Und was ist mit den Mutanten?«, hielt Lloyd dagegen. »Gucky hätte sich schon längst telepathisch mit mir in Verbindung setzen können.«
Talhayo deutete in Richtung der Ortungszentrale.
»Das parapsychische Feld, das das gesamte System umschließt, könnte ihn daran hindern. Es ist anzunehmen, dass sämtliche Personen des Einsatzkommandos in irgendeiner Form darunter zu leiden haben. Wenn wir es nicht rechtzeitig geortet hätten, dann wären wir ebenfalls hineingeflogen.«
Lloyd schüttelte den Kopf. »Die Mutanten – Gucky, Wyt, Merkosh, Tschubai und Takvorian – hätten sich nie hineinbegeben, wenn das Feld für sie schädlich gewesen wäre.«
»Die Sache ist nur die, dass die GEVARI nicht so gute Ortungsgeräte besitzt wie wir, so dass diese parapsychische Barriere wahrscheinlich nicht einmal angemessen werden konnte«, gab Major Talhayo zu bedenken.
Lloyd schüttelte wieder den Kopf. »Trotzdem. Wir kennen die Natur dieses Feldes und haben herausgefunden, dass es in unmittelbarer Nähe der voraussichtlich bewohnten Planetentrümmer nicht existiert. Wir müssen einfach davon ausgehen, dass Atlan die GEVARI auf einem dieser Himmelskörper landen ließ.«
Das parapsychische, systemumspannende Feld wurde bereits im Anflug von der Ortungszentrale der CMP-3 ausgemacht. Da es Lloyd nicht gelungen war, die Auswirkungen der Barriere auf die menschlichen Gehirne zu erkennen, hatte man eine Sonde mit einem biopositronischen Gehirn ausgeschickt. Als die Sonde in das System eintauchte, hatte man anhand der aufgefangenen biopositronischen Gehirnimpulse festgestellt, dass das Feld Panikstimmung hervorrief, die sogar zur Selbstvernichtung des betroffenen Individuums führen konnte. Gleichzeitig damit wurde der Wunsch geweckt, das »Erlösungsauge« aufzusuchen.
Später hatte man das so genannte Erlösungsauge durch Fernortung entdeckt. Es handelte sich dabei um eine 120.000 Kilometer durchmessende Leuchterscheinung innerhalb des Systems, dessen Energieemission eindeutig den Charakter eines Transmitterfeldes besaß.
War die Mannschaft der GEVARI der Panikstrahlung unterlegen? War sie von dem Erlösungsauge magisch angezogen und von dem Giganttransmitter mit unbekanntem Ziel abgestrahlt worden?
Diese letzte Frage besaß jedoch nur dann eine Berechtigung, wenn der Giganttransmitter auch auf Empfänger außerhalb dieses Systems umzuschalten war. Von der CMP-3 aus hatte man durch Fernlenkung eine Sonde in das Erlösungsauge geschickt und daraufhin festgestellt, dass sie auf einem fast marsgroßen Himmelskörper innerhalb des Systems materialisierte.
Deshalb glaubte Lloyd, dass sich auch Atlan und seine Leute noch im Intern-Alpha-System aufhielten.
»Diese Ungewissheit macht mich noch wahnsinnig«, murmelte Lloyd. Tatsächlich wirkte der sonst so gefasste und selbstbeherrschte Telepath unruhig und nervös.
Die geistige Belastung war für ihn auch zu groß. Seit Tagen war er angespannt und lauschte mit seinen parapsychischen Sinnen auf eine telepathische Nachricht.
»Wir müssen endlich handeln – bevor es zu spät ist«, sagte Lloyd.
»Es wäre Selbstmord, in das System einzufliegen. Und Sie wissen das«, erwiderte der Kommandant der CMP-3.
Lloyd nickte geistesabwesend.
Damit war das Gespräch beendet, das in ähnlicher Form schon etliche Male stattgefunden hatte. Diese Dialoge führten zu nichts, das war Major Ruog Talhayo natürlich klar.
Der 30. Juni war bereits angebrochen, und sie hatten von Atlan und seinen Leuten noch kein Lebenszeichen erhalten. Wenn Atlans Team in Gefahr war, dann genügte ein kurzer Funkspruch, oder ein telepathischer Kontakt, und die vorbereiteten Sicherheitsvorkehrungen würden in Kraft treten.
Auf der CMP-3 war speziell für dieses Unternehmen ein leistungsstarker Transmitter installiert worden, um die elf Personen schnellstens an Bord nehmen zu können. Obwohl dieser Transmitter stark genug war, um jeweils zwei Personen zu der 2310 Lichtjahre entfernten MARCO POLO abzustrahlen, waren zusätzlich noch vier Kreuzer in regelmäßigen Abständen als Relaisstationen postiert worden.
Man hatte an alles gedacht.
Doch was nützten diese exakten Vorbereitungen, wenn sich die GEVARI nicht meldete. Dabei wurde es höchste Zeit, denn die hyperphysikalische Fernortung hatte gezeigt, dass in diesem Ostsektor des Schwarmkopfes eine starke Massierung der feindlichen Flotte erfolgte. Talhayo hatte zwar sämtliche Kraftmaschinen abgeschaltet und so eine Ortung aufgrund abgestrahlter Eigenenergie ausgeschlossen. Dennoch konnte eine Entdeckung durch die näherrückenden Schiffe nicht mehr lange auf sich warten lassen.
Talhayo geriet deshalb nicht in Panik. Er besaß die seltene Eigenschaft, auch in ausweglosen Situationen die Ruhe zu bewahren.
»Sie sind überanstrengt, Lloyd«, sagte er zu dem Telepathen. »Ruhen Sie sich etwas aus. Wenn etwas Unvorhergesehenes passiert, werde ich Sie sofort ... Lloyd, was ist mit Ihnen!«
Der Telepath saß vollkommen reglos da; seine Augen waren geschlossen, in seinem Gesicht zuckte es, die Händewaren verkrampft. Endlich entspannte er sich.
»Gucky ... Kontakt ...«, sagte er mit leiser Stimme.
Es klang wie ein Seufzer der Erleichterung.
2.
Die telepathischen Impulse überfielen Fellmer Lloyd so plötzlich, dass sich sein Körper augenblicklich versteifte. Und er empfing sie mit solcher Intensität, als befände sich der Sender ganz in der Nähe.
Da dies jedoch nicht gut möglich war, schloss Lloyd daraus, dass Gucky seine Parakräfte durch eine Blockbildung mit den anderen Mutanten verstärkte.
Fellmer!
Und wieder: Fellmer!
Endlich war der so lange erwartete Kontakt da! Lloyd empfand unbeschreibliche Erleichterung.
Wir sind mit der CMP-3 am Rande des Intern-Alpha-Systems, telepathierte er zurück. Ich empfange dich ausgezeichnet. Warum hast du dich noch kein einziges Mal gemeldet? Wir waren schon versucht, Kurs auf GEPLA-I zu nehmen.
Tut das auf keinen Fall! Das Panikfeld würde euch zum Verhängnis werden, warnte Gucky.
Seid ihr davon betroffen?
Wir haben mit ganz anderen Schwierigkeiten zu kämpfen ...
Daraufhin erhielt Lloyd von Gucky in Stichworten einen Lagebericht übermittelt:
Sie waren in den Bann des Panikfeldes geraten. Sie wären bestimmt den Zwangsimpulsen erlegen und hätten die GEVARI in das so genannte »Erlösungsauge« hineingeflogen. Aber da tauchte ein schwarmeigenes Raumschiff auf, verschwand in der riesigen Leuchterscheinung und materialisierte auf einem marsgroßen Bruchstück des ehemaligen Riesenplaneten, dem Gucky die Bezeichnung »Portier« gab. Dort suchten sie schließlich Schutz vor dem Panikfeld, und es gelang Gucky, den Empfangstransmitter und die Schaltstation für das Panikfeld zu zerstören.
Doch kaum im Weltraum, waren das Panikfeld und das Erlösungsauge schon wieder aktiviert worden. Sie suchten »Pförtner«, einen anderen bewohnten Planetoiden, auf, der die Form eines Faustkeils besaß. Dadurch entkamen sie zwar dem Panikfeld, gerieten auf Pförtner jedoch in noch größere Gefahr. Sie wurden vom Ablaufhemmer eingeschlossen ...
Ablaufhemmer?, wiederholte Lloyd in Gedanken.
Ganz richtig, bestätigte Gucky. Es handelt sich um ein paraphysikalisches Energiefeld, das sämtliche Bewegungsabläufe sechzigfach bis sechshundertfach verlangsamt. Alles, die Natur dieser Welt, unsere Körper, unser Denkprozess und die Maschinen der GEVARI unterliegen diesem Verlangsamungseffekt. Die hier lebenden Wesen, die dieses mechanisch erzeugte Kraftfeld mit ihrer Geisteskraft abstimmen und manipulieren können, sind dagegen nicht davon betroffen. Daraus ergibt sich eine tödliche Gefahr für uns. Wir sitzen hier fest. Wir können die GEVARI nicht starten, denn wir würden nur im Schneckentempo hochkommen und wären ein leichtes Ziel für die Skurrils.
Wie ist es dann möglich, dass ich deine Gedanken ohne die geringste Verlangsamung empfange, wunderte sich Lloyd. Ich merke nichts von einem Zeitlupeneffekt.
Das ist Takvorian zu verdanken, der in der Lage ist, das Hemmungsfeld innerhalb eines kleinen Bereiches aufzuheben, erklärte Gucky. Aber verlange jetzt keine näheren Erklärungen von mir. Die Zeit ist knapp.
Lloyd stimmte zu: Ganz meine Meinung. Ihr solltet schnellstens euren Transmitter auf Sendung schalten und euch zu uns abstrahlen lassen.
Schnell ist gut. Wir können laufen, was unsere Beine hergeben, und brauchen dennoch für jeden Meter fünfzehn Sekunden. Das nenne ich Tempo!
*
Fellmer Lloyd konzentrierte sich auf seine Umgebung.
Er sah die angespannten Gesichter der Mannschaft. Nur Kommandant Ruog Talhayo verzog keine Miene.
»Was ist passiert?«, fragte er sachlich.
»Atlan und sein Team sind in Schwierigkeiten«, antwortete Lloyd.
»Sollen wir sie heraushauen?«
»Lassen Sie auf jeden Fall den Transmitter aktivieren und auf Empfang schalten.«
Lloyd hörte Major Talhayo die entsprechenden Befehle geben und vernahm gleichzeitig den telepathischen Anruf in seinem Geist.
Fellmer, hier ist Atlan!
Es war nicht ungewöhnlich, dass sich der Arkonide mit Guckys Hilfe in die parapsychische Verbindung der beiden Telepathen einschaltete. Aber immerhin zeigte es den Ernst der Situation noch deutlicher auf.
Ich höre, telepathierte Lloyd.
Atlan erklärte: Unser Problem ist, dass Takvorian uns nicht alle gleichzeitig in sein Schutzfeld transportieren kann, sondern maximal zwei Personen. Eine andere Frage ist überhaupt, ob er Icho Tolot schafft. Im Augenblick sind wir nicht gefährdet, so dass wir unser Problem ohne besondere Hast in Angriff nehmen können. Ihr dürft ebenfalls nichts überstürzen, Fellmer. Gebt uns eine halbe Stunde, mehr brauchen wir nicht.
Lloyd antwortete nicht. Er war durch Major Talhayo abgelenkt worden.
»Der Transmitter ist eingeschaltet und justiert«, meldete ihm der Kommandant der CMP-3. »Sie können die Justierungswerte durchgeben, damit sie auf der GEVARI den Sendertransmitter auf unseren Empfänger abstimmen können.«
In diesem Augenblick heulte die Alarmsirene auf.
Talhayo wirbelte herum.
»Welcher Narr hat den Alarm ausgelöst?«, rief der Kommandant unerwartet heftig.
»Das automatische Vorwarnsystem«, kam über die Rundrufanlage die lakonische Antwort aus der Ortungszentrale.
»Und der Grund?«, fragte Talhayo, obwohl er ihn bereits zu kennen glaubte.
»Die feindliche Flotte ist uns gefährlich nahe gekommen«, antwortete der Ortungsspezialist. »Inzwischen ist es uns gelungen, einige der Schiffstypen zu identifizieren. Dabei handelt es sich in erster Linie um Manips ...«
... jene Rochenraumschiffe, die aus ihren Stachelauswüchsen die Verdummungsstrahlung gebündelt auf ein Ziel lenken können, fügte Talhayo in Gedanken hinzu.
»... und um die riesigen Walzenraumschiffe, die in der Regel ›Schwarze Dämonen‹ an Bord haben«, endete der Ortungsspezialist.
Fellmer! Was ist los mit Ihnen?
»Wann werden sie hier sein?«, verlangte Talhayo zu wissen.
Die Mannschaft der CMP-3 war hervorragend aufeinander eingestellt. Während die Ortungszentrale noch die frisch erhaltenen Daten durchgab, waren in der Hauptpositronik gleichzeitig alle erforderlichen Berechnungen angestellt worden.
Deshalb bekam Talhayo sofort Antwort: »Der Feind wird in zweieinhalb Minuten auf Schussweite sein. Spätestens dann müssen wir einen Standortwechsel vornehmen.«
»Wir bleiben bis zur letzten Sekunde«, erklärte Talhayo. Er wandte sich an Lloyd. »Geben Sie das durch. Die Mannschaft der GEVARI hat zweieinhalb Minuten, um das Transmitterfeld zu passieren. Das müsste reichen.«
Fellmer, melden Sie sich, kamen Atlans drängende Gedanken. Ist etwas vorgefallen?
Das kann man wohl sagen, telepathierte Lloyd resigniert zurück. Sie haben zweieinhalb Minuten Zeit, um an Bord unseres Schiffes zu kommen. Keine Sekunde länger.
Das ist Wahnsinn! Wissen Sie, was zweieinhalb Minuten für uns sind?
Lloyd wusste es. Für Atlan und die anderen, die im Ablaufhemmerfeld gefangen waren, mussten vollkommen andere Maßstäbe angelegt werden.
3.
Takvorian hatte sich an seine gespenstische Umgebung und die ungewöhnlichen Umstände gewöhnt.
Außerhalb der GEVARI waren:
Die eisigen Wände der fast hundert Meter tiefen und nur etwas mehr als vierzig Meter breiten Schlucht; nur der oberste Teil der Wände wurde vom schwachen Schein der näherrückenden Zwielichtzone getroffen, das Licht spiegelte sich im Eis, drang jedoch nicht bis zum Grund der Schlucht vor; hier lag die fünfzig Meter durchmessende GEVARI in Schräglage.
Und das Innere des Diskusraumers: reglose Gestalten.
Der Haluter Icho Tolot stand inmitten der kreisrunden Steuerkanzel, vor ihm der Ertruser Toronar Kasom – und es schien, als sei er mitten im Gespräch von der Versteinerung überrascht worden; Atlan, etwas abseits, an eine Konsole gelehnt, mit maskenhaftem, scharfgeschnittenem Gesicht; Mentro Kosum, der Emotionaut mit der SERT-Haube, dem es mit Takvorians Hilfe gelungen war, die GEVARI einige hundert Meter tiefer in die Schlucht zu fliegen, saß immer noch am Kontrollpult; Sandal Tolk, den Bogen in der erstarrten Hand, den Köcher mit den Pfeilen um den Rücken geschnallt; dicht bei ihm Tahonka-No, der Knöcherne aus dem Schwarm – der Prototyp versteinerter Fremdartigkeit.
Sie alle muteten wie Denkmäler inmitten eines Technikums an.
Und doch! Sie alle lebten, atmeten, bewegten sich in einer Umwelt, die, aus ihrer Perspektive gesehen, keine Veränderung erfahren hatte. Sie waren mitsamt ihrer Umgebung vom Ablaufhemmerfeld eingefangen worden.