Nr. 547
Die Sonne warf keinen Schatten
Die Männer der ISK auf der Welt der Obelisken – 400 Wissenschaftler werden gesucht
von KURT MAHR
Auf Terra und den anderen Menschheitswelten schreibt man Ende Juli des Jahres 3442.
Während Perry Rhodan mit der MARCO POLO und ihren Beibooten weiterhin im Innern des Sternenschwarms operiert und die INTERSOLAR mit Reginald Bull in Schwarmnähe ihre Überwachungsaufgabe durchführt, sind noch viele andere direkt oder indirekt tätig, um die vom Schwarm ausgehende Gefahr für die Völker der Milchstraße zu bannen.
Da ist Professor Geoffry Abel Waringer mit seinen Zehntausenden von Wissenschaftlern. Auf der Hundertsonnenwelt der Posbis, also außerhalb des Bereichs der Intelligenzretardierung lebend, suchen sie fieberhaft nach Mitteln und Wegen, das ursprüngliche Intelligenzniveau der Menschheit wiederherzustellen.
Und da ist das von Cheborparczete Faynybret, dem seltsamen Wesen mit dem seltsamen Namen, geleitete Intelligenz-Suchkommando, dessen Mitglieder neben Ausbildungs- und Transportaufgaben auch Suchaufträge erfüllen.
Ein solcher Auftrag führt ein Team des ISK auf die Welt der Obelisken – dorthin, wo DIE SONNE KEINEN SCHATTEN WARF ...
Die Hauptpersonen des Romans
Major Orin Ellsmere – Kommandant des Großtransporters UST-3048.
King Pollack, Robert C. Hollingsworth und Elisa Kainchen – Mitglieder des Intelligenz-Suchkommandos.
Persh Hankolore und Mart Hung-Chuin – Zwei Wissenschaftler glauben an den Geist des Waldes.
Geoffry Abel Waringer – Projektchef auf der Hundertsonnenwelt.
1.
Hinter ihnen verstummte das helle Summen des Motors. Die Luft flimmerte vor Hitze. Die absolute Stille der felsigen Einöde war bedrückend. Die gleißende Sonne stand fast senkrecht im makellosen Blau des Himmels.
Mittag, dachte Orin Ellsmere, die Geisterstunde der Hellenen.
Der Ort war wie aus einer Szene des klassischen Griechenland. Pinienähnliche Bäume erhoben sich hier und dort aus dem Gewirr der Felsen. Unter der unbarmherzigen Lichtflut der Sonne warfen sie einen kurzen, tiefschwarzen Schatten.
Nur der Obelisk war schattenlos.
Wenige Schritte vor Ellsmere ragte er in die Höhe, fünf oder sechs Meter weit, ein Gebilde aus glattem, grauem Stein. Seine Basis bildete ein Quadrat von kaum einem Meter Seitenlänge. Nach oben hin verjüngte er sich und lief in einer scharfen Spitze aus.
Die Sonne beschien ihn von Süden her, aber Ellsmere hatte ihn umschritten, und Sonnenschein lag auf allen vier Seiten, nicht nur auf der südlichen. Der graue Stein fühlte sich hart an und heiß. Dem tastenden Druck der Finger bot er ein unüberwindliches Hindernis.
Aber nicht dem Sonnenlicht. Es drang durch ihn hindurch, als wäre er nicht da, und erzeugte keinen Schatten. Der Boden dort, wo der Schatten hätte sein müssen, war genauso heiß wie die Umgebung.
Sergeant Pollack räusperte sich unbehaglich.
»Das gefällt mir nicht«, beschwerte er sich. »Ich habe gerne Dinge, die ich begreifen kann!«
Robert C. Hollingsworth, Leutnant und anerkannte Koryphäe auf den Fachgebieten der Liebe und der Liebelei, ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen. Lachend bemerkte er: »Mir ist schon aufgefallen, dass du dich mit einer äußerst geringen Zahl von Dingen begnügst.«
»O ja?!«, erwiderte King Pollack entrüstet. »Und wer hält hier den Rekord an geistiger Eingleisigkeit, immer nur mit Frauen und Mädchen und so?«
Ellsmere mischte sich nicht ein. Pollack und Hollingsworth hatten im Laufe ihrer mehrjährigen Zusammenarbeit einen Beruf daraus gemacht, einander bei jeder Gelegenheit in den Haaren zu liegen. Da stand, was den Einfallsreichtum der gegenseitigen Vorwürfe betraf, einer dem andern nicht nach.
»Eingleisigkeit ist nicht Einfallslosigkeit«, wehrte sich der Leutnant. Dann schien er das Interesse an der Debatte zu verlieren und wandte sich an seinen Vorgesetzten: »Warum wirft das Ding keinen Schatten? Was ist damit los?«
Ellsmere hob die Schultern.
»Ich bin genauso gescheit wie du. Die Obelisken sind völlig neuartige Erscheinungen. Niemand hat sich bis jetzt im Detail mit ihnen befasst – mit Ausnahme vielleicht von Hung-Chuin. Und seinetwegen sind wir hier. Wenn wir ihn finden, wird er deine Frage womöglich beantworten.«
Er drehte sich um und ließ den Blick über die Hochebene wandern. Die wüstenähnliche Landschaft war auf drei Seiten von sanft gewellten Bergrücken umgeben. Im Süden dagegen öffnete sie sich auf einen schroffen Felssturz. Am Fuß des Sturzes lag die Siedlung Point Chuin, die vor sechs Jahren von einer Gruppe von Wissenschaftlern errichtet worden war. Point Chuin verfügte über einen Raumhafen, der Fahrzeuge bis zur Größenordnung eines Schlachtschiffes aufnehmen konnte. Für Orin Ellsmere und seinen zweieinhalb Kilometer durchmessenden Supertransporter, die UST-3048, war er jedoch zu klein.
Das Schiff lag zwölf Kilometer östlich der Stelle, an der der Obelisk stand. Ellsmere hatte den merkwürdigen Stein bei der Landung erblickt und keine Sekunde verloren, um das eigenartige Gebilde aus der Nähe in Augenschein zu nehmen. Er war mit seinen Begleitern in einem kleinen Shift hierhergekommen. Die Betrachtung des Steines hatte keinerlei Aufschluss über dessen Wesen gebracht. Ellsmere entschloss sich, derart verwickelte Dinge den Fachleuten zu überlassen, und versenkte sich statt dessen in den Anblick seines Raumschiffes, das selbst aus zwölf Kilometer Entfernung noch einen imposanten Eindruck machte.
»Das ist ein altes Gebirge«, sagte hinter ihm Leutnant Hollingsworth, der des Anstarrens des Obelisken ebenfalls überdrüssig geworden war. »So etwas sieht man auf der Erde selten. Das ist prä-kambrisches Gestein, mindestens anderthalb Milliarden Jahre alt.«
»Und was kann man sich dafür kaufen?«, fragte Pollack.
»Einiges«, antwortete der Leutnant. »Zum Beispiel kann man mit Sicherheit annehmen, dass es in diesem Gebiet keine vulkanische Tätigkeit gibt. Auch keine Erdbeben. Das Land ist viel zu alt dazu.«
Ellsmere schritt auf den Shift zu.
»Wir fahren zurück«, erklärte er kurz.
Pollack schwang sich ächzend in den Fahrersitz. King Pollack stammte vom Mars. Seitdem er als Kind zum ersten Mal die Erde mit ihrer dichten Atmosphäre und ihrer für ihn fast erdrückenden Schwerkraft betreten hatte, schnaufte und jammerte er jedes Mal, wenn er sich bewegen musste. Auch als er sich an die zusätzliche Anstrengung längst gewöhnt hatte, war ihm das Stöhnen als Angewohnheit verblieben.
Ellsmere war der letzte, der einstieg. Er hatte den linken Fuß noch auf dem Boden, als er plötzlich den Eindruck hatte, er befinde sich in einem aufwärts beschleunigenden Aufzug. Es war eine vorübergehende Erscheinung. Das Gefühl verging so schnell, dass er nicht wusste, ob er es wirklich empfunden oder sich nur eingebildet hatte. Die Verwunderung musste ihm am Gesicht abzulesen sein. Hollingsworth erkundigte sich: »Was gibt es?«
Ellsmere schüttelte lachend den Kopf.
»Wenn du mir nicht eben klargemacht hättest, hier gäbe es keine Erdbeben, dann würde ich behaupten, ich hätte gerade einen leichten Erdstoß gespürt.«
»Es ist schon öfter vorgekommen, dass der Herr Leutnant sich geirrt hat«, bemerkte Sergeant Pollack gehässig.
Hollingsworth wollte darauf antworten, aber im selben Augenblick erwachte der Bordempfänger zu quäkendem Leben.
»Kommandowache an Major Ellsmere!«
Ellsmere beugte sich nach vorne, um dem Mikrophon näher zu sein.
»Ellsmere hier. Was ist los, Kochem?«
»Wir haben vor ein paar Augenblicken einen mittelschweren Erdstoß gemessen, Major.«
*
»Ab!«, befahl Ellsmere.
Nur das eine Wort – und der Shift war unterwegs. King Pollack beschleunigte, dass der Staub unter dem steil in die Höhe schießenden Fahrzeug nur so aufwirbelte. Der Motor summte hell, aber über das Summen hinweg drang plötzlich ein dumpfes, gefahrdrohendes Geräusch.
»Die Berge!«, schrie Pollack. »Sehen Sie sich die Berge an!«
Ellsmere blickte in Fahrtrichtung. In nordöstlicher Richtung, jenseits des Landeplatzes der UST-3048, war die bisher so stille Bergwelt plötzlich in Bewegung geraten. In der von Stürmen glattgeschliffenen Felsflanke eines kuppelförmigen Bergrückens erschien ein Riss, der von der Sohle der Hochebene bis hinauf zum flachen Gipfel lief. In Bruchteilen einer Sekunde erweiterte sich der Riss zum klaffenden Spalt. Die nördliche Hälfte des Berges begann zu wanken. Massiver Fels zerbrach und zerbröckelte. Eine gigantische Staubwolke wirbelte auf. Plötzlich auffrischender Wind trieb das krachende Getöse dem dahinschießenden Fahrzeug entgegen.
Das Schiff kam näher. Ellsmere warf einen Blick in die Tiefe. Auch im Boden der Ebene zeigten sich Risse. Das tote Gestein war plötzlich lebendig geworden. Bäume, ihres Haltes beraubt, neigten sich und stürzten krachend. Abgründe taten sich auf und verschluckten Hunderttonnenlasten von Felsgestein in Sekundenschnelle. Überall wirbelte Staub in die Höhe. Der Wind wurde zum Sturm. Der Shift fing an zu bocken.
Ellsmere beugte sich ein zweites Mal über das Mikrophon.
»Kochem ...?«
»Sir?«
»Sind Sie startbereit?«
»Ja, Sir.«
»Öffnen Sie Schleuse vierzehn!«
»Ist geöffnet!«
»Bereiten Sie sich auf den Notstart vor. Fahren Sie Schutzschirme auf Volllast, sobald wir das Vierzehner-Außenschott passiert haben, und hauen Sie ab, als wäre der Teufel hinter Ihnen her.«
»Verstanden, Sir, wird gemacht!«
»Wir sind in dreißig bis vierzig Sekunden dort. Viel Glück, Kochem!«
Er hatte das Gerät noch nicht abgeschaltet, da gab es einen mörderischen Krach, Ellsmere wurde mit Wucht in seinen Sitz zurückgeschleudert. Hollingsworth, der mit der Schulter gegen die Dachverkleidung prallte, gab ein wütendes Knurren von sich.
»Treffer!«, schrie Pollack. »Jemand wirft mit großen Steinen nach uns!«
Ellsmere sah sich um. Die Welt war hinter einer grauen, wirbelnden Wand aus Staub verschwunden. Ein rötlicher Fleck fesselte seine Aufmerksamkeit. Er lag schräg vorab, nur ein paar hundert Meter nördlich der Stelle, an der auch der Riesenleib des Raumschiffes im Staub verschwunden war.
Er brauchte einen Augenblick, um zu begreifen, was er sah. Feuer! Die Erde hatte sich geöffnet. Glühendes Magma brach aus dem Innern des Planeten hervor. Und das in einer Gegend, die Leutnant Hollingsworth noch vor wenigen Minuten als völlig erdbebensicher bezeichnet hatte!
»Hältst du Kurs?«, erkundigte er sich bei Pollack. Er musste schreien, um sich verständlich zu machen. Das Getöse, das die in ihrem Gleichgewicht gestörte Natur vollführte, war ohrenbetäubend.
Pollack nickte verbissen.
»Ich habe einen Reflex!«, brüllte er. »Wollen nur hoffen, dass er von Schleuse vierzehn kommt!«
Es wurde dunkler, obwohl der rote Feuerschein sich rasch ausbreitete. Die Dichte des Staubes nahm von Sekunde zu Sekunde zu. Ellsmere kam der beunruhigende Gedanke, sie könnten es nicht mehr rechtzeitig schaffen. Wie weit war es bis zum Rand der Hochebene, falls das Schiff starten musste, bevor sie die Schleuse erreichten? War die Flughöhe des Shifts ausreichend, die Berge zu überwinden?
Ein zweites Mal wurde er zur Seite geschleudert. Blutigrot zuckte es dicht an dem Fahrzeug vorbei. Brennende Hitze erfüllte plötzlich das Innere des Shifts. Pollack zeterte: »Wenn wir so einen direkt erwischen, sind wir geliefert! Der schmilzt uns glatt den Aufbau zusammen.«
Ellsmere schauderte. Sie flogen in zwölfhundert Metern Höhe. Welch ungeheure Kräfte waren dort unten am Werk, die glühendes Gestein so mühelos so hoch schleuderten?
Da kam es plötzlich heran – ein riesiger, formloser Schatten, finster wie die Nacht. Ellsmere hatte kaum Zeit, in Erwartung des scheinbar unvermeidlichen Aufpralls den Atem anzuhalten, da war es schon vorbei. Helles, blauweißes Licht flammte auf. Die gerätebedeckten Wände einer Raumschiffschleuse wurden sichtbar. King Pollack bremste scharf. Mit blechernem Klang setzte der Shift auf.
Ellsmere sah nach hinten. Hauptmann Kochem hatte blitzschnell reagiert. Das Außenschott schloss sich. Beide Fahrzeugluks klappten nach oben, und im selben Augenblick begannen die Sirenen zu heulen. Das war das Signal für den unmittelbar bevorstehenden Notstart.
Ellsmere hatte selten ein schöneres Geräusch gehört.
2.
Der Auftrag, mit dem Großraumtransporter UST-3048 das System Puntoron-Shin anzufliegen, hatte die fünfzehnköpfige Besatzung aus dem Zustand mürrischer Lethargie unmittelbar in einen Freudentaumel versetzt. Seit dem ersten Einsatz des Schiffes, der infolge der Intrigen eines unzurechnungsfähigen Hybridrechners um ein Haar mit einer Katastrophe geendet hätte, war die UST-3048 zweimal unterwegs gewesen – jedes Mal mit dem Auftrag, auf weit entfernten Welten nach Wesen terranischer Herkunft zu suchen, denen es gelungen sein mochte, entweder aus angeborener Begabung oder auch aufgrund eines Zufalls dem verdummenden Einfluss des unheimlichen Feldes zu entgehen, mit dem die Herrscher des Schwarms die Galaxis überzogen hatten.
Beide Einsätze waren Misserfolge gewesen. Auf den Zielplaneten fand sich keine Spur intelligenten Lebens. Die Stimmung der Besatzung, die auf jedem Flug ihr Letztes hergab, um das riesige, unterbemannte Raumschiff sicher ans Ziel und wieder zurückzubringen, sank ins Bodenlose. Nicht nur sah man die eigene Mühe schlecht belohnt, man begann überhaupt zu bezweifeln, ob das ganze Intelligenzsuchprojekt den Schweiß wert war, der über seiner Gründung und dem Training der ersten Schiffsmannschaften vergossen worden war.
Das Intelligenz-Suchkommando war der Gedankenspross des Cheborparners Cheborparczete Faynybret, wegen der Unaussprechlichkeit seines Namens kurz CheF genannt. Mit einer Rumpfmannschaft solcher, die gegen den Einfluss des verdummenden Feldes immun waren, hatte er sich auf der USO-Trainingswelt USTRAC angesiedelt und sich der nahezu unerschöpflichen Schulungsmittel dieser Welt bedient, um seine Leute zu Allroundgenies zu erziehen. Die Männer und Frauen des ISK lernten, bis ihnen die Schädel zu zerplatzen drohten, und als sie damit fertig waren, beherrschten sie vor allem zwei Künste besser, als sie je in der Geschichte der Menschheit beherrscht worden waren. Die Kunst, große Raumschiffe mit einem Bruchteil der vorgeschriebenen Besatzung zu steuern – und die Kunst zu überleben.
So, wie sie vom Trainingsfließband kamen, wurden sie in den Einsatz geschickt. Major Ellsmeres Gruppe war die erste, die sich an Bord eines kritisch unterbemannten Fahrzeugs in den Raum wagte. Damals war die Begeisterung noch jung gewesen und hatte die Leute mitgerissen. Zwei absolute Fehlschläge hatten nicht nur die Begeisterung getötet, sondern zum Teil auch die Hoffnung auf zukünftige Erfolge.
Dann, am 25. Juli 3442, kam der dritte Einsatzbefehl. Diesmal drehte es sich nicht nur darum, nach immunen Intelligenzen zu suchen. Diesmal ging es um mehr. Der CheF rief die fünfzehnköpfige Besatzung der UST-3048 zusammen und erklärte ihr, was er im Sinn hatte. Ziel des Unternehmens war der erdähnliche Planet Obelisk im System Puntoron-Shin. Die Sonne, ein gelber G-Typ, stand knapp siebzehneinhalbtausend Lichtjahre von USTRAC entfernt. Sie besaß acht Planeten, darunter war Obelisk der dritte.
In den vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten war Obelisk, eine nach außen hin paradiesische Welt, mehrmals das Ziel kleiner Siedlerflotten gewesen. Jedoch gab es bis zum heutigen Tag keine ständige terranische Siedlung auf dem Paradiesplaneten. Obelisk brachte Neusiedlern kein Glück. Kaum waren die Schiffe gelandet, da schien sich die Natur der eigenartigen Welt gegen die Eindringlinge zu verbünden. Es kam zu Unfällen, die niemand zu erklären vermochte. Dinge verschwanden, Menschen gingen verloren, wichtiges Gerät wurde beschädigt. Zwei der Siedlerexpeditionen waren, als sie Obelisk wieder verließen, auf weniger als die Hälfte ihrer ursprünglichen Kopfzahl geschrumpft. Die andern blieben von Verlusten an Menschen verschont, jedoch waren Maschinen, Saatgut und Haustiere dem unheimlichen Wüten der revoltierenden Natur zum Opfer gefallen.
Was sich im einzelnen auf Obelisk zugetragen hatte, war niemals ganz klar geworden. Die Aussagen der Siedler widersprachen einander. Die Leute hatten Übermenschliches erduldet. Es konnte ihnen nicht verübelt werden, dass ihre Perspektive sich verzerrte. Soviel war jedoch klar: Auf Obelisk war es nicht geheuer. Der Großadministrator verhängte über die unheimliche Welt eine allgemeine Siedlungssperre.
Die Beobachtung, die in den verworrenen Aussagen der unglücklichen Siedler immer wiederkehrte, bezog sich auf die überall auf der Oberfläche des Planeten verteilten, menhir-ähnlichen Objekte. Es gab deren etwa drei Millionen. Der, dem sie zuerst aufgefallen waren, hatte sie Obelisken genannt, und von da hatte die Welt ihren Namen bezogen. Es gab sie in allen denkbaren Formen, allen vorstellbaren Größen und obendrein noch aus verschiedenerlei Materialien. Die Mehrzahl war aus Stein. Es gab jedoch auch solche aus Eisen, die eine merkwürdige Ähnlichkeit mit uralten, schmiedeeisernen Säulen hatten, die auf der Erde in Vorderindien gefunden worden waren. Obwohl sie schon Jahrtausende alt sein mussten, zeigten sie nicht die geringste Rostspur. Die Obelisken, ob aus Stein oder Metall, waren von überaus regelmäßiger Form und verdankten ihre Existenz auf keinen Fall einem natürlichen Vorgang. Wer sie geschaffen hatte, das allerdings blieb vorerst eine Frage, auf die niemand eine Antwort wusste. Die Siedler waren jedoch fest davon überzeugt, dass ihr Pech mit den Säulen und Obelisken in unmittelbarem Zusammenhang stehe. Wenn man ihnen zuhörte, so ging alles Unheil von den merkwürdigen Gebilden aus – ohne dass die Siedler hätten erklären können, wie es den Obelisken möglich war, auf das Schicksal der Siedlungsexpeditionen Einfluss zu nehmen.
Vor sechs Jahren hatte sich Perry Rhodan entschlossen, das Geheimnis von Obelisk endgültig zu lüften. Unter Leitung des genialen Hyperdimregulators Professor Hung-Chuin war ein Trupp von 419 Wissenschaftlern nach Obelisk aufgebrochen, um die seltsame Welt eingehend zu studieren und die geheimnisvollen Kräfte, die den Siedlern zum Verhängnis geworden waren, unter Kontrolle zu bringen. Die Forschungsexpedition war für einen langjährigen Aufenthalt auf Obelisk ausgerüstet. Für den Transport wurde eine Flottille von vier großvolumigen Raumschiffen bereitgestellt. Die Forscher schufen sich zuerst einen Ort, an dem sie bequem wohnen und sich wie zivilisierte Menschen fühlen konnten. Die kleine Stadt wurde Point Chuin genannt. Außer den Wohngebäuden enthielt sie Forschungslaboratorien, ein Verwaltungszentrum und den unerlässlichen Hyperkomsender für die Funkverbindung mit der Erde und anderen Welten des Imperiums.