Nr. 552
Schlachtfeld Erde
Die Illusions-Armeen marschieren – das große Kriegsspiel der Menschheit beginnt
von ERNST VLCEK
Auf Terra und den anderen Menschheitswelten schreibt man Mitte November des Jahres 3442.
Vor ein paar Wochen hat der Sternenschwarm auf seinem unheilvollen Weg das Solsystem in sein Gefüge aufgenommen und damit von der übrigen Galaxis abgeschnitten.
Perry Rhodan hat eine solche Aktion des Gegners weder verhindern können, noch verhindern wollen. Schließlich besitzt er mit 25 Milliarden Menschen und etwa zehn Millionen Fremdwesen – alle haben seit der Aufnahme in den Schwarm ihre volle Intelligenz zurückerlangt – eine beachtliche Streitmacht. Hinzu kommen noch rund 105.000 moderne Raumschiffe, die in Verstecken auf ihren Einsatz warten.
Doch eines bereitet dem Großadministrator und seinen Vertrauten große Sorge: Der systemumspannende Paratronschirm, dessen Projektoranlagen von Vertretern des Homo superior zerstört wurden, ist noch nicht funktionsfähig. Die Menschheit braucht Zeit bis zu dem Tag, da die Reparaturen am Schutzschild des Systems beendet sind. Und diese Zeit soll durch Täuschungsmanöver gegenüber den Herrschern des Schwarms gewonnen werden.
Ein genialer Plan ist längst vorbereitet – und als der Inspekteur des Solsystems erscheint, nimmt der Plan Gestalt an. Illusionsarmeen marschieren und bekämpfen einander auf dem SCHLACHTFELD ERDE ...
Die Hauptpersonen des Romans
Perry Rhodan – Der Großadministrator inszeniert einen Weltkrieg.
Galbraith Deighton, Fan Dschang und Goubar Nandese – Heerführer im Kampf der Illusionsarmeen.
Ezrhad Bawanjo – Ein Mann wird ungewollt zum Verräter.
Gucky – Der Mausbiber fungiert als Retter in letzter Sekunde.
Corkt Y'Xamterre – Der Inspektor des Solsystems wird getäuscht.
1.
Als Roi Danton erwachte, sprang ihm das Plakat förmlich in die Augen: Ein schwarzer Blitz auf fluoreszierendem Grund.
Darunter stand in großen Leuchtbuchstaben: 5-D-STILLE!
Innerlich über die Propagandisten schimpfend, denen nicht einmal die Intimsphäre eines Kommandierenden heilig war, stieg er aus dem Bett. Danton fand, dass sie maßlos übertrieben, wenn sie in jeden Raum von Imperium-Alpha ihre Plakate hängten, die an die von Perry Rhodan befohlene fünfdimensionale Ortungsstille erinnern sollten.
Er ging zum Bildsprechgerät, dessen Summen ihn geweckt hatte. Dabei warf er einen Blick auf die Datumsuhr.
18. November 3442 – 19 Uhr 15.
Sie hatten ihm nicht einmal vier Stunden Schlaf gegönnt.
»Roi Danton«, meldete er sich, nachdem er eingetastet hatte.
Auf dem Bildschirm wurde einer von Galbraith Deightons Männern sichtbar.
»Sie werden gebeten, sofort ins Hauptquartier zu kommen, Sir«, sagte er mit unpersönlicher Stimme.
»Bin schon auf dem Weg«, versprach Danton. Bevor er die Verbindung unterbrach, erkundigte er sich: »Gibt es Nachricht von Atlan und der AYCROM?«
»Leider nicht, Sir.«
Atlan war vor zwei Wochen in einem uralten Springerschiff von der Erde zum Mars gestartet. Aber schon knapp hinter der Mondbahn war die AYCROM von Wachraumschiffen des Schwarms gekapert und entführt worden. Seitdem waren Atlan und die sechzigköpfige Besatzung verschollen.
Da Danton voll angekleidet im Bett gelegen hatte, konnte er sich sofort auf den Weg machen.
Er verließ seine Unterkunft und legte die wenigen Meter bis zur Nottreppe zurück. Den Antigravlift konnte er nicht benützen, denn er war wie alle anderen Anlagen, die auf fünfdimensionalen Energieformen basierten, ausgeschaltet.
Die Schwarmbeherrscher durften nicht in Erfahrung bringen, dass die Bewohner des Sonnensystems, das sie in ihr Universum aufgenommen hatten, die fünfte Dimension beherrschten. Die Menschheit täuschte vor, sich noch immer im Atomzeitalter zu befinden.
Im Schwarm sollte man glauben, dass die Terraner ein zwar intelligentes, aber ein auf einer relativ niedrigen Zivilisationsstufe stehendes Volk seien. Und noch einen Eindruck sollten die Schwarmbeherrscher gewinnen, nämlich, dass die Terraner kriegerisch seien und sich vorzüglich als Soldaten eignen würden.
Deshalb hatte Atlan gleich nach Aufnahme des Solsystems in den Schwarm eine Kampfaktion auf dem Mond inszeniert. Und aus diesem Grunde war der Arkonide auch mit der AYCROM gestartet. Er hatte gehofft, dass es zu einer Konfrontation mit den Wachraumschiffen kommen würde und die Terraner so ihren »Aggressionstrieb« demonstrieren könnten ...
Seit damals plagte Danton die Frage, was aus Atlan und seiner Mannschaft geworden war.
Auf der Nottreppe herrschte ein ziemliches Gedränge. Seit das Solsystem in den Schwarm aufgenommen war und auch die letzten Spuren der Verdummung von den Menschen abgefallen waren, hatte Imperium-Alpha wieder eine vollständige Besatzung.
Danton erinnerte sich noch mit Schaudern an die Zeit, als die zwölf unterirdischen Hauptetagen mit einer Grundfläche von jeweils fünfzig mal fünfzig Kilometern von nur sechshundertvierundneunzig Immunen bevölkert waren. Damals war das gigantische Nervenzentrum des Solaren Imperiums eine Geisterstadt gewesen, in der sich einige wenige Unermüdliche darum bemühten, die gewaltigen Anlagen in Betrieb zu halten.
Heute herrschte hier wieder jene Betriebsamkeit wie vor der Verdummung. Die Rohrbahnen verkehrten wieder, Prallfeld-Energiefahrzeuge rasten durch die Schnellverbindungsstollen, die Transportbänder liefen Tag und Nacht – und überall waren Menschen, die ihre frühere Intelligenz zurückerhalten hatten.
Und doch, einiges hatte sich gegenüber früher verändert. Die internen Kurzstreckentransmitter waren außer Betrieb, die Antigravlifts lagen still, in den Funkstationen wurden die Hyperkome unter Verschluss gehalten, alle Maschinen, die mit fünfdimensionalen Energien arbeiteten, wurden abgesichert.
An den Wänden prangten Plakate mit einem schwarzen Blitz auf fluoreszierendem Untergrund.
5-D-Stille!
Imperium-Alpha war schon immer eine streng gehütete Bunkerstadt gewesen – schließlich liefen hier alle Fäden des Solaren Imperiums zusammen. Aber in diesen Tagen glich sie einem gigantischen Safe, den man von innen tausendfach versperrt hatte.
Der Grund für diese besonderen Sicherheitsmaßnahmen lag auf der Hand. Die Schwarmbewohner durften nichts von der Existenz dieser Nervenzentrale erfahren, denn sonst hätten sie den Terranern nicht mehr abgenommen, dass sie sich mitten im Atomzeitalter befanden und gerade die ersten Schritte zu den Sternen unternahmen.
Die Männer und Frauen von Imperium-Alpha waren sich ihrer Lage vollkommen bewusst. Sie verstanden, dass sie, tief unter der Oberfläche und von der Umwelt abgeschnitten, in ständiger Alarmbereitschaft leben mussten.
Die Erde und die anderen Planeten des Systems wurden ständig von wachsamen Augen aus dem All beobachtet, von hellhörigen Ohren belauscht.
Deshalb: 5-D-Stille!
Achtung: Feind ortet!
Roi Danton erreichte das Hauptquartier, in dem alle Besprechungen abgehalten wurden, die mit den in Kraft getretenen Notstandsverordnungen zusammenhingen.
Als er den verhältnismäßig kleinen Sub-Kommandostand betrat, in dem sich nie mehr als zwanzig Personen versammelten, war bereits eine heiße Debatte im Gange.
Der Ruf nach militärischen Maßnahmen war nicht zu überhören.
*
Perry Rhodan und Galbraith Deighton saßen mit sechs Militärs und ebenso vielen Wissenschaftlern um den mit allerlei technischen Hilfsgeräten ausgestatteten Konferenztisch.
General Fan Dschang, einer der Befehlshaber der vor kurzem gegründeten Illusions-Armee, hatte das Wort ergriffen.
Er sagte gerade zu Perry Rhodan: »Sie haben geahnt und gehofft und mit allen Mitteln darauf hingezielt, dass das Sonnensystem vom Schwarm verschluckt wird. Sie haben schon im voraus alles bis ins kleinste Detail durchdacht, um den Götzen falsche Tatsachen vorzutäuschen. Ich muss zugeben, dass Ihr Team in dieser Beziehung vortreffliche Arbeit geleistet hat. Aber nun wird es Zeit, dass etwas zum Schutze der fünfundzwanzig Milliarden Menschen und der zehn Millionen Fremdwesen geschieht. Mit dem Solsystem wollten Sie den Götzen ein trojanisches Pferd zum Geschenk machen. Nun lassen Sie es endlich ausschlagen, Herr Großadministrator!«
»Darf ich Sie daran erinnern, dass es in unserem neuen Weltbild keinen Großadministrator mehr gibt, General Dschang!«, sagte Rhodan scharf. »Es gibt kein Solares Imperium mehr, sondern nur noch eine uneinige Erde, die sich am Rande eines Bruderkrieges befindet.«
»Sie weichen mir aus«, erwiderte Fan Dschang zornig. »Sie lenken vom tatsächlichen Problem ab. Das Täuschungsmanöver, mit dem Sie den Schwarmgötzen glaubhaft machen wollen, dass wir eine Zivilisation wie vor fünfzehnhundert Jahren haben, das ist nur von sekundärer Bedeutung ...«
»Deshalb haben wir auch die nächste Phase ›Sekundärplan‹ getauft«, warf ein Wissenschaftler ein.
Fan Dschang fuhr unbeirrbar fort: »Es ist ungleich wichtiger, wirksame Maßnahmen zum Schutze der im Solsystem befindlichen Lebewesen zu treffen!«
»Die Reparaturarbeiten an den Anlagen für den systemumspannenden Paratronschirm gehen in fieberhafter Eile voran«, sagte der Hyperphysiker aus den Reihen der Wissenschaftler.
General Dschang machte eine wegwerfende Handbewegung.
»Paratronschirm – wenn ich das nur höre! Unsere ursprüngliche Absicht war es, das Sonnensystem vom Schwarm einfangen zu lassen, um die Götzen von innen her zu bekämpfen. Wir verfügen über 105.000 Schiffe – eine schlagkräftige Flotte. Warum schlagen wir damit nicht zu? Worauf warten Sie denn noch? Dass man die Flotte entdeckt und das Sonnensystem vernichtet?«
Rhodans Gesicht blieb ausdruckslos, als er sagte: »Ich habe eine Reihe guter Gründe, die Flotte noch nicht einzusetzen. Wenn wir mit unseren Einheiten in den Schwarm vorstoßen, dann wäre das Solsystem praktisch schutzlos, die Götzen könnten es in einem Handstreich vernichten. Außerdem kannten sie dann unsere tatsächliche Stärke. Und wer weiß, welche Kräfte sie in einem absoluten Notfall aufbieten könnten. Wir kennen ihre wirkliche Macht noch nicht.«
»Es kann keine Rede davon sein, dass das System schutzlos bleiben soll«, erklärte General Dschang. »Fünftausend Schiffe, von denen jedes schlagkräftiger ist als drei Schwarmschiffe, müssten genügen, das Sonnensystem gegen alle Eventualitäten zu schützen. Zumindest solange, bis genügend Schiffe der Frontflotte zurückgerufen wurden.«
»Warum sollten wir unsere günstige Position durch einen Angriffskrieg zerstören?«, fragte Rhodan.
»Weil Angriff die beste Verteidigung ist!«
»Nicht in diesem Fall«, widersprach Rhodan. »Vergessen Sie nicht, dass wir keineswegs gegen die Schwarmvölker in den Krieg ziehen wollen. Unsere Absicht ist es vielmehr, unsere Galaxis vor dem verderbenbringenden Einfluss des Schwarms zu beschützen. Und da genügt es, die Macht der Götzen zu brechen. Sie, die Götzen, sind des Übels Wurzel.«
»Dann unternehmen Sie etwas gegen sie!«
»Zuerst muss der Paratronschirm um das System stehen«, erklärte Rhodan. »Erst wenn die Sicherheit der fünfundzwanzig Milliarden Menschen und der zehn Millionen Fremdwesen gewährleistet ist, können wir handeln.«
»Und wer sagt, dass der Paratronschirm ihre Sicherheit gewährleistet?«, erkundigte sich General Dschang höhnisch. Damit hatte er das stärkste Argument der Verfechter eines Angriffskrieges vorgebracht. »Es ist noch nicht bewiesen, dass der Paratronschirm gegen jeden erdenklichen Angriff Schutz bietet.«
»Immerhin haben wir während des Aufenthalts der MARCO POLO im Schwarm einige interessante Aufschlüsse erhalten«, erwiderte Rhodan.
Mit einer Handbewegung erteilte er dem Hyperphysiker das Wort.
Dieser begann: »Der Testflug der MARCO POLO hat eindeutig bewiesen, dass der Paratronschirm von keinem der bisher angetroffenen Gegner auch nur annähernd gefährdet werden konnte. Er hat allen bisherigen Angriffen mühelos standgehalten.
Eine Bedrohung stellen eigentlich nur die überaus starken hypnosuggestiven Sendungen dar, die jedoch nur von den großen Kristallplaneten ausgehen. Das Solsystem müsste schon in ziemlicher Nähe einer solchen Kristallwelt stehen, damit der Paratronschirm durchdrungen werden könnte. Aber wie wir wissen, ist das nicht der Fall. Die Positroniken geben uns jedenfalls recht, dass der Paratronschirm eine wirkungsvolle Abwehr gegen Angriffe aus dem Schwarm darstellt. Wir sollten nichts an dem augenblicklichen Zustand ändern, bevor der Paratronschirm nicht steht.«
»Ich muss noch einmal in aller Deutlichkeit feststellen, dass ich von dieser Lösung nichts halte«, rief General Dschang. »Die Götzen können Planeten, Sonnen, ja ganze Sonnensysteme beliebig versetzen. Es wäre also möglich, dass sie uns einen Kristallplaneten schicken, um uns endgültig in die Knie zu zwingen.«
»Der Faktor einer hypnosuggestiven Beeinflussung wurde beachtet«, meinte Rhodan. »An einer Lösung dieses Problems wird ebenfalls gearbeitet. Im übrigen, General Dschang, wollen wir es gar nicht soweit kommen lassen, dass die Götzen wirksame Maßnahmen gegen uns ergreifen. Wir tun alles, um ihr Vertrauen zu gewinnen und den Eindruck zu erwecken, dass wir das richtige Volk für die Aufnahme in ihre Kampftruppe sind. Deshalb haben wir auch den ›Sekundärplan‹ vorbereitet.«
»Der Sekundärplan ist ein lächerliches Manöver«, stellte General Dschang abfällig fest. »Er ist keine wirksame Maßnahme, sondern ein läppisches Kriegsspiel.«
»Ich muss Sie daran erinnern, dass Ihre Aufgabe darin besteht, dieses Kriegsspiel zum gegebenen Zeitpunkt zu inszenieren«, sagte Rhodan. »Keineswegs jedoch sollen Sie einen echten Krieg provozieren. Vergessen Sie das nie, General Dschang!«
»Ich habe verstanden«, sagte Fan Dschang gepresst.
Während Rhodan und die Wissenschaftler sich noch mit den für radikale Maßnahmen eintretenden Militärs auseinandersetzten, hatte Roi Danton ein Visiphongespräch entgegengenommen.
Er wartete eine Gesprächspause ab, dann sagte er: »Die Ortungszentrale hat eben gemeldet, dass plötzlich eine hektische Betriebsamkeit in den Reihen der Schwarmwachflotte herrscht. Die Funkzentrale bemüht sich gerade, die unzähligen Hyperfunksprüche zu entschlüsseln und den Grund für diese Aufregung herauszufinden.«
Rhodan sagte tonlos: »Das könnte bedeuten, dass wir den Sekundärplan verwirklichen müssen.«
2.
»Es hat noch nicht einmal einen Monat gedauert«, sagte Rita Bawanjo, »und nun soll es schon wieder enden.«
Ihr Mann Ezrhad hatte schon den ganzen Tag über gemerkt, dass irgend etwas mit ihr nicht stimmte, aber nichts gesagt.
Eigentlich war sie überhaupt so ganz anders als früher. Sie war nicht mehr die Rita, die er vor dem Ausbruch der Verdummung gekannt hatte. Aber er hatte dem nie besondere Bedeutung beigemessen, denn sie alle waren verändert.
Nur die Kinder und die Tiere schienen sich schnell wieder in ihr früheres Leben eingefunden zu haben. Boyran, sein zehnjähriger Sohn, jedenfalls war so, wie er ihn in Erinnerung hatte.
Er maulte über die wiedereingeführte Schulpflicht, flitzte untertags mit seinen Freunden im Elektrojeep durch den Naturpark und vertiefte sich abends in die Fernsehsendungen. Nur dass er jetzt nicht die Science-Fiction-Filme und die historischen Schinken konsumierte, sondern die Sendungen des »Sekundär-Studios«.
»Was soll denn ein Ende haben?«, fragte Ezrhad, ging zu seiner Frau, die in der Terrassentür des Bungalows stand und legte ihr die Hand um die Schulter.
»Das alles«, murmelte sie. »Wir sind erst darangegangen, unser Leben zu normalisieren – und schon wieder ist ein neuer Notstand ausgerufen worden. Wir haben unsere Persönlichkeit zurückgewonnen und müssen sie schon wieder verändern.«
»Das ist doch nur vorübergehend«, tröstete er sie. »Du siehst doch die Notwendigkeit der Maßnahmen ein. Oder ist dir etwas unklar? Wenn du Fragen hast, dann werde ich Sie dir gerne beantworten.«
»Ich beneide dich um deine Fähigkeit, die Dinge so nüchtern zu betrachten«, sagte sie und sah ihm in die Augen. Auf ihren ebenholzschwarzen Armen hatte sich eine Gänsehaut gebildet.
Er fuhr ihr zärtlich über die Arme.
Sie fuhr fort: »Ich weiß natürlich, dass die Ausrufung des Notstands notwendig ist. Aber ich kann mich einfach nicht so leicht damit abfinden wie du. Ich bin eine Frau.«
»Ich kann dich verstehen.«
»Das bezweifle ich, Eze. Sieh nur zum Himmel hinauf. Früher waren dort Sterne. Jetzt ist der Himmel voll von seltsamen, verschwommenen Lichtstreifen.«
»Dieser Effekt wird nur dadurch hervorgerufen, weil sich der Schwarm mit halber Lichtgeschwindigkeit fortbewegt und die Erde relativ zu ihm stillsteht«, erklärte Ezrhad. »Aber die Lichtstreifen sind nichtsdestoweniger Sterne.«
»Fremde, streifenförmige Sterne in einem fremden Universum.«
»Ist das so erschreckend?«
»Ja, Eze, ich habe Angst.«
»Wovor? Vor den Gelben Eroberern? Wir brauchen nicht zu befürchten, dass sie die Erde als Brutstätte benutzen. Du hast Rhodans Erklärung gehört, dass wir durch die Aufnahme in den Schwarm vor den Gelben Eroberern sicher sind. Und von den anderen Schwarmvölkern droht uns ebenfalls keine Gefahr. Wir sind für sie viel zu wertvoll.«
»Warum denn dieses Versteckspiel, Eze?«, sagte Rita zweifelnd. »Warum dürfen wir nicht wir sein. Warum dürfen wir nicht die technischen Errungenschaften gebrauchen, nicht in den Genuss all der zivilisatorischen Einrichtungen kommen, die wir uns in einer jahrtausendelangen Entwicklung geschaffen haben. Warum müssen wir unseren Status verheimlichen und uns in die Primitivität des Jahres zweitausend flüchten?«
»Es gehört alles zu Rhodans Plan, um die Schwarmgötzen hinters Licht zu führen.«
»Und wenn das nicht gelingt, werden sie uns alle vernichten.«
»Das Täuschungsmanöver wird gelingen, wenn wir jeder unseren Teil dazu beitragen.«
Sie blickte in sein entschlossenes Gesicht und ging ins Wohnzimmer zurück.
»Ich bin eine Närrin, ich weiß, aber ...«
Er setzte sich zu ihr auf die Couch und gemeinsam verfolgten sie auf dem Bildschirm die Sendung des »Sekundär-Studios«. Boyran saß auf dem Boden und war so sehr in das laufende Programm vertieft, dass die Umwelt um ihn versank. Er merkte nicht einmal, dass seine Eltern hinter ihm saßen.
Die Propagandasendung war auch unglaublich realistisch gestaltet. Niemand, der es nicht wusste, hätte es für möglich gehalten, dass die Massenkundgebungen und Demonstrationen in Peking, Haifa und Kairo nur gestellt waren. Die Demonstranten forderten auf Transparenten und in Sprechchören die »Zerschlagung der Europäisch-Atlantischen-Allianz« und die »Entmachtung Terranias«.
Es fiel bei all diesen Szenen nur auf, dass die Demonstranten nie in Großaufnahme gezeigt wurden. Aber die Beobachter aus dem Schwarm, die diese Sendungen analysierten, um sich ein Bild der Terraner zu verschaffen, würden sich dabei sicherlich nichts denken.